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Archiv "Bedarf an Ärzten - eine Standortfrage" (17.09.1981)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Heft 38 vom 17. September 1981

Bedarf an Ärzten eine Standortfrage

Fritz Beske und Hans-H. Rüschmann

Gegenwärtig gibt es keine wis- senschaftlich allgemein an- erkannte Definition des Be- darfsbegriffes und damit auch keinen Konsens über wissen- schaftliche Methoden zur Er- mittlung eines Bedarfs an Ärz- ten. Jede Definition und jedes Verfahren sind bei kritischer Prüfung Ausdruck eines sub- jektiven Standortes. Zu die- sem Ergebnis kommt eine wis- senschaftliche Untersuchung des Instituts für Gesundheits- System-Forschung in Kiel, die dieses Institut im Auftrag der Ludwig-Sievers-Stiftung vor- genommen hat. Der folgende Beitrag basiert auf der ge- nannten Studie. Sie ist von Prof. Dr. med. Fritz Beske und Dr. rer. pol. Hans-Heinrich Rüschmann unter dem Titel

„Zur Problematik des Bedarfs an Ärzten. Eine Studie zum ungedeckten Bedarf an Ärzten mit einer Erhebung in der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 1978" im Deut- schen Ärzte-Verlag, Köln-Lö- venich, 1980, erschienen.

Der Bedarfsbegriff wird im allgemei- nen Sprachgebrauch als Synonym für „Mangel, Erfordernis" (Macken- sen', Köster2) oder „Bedürfnis"

(Brockhaus3) verwendet. Er zeigt sich in der nichtwissenschaftlichen Sprache als ein Begriff mit den „ty- pischen Attributen einer Leerfor- mel" (Gründger4) und einer Reihe von Assoziationen wie „Notwendig- keit, Unentbehrlichkeit, Unerläßlich- keit" bzw. „Forderung... Ver- brauch, Zehrung, Nachfrage, Kauf- lust und Anforderung" (Wehrle/Eg- gers5 , Peltzer6).

In der wissenschaftlichen Fachspra- che wird überwiegend zwischen Be- dürfnis und Bedarf unterschieden.

Mit diesen Begriffen werden der psy- chologische (Bedürfnis als „Katego- rie der Individualpsychologie") und der wirtschaftstheoretische (Bedarf als „ökonomischer Begriff") Er- kenntnisbereich verbunden (Schä- fer7). Die Definition des Bedürfnis- begriffes bereitet dabei wenig Schwierigkeiten. Ob es sich nun um das „Gefühl eines Mangels mit dem Streben, ihn zu beseitigen" (von Hermann'), um „Verlangen nach Ausgleich der seelischen Disharmo- nie" (Tiburtius 9) oder um „leibseeli- sche Zuständlichkeiten mit Antriebs- charakter" (Scherhorn9 handelt:

Es sind immer „Wünsche, die auf Erfüllung warten" (Arndt 11 ), und alle Definitionsbemühungen zielen in dieselbe Richtung.

Der Bedarfsbegriff ist dagegen um- stritten und dabei insbesondere in

seinem Verhältnis zu den Begriffen Bedürfnis und Nachfrage. Das Be- dürfnis könnte „die psychonome Seite eines organisch-physiologi- schen Bedarfs" sein (Hehlmann 12 ), es könnte ihn aber auch erzeugen (Scherhorn 13 ) oder bestimmen (Be- darf als „Gesamtheit der auf Befrie- digung wartenden Bedürfnisse,"

Arndt 14 ). McKinsey 15 stellt die Fra- ge, ob der Bedarf von der Nachfrage abhängt. Dabei könnte Nachfrage die Menge an Gütern und Dienstlei- stungen sein, „die bei einem be- stimmten Preis gekauft wird"

(Koller16).

Das Fehlen einer einheitlichen Be- griffswelt zeigt sich im Gesundheits- wesen besonders deutlich. Die

„Conflicts between health needs and health wants of society"

(Rosenheim 17 ) scheinen zunächst einmal Konflikte bei der Suche nach eindeutigen Definitionen zu sein.

Besteht ein Bedarf an medizinischer Versorgung, wenn ein Individuum eine Krankheit hat, für die Heilung möglich ist? Dann wäre der Bedarf entweder durch die Art der Krank- heit oder durch die Behandlungs- möglichkeit zu definieren (Culyer18).

Sind dann Morbiditätsuntersuchun- gen erforderlich und wird der Epide- miologe auf den Plan gerufen (Puro- la, Kalimo, Nyman 19)? Es könnten Ärzte Kriterien für den krankheitsbe- zogenen Versorgungsbedarf aufstel-

*) Die Zahlen beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das dem Sonderdruck ange- fügt ist.

1783

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Bedarf an Ärzten

len (Kalimo, Sievers20). Es wäre denkbar, daß jedes Symptom die Be- darfsgrundlage für medizinische Aufmerksamkeit festsetzt (Hoffer, Schuler21 ). Es wäre aber auch denk- bar, daß Bedarf "die Gesamtheit der durch Geldfonds fundierten Bedürf- nisse nach Produktions- und Kon- sumtionsmitteln" (Kurella, Löther, Rothe22) ist. ln diesem Sinn kann von Bedarf an medizinischer Betreu- ung gesprochen werden, wenn sich Bedürfnisse und Erfordernisse "um- rechnen lassen, um das Gesund- heitswesen im volkswirtschaftlichen Gesamtzusammenhang zu erfassen und zu vertreten" (Kurella, Löther, Rothe23).

Es ist vorstellbar und durchaus üb- lich, den Bedarf mit Hilfe von Meßzif- fern zu ermitteln (Pflanz24). Dann wäre der Bedarf eine vom Angebot abhängige Größe und der Maßstab für ihn etwas, das "in irgendeiner Form das zu Messende (das Ange- bot) bereits enthält" (Töns25). Es ist aber auch vorstellbar, 16 000 Bera- tungen und 6000 Diagnosen zu ana- lysieren (Backett26) oder einfach ei- ne Rangfolge für den Bedarf aufzu- stellen (Levy27).

Bedarf kann Ausdruck gesellschaft- licher Meinungsbildung sein (Whi- te28), und Meinungen sind immer subjektiv. Dagegen kann oder muß vielleicht im Bedarf "eine wesentli- che und notwendige Seite objektiv erforderlicher, vor allem aufgrund der Objektivität der Bedürfnisse er- forderlicher medizinischer Betreu- ung erfaßt werden" (Kurella, Löther, Rothe29). Gibt es aber einen objekti- ven Bedarf? Und liegen nicht die subjektiven Bedürfnisse des Patien- ten und die daraus entspringende Nachfrage "oft weit entfernt von sei- nem objektiven Bedarf" (Tutsch30)?

Oder sind Bedarf und Nachfrage im Falle einer Krankheit identisch? Das wäre der Fall, wenn die Nachfrage nach medizinischen Leistungen ab- hängig ist "von der Häufigkeit sub- jektiver Symptome in einer Bevölke- rung, während als das Maß für den Bedarf die Prävalenz von typischen Symptomen oder objektiven Befun- den einer Krankheit dient" (Biohm- ke31). Vielleicht kann aber von Be-

darf nur dann gesprochen werden, wenn sich Bedürfnisse nachfragend formulieren lassen, "wenn sie sich zu kaufkräftigen oder kauffähigen Nachfragen verdichten, und wenn sie durch Menge und Art des Ange- bots wenigstens theoretisch zu dek- ken sind" (Brooks32).

Was ist, wenn ein medizinischer Be- darf auch durch außermedizinische Mittel befriedigt werden kann (Bau- hofer33)? Wie sind die Komplexität und die Vielschichtigkeit sozialer Umstände und eines Lebensstils zu berücksichtigen, gerade dann, wenn es nicht nur um physische Betreu- ung geht (Walton34)?

Wenn es keinen objektiven Bedarf gibt, ist dann Bedarf "the amount of health care that professionals be- lieve is necessary" '(Bergwall, Ree- ves, Woodside35)? Dann wäre der Bedarf eine Schätzung, die auf pro- fessionellem Urteil beruht (Hall, Mei- ja36). Doch wer ist tatsächlich in der Lage, hier objektiv und verbindlich zu entscheiden - und so zu ent- scheiden, daß die Entscheidung oder Beurteilung von anderen und letztlich von allen anerkannt wird?

Die Darstellung von Auffassungen aus der nationalen und internationa- len Literatur zur Bedarfsdefinition und zur Frage des Bedarfs an Ärz- ten spiegelt eine Vielfalt von un- terschiedlichen wissenschaftlichen Verfahren und Ansätzen wider. Da- bei wird deutlich, daß jeder Ansatz bzw. jedes Verfahren Ausdruck ei- nes subjektiven Standorts ist. Dieser Standort resultiert aus Bewertun- gen, die

~ politische und/oder

~ wissenschaftliche und/oder

~ finanzielle und/oder

~ normative und/oder

~ ethische

Aspekte umfassen. Je nach Bewer- tung wird die Wissenschaft, der Ex- perte oder das Individuum zentraler Ausgangspunkt der Bedarfsüberle- 1784 Heft 38 vom 17. September 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT

gungen. Eine kritische Auseinander- setzung mit den vorhandenen Me- thoden und Ansätzen kann, wird die- sen Gedanken gefolgt, ebenfalls nicht objektiv sein. Sie wird vielmehr gleichermaßen von dem jeweiligen Standort bestimmt.

Expertenbefragung - Abbild eines

subjektiven Meinungsspektrums über den Bedarf an Ärzten

Ein wissenschaftlich begründeter Bedarf an Ärzten kann nur auf der Grundlage eines eindeutig definier- ten Bedarfsbegriffs mit objektiven Bedarfskriterien und in Verbindung mit normativen Vorgaben festgelegt werden. Dies ist bis heute weder na- tional noch international geschehen und aufgrund unseres Wissensstan- des zur Zeit auch nicht möglich. Da jedoch immer wieder Behauptungen über den Bedarf und den ungedeck- ten Bedarf an Ärzten veröffentlicht werden, wurde mit einer Umfrage bei allen in Frage kommenden In- stitutionen in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt, ob Vorstel- lungen und Schätzungen über den ungedeckten Bedarf an Ärzten be- stehen und wie und mit welchen Kri- terien diese Vorstellungen und Schätzungen begründet werden. Das Ziel unserer Erhebung "Unge- deckter Bedarf an Ärzten 1978 je Tä- tigkeitsfeld und Fachgruppe" in der Bundesrepublik Deutschland war ei- ne Bestandsaufnahme von derzeit verwendeten Kriterien und Maßstä- ben (Verfahren) und daraus abgelei- teten Ergebnissen (Bedarfszahlen) bei allen Organisationen und Institu- tionen, die von ihrer Aufgabenstel- lung her für diese Frage kompetent erschienen. Dabei wurde nur auf die den angesprochenen Institutionen jeweils vertrauten ärztlichen Tätig- keitstelder oder Facharztgruppen abgestellt.

Diese Befragung konnte nicht als wissenschaftliches Instrument zur Bedarfsermittlung dienen, da dies eine eindeutige Definition des Be- darfsbegriffes vorausgesetzt hätte.

Es sollte daher aufgezeigt werden,

(3)

welche expliziten Auffassungen hin- sichtlich der Fragestellung "unge- deckter Bedarf an Ärzten" bestehen, auf welchen Kriterien und Maßstä- ben sie basieren oder zumindest, welcher Kenntnisstand der aktuellen Bedarfsdiskussion zugrunde liegt.

Damit artaßt die Erhebung in einer Art Ist-Analyse Gesichtspunkte, die für Institutionen aus den verschie- densten Bereichen des Gesund- heitswesens bei der Ermittlung des Bedarfs an Ärzten von Bedeutung sind. Diese Aufbereitung von Argu- menten ist im Vorfeld einer detail- lierten und wissenschaftlich abgesi- cherten Bedarfsanalyse nützlich. Die Erhebung erlaubt gleichzeitig einen Einblick in Überlegungen, die der Vielzahl von (unterschiedlichen) ver- öffentlichten Aussagen zum Thema Ärztebedarf in der jüngeren Vergan- genheit zugrunde liegen.

Die Auswahl der in die Befragung einbezogenen 161 Institutionen und Organisationen orientierte sich an der fachlichen Kompetenz. Befragt wurden ausschließlich Institutionen und Organisationen. Stellungnah- men von Einzelpersonen (Experten) wurden nicht eingeholt, da die dann notwendige Auswahl von Personen bereits im Vorwege eine unzulässige Beeinflussung der Erhebungsergeb- nisse impliziert hätte. Die auf Institu- tionen und Organisationen begrenz- te Befragung ließ dagegen eine "To- talerhebung" zu. Die in die Befra- gung einbezogenen Gruppen um- fassen:

....

Akademien,

....

Arbeitsgemeinschaften,

....

Berufsgenossenschaften,

....

Berufsverbände,

....

Bundesämter und -anstalten,

....

Bundesverbände,

....

Gesellschaften,

....

Gewerkschaften,

....

Kammern,

Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen Bedarf an Ärzten

Tabelle 1: Antwortquoten der eigenen Erhebung

Antworten

Gruppe absolut V. H.

Befragte Institutionen insgesamt 161 100,0

Antworten 152 94,4

Antworten mit begründeten Schätzwerten 90 55,9 Antworten ohne Aussagen zum Bedarf, je- 37 23,0 doch mit sachlicher Begründung mangelnder

Urteilsfähigkeit

Antworten mit unbegründeten Schätzwerten 25 15,5 Ohne Reaktion

...,. Kassenärztliche Vereinigungen, ...,. Krankenkassenverbände, ...,. Bundes- und Landesministerien, ...,. Sonstige Vereinigungen, ...,. Wissenschaftliche Institute, ...,. Wissenschaftsrat

Inhalt der Befragung war neben der Benennung von Kriterien und Maß- stäben für eine Bedarfsermittlung die mit Argumenten belegte Schät- zung des ungedeckten Bedarfs an Ärzten 1978 je Tätigkeitsfeld und Facharztgruppe. Dabei wurde zwi- schen 22 Facharztgruppen und 11 Tätigkeitsfeldern unterschieden. Des weiteren war zwischen

...,. Bedarf als wünschenswertem Versorgungsniveau unabhängig von Finanzierungsfragen und

...,. Bedarf als Ergebnis des Abwä- gans zwischen wünschenswertem Versorgungsniveau und wirtschaftli- cher Tragbarkeit

zu trennen. Eine engere Eingren- zung des Bedarfsbegriffs war nicht zweckmäßig, da ja eine Bestands- aufnahme der zur Zeit gängigen Vor-

9 5,6

stellungen über diesen Begriff Ge- genstand der Erhebung selbst war . Deshalb wird an dieser Stelle aus- drücklich festgestellt:

Durch den in der Befragung gewähl- ten Ansatz wird a priori ausge- schlossen, daß die Befragung selbst als Instrument der Bedarfsermitt- lung verwendbar ist. Die von den Befragten angegebenen Zahlen des ungedeckten Bedarfs an Ärzten stel- len damit keine Bedarfsermittlung dar, die Grundlage für die Abschät- zung des ungedeckten Bedarfs an Ärzten sein kann. Es handelt sich lediglich um eine Ist-Analyse des derzeit vorhandenen Problembe- wußtseins und um derzeit -aus un- terschiedlicher Sicht - begründete Bedarfsschätzungen, also um das objektive Abbild eines subjektiven Mei nu ngsspektru ms.

Die Erhebung stieß auf großes Inter- esse. Von 161 angeschriebenen In- stitutionen gingen 152 Stellungnah- men ein. Das bedeutet eine Rück- laufquote von 94,4 Prozent. Im ein- zelnen ergibt sich ein Bild, das die Tabelle 1 wiedergibt.

Aus der Tabelle 1 ergibt sich, daß sich 37 Befragte (23 Prozent) außer- stande sahen, Aussagen zum Bedarf zu machen, die mangelnde Urteilsfä- higkeit jedoch begründeten. 25 Ant- DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 38 vom 17. September 1981 1785

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Bedarf an Ärzten

ausgewiesen. Die Kriterien und Maß- stäbe, die den abgegebenen Be- darfsschätzungen zugrunde liegen, können der oben erwähnten Studie (S. 42 bis 57) entnommen werden.

worten (15,5 Prozent) enthielten Bedarfsschätzungen ohne Begrün- dung. 90 Antworten (55,9 Prozent) Bedarfsschätzungen mit Begrün- dung.

gen" und „Bedarf als Ergebnis des Abwägens zwischen wünschenswer- tem Versorgungsniveau und wirt- schaftlicher Tragbarkeit" — sowohl die gesamte Spanne der Daten als auch der dazugehörige Mittelwert ausgewiesen. Der geringste angege- bene Wert für einen ungedeckten Bedarf je Facharztgruppe erscheint in der Spalte „Minimum", der je- weils höchste Wert in der Spalte

„Maximum". Aus der Spalte „Mittel- wert" ist das jeweils errechnete arithmetische Mittel abzulesen. Ein mit einem Pluszeichen versehener Wert drückt eine zahlenmäßige Überversorgung, ein mit einem Mi- nuszeichen versehener Wert eine zahlenmäßige Unterversorgung aus.

Tabelle 2 ist so aufgebaut, daß sie eine größtmögliche Information ver- mittelt. So werden — jeweils unter- schieden nach „Bedarf als wün- schenswertes Versorgungsniveau unabhängig von Finanzierungsfra- Erhebungsergebnisse

für den Bereich „Freie Praxis"

Im folgenden werden die quantitati- ven Erhebungsergebnisse für die ambulante ärztliche Versorgung

Tabelle 2: Zusammenfassung

der quantitativen Erhebungsergebnisse — Freie Praxis Angegebener Bedarf

Maximum Mittelwert Minimum

Facharztgruppe N r.

Beispiel: In der Tabelle 2 ergibt sich für den Allgemeinarzt als Minimum des ungedeckten Bedarfs bei einem wünschenswerten Versorgungsni- veau und damit unabhängig von Fi- nanzierungsfragen ein ungedeckter Bedarf an 600 Ärzten, als Ergebnis des Abwägens zwischen wün- schenswertem Versorgungsniveau und wirtschaftlicher Tragbarkeit ein ungedeckter Bedarf von 395 Ärzten.

Die uns mitgeteilten Maximalwerte für Allgemeinärzte betragen bei ei-

nem wünschenswerten Versor- gungsniveau unabhängig von Finan- zierungsfragen 6000 Ärzte, als Er- gebnis des Abwägens zwischen wünschenswertem Versorgungsni- veau und wirtschaftlicher Tragbar- keit 2406 Ärzte. Die jeweiligen Mittel- werte betragen 3091 Ärzte (wün- schenswert) bzw. 1200 Ärzte (Ergeb- nis des Abwägens). Im Mittel wird der ungedeckte Bedarf an Ärzten für Allgemeinmedizin je nach Voraus- setzung (wünschenswert bzw. nach Abwägen zwischen wünschenswert und wirtschaftlich tragbar) auf 3091 bzw. 1200 geschätzt.

(2) (1) (2) (1) (2) (1)

—2 406 —1 200

—395 —6 000 —3 091

—600 Allgemeinarzt

1

0 0 0

0 0

Anästhesist 0 2

—300 —198 —124 +76 —500

Augenarzt +27 3

—250 —77

+20 —500 —102

Chirurg +109

4

+933 —700 —350 +9 +197 +1 166

Frauenarzt 5

—250

—500 —143 —48

+58

HNO-Arzt 0

6

—300 —218 —92

—600

—22 +25 Hautarzt

7

+221

—450 —450 +88 +1 332

+921 Internist

8

—3 600 —3 600 —961 —953 +19 +187

9 Kinderarzt 10 Kinder- und

Jugendpsych. 0 0 —1 000 —500 —250 —167

—10 —25 —3 0 —100

0 Laborarzt

11

—150 —22 —26 +20 —150

+20 12 Lungenarzt

13 Mund- u.

Kieferchirurg 0 0 —400 —200 —167 —79

—350 —765 —135

—3 446 0

0 Nervenarzt

14

0 0

0 0 0

Neurologe 15

0 0 0

0 0 Neurochirurg

16

—2 000 —1 443 —900

—5 000 0 0

Psychiater 17

—300 —198 —106

—400 +76

Orthopäde +40 18

0 —14 0

0 —70 Pathologe 0

19

0 0 0

0 0

0 Pharmakologe

20

—100 —18 —14

—150 +26 +30

Radiologe 21

—118 —55

—200

—400 +36

22 Urologe +29

—11 716

—23 966 +2 398

+1 735 Insgesamt*)

Werden die Schätzungen für den un- gedeckten Bedarf an Ärzten in der freien Praxis summiert, so ergibt sich eine erhebliche Spannweite.

Diese Spannweite reicht bei einer Beurteilung des Bedarfs als wün- schenswertes Versorgungsniveau unabhängig von Finanzierungsfra- gen von einer bereits vorhandenen Überversorgung von 1735 Ärzten bis

(1) Bedarf als wünschenswertes Versorgungsniveau unabhängig von Finanzierungs- fragen

(2) Bedarf als Ergebnis des Abwägens zwischen wünschenswertem Versorgungsniveau und wirtschaftlicher Tragbarkeit

*) Die Addition der einzelnen Werte (Maxima, Minima) bei den Facharztgruppen ist grundsätzlich problematisch und kann nur unter einer vereinfachenden Annahme vorge- nommen werden. Diese Annahme beruht darauf, daß die addierten Werte für Maxima und für Überangebote jeweils alle weiteren Angaben für einen ungedeckten Bedarf bzw. für einen Überschuß an Ärzten umfassen. Die ausgewiesenen Summen sind daher nur begrenzt interpretierbar. Sie vermitteln jedoch einen Eindruck von den in Frage stehen- den Größenordnungen.

1786 Heft 38 vom 17. September 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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zu einem Bedarf an nahezu 24 000 Ärzten, als Ergebnis des Abwägens zwischen wünschenswertem Versor- gungsniveau und wirtschaftlicher Tragbarkeit von etwa 2400 bis zu etwa 11 700 Ärzten. Dabei wird der größte Bedarf in der Allgemeinmedi- zin und in der Psychiatrie gesehen.

Ausblick

Aus unserer Sicht müßte für die Er- mittlung eines Bedarfs an Ärzten ei- ne pragmatische und damit prakti- kable Lösung gefunden werden. Sie muß wissenschaftlich unangreifbar sein und damit bei allen Beteiligten weitgehend auf Anerkennung sto- ßen. Hierzu sollen folgende Überle- gungen dienen:

Es wird eine Rechenoperation benö- tigt, welche die objektive und die subjektive Seite des Bedarfs glei- chermaßen berücksichtigt und so- mit ein Ergebnis zustande kommt, das sich laufend ändernden Gege- benheiten anpaßt, eine Rechenope- ration also, die möglichst objektive Kriterien für einen Bedarf mit nor- mativen Entscheidungen in Bezie- hung setzt.

Anders ausgedrückt: Die Entschei- dungsträger im Gesundheitswesen benötigen eine Rechenformel, mit deren Hilfe sie nach eigener Festset- zung von Normen einen Bedarf in Form konkreter Zahlen ermitteln können.

Damit ergeben sich zwei For- schungsschwerpunkte:

~ Zum einen müssen objektive Kri- terien für den Bedarf entwickelt wer- den, muß ihre Auswahl wissen- schaftlich begründet, müssen diese Kriterien in operationale Bestim- mungsfaktoren umgewandelt und in eine Rechenoperation eingefügt werden.

~ Zum anderen müssen Analysen an den Stellen des Rechenganges, die einer normativen Entscheidung bedürfen, vorgenommen werden. Dabei geht es um die Aufbereitung von alternativen Entscheidungs-

normative Entscheidungen/

objektive Kriterien (auch Verteilungskriterien)

Versorgung

<

Darstellung 1: Bedarfsbestimmung

normative Entscheidungen/

objektive Kriterien (auch Verteilungskriterien)

>

Spektrum der Woche Aufsatze ·Notizen Bedarf an Ärzten

Bedarf

Angebot

Versorgung ~ Verteilung

Darstellung 2: Bedarfsplanung

möglichkeiten und aller absehbaren Konsequenzen der jeweils getroffe- nen normativen Entscheidung. Es kann nicht die Aufgabe der Wissen- schaftler sein, diese normativen Ent- scheidungen selbst zu treffen.

Zu dem Bereich, in dem normative Festsetzungen vorgegeben werden müssen, gehört z. B. die Frage des verfügbaren Finanzvolumens für die ärztliche Versorgung. Damit stellt sich die Frage, welchen Stellenwert das Gesundheitswesen und darun- ter die ärztliche Versorgung im Rah- men der Gesamtwirtschaft bei knap- pen verfügbaren Ressourcen ein- nehmen soll.

Neben der Frage der aufzuwenden- den finanziellen Mittel ist die Frage nach einer konkreten Prioritätenliste

"Ärztliche Leistungen" von beson- derer Bedeutung. Vorzubereiten sind rationale Entscheidungsmög- lichkeiten darüber, welche konkret definierte Struktur eines ärztlichen

Leistungsangebots alternativen Strukturen vorzuziehen ist. Hier sind verschiedene Ebenen aufzubereiten.

Das betrifft z. B. Fragen einer Ge- wichtung zwischen Prävention, Be- handlung und Pflege sowie Rehabi- litation. Es betrifft aber auch das Zu- sammenspiel zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, das Problem Allgemeinmedizin, die Fra- ge Medizintechnik versus Humanität (ärztliche Zuwendung) oder epide- miologische Untersuchungen (Mor- biditätsaspekte).

Zusammenfassend lautet das Ziel: Entwicklung eines Konzeptes, das objektive Kriterien und normative Entscheidungen integriert und da- mit im Rahmen beschränkter Mög- lichkeiten eine politisch verwertbare Bedarfsbestimmung ermöglicht.

Abschließend sei noch ein Gedanke zum Sinn und Zweck einer Bedarfs- planung erwähnt. Wird ein Bedarf, wie oben dargestellt, als Funktion

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 38 vom 17. September 1981 1787

(6)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Als wichtigster Gesichtspunkt der Folgen der sogenannten Studienre- form in der Medizinerausbildung der DDR der sechziger und frühen sieb- ziger Jahre ist zu erkennen, daß zur Zeit 25 Prozent aller DDR-Ärzte ohne Promotion sind. Die gleichzeitige Promotionsmöglichkeit mit dem Ab- schluß des Medizinstudiums wurde Anfang der siebziger Jahre abge- schafft. Der approbierte Arzt durfte sich nur noch „Diplom-Mediziner"

nennen. Eine Doktorarbeit war erst möglich, wenn verschiedene wis- senschaftliche Leistungen und ein umfangreiches gesellschaftspoliti- sches Programm absolviert waren.

Demzufolge sind die Promotionen unter den DDR-Ärzten schlagartig zurückgegangen. Die Notwendigkeit der Verknüpfung gesellschaftspoliti- scher Leistungen und sogenannter wissenschaftlicher Arbeiten als Grundlage für die medizinische Pro- motion führte dazu, daß zur Zeit et- wa 8000 Ärzte nicht promoviert sind, da in den Arbeitsstellen derJungärz- te (Landambulatorien, Polikliniken, Kreiskrankenhäuser) keine Möglich- keit besteht, ein wissenschaftliches Arbeitsthema für die Ableistung der Promotion zu erhalten.

Die Tätigkeit der Jungärzte er- schöpft sich darin, die Basisversor- gung im Gesundheitswesen auf-

rechtzuerhalten. Mit der Anfang der siebziger Jahre durchgeführten Stu- dienreform und der gleichzeitigen Reform des Gesundheitswesens ver- suchten die staatlichen Stellen, die Ärzteschaft weiter zu diskreditieren.

Unter der Bevölkerung sollte er- reicht werden, daß der „Doktor" al- ter Schule nicht mehr das Ansehen besitzt, welches ihm seit Jahrzehn- ten zu eigen war. Dazu gehörte, den Jungärzten den Doktortitel zu versa- gen, beziehungsweise seinen Er- werb mit erheblichen Schwierigkei- ten zu versehen. Allerdings sagte unser Informant, daß in der Bevölke- rung die Ärzteschaft weiterhin gro- ßes Ansehen genieße.

In den letzten zwei Jahren wurde die Akademie für ärztliche Fortbildung in Berlin-Lichtenberg vermehrt be- auftragt, Promotionsthemen für Di- plommediziner mit sogenannten einfachen Doktorarbeiten zu verge- ben. Es wurde versucht, durch einen niedrigen Schwierigkeitsgrad bei der Erstellung epidemiologischer oder gesundheitspolitischer Arbei- ten einer größeren Anzahl von Ärz- ten zum Doktortitel zu verhelfen. Da- zu wurden auch die Leiter von grö- ßeren Bezirkskrankenhäusern her- angezogen, welche Themenstellung und Überwachung der Doktorarbei- ten übernehmen mußten. So wurden Bedarf an Ärzten

von normativen Entscheidungen und objektiven Kriterien ermittelt, dann müssen auch Vorstellungen über die gewünschte Verteilung der Ärzte festgelegt werden. Eine Prä- misse der Bedarfsfestsetzung ist da- mit eine als „vernünftig" unterstellte Verteilung. Soll die Bedarfsplanung nun wiederum einen Sinn erfüllen, dann kann sie nur als Steuerungs- element auf das Angebot (zum Bei- spiel Zahl der Medizinstudenten) einwirken.

Damit wird das Angebot u. a. eine Funktion des Bedarfs. Die ärztliche Versorgung ist nun wiederum eine Funktion des Angebots. Hier könnte sich der Kreis schließen, und die Versorgungslage wäre für eine neue Bedarfsplanung heranzuziehen. Das bedeutet, daß sich ohne Berücksich- tigung von Verteilungsmaßnahmen der ermittelte Bedarf solange „her- aufschaukeln" würde, bis die letzte

— im Sinne der Ausgangssituation — nicht genügend versorgte Region ei- ne entsprechende ärztliche Versor- gung erfährt.

Überkapazitäten wären die Folge.

Eine sinnvolle Bedarfsplanung kann demnach nicht auf eine angeschlos- sene Verteilungsplanung verzichten.

Eine solche Verteilungsplanung könnte durch den Einbau von Markt- mechanismen wie z. B. Kopplung der ärztlichen Gebühren an die je- weilige Arztdichte durchgeführt wer- den. Ob ein derartiger Steuerungs- mechanismus sinnvoll ist, auf allge- meinen Konsens stößt und auch praktisch durchführbar ist, sei da- hingestellt. Was bleibt, ist die Tatsa- che, daß eine globale Bedarfspla- nung ohne Verteilungsplanung kei- ne sinnvolle Anwendung finden kann.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Fritz Beske Dr. rer. pol.

Hans-Heinrich Rüschmann Institut für

Gesund heits-System-Forschung Beselerallee 39/41, 2300 Kiel 1

FORUM

Ein Situationsbericht aus der DDR

Dieter Theuer

Über das oft als beispielhaft dargestellte Gesundheitswesen der DDR erreicht uns ein Situationsbericht von einem aussagefreudigen Füh- rungsmitglied des DDR-Gesundheitswesens, das anläßlich einer Kon- greßteilnahme die Bundesrepublik Deutschland besuchen konnte.

Aus seiner detaillierten Kenntnis der Verhältnisse in der DDR wurden die nachfolgenden Informationen zusammengestellt.

1788 Heft 38 vom 17. September 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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