DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung
A
ls geradezu nuklearer Ko- stentreibsatz hat sich die allgemeine gesetzliche Pflegekostenversicherung in den Niederlanden entpuppt.Seit Inkrafttreten des Allgemei- nen Gesetzes über „Besondere Krankheitskosten" (am 1. April 1968), mit dem neben der herkömmlichen gesetzlichen Krankenversicherung die im Pflegefall entstehenden Kosten qua Sozialversicherung abgesi- chert werden, sind die Ausga- ben der Pflegekostenversiche- rung — einschließlich der nicht unerheblichen Selbstbeteili- gung — auf das über Neunfache angestiegen: Betrugen die Ausgaben im Jahr 1969 in un- serem Nachbarland noch knapp 325 Millionen Gulden, so gaben die Pflegekassen 1981 fast drei Milliarden Gulden für diesen Zweck aus.
Dabei hat das niederländische Modell notgedrungen eine ein- kommensabhängige Selbstbe- teiligung eingebaut, die bei ei-
nem Aufenthalt in einem Pfle- geheim zu entrichten ist. Seit November 1980 mußten umge- rechnet rund 800 DM monat- lich direkt bezahlt werden. Seit
1. Januar 1983 ist ein Höchst- betrag von umgerechnet rund 1200 DM monatlich zu über-
Kostentreibsatz
nehmen (ursprünglich geplan- ter Selbstbeteiligungs-Höchst- betrag: 2360 DM).
I
nnerhalb der letzten 13 Jahre hat sich im Land zwischen Waal und Lek die Zahl der Pflegefälle mehr als verdop- pelt. Noch etwas stärker nahm die Zahl der Pflegetage zu, de- ren Kosten über die besondere Pflegekostenversicherung ab- gedeckt werden. 1969 betrug die Relation der Zahl der Pfle- gefälle zur Wohnbevölkerung noch 0,17 Prozent; 1981 waren es bereits 0,32 Prozent, ein wei-teres Indiz dafür, daß die An- spruchsinflation und der Aus- gabenboom erst dann richtig in Schwung kommen, wenn eine anspruchsberechtigende allge- meine Volksversicherung mit Zwangscharakter etabliert ist.
Bereits im ersten Jahr nach Einführung einer solchen Re- gelung entsteht erfahrungsge- mäß ein „Kostenschub" in Hö- he von rund 50 Prozent, wie das niederländische Beispiel („Ne- gativ-Modell") beweist.
D
iese Horrorzahlen aus ei- nem Land von nebenan ha- ben einige Sozial- und Ge- sundheitspolitiker hierzulande nicht davon abhalten können, eine allgemeine soziale Pflege- kostenversicherung als vorran- giges Reformwerk dieser Le- gislaturperiode zu bezeichnen— oder es wird doch noch sang- und klanglos — beerdigt, falls es der überfällige Bericht einer speziellen Bund-Länder-Ar- beitsgruppe als finanziell un- tragbar abweist. HC
Inhaltsverzeichnis 18
Aktuelle Politik
In den Krankenhäusern stagnierte
1983 erstmals die Zahl der Ärzte 1425 Ergebnisse der Ärztestatistik
aus dem Tätigkeitsbericht '84 der Bundesärztekammer
Die Freien Berufe sind keine
steuerpolitische Manövriermasse 1433
Dietrich W. Rollmann
Der Kommentar
Meßlatte Bett—warm oder kalt 1435
Nachrichten
Aus Bund und Ländern: Akutkliniken von Langzeitkranken entlasten — 41 Millionen DM Zinsen für Pflegesatzrisiko — Verunsi- cherung durch Medikamentenrückruf — Prämien für frühzeitige Praxisaufgabe — Gebührenordnung gefährdet Hebammen — Aus der DDR: „Aufspüren" von Reserven — Ausland: Kein neues Honorarsystem — Ge-
gen Homöopathie als Studienfach — Hip- pokratischer Eid ergänzt 1436, 1437 Themen der Zeit
Reform des Medizinstudiums:
Faule Kompromisse helfen nicht 1438 Repräsentanten der Ärzteschaft
im Dialog mit den Studenten
Aktuelle Medizin
Editorial
Zur Entstehung
und Behandlung von Schmerzen 1448
Prof. Dr. med. Rudolf Gross
Übersichtsaufsätze
Pharmakologische Grundlagen
der Schmerztherapie 1441
Prof. Dr. med. Ilmar Jurna
Der Beitrag des Anästhesisten
zur Schmerzbehandlung 1450
Prof. Dr. med. Siegfried Piepenbrock et al.
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 18 vom 4. Mai 1984 (1) 1409