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Archiv "Suizidforen im Internet: Ernst zu nehmende Beziehungen" (14.02.2003)

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in 25-jähriger Norweger und eine 17- jährige Österreicherin verabredeten sich via Internet und sprangen von einem Felsen in Norwegen gemeinsam in den Tod. In Deutschland konnte ein im Netz angekündigter Sprung zweier Ju- gendlicher vom Dortmunder Fernseh- turm im letzten Moment verhindert wer- den. Suizidverabredungen in Internetfo- ren, aber auch Online-Hinweise auf den eigenen Suizid oder Chatroom-Diskus- sionen über die effektivste Methode, sich das Leben zu nehmen, müssen sehr ernst genommen werden in ihrem Einfluss auf junge Computernutzer. Dies erklärte Prof. Dr. med. Armin Schmidtke, Würz- burg, während des Kongresses der Deut- schen Gesellschaft für

Psychiatrie, Psychothe- rapie und Nervenheil- kunde in Berlin.

Die Beobachtung ei- nes Suizidforums über ein Jahr deute auf ähn- liche Nachahmungsef- fekte hin, wie sie auch nach der Berichterstat- tung über Suizidfälle in den Print- und Rund- funkmedien vorkom- men: „Bis zu sechs Per- sonen an einem Tag“

melden sich in Folge, wenn ein Online- User mit der Suche nach einem Suizid- partner angefangen hat. Die Gefahr sieht Schmidtke vor allem darin, dass

„bei Jugendlichen der Eindruck eines adäquaten Problemlösungsverhaltens entstehen könnte“. Schließlich ist der Suizid bei jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren die zweithäufigste To- desursache nach Unfällen.Andererseits könne „der anonyme Austausch von Suizidfantasien im Internet eine emo- tionale Entlastung“ sein, weil Suizid noch immer ein gesellschaftliches Tabu darstelle.

Noch nicht untersucht ist, inwieweit die Teilnahme an einer Internetdiskussi- on dazu führen kann, dass sich der Be- troffene auch professioneller Hilfe zu- wendet. In den USA werde bereits Psy- chotherapie im Netz angeboten, in der Regel kognitive Verhaltenstherapie, be- richtete Schmidtke. In Deutschland dis- kutiere man,ob die Kontaktaufnahme per Computer ein niedrigschwelliger Ein- stieg für eine „normale“ Psychotherapie sein könne oder ob auch eine komplette Internettherapie möglich sei. Denn häu- fig entscheiden sich Betroffene nicht frei dafür, ihrem Leben ein Ende zu setzen, sondern befinden sich in einer psychi- schen Notsituation.

Als ein Hauptgrund für die jährlich 11 000 bis 12 000 Suizide in Deutschland gelten unbehandelte Depressionen.

Obwohl es gute Behandlungsmöglichkei- ten gebe, erhielten nur zehn Prozent al- ler an einer Depression Leidenden eine Therapie, die dem aktuellen Forschungs- stand entspreche, betonte Prof. Dr. med.

Ulrich Hegerl, München. „Eine verbes-

serte Versorgung depressiver Patienten ist ein wichtiger Beitrag zur Suizid- prävention.“

Mit 26 Projekten werde im Kompe- tenznetz „Depression/Suizidalität“ ver- sucht,gegen die große Volkskrankheit an- zugehen. Neben ausführlicher Informati- on wird im Internet ein Diskussionsforum für Betroffene angeboten, das professio- nell betreut wird. Es soll erreicht werden,

„dass akut Suizidgefährdete von der Not- wendigkeit eines Arztbesuches überzeugt werden“. In bisher drei Fällen musste über die Polizei versucht werden, den Computerstandort zu ermitteln, um der Person direkt Hilfe anzubieten.

Mit dem Ziel, Informationen und Hilfsangebote breit zu streuen, startete im Kompetenznetz das Projekt „Nürn- berger Bündnis gegen Depression“. „De- pression hat viele Gesichter“ lautete das Motto für das Aktions- und Aufklärungs- programm zwei Jahre lang, welches re- gional zu einer Reduktion der Suizide um 25 Prozent und der Suizidversuche um 21 Prozent geführt hat. Vor allem bei älteren Menschen konnten Suizide verhindert werden. Nachfolgeprojekte in anderen Regionen werden zurzeit vorbereitet.

Ein anderer Weg, Fachinformationen zu den Ursachen einer Lebensmüdigkeit zu vermitteln, bestehe darin, Internetteil- nehmer wie auch Forenmaster zu Infor- mationstreffen einzuladen. Welche inten- siven Beziehungen allein über das Internet möglich sind, konnten Experten bei einer ersten persönlichen Zusammenkunft von 25 Internet-Nutzern lernen. Schwie- rig kann es allerdings sein, an jene Anbie- ter von Suizidforen heranzukommen, die jede professionelle Einmischung vonsei- ten der Psychotherapie und Psychiatrie ablehnen. Karin Dlubis-Mertens

Informationen im Internet:

www.buendnis-depression.de www.kompetenznetz-depression.de P O L I T I K

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A370 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 714. Februar 2003

Suizidforen im Internet

Ernst zu nehmende Beziehungen

Jugendliche verabreden sich zunehmend online zum gemeinsamen Suizid.

Ärzte und Psychotherapeuten diskutieren noch über Formen der Intervention.

Szene aus „Tatort – Tausend Tode“. Der Krimi veranschaulichte die Manipulationsmöglich- keiten von Suizidforen. Ein suizidwilliges Mädchen wird zum gemeinsamen stilisierten Tod in den See gelockt.

Foto:SWR

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