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Archiv "Überweisungsverhalten von Ärzten: Fachärzte überweisen häufiger" (17.09.2010)

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A 1742 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 37

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17. September 2010

ÜBERWEISUNGSVERHALTEN VON ÄRZTEN

Fachärzte überweisen häufiger

Mit Daten aus Baden-Württemberg konnten erstmals großflächig die Patientenwege nachvollzogen werden.

D

er ambulante Sektor des deutschen Gesundheitswe- sens beruht auf Arbeitsteilung. Ei- gentlich sollte der Hausarzt der ers- te Ansprechpartner der Patienten sein und diese im Bedarfsfall an ambulant tätige Gebiets- oder Teil- gebietsärzte überweisen. Ob dieses Konzept funktioniert, könnte unter anderem durch die Auswertung sta- tistischer Daten, die es dazu gibt, geklärt werden. Umso überraschen- der ist es, dass bisher so gut wie keine Daten oder Statistiken zum Überweisungsverhalten im Bundes- gebiet oder in einzelnen Bundeslän- dern publiziert wurden. Einige we- nige Untersuchungen befassen sich mit kleinen, ausgewählten Patien- tengruppen oder beziehen sich auf eine regional sehr begrenzte Aus- wahl von Hausarztpraxen und Spe- zialisten.

Deshalb wurde am Institut für Allgemeinmedizin der Universität Ulm in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Ba- den-Württemberg (KVBW) erst- mals eine Analyse von Über - weisungsdaten durchgeführt. Die KVBW stellte aufbereitete Ab-

rechnungsdaten zur Verfügung, die Daten wurden am Institut für All- gemeinmedizin in Ulm analysiert.

Diese Daten umfassen die Abrech- nungsdaten aller niedergelassenen Ärzte in Baden-Württemberg im Kalenderjahr 2008. Ziel der Ana - lyse war es, das Überweisungs - verhalten zwischen Allgemeinarzt und Spezialisten zu untersuchen und so den Stand der hausärztli- chen Koordinierungsfunktion zu evaluieren.

Oft direkte Inanspruchnahme der Spezialisten

Im Jahr 2008 rechneten 8 270 fach- ärztliche Praxen und 3 941 Haus- arztpraxen (Allgemeinärzte und hausärztlich tätige Internisten) mit der KVBW Leistungen ab (67,7 Prozent Spezialisten, 32,3 Prozent Hausärzte).

Die Fallzahl betrug für Gebiets- ärzte gesamt 32,4 Millionen, von diesen wurden 64,3 Prozent durch Überweisung ausgelöst, mehr als ein Drittel der Behandlungen beim Spezialisten erfolgten durch direkte Inanspruchnahme ohne Überwei- sung. In diesem Punkt bestehen

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sprechen und einzukalkulieren, das macht die Qualität des Arztes, des Personals und letztlich der Klinik aus.“

Prof. Dr. med. Hans Stoffels, Chefarzt der Berliner Parkklinik Sophie Charlotte, einer Privatklinik für Psychiatrie und Psychosomatik, ergänzt: Es gebe auch Angst, die sich der Arzt eingestehe und mit der er umzugehen lerne. Zum Beispiel die Angst, schlechte Nachrichten zu überbringen. Aber manchmal, sagt Stoffels, werde der Arzt auch von einer untergründigen Angst gelenkt, die ihn davon abhalte, sich einem Patienten zu widmen. Gelegentlich klammere sich nämlich ein ängstli- cher Patient so verzweifelt an den Arzt und bedränge ihn derart, dass es „dann menschlich nachvollzieh- bar ist, dass sich der Kollege be- droht und eingeengt fühlen kann und mit Abwehr reagiert“.

Der Psychiater erinnert sich zu- dem an eine persönliche, ängstigen- de Erfahrung: Ein als gefährlich ein- gestufter Patient bedrohte ihn mit einer Waffe. „In dieser Situation hatte ich Angst“, berichtet Stoffels,

„denn ich war mir nicht sicher, ob es mir gelingen würde, dass der Patient die Waffe weglegt. Aber es ist gut ausgegangen.“ Er hebt hervor, dass dem Thema Angst im Krankenhaus nur zu begegnen ist, wenn es the- matisiert wird: zwischen Arzt und Patient, zwischen den Kollegen und zwischen den Berufsgruppen in der Klinik. Und er fügt hinzu: „Wir müssen lernen, einander Fragen zu stellen, und dann auch die Geduld haben, die Antworten abzuwarten.“

Inge Walter hat übrigens die erste Hand-OP überstanden. Sie wackelt mit dem Daumen, zeigt die rosige Narbe, die gut aussieht. Die Ober- ärztin und die Krankenschwestern seien hervorragend, lobt sie zufrie- den. Und die Schmerzen seien viel erträglicher geworden und gingen gegebenenfalls sogar ganz weg. Sie werde dennoch für die zweite Ope- ration nicht ohne Angst in die Kli- nik gehen, aber: „Ich liebe ja Wes- tern. Und es war doch John Wayne, der gesagt hat: ‚Mut ist, wenn man Todesangst hat, aber sich trotzdem in den Sattel schwingt.‘ Oder?“ ■

Ulrike Hempel

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Deutsches Ärzteblatt

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17. September 2010 A 1743 Die meisten Überweisungen stell-

ten Hausärzte zu Augenärzten (14,4 Prozent aller hausärztlichen Über- weisungen), Frauenärzten (14,2 Prozent), Orthopäden (11,2 Pro- zent) und Dermatologen (8,6 Pro- zent) aus. Internisten der Teilgebie- te Kardiologie, Hämatologie/Onko- logie und Pneumologie, Neurolo- gen und Psychotherapeuten hatten den größten Anteil an Patienten, die vom Hausarzt zum Gebietsarzt überwiesen wurden. Den geringsten Anteil an Patienten, die vom Haus- arzt überwiesen wurden, hatten An- ästhesisten (8,5 Prozent), Mund- Kiefer-Chirurgen (12,5 Prozent), Radiologen (25,6 Prozent) und Frauenärzte (26,3 Prozent).

Einige „Muster“ im Überwei- sungsverhalten lassen sich inhalt- lich gut nachvollziehen. So kann die Tatsache, dass es einen hohen Anteil an Überweisungen von Spe- zialisten zu Anästhesisten gibt, da- durch erklärt werden, dass die Fachkompetenz von Anästhesisten zumeist von Operateuren in der Vorbereitung auf operative Eingrif- fe gesucht wird. Der hohe Anteil von überwiesenen Patienten bei Teilgebietsinternisten spricht dafür, dass hier die ambulante Arbeitstei- lung am ehesten so funktioniert wie idealer Weise vorgesehen.

Eigenständig betrachtet werden müssen Radiologen und Nuklear- mediziner, deren Leistung nach den Regeln des Bundesmantelvertrags für Ärzte im Rahmen der vertrags- ärztlichen Versorgung „nur auf Überweisung in Anspruch genom- men werden“ darf. Augenärzte so- wie Psychiater erheben einen An- spruch darauf, eine „quasi haus- ärztliche Funktion“ zu erfüllen. Die hohe Zahl an Patienten mit Über- weisungsscheinen spricht gegen diese Annahme. Nur wenige Pa- tienten kontaktieren den Augenarzt oder den Psychiater direkt als „Pri- märarzt“.

Anzahl an Überweisungen je Hausarztpraxis

Oft findet man die Annahme, es ge- be Unterschiede im Überweisungs- verhalten zwischen großen und kleinen Hausarztpraxen und zwi- schen Hausarztpraxen in der Stadt

und auf dem Land. Die Praxisgröße der Hausarztpraxen lässt keinen Be- zug auf den Anteil der Patienten, die überwiesen werden, erkennen.

Die Streuung der Überweisungsra- ten ist bei großen, mittleren und kleinen Praxen groß, Unterschiede lassen sich durch die Praxisgröße nicht hinreichend erklären.

Der Vergleich des Überwei- sungsverhaltens zwischen „kreis- freien Städten“ und Landkreisen soll etwas genauer betrachtet wer- den. Die meisten Überweisungen pro Patient wurden von Hausärzten in den Städten Heidelberg, Stuttgart und Karlsruhe (77 bis 74 Überwei- sungen pro 100 Patienten) ausge- stellt. Die geringste Anzahl findet man bei Patienten aus dem Land- kreis Biberach, dem Main-Tauber- Kreis und dem Landkreis Sigmarin- gen (42 bis 49 Überweisungen pro 100 Patienten). Es zeigt sich eine geringfügige, statistisch nicht signi- fikante höhere Überweisungsrate in den Städten (62 Überweisungen pro 100 Patienten) im Vergleich zu den ländlichen Kreisen (56 Überwei- sungen pro 100 Patienten).

In der Regel wird noch einmal weiterüberwiesen

Die hier dargestellten Daten stellen eine vorläufige und erste Basis für die Evaluation der Veränderungen ambulanter Versorgungsstrukturen dar, die in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen werden, wie etwa die Verträge zur integrierten Versorgung oder die sogenannten Hausarztverträge.

Es ist festzuhalten, dass es bis- her eher die Regel denn die Aus- nahme ist, dass ein Patient, der vom Hausarzt zum Spezialisten überwiesen wurde, noch mindes- tens einmal weiterüberwiesen wird.

Eine genauere Analyse dieser Über- weisungsstrukturen könnte mehr Transparenz im Gesundheitssystem schaffen und zu einer höheren Ef - fizienz führen. Vorläufig nicht ge- klärt sind die Überweisungsströme zwischen verschiedenen Gebiets- oder Teilgebietsärzten. ■

Dr. biol. hum. Dagmar Gröber-Grätz MPH Dr. med. Markus Gulich MSc Institut für Allgemeinmedizin der Universität Ulm

E-Mail: markus.gulich@uni-ulm.de zwischen verschiedenen Gebiets-

ärzten erhebliche Unterschiede. Bei Hausärzten betrug die Fallzahl im Jahr 2008 in Baden-Württemberg gesamt 16,3 Millionen. An der Ver- sorgung jedes Patienten waren ne- ben dem Hausarzt im Durchschnitt mehr als zwei Spezialisten beteiligt.

Mehrzahl der Überweisungen durch Gebietsärzte

2008 wurden in Baden-Württemberg von allen niedergelassenen Ärzten zusammen – Hausärzten und Ge- bietsärzten – circa 21 Millionen Überweisungen ausgestellt, das heißt, bezogen auf die Einwohner- zahl von 10,75 Millionen (Statisti- sches Landesamt) wurde jeder Ein- wohner Baden-Württembergs im Jahr 2008 etwa 2,2-mal nach einem primären Arztkontakt zu einem an- deren niedergelassenen Arzt über- wiesen (Hausarzt zum Gebietsarzt, oder vom Gebietsarzt zu einem an- deren Gebietsarzt).

Hausärzte stellten 2008 in Baden- Württemberg 9,2 Millionen Über- weisungen an andere Facharzt - gruppen aus, auf 100 hausärztliche Patienten kamen 56 Überweisun- gen. Die Mehrzahl aller Überwei- sungen (56,1 Prozent) wurden nicht von Hausärzten ausgestellt. Haus- ärzte stellten landesweit 43,9 Pro- zent aller Überweisungsscheine aus.

Zu jeder Überweisung, die ein Hausarzt ausstellte, kamen weitere 1,3 Überweisungen hinzu, die ein Gebietsarzt ausstellte. Patienten wurden regelhaft vom ersten Spe- zialisten zu einem zweiten oder dritten weiterüberwiesen.

Foto: vario images

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