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Archiv "Bedarf an Ärzten" (19.09.1974)

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Bedarf an Ärzten

Das Blaue Papier:

Abschnitt C 1 der "Gesundheits- und sozialpolitischen Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft"

I.

Nachfrage

nach ärztlichen Leistungen

ln den vergangeneo zwei Jahrzehn- ten sind mehrfach von verschiede- nen Institutionen Analysen für den Nachwuchsbedarf an Ärzten er- stellt worden. Sie kamen im Laufe der Jahre zu ständig steigenden Bedarfszahlen. So schätzte der Wissenschaftsrat 1968 einen Bedarf an 5000 Studienanfängern, wäh- rend eine 1973 vorgenommene Schätzung im Auftrag des Bundes- ministeriums für Bildung und Wis- senschaft eine jährliche Zahl von 7500 Studienanfängern für notwen- dig hält.

Als bestimmbare Zahl liegt diesen Analysen der sogenannte Ersatzbe- darf zugrunde, d. h. die Anzahl der Ärzte, die notwendig sind, um die Relation Einwohner/ Arzt konstant- zuhalten. Dabei sagt die Relation Einwohner/ Arzt, die derzeit bei 480:1 liegt, nichts über die Gleich- mäßigkeit der ärztlichen Versor- gung aus.

der sozialen Struktur der Bevölke- rung sowie von der subjektiven Einstellung der Menschen zu ihrer Gesundheit.

Schon bei relativ eng umgrenzten Gesetzgebungsvorhaben, wie dem Werksarztgesetz oder der Einfüh- rung der Maßnahmen zur Krank- heitsfrüherkennung, kann der Zu- wachs in der Nachfrage nach ärzt- lichen Leistungen nicht hinrei- chend exakt festgelegt werden. Bekannt ist schließlich auch, daß mit steigendem Angebot an ärztli- chen Leistungen, ähnlich wie an Krankenhausbetten, die Nachfrage nach diesen Leistungen ansteigt.

II.

Verteilungsprobleme

Ebenso fragwür"dig wie der globale Begriff "Bedarf" ist der globale Be- griff "Mangel" an Ärzten. ln Anbe- tracht der ständig steigenden Arzt- dichte in der Bundesrepublik er- scheinen diese Begriffe wenig ge- eignet für Analysen, Prognosen, Es ist deshalb fraglich, ob der Be- Planungen und Lenkungsmaßnah- griff "Bedarf an Ärzten" überhaupt men.

geeignet ist, die erwartete und für sinnvoll gehaltene Nachfrage nach ärztlichen Leistungen zutreffend zu definieren. Die Nachfrage nach ärztlichen Leistungen hängt von zahlreichen Faktoren ab, die nur sehr schwer zu quantifizieren sind, wie z. 8. von der Weiterentwick- lung der Möglichkeiten und des Umfangs im Angebot ärztlicher Lei-

Dabei wird nicht bestritten, daß eine Reihe von Gebieten und Insti- tutionen in der Bundesrepublik nicht ausreichend mit Ärzten ver- sorgt sind:

~ Der größte Ärztemangel besteht bei der Gesundheitsverwaltung, in den ärztlichen Diensten der Sozial- stungen, von der Einführung versicherung und im Sanitätswesen wünschbarer und sinnvoller Lei- der Bundeswehr.

stungen durch den Gesetzgeber,

von dem Ausmaß der Tätigkeit an- ~An Krankenhäusern fehlen vor derer Berufsgruppen im Gesund- allem in der Chirurgie und in der heitswesen, von Verschiebungen in Anästhesie Ärzte mit ausreichen-

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen DAS BLAUE PAPIER

der fachlicher Erfahrung. ln zahl- reichen, vor allem kleineren Kran- kenhäusern wird die fachchirurgi- sche Versorgung zu einem wesent- lichen Teil von ausländischen Ärz- ten - zur Zeit etwa 6000 - getra- gen.

~ Erhebliche Engpässe bestehen im Fachgebiet Psychiatrie, und zwar sowohl in den psychiatri- schen Landeskrankenhäusern als auch in der freien Praxis.

~ Unzureichend ist zur Zeit der Nachwuchs an Allgemeinärzten. Das Zahlenverhältnis zwischen den Ärzten für Allgemeinmedizin und den Ärzten anderer Fachgebiete in freier Praxis hat sich in den letzten Jahren zuungunsten der Allgemein- ärzte verschoben, auch wenn man berücksichtigt, daß Funktionen in der primären ärztlichen Versor- gung mehr und mehr von Ärzten anderer Fachgebiete übernommen werden.

111.

Numerus clausus

ln Anbetracht der Engpässe in der ärztlichen Versorgung ist es ver- ständlich, wenn von den Ärzten und auch von der Öffentlichkeit im- mer wieder energisch gefordert wird, daß das Angebot an medizini- schen Studienplätzen kontinuier- lich erweitert werden soll, um mehr ärztlichen Nachwuchs zu gewin- nen.

Das von Jahr zu Jahr zunehmende Mißverhältnis zwischen dem Ange- bot an Studienplätzen in der Medi- zin und der Anzahl der Studien- platzbewerber schränkt das Recht auf freie Berufswahl des einzelnen erheblich ein. Es besteht kein Zweifel, daß es, wenn die Nachfra- ge nach dem Medizinstudium in diesem Maße weiter anhält, auch in Zukunft nicht möglich sein wird, al- len Bewerbern einen Studienplatz für das Medizinstudium zur Verfü- gung zu stellen.

ln dieser Situation erscheint der deutschen Ärzteschaft das derzeit

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft

38

vom

19.

September

1974 2743

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen DAS BLAUE PAPIER

im Staatsvertrag festgelegte Aus- wahlsystem äußerst bedenk- lich.

Die Auswahl nach dem Abiturno- tendurchschnitt führt zu einer sehr einseitigen Selektion von bestimm- ten Begabungen, die negative Kon- sequenzen für den ärztlichen Beruf in seiner Gesamtheit haben kann. Sogar eine Auswahl nach dem Los- verfahren wäre unter diesem Ge- sichtspunkt weniger bedenklich.

Die deutsche Ärzteschaft begrüßt es, daß im derzeitigen Entwurf des Hochschulrahmengesetzes ein be- sonderes Eingangsverfahren vor- gesehen ist, welches Fähigkeiten und Kenntnisse berücksichtigt, die in den Schulleistungen nicht aus- gewiesen sind. Sie fordert die Bun- desregierung auf, unverzüglich ent- sprechende Forschungsvorhaben zu veranlassen, um Kriterien für ein besonderes Eingangsverfahren für das Medizinstudium zu erarbei- ten.

ln Anbetracht des sehr hohen Überhanges an deutschen Studien- bewerbern hält es der Deutsche Ärztetag für erforderlich, die Aus- bildungskapazität der medizini- schen Fakultäten, die Notwendig- keit eines internationalen Kultur- austausches und die Verpflichtun- gen gegenüber den Entwicklungs- ländern sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

Dabei müssen die Bereitschaft an- derer Länder zur Aufnahme deut- scher Studenten, die Frage der Zweckmäßigkeit der deutschen Hochschulausbildung für die Tätig- keit in den Entwicklungsländern ebenso überprüft werden wie der achtprozentige Anteil für die Zulas- sung ausländischer Studienbewer- ber.

Soweit es sich um Bewerber aus Entwicklungsländern handelt, ist zu prüfen, ob diesen Studenten und ihren Heimatländern nicht bes- ser gedient wäre, wenn der Ausbau der Universitäten in den Ent- wicklungsländern gefördert wür- de.

IV.

Strukturelle Maßnahmen

Trotz des rigorosen Numerus clau- sus ist davon auszugehen, daß bei Studienanfängerzahlen von 6800 für 1972 und 7500 für 1973 der ärzt- liche Nachwuchs insgesamt heute schon den Zielvorstellungen der im Auftrag der Bundesregierung er- mittelten Bedarfsschätzungen ent- spricht.

Die Studie des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft läßt aber auch keinen Zweifel darüber zu, daß eine beliebige Erhöhung der Ärztezahl allein noch keine bessere ärztliche Versorgung ga- rantiert.

Dem Problem der unterschiedli- chen Verteilung der Ärzte in der Bundesrepublik ist nur durch struk- turelle Maßnahmen beizukommen, welche die zur Zeit unterbesetzten Tätigkeitsbereiche für den ärztli- chen Nachwuchs ausreichend at- traktiv machen.

Die unterversorgten Fachgebiete in den Krankenhäusern, nicht zuletzt auch die Chirurgie, werden den ärztlichen Nachwuchs erst dann wieder anziehen, wenn für diese Tätigkeiten entsprechend attraktive Berufsaussichten geboten werden, wie sie zum Ausbau des Belegarzt- systems und zur Strukturreform der Krankenhäuser an anderer Stelle dargestellt werden. (vergl. Kapitel B 2. und B 3.)

Bedenklich erscheint dem Deut- schen Ärztetag allerdings die Be- rücksichtigung eines öffentlichen Bedarfs bei der Zulassung von Me- dizinstudenten, durch die Bewer- bern für den Sanitätsdienst der Bundeswehr oder für den öffentli- chen Gesundheitsdienst Zulas- sungspräferenzen eingeräumt wer- den. Die eigentlichen Probleme des öffentlichen Gesundheitsdien- stes und des Sanitätswesens der Bundeswehr werden dadurch nicht beseitigt, sondern nur fortgeschrie- ben.

2744 Heft 38 vom 19. September 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Zusammenfassend stellt der Deut- sche Ärztetag fest:

~ Ein genereller Ärztemangel be- steht in der Bundesrepublik nicht.

Mängel in der ärztlichen Versor- gung müssen durch zielstrebige strukturelle Maßnahmen behoben werden. Hier liegen die vordringli- chen Schwerpunkte für Reform- maßnahmen im Gesundheitswesen, die von den Ärzten gemeinsam mit allen Beteiligten in Angriff genom- men werden müssen.

~ Der rigorose Numerus clausus für das Medizinstudium muß durch bessere Ausnützung der vorhande- nen Kapazitäten, vor allem durch Beseitigung bestehender Engpässe soweit als möglich gemildert wer- den. Durch Errichtung weiterer me- dizinischer Hochschulen muß eine vernünftige Relation zwischen Leh- renden und Lernenden hergestellt werden.

~ Unverzüglich müssen neue, den Erfordernissen des ärztlichen Be- rufes besser entsprechende Aus- wahlkriterien für Studienbewerber gefunden werden.

~ Eine bevorzugte Zulassung von Bewerbern für den öffentlichen Ge- sundheitsdienst und das Sanitäts- wesen der Bundeswehr wird von der deutschen Ärzteschaft aus Gründen der Gleichbehandlung ab- gelehnt. Auch für diese Bereiche kommt nur eine Förderung über Stipendien in Frage, die allerdings so bemessen sein müssen, daß sie einen wirklichen Anreiz darstellen.

Außerdem müssen die ärztlichen Tätigkeitsfelder und die Laufbahn- und Besoldungsbestimmungen in diesen Bereichen umgestaltet wer- den, daß ein wirkungsvoller Anreiz für die Tätigkeit im Sanitätswesen der Bundeswehr besteht. Der Deut- sche Ärztetag ist der Auffassung, daß die Inspektion des Sanitätswe- sens der Bundeswehr in ihrem Be- mühen unterstützt werden soll, alle Möglichkeiten zur Vermeidung ei- nes Ärztemangels in ihrem Bereich ausschöpfen zu können.

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