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Archiv "NS-Forschungsprojekt: Biografien jüdischer Kassenärzte und die kassenärztliche Organisation in Berlin" (17.03.2006)

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Diskriminierung und Ausgrenzung nahmen jedoch bald schon zu. Zur Feststellung der „arischen Abstam- mung“ versandten die Kassenärztli- chen Vereinigungen bereits im Mai 1933 Fragebögen an alle Kassenärzte.

Das Ergebnis kann man heute noch in den Einträgen auf den Karteikarten des Reichsarztregisters sehen. Gemäß Zulassungsverordnung vom 28. Sep- tember 1933 wurde nur denjenigen jü- dischen Ärzten die Zulassung nicht entzogen, „die aufseiten des Deut- schen Reiches oder seiner Verbünde- ten am Weltkriege teilgenommen ha- ben und seit dem Tage ihrer Approbati- on mindestens ein Jahr lang ärztlich

tätig gewesen sind“. Arthur Jacobsohn hatte nicht nur aktiv für das Deutsche Reich gekämpft, er hatte auch das Ei- serne Kreuz II. und I. Klasse verliehen bekommen. Das schien ihn wieder zu beruhigen, konnte er doch seine Praxis in Kreuzberg weiter betreiben. Die all- täglichen Drangsalierungen konnte man so verdrängen, und die Hoffnung auf eine Wendung zum Besseren nahm zu. Doch spätestens 1938 steigerte sich die Judenfeindschaft zur offenen Ver- folgung.

In finanzieller Hinsicht hatten die Reichsfluchtsteuer oder die Devisenbe- stimmungen von Anfang an dafür ge- sorgt, dass Juden ihr Vermögen nach

und nach an den Fiskus abgeben muss- ten. Die Reichsfluchtsteuer, die bereits 1931 eingeführt worden war, um kapi- talkräftige Personen von der Auswan- derung abzuhalten, wurde im Mai 1934 durch eine Absenkung des Freibetrags von 200 000 RM auf 50 000 RM ver- schärft. Diese Steuer war primär ein In- strument der Enteignung emigrieren- der Juden durch den Staat. Die Behör- den begründeten diese Regelung damit – so Susanne Heim –, dass Juden ihr Vermögen auf Kosten der nichtjüdi- schen Deutschen angehäuft hätten (5).

Was die Reichsfluchtsteuer den Emi- granten an Vermögen gelassen hatte, wurde durch die restriktive Devisenge- T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 11⏐⏐17. März 2006 AA677

S

eit Juli vergangenen Jahres untersu- chen Historiker in einem For- schungsprojekt die Geschichte der Berliner Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Nationalsozialismus. Ermöglicht wurde dieses Projekt durch finanzielle Unterstützung der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung, der Bundesärztekammer, des Deutschen Ärzte-Verlags, der KV Berlin sowie durch Spenden von Ärzten.

Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Geldmitteln ist dieses auf drei Jahre kon- zipierte wissenschaftliche Projekt zu zwei Dritteln gesichert.

Ziel des Projekts ist zum einen, die Geschichte der Berliner KV zwischen 1933 und 1945 unter Berücksichtigung reichsweiter Ereignisse zu erarbeiten;

hier wird personellen und institutionel- len Fragen nachgegangen, um die Ar- beitsweise, Aufgabenbereiche und Kon- sequenzen nationalsozialistischer Ge- sundheitspolitik im Arztregisterbezirk Berlin nachzuzeichnen. Die Kassen- ärztliche Vereinigung Deutschlands (KVD) und ihre Verwaltungsstellen re- gelten beispielsweise die Kassenzulas- sung; damit war es möglich, nicht nur jü- dischen, sondern auch politisch opposi- tionellen Kassenärzten die Zulassung zu entziehen. Mit der Ausschaltung der größtenteils hoch qualifizierten Kolle-

gen verstieß die KV nicht nur gegen das ethische Gebot der Kollegialität, son- dern verletzte damit auch ihre Verpflich- tung, die ausreichende ärztliche Versor- gung der Versicherten zu gewährleisten.

In dem zweiten Projektbereich, zu dem bereits einige wichtige Vorarbeiten geleistet werden konnten, geht es um die Erstellung eines Gedenkbuches: Hierzu werden die biografischen Daten der bis- her bekannten 1 737 jüdischen Kas- senärzte Berlins aus vorhandenen (in- ternationalen) Ärztelisten, Reichsmedi- zinalkalendern, Verwaltungsakten, ver- öffentlichten Nekrologen oder archiva- lischen Quellen zusammengetragen.

Diese 1 737 Namen wurden auf der Grundlage des mittlerweile digitalisier- ten Reichsarztregisters (RAR) (3), das aus 97 097 Karteikarten besteht, ermit- telt. Bisher gingen die Forscher davon aus, dass von den etwa 3 600 Berliner Kassenärzten im Jahr 1933 circa 2 000 jüdischer Herkunft waren (4). Die auf RAR-Grundlage ermittelte Zahl kommt dieser Schätzung relativ nahe.

Bei dem RAR handelt es sich um ein alphabetisch angelegtes, reichsweites Arztregister. Bis 1934 wurde es vom Ver- band der Ärzte Deutschlands (seit dem Tod seines Gründers Hartmannbund ge- nannt) verwaltet und dann von der im August 1933 gegründeten KVD über- nommen. 1933 befand sich das RAR noch beim Hartmannbund in Leipzig. In diesem Jahr siedelte die gesamte Leipzi- ger Mannschaft der Hauptgeschäftsstel- le des Hartmannbundes nach Berlin über und bildete dort die Geschäfts- führung der KVD (9). Damit kam auch das RAR nach Berlin. Aber erst durch die „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Kran- kenkassen“ vom Mai 1934 übernahm die KVD auch das RAR des Hartmannbun- des (10).

Die Karteikarten zu den 1 737 jüdi- schen Kassenärzten im Arztregisterbe- zirk Berlin enthalten sehr unterschiedli- che biografische Angaben – manche sind akribisch ausgefüllt worden, andere wie- derum nur sehr spärlich. In jedem Fall geben sie erste wichtige Hinweise auf je- ne Menschen, die von den Nationalso- zialisten wegen ihrer Religionszu- gehörigkeit, die für die Nazis jedoch eine

„rassische“ Zuordnung war, verfolgt wurden.

NS-Forschungsprojekt

Biografien jüdischer Kassenärzte und die

kassenärztliche Organisation in Berlin

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