Rekombinante Wirkstoffe
Prof. Dr. Theo Dingermann
Institut für Pharmazeutische Biologie Goethe-Universität Frankfurt Dingermann@em.uni-frankfurt.de
Empfohlene Literatur
Der legale Markt:
• 120 zugelassene Wirkstoffe
• 23 Indikationsgruppe
Rekombinante Wirkstoffe
1. Angiogenesehemmer 2. Antiasthmatika
3. Antianämika
4. Antidiabetika und Hypoglykämika 5. Antiinfektiva
6. Antipsoriatika
7. Antirheumatika/Antiinflammatorika
8. Antithrombotika/Antikoagulanzien/Fibrinolytika 9. Gerinnungsfaktoren
10. Hämolyse-Inhibitor
11. Hormone bei Fertilitätsstörungen
12. Immunmodulatoren bei Multipler Sklerose
13. Immunsuppressiva zur Transplatat-Abstoßungsprophylaxe 14. Impfstoffe
15. Knochenwachstumsfaktoren 16. Mukoviszidose-Therapeutika 17. Osteoporose-Therapeutika 18. Sepsis-Therapeutika
19. Substitutionstherapeutika bei lysosomalen Speicherkrankheiten 20. Thrombozytenwachstumsfaktor
21. Tumortherapeutika 22. Wachstumshormone 23. Wundheilung
Rekombinante Wirkstoffe
Beispiele für neuere zugelassenen
rekombinanten Wirkstoffe
1. Angiogenesehemmer
1. Angiogenesehemmer
Ranibizumab Lucen5s® E. coli
Prinzip der Angiogenese
•
Freisetzung proangiogener Faktoren,•
Freisetzung proteolytischer Enzyme,•
Migration, Morphogenese und Proliferation der EndothelzellenPrinzip der Angiogenese
Auslöser der Angiogenese kann z.B. Sauerstoffmangel in schnell wachsendem Tumorgewebe sein, der dann dazu führt, dass sich das Gleichgewicht zwischen pro- und antiangiogenen Faktoren in Richtung Gefäßneubildung verschiebt.
Zu den proangiogenen Faktoren gehören unter anderem sauerer und basischer Fibroblastenwachstumsfaktor (aFGF und bFGF), Plättchenwachstumsfaktor (PDGF), Angiopoietin und der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor (VEGF).
1 MNFLLSWVHW SLALLLYLHH AKWSQAAPMA EGGGQNHHEV VKFMDVYQRS 50
51 YCHPIETLVD IFQEYPDEIE YIFKPSCVPL MRCGGCCNDE GLECVPTEES 100 101 NITMQIMRIK PHQGQHIGEM SFLQHNKCEC RPKKDRARQE KKSVRGKGKG 150 151 QKRKRKKSRY KSWSVYVGAR CCLMPWSLPG PHPCGPCSER RKHLFVQDPQ 200
201 TCKCSCKNTD SRCKARQLEL NERTCRCDKP RR 232
AS 1 – 26 Signalpeptid AS 27 – 232 VEGF-A
AS 142 – 226 fehlen in VEGF-121 AS 142 – 182 fehlen in VEGF-165 AS 166 – 226 fehlen in VEGF-145 AS 166 – 182 fehlen in VEGF-189 AS 147 N6-Acetyllysin AS 149 N6-Acetyllysin AS 152 N6-Acetyllysin AS 101 N-Glycosylierung
AS 52 – 94 Disulfidbrücke AS 77 – 77 Disulfidbrücke AS 83 – 128 Disulfidbrücke AS 86 – 86 Disulfidbrücke AS 87 – 130 Disulfidbrücke
A
Helix Faltblatt Turn
1 232
B $ VEGF-121
$ VEGF-165
$ VEGF-145
$ VEGF-189
Der vaskuläre
endotheliale Wachstumsfaktor (VEGF)
Man kennt sieben Glycoproteine, die zur VEGF-Familie gehören:
VEGF-A bis VEGF-F und den Placenta-
Wachstumsfaktor PlGF.
VEGF-A (= VEGF) ist in der funktionellen Form ein über eine
Disulfidbindung verknüpftes
Homodimer. Durch alternatives Spleißen aus den 8 Exons
werden mindestens fünf verschiedene Isoformen gebildet.
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Die VEGF-
Signaltransduktion
Die Rezeptoren, die hauptsäch- lich für die VEGF-vermittelte Signaltransduktionskaskade verantwortlich sind, bilden eine Familie nahe verwandter
Rezeptor-Tyrosinkinasen mit den Mitgliedern VEGFR-1, VEGFR-2 und VEGFR-3.
Vor allem VEGFR-2 scheint für das Wachstum und die Permea- bilitätsaktivitäten von VEGF ver- antwortlich zu sein, sowohl bei der Tumorangiogenese als auch bei der diabetischen
Retinopathie.
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Die VEGF-
Signaltransduktion
Die Rezeptoren, die hauptsäch- lich für die VEGF-vermittelte Signaltransduktionskaskade verantwortlich sind, bilden eine Familie nahe verwandter
Rezeptor-Tyrosinkinasen mit den Mitgliedern VEGFR-1, VEGFR-2 und VEGFR-3.
VEGF-A bindet mit ca. 10-fach größerer Affinität an VEGFR-1 als an VEGFR-2, allerdings ist die Tyrosinkinase-Aktivität von
VEGFR-1 wesentlich schwächer als die von VEGFR-2.
Der vaskuläre
endotheliale Wachstumsfaktor (VEGF)
Erhöhte VEGF-Spiegel werden u.a. in der Augenflüssigkeit von Diabetikern und Patienten mit feuchter altersabhängiger Makuladegeneration (AMD) gemessen.
Die AMD ist inzwischen in allen Industrienationen die häufigste Erblindungs- ursache, von der weltweit über 30 Millionen Menschen und allein in
Deutschland ca. 4,5 Millionen Menschen betroffen sind.
Es ist eine multifaktorielle, komplexe, progrediente Erkrankung des zentralen Komplexes aus Netzhaut, Pigmentepithel und Aderhaut, bei der sowohl
genetische Determinanten als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen.
Die Spätstadien resultieren unbehandelt in einem irreversiblen Verlust der zentralen Sehschärfe. Hierbei kommt es entweder zum Zelltod im Bereich der äußeren Netzhaut- und Aderhautschichten (geographische Atrophie, GA =
"trockene" Spätform), oder es entwickeln sich sekundäre Gefäßneubildungen aus der Aderhaut (so genannte chorioidale Neovaskularisationen, CNV =
"feuchte" AMD).
Proliferation des Endothels
PEDF
AN-Integrine
Endotheliale Migration MMPs und Kollagenasen Angiogenese-
Stimuli
FGF2 vaskuläre
Hyperpermeabilität Ang 2
Leukozyten- Rekrutierung
+ +
VEGF
Plasminogen- Aktivierung
ECM-Abbau NO-Produktion
Substrat für Endothelwachstum
AMD
Bei der AMD ist die Sauerstoffversorgung der Makula unterbrochen und als Folge der Ischämie laufen in den äußeren Netzhautschicht komplexe
angiogene und immunologische Reaktionskaskaden ab, die zum
Endothelwachstum führen, woraus neue, unausgereifte und poröse Kapillaren entstehen.
Angiopoetin2 (Ang2) Basischer Fibroblasten
Wachstiumsfaktor (FGF2)
1. Angiogenesehemmer
Ranibizumab Lucen5s® E. coli
Bevacizumab vs.
Ranibizumab
muriner Antikörper
humaner Antikörper
Protein
DNA
schwere Kette leichte Kette
schwere Kette leichte Kette
schwere Kette leichte Kette
chimärisierter Antikörper
muriner Antikörper
humaner Antikörper
Protein
DNA
schwere Kette leichte Kette
schwere Kette leichte Kette
schwere Kette leichte Kette
humanisierter Antikörper synthetische DNAs für
hochvariable Regionen
Bevacizumab vs.
Ranibizumab
Ranibizumab Maus-AK Humaner-AK
Ranibizumab Maus-AK Humaner-AK
Ranibizumab
MARINA-Studie
ANCHOR-Studie
ETDRS-Tafel
Early Treatment Diabetic Retinopathy Study
Indikation:
Lucentis® ist zur Behandlung der neovaskulären (feuchten)
altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) indiziert
Ranibizumab Lucen5s®
Ranibizumab
1. Angiogenesehemmer
Pegaptanib Macugen® synthe5sch
N NH2
O N O
F OH HO
NH O
O N O
F OH HO
2'-Desoxy-2'-fluor-cytidin 2'-Desoxy-2'-fluor-uridin HN
O
NH O O H3C O
O O O
H3C
450
450
PEG
NH N N
O
NH2
N O
OCH3
O HO
P O O–
O
HN O O N
O OH
CH3
3'-3'-G-dT-Cap
NH N N
O
NH2
N O
OCH3
HO HO
2'-Methoxy-guanosin A–U
G–C G–C PEG—C–G—Cap
A–U G–U U–A G–UA
¬¬¬&
A
¬¬¬$
C U
¬¬¬$
$¬¬¬¬¬¬&8¬*
Pegatinib
Macugen® enthält das Aptamer Pegaptanib- Natrium, ein pegyliertes, modifiziertes
Oligonukleotid, das mit hoher Spezifität und Affinität an den
extrazellulären
VEGF165 bindet und so die angiogene Wirkung des Wachstumsfaktors verhindert.
SELEX-Verfahren
Diese in einem SELEX- Verfahren eingesetzten
Nukleinsäuren sind dadurch gekennzeichnet, dass sie einen randomisierten
Sequenzabschnitt zwischen zwei flankierenden
konstanten Regionen enthalten.
N NH2
O N O
F OH HO
NH O
O N O
F OH HO
2'-Desoxy-2'-fluor-cytidin 2'-Desoxy-2'-fluor-uridin HN
O
NH O O H3C O
O O O
H3C
450
450
PEG
NH N N
O
NH2
N O
OCH3
O HO
P O O–
O
HN O O N
O OH
CH3
3'-3'-G-dT-Cap
NH N N
O
NH2
N O
OCH3
HO HO
2'-Methoxy-guanosin A–U
G–C G–C PEG—C–G—Cap
A–U G–U U–A G–UA
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A
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C U
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$¬¬¬¬¬¬&8¬*
Pegatinib
5’-[40kD]-[HN-(CH2)5O]-
pCfpGmpGmpArpArpUfpCfpAmpGmpUfpGmpAmpAmpUfpGmpCfpUfpUfpAmpU fpAmpCfpAmpUfpCfpCfpGm3’-p-dT
Mittlere Änderung der Sehleistung
5
0
-15
-20
-25
0 6 12 18 30 36 42 48 54
Zeit [Wochen]
0,3 mg Pegaptanib Placebo
-5
-10
24
Pegatinib
5’-[40kD]-[HN-(CH2)5O]-
pCfpGmpGmpArpArpUfpCfpAmpGmpUfpGmpAmpAmpUfpGmpCfpUfpUfpAmpU fpAmpCfpAmpUfpCfpCfpGm3’-p-dT
Indikation:
Macugen® ist zur Behandlung der neovaskulären (feuchten)
altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) indiziert
Pega5nib Macugen®
Pegatinib
Mit Bevacizumab, Ranibizumab und Pegaptanib stehen drei verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung, die die gleiche Zielstruktur, den vaskulären
endothelialen Wachstumsfaktor VEGF, adressieren.
Die klinisch relevanten Mengen der drei Wirkstoffe liegen bei 0,25 mg/ml Bevacizumab, 0,125 mg/ml Ranibizumab und 0,08 mg/ml Pegaptanib.
In einer In-Vitro-Untersuchung an Schweineretinas konnten der Antikörper und das Antikörperfragment sehr effizient VEGF neutralisieren, während das
Aptamer keinen Effekt zeigte. Dieses Ergebnis wurde damit erklärt, dass die Bindungsstelle des Antikörpers im Bereich der Rezeptorbindungsstelle liegt, so dass die Bindung an den VEGFR-2 verhindert und dadurch auch das
pronagiogene Signal verhindert wird.
Demgegenüber bindet Pegaptanib innerhalb der Heparin-Bindungsstelle des VEGF, kann also nur VEGF165 inhibieren und verhindert die Interaktion
zwischen VEGF und dem Neuropilin-1-Corezeptor, was das proangiogene Signal nicht komplett unterdrückt, sondern nur moduliert.
Zusätzlich scheinen bei Bevacizumab und Ranibizumab weitere Mechanismen zu wirken, die die Expression von VEGF unterdrücken und dadurch ebenfalls die Angiogenese verhindern.