Experimentelle Therapieansätze
Aufgrund dieser positiven Erfah- rungen bei der Behandlung des reak- tiven Vasospasmus nach Subarachnoi- dalblutungen wird diese hämody- namisch wirksame Volumentherapie derzeit experimentell bei Patienten mit einem akuten Hirninfarkt einge- setzt (58).
In einer an 24 Patienten mit ei- nem akuten Hirninfarkt im Versor- gungsgebiet der A. cerebri media durchgeführten Pilotstudie kombinier- ten wir unter intensivmedizinischer Überwachung eine Volumentherapie mit HES 200/0,5 mit der Gabe von Sympathomimetika. Bei 13 Patienten beobachteten wir in direkter Korrela- tion zu einer 30prozentigen Steige- rung des HZV und einer zehnprozen- tigen Anhebung des Blutdrucks eine 30prozentige Verbesserung des neu- rologischen Score. Bei den restlichen elf Patienten ohne klinische Besse- rung zeigte sich eine nur halb so aus- geprägte Steigerung der Makrohä- modynamik. In der transkraniellen Dopplersonographie (TCD) fand sich in der ischämischen Hirnregion eine signifikante Korrelation zwischen Makro- und Mikrohämodynamik, die mittlere TCD-Fließgeschwindigkeit korrelierte hier mit Blutdruck und HZV, während in der autoregulativ intakten gesunden Hemisphäre eine solche Korrelation nicht zu erwarten war und auch nicht beobachtet wer- den konnte (40, 51, 57).
Dies führt zu einer klaren Ar- beitshypothese: Die in ihrer auto- regulativen Gegensteuerung einge- schränkten ischämischen Hirnareale (Penumbra) dürften von einer HZV
und Blutdruck anhebenden makrohä- modynamischen Therapie profitieren, weil eine hämodynamische Steige- rung als Folge der eingeschränkten Autoregulation gleichsam ungedros- selt an die Penumbra weitergegeben werden kann (9, 26, 36, 49, 60). Man kann sich sogar vorstellen, daß die therapiebedingte autoregulative Er- höhung des Gefäßwiderstandes des umgebenden nicht betroffenen Hirn- gewebes das relative Blutangebot für die Penumbra erhöht, da so die Stei- gerung von HZV und Blutdruck in die Penumbra fokussiert werden kann, al- so genau an der Stelle wirkt, wo die Verbesserung der Mikrohämodyna- mik klinisch unterversorgtem, aber restitutionsfähigem Gewebe zugute kommt.
Natürlich weiß man im Einzelfall nicht, ob und ab welchem Wert eine Blutdruck- und HZV-Steigerung die eventuelle Gefahr einer Infarktein- blutung, einer Verstärkung des isch- ämischen Hirnödems oder einer Schä- digung der Blut-Hirn-Schranke in sich birgt, mit anderen Worten, bis zu wel- chen Werten der Nutzen einer verbes- serten Perfusion diese Risiken über- wiegt (1, 10, 21, 31, 63).
Als Stellglied der therapeuti- schen Intervention muß zudem das Herz in der Lage sein, Vorlaststeige- rung und eventuell sympathomimeti- schen Antrieb in eine Erhöhung von Blutdruck und HZV umzusetzen.
Vor Volumenbelastung läßt sich mit- tels Echokardiographie die Gefahr der akuten Lungenstauung grob ab- schätzen, wobei die linksventriku- lären systolischen (dilatierter Ventri- kel, reduzierte Verkürzungsfraktion, Hypo- oder Akinesien) und diastoli- schen Funktionen (kleine Kammer,
Myokardhypertrophie, Hinweis auf Relaxationsstörung im Mitraldopp- ler) als Risikomarker gelten können.
Katecholamine verbieten sich bei vorbestehender Tachykardie (zum Beispiel unkontrollierte Kammerfre- quenz bei Vorhofflimmern, Thyreo- toxikose). Eine positive ino- (und chrono-)trope Intervention mit Do- sen, wie sie in diagnostischen Bela- stungstests nicht unüblich sind, ver- mag bei koronarer Herzkrankheit ei- ne akute Myokardischämie zu er- zeugen, so daß sorgfältige kardiale Anamnese, ärztliche Überwachung und EKG-Kontrollen (Extremitäten- und Brustwandableitungen 5 bis 15 Minuten nach Behandlungsbeginn) obligat erscheinen.
Zum jetzigen Zeitpunkt sollte ei- ne durch Sympathomimetika unter- stützte Volumentherapie beim akuten Hirninfarkt daher nur in kontrollier- ten Studien sowie als Therapieversuch bei einer akuten neurologischen Ver- schlechterung infolge eines Blutdruck- abfalls eingesetzt werden.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-553–556 [Heft 9]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser
Priv.-Doz. Dr. med. Johannes Treib Neurologische Klinik
Universitätskliniken des Saarlandes Kirrberger Straße
66421 Homburg
A-556
M E D I Z I N
ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT
(52) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 9, 5. März 1999 Eine zwei Jahre währende ameri-
kanische Studie an 800 Veteranen mit arterieller Hypertonie ergab enttäu- schende Ergebnisse bezüglich der Ef- fektivität der Hochdruckbehandlung.
Die durchschnittlichen systolischen RR-(Riva-Rocci-)Werte waren von in- itial 146,2 mmHG nach zwei Jahren mit 145,4 nahezu unverändert. Zwar sanken die diastolischen RR-Werte si-
gnifikant von 84,3 auf 82,6 mmHG, blieben aber auf einem insgesamt ho- hen Niveau. 40 Prozent der behandel- ten Patienten wiesen nach zwei Jahren weiterhin RR-Werte größer als 160/90 mmHG auf, und dies trotz durch- schnittlich 6,4 Arztbesuchen pro Jahr.
Als eine der Hauptursachen für die mangelhafte RR-Einstellung sehen die Untersucher die fehlende ärztliche Be-
reitschaft, bei inadäquater RR-Kon- trolle die antihypertensive Medikation entsprechend anzupassen. acc
Berlowitz DR et al.: Inadequate manage- ment of blood pressure in a hypertensive population. N Eng J Med 1998; 339:
1957–1963.
Dr. Berlowitz, HSR & D Field Program, Bedford Veterans Affairs Hospital, 200 Springs Rd., Bedford, MA 01730, USA.