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Hindernisse der Kroatischen EU-Integration

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Academic year: 2022

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Hindernisse der Kroatischen EU-Integration Diplomarbeit

zur Erlangung eines Magisters der Rechtswissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät

der Karl-Franzens-Universität Graz

eingereicht bei:

Univ.-Prof. Dr.phil. David Florian Bieber

Institut für Österreichisches, Europäisches und vergleichendes Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre

Zentrum für Südosteuropastudien Karl-Franzens-Universität Graz

von Kristina Vucko Graz, im November 2012

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II Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die den benützten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

………

Graz, im November 2012

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III

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis III

Abkürzungsverzeichnis V

Einleitung 1

Teil A 4

1 Europäische Union – Ein Überblick 4

1.1 Wie entstand die Idee zur Gründung der EU? 4

2 Konditionalität 9

2.1 Anforderungen an Kroatien 15

3 Kroatien 18

3.1 Allgemeine Informationen 18

3.2 EU und Kroatien – kurze Chronologie 19

Teil B 22

4 Korruption 23

4.1 Definition 25

4.2 Wieso ist in Kroatien die Korruption ein so großes Problem? 27 4.3 Was sind die Anforderungen der EU an Kroatien? 33 4.4 Fortschritt Kroatiens in der Korruptionsbekämpfung 34 5 Der internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in

Den Haag und General Ante Gotovina 39

5.1 Anforderungen der EU in Bezug auf die Kriegsverbrecherproblematik 39 5.2 Wie geht Kroatien mit Kriegsverbrecherproblematik um? 47

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IV 5.3 Wie ist die Situation jetzt und welche Fortschritte hat es gegeben? 51

6 Grenzstreit mit Slowenien 53

6.1 Der Streit 53

6.2 Wieso dauert Kroatiens Beitrittsprozess so viel länger als Sloweniens? 61

7 Zusammenfassung und Schlussfolgerung 63

Literaturverzeichnis 66

(5)

V

Abkürzungsverzeichnis

Art Artikel

CPI Corruption Perceptions Index EAG Europäische Atomgemeinschaft EG Europäische Gemeinschaft

EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EU Europäische Union

EUV Vertrag über die Europäische Union EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft HDZ Hrvatska demokratska zajednica, Kroatische Demokratische Union ICTY International Criminal Tribunal fort he former Yugoslavia

NATO North Atlantic Treaty Organisation

OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa PHARE Poland and Hungary: Aid for the Restructuring Economies

PNUSKOK Policijski nacionalni ured za suzbijanje korupcije i organiziranog kriminaliteta

SAA Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen TI Transparency International

UNO United Nations Organization

UNODC United Nations Office on Drugs and Crime

UNTAES United Nations Transitional Administration in Eastern Slavonia, Baranja and Western Sirmium

USKOK Ured za suzbijanje korupcije i organiziranog kriminaliteta

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1

Einleitung

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit dem Beitritt Kroatiens in die Europäische Union. Die Idee einer überstaatlichen Ordnung in Europa entstand bereits im Mittelalter und nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie schließlich umgesetzt.

Europa musste politisch und wirtschaftlich wieder aufgebaut und vor allem Deutschland und Frankreich ausgesöhnt werden. Aus diesem Grund schuf man im Jahr 1957 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Diese bestand aus sechs Ländern, Deutschland, Frankreich, Italien und den Benelux-Staaten. In den Jahren von 1957 bis heute entwickelte sich die Europäische Union von einer rein wirtschaftlichen Gemeinschaft bis zur heutigen immer enger wachsenden politischen Union mit 27 Mitgliedern.1

Im Jahr 2003 stellte auch Kroatien einen Antrag auf Beitritt in die Europäische Union. Doch der Weg für Kroatien war ein Langer. Das Land, welches erst im Jahr 1991 die Unabhängigkeit von Jugoslawien erlangte, hatte in der folgenden Zeit mit einem jahrelang wütenden Krieg und dessen Auswirkungen zu kämpfen. Im Gegensatz zum Nachbarland Slowenien, welches ebenfalls Teil des ehemaligen Jugoslawiens war und seit 1991 unabhängig ist, konnte Kroatien seinen Beitrittsantrag zur Europäischen Union erst sieben Jahre später stellen. Doch Kroatien musste nicht nur mit dem Krieg fertig werden. Welche Probleme hat es für das Land noch gegeben und welche Auswirkungen hatte die Verzögerung des Beitritts auf die kroatische Bevölkerung?

Es kann beobachtet werden, dass heute weniger Kroaten für einen Beitritt in die Europäische Union sind als noch im Jahr 2000. Kann es sein, dass die Ursache hierfür in den von der EU auferlegten Konditionen liegt und es durch die jahrelangen Verhandlungen zu einer steigenden Frustration der kroatischen Bevölkerung gekommen ist? Ist es möglich, dass die kroatienspezifischen Hürden,

1 Neisser, Die europäische Integration - eine Idee wird Wirklichkeit1 (Innsbruck 2008) 27ff.

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2 die andere Kandidatenländer, wie zum Beispiel Slowenien, nicht überwinden mussten, besonders zu dieser zunehmenden Ablehnung gegenüber der EU beigetragen haben?

Im Rahmen der Verhandlungen zwischen Kroatien und der EU wurden viele Beitrittskriterien diskutiert, jedoch waren drei der größten Herausforderungen solche, die sehr speziell für Kroatien sind und sensible Fragen der nationalen Identität betreffen, die mit anderen Kandidaten, wie z.B. Slowenien, nicht relevant wurden.

In dieser Arbeit wird auf die folgenden drei ausgewählten, für Kroatien besonders hervorzuhebenden und sensiblen Themen eingegangen. Zum einen handelt es sich um das Problem der Korruption in Kroatien. Bereits im Jahr 2004 verlangt die Kommission der Europäischen Union, dass Kroatien Antikorruptionsmaßnahmen trifft. Dies ist nicht nur für Kroatien wichtig, sondern auch für die gesamte EU, da sich Korruption in Kroatien auch auf die EU auswirken kann.

Ebenfalls bereits im Jahr 2004 verlange die Europäische Union, dass bei den Beitrittsverhandlungen mit Kroatien die Kriegsverbrecherproblematik behandelt wird. Diese Kondition ist eine sehr Spezielle, weil sie nur für diejenigen Länder relevant ist, die am Balkankrieg beteiligt waren und für andere Kandidatenländer und Mitgliedstaaten der EU keine Beitrittsbedingung darstellte. Hierzu zählt auch die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.

Beim dritten großen Hindernis für Kroatien auf dem Weg in die Europäische Union handelt es sich um die Grenzstreitigkeiten mit dem Nachbarland Slowenien. Im Gegensatz zu den anderen zwei Kernproblemen, wurde dieses erst im Jahr 2008 relevant, als Slowenien beschloss ein Veto bei den Beitrittsverhandlungen mit Kroatien einzulegen um damit vorwiegend eigene Interessen und Gebietsansprüche durchzusetzen.

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3 Um die Verhandlungen zwischen Kroatien und der EU besser zu verstehen, ist es notwendig, zuerst die Hintergründe und grundlegenden Werte und Ziele der Europäischen Union darzustellen. Daher werden in Kapitel 1 die Geschichte und die Entstehung der heutigen EU beleuchtet. Im folgenden Kapitel 2 wird genau auf die Konditionen eingegangen, die zukünftige Mitglieder der Europäischen Union zu erfüllen haben und schließlich auf die konkreten Beitrittskriterien, die für Kroatien relevant waren.

Als Nächstes wird in Kapitel 3 die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Kroatien chronologisch dargestellt. Um zu verstehen, warum sich die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien so schwierig gestaltet haben, ist es notwendig in den geschichtlichen Hintergrund der Beziehungen der EU mit den Westbalkanstaaten zu blicken.

Es bildet sich klar ab, dass drei Hindernisse besonders hervorstechen und sehr präsente und umstrittene Themen in Kroatien sind. Diese werden in den Kapiteln 4 bis 6 durchleuchtet. Hierbei handelt es sich um das Problem der Korruption in Kroatien, die Kriegsverbrecherproblematik und den Strafprozess gegen General Ante Gotovina und schlussendlich die Grenzstreitigkeiten mit dem Nachbarland Slowenien.

In der abschließenden Zusammenfassung wird kritisch beleuchtet, inwieweit die oben dargestellten Herausforderungen, trotz der heutigen Fortschritte im Beitrittsprozess, auch nachhaltig die Beziehungen zwischen Kroatien und der Europäischen Union negativ beeinflussen.

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4

Teil A

Im Teil A wird ein Überblick über die Entstehung der Europäischen Union und über deren Entwicklung geschaffen. Daraufhin wird auf die Konditionen eingegangen, die Kandidaten zu erfüllen haben um Mitglieder bei der EU zu werden. Schließlich wird auf die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Kroatien im speziellen eingegangen.

1 Europäische Union – Ein Überblick

1.1 Wie entstand die Idee zur Gründung der EU?

Die Idee zu einer überstaatlichen Ordnung auf dem europäischen Kontinent entstand schon im Mittelalter. Konkret wurde sie jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg, um die Teilung Europas in Ost und West aufgrund der jahrelangen Konflikte zu verhindern. Sowohl um die kommunistische Bedrohung abzuwehren, als auch um den wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau Europas sicherzustellen, war eine Vereinigung der Staaten unumgänglich. In erster Linie ging es darum Frankreich und Deutschland wieder auszusöhnen.

Robert Schumann, der damalige französische Außenminister, erklärte, dass zunächst der Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht werden müsse und schlug die Schaffung einer Wirtschaftsgemeinschaft vor, die die gesamte französische und deutsche Kohle- und Stahlproduktion betraf.

Daraufhin wurde der Vertrag über die Gründung der EGKS zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden geschlossen, der 1952 in Kraft trat und auf 50 Jahre befristet war. 2

Zuerst konzentrierte man sich auf die Integration im Bereich der Wirtschaft. Es wurden Verträge zur Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und

2 Neisser, Die EU Integration1, 71.

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5 der Europäischen Atomgemeinschaft geschlossen, die 1958 in Kraft traten und das Konzept einer Zollunion und eines gemeinsamen Marktes beinhalteten.3

Schon bald nach dem Abschluss der Römischen Verträge wurden die ersten Erweiterungsschritte getan. Irland, Dänemark, Norwegen und das Vereinigte Königreich stellten formelle Anträge auf EWG-Mitgliedschaft. Aufgrund einiger Differenzen zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich stieß deren Antrag zunächst auf französische Ablehnung. 1973 traten jedoch Irland, Dänemark und das Vereinigte Königreich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bei. Norwegens Beitritt scheiterte an einer in Norwegen durchgeführten Volksabstimmung.4

Griechenland wurde 1981 das zehnte Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Obwohl Griechenland wirtschaftlich nicht so weit entwickelt war wie der Rest der Gemeinschaft, wollte man die Demokratie, die eine bis 1974 bestehende Militärdiktatur ersetzte, stärken und dem Land eine finanzielle Unterstützung gewähren.5

Ebenso spielte bei Spaniens und Portugals Aufnahme in die EWG 1986 die Konsolidierung der jungen Demokratien eine große Rolle und die landwirtschaftlichen, industriellen und sozialen Unterschiede im Vergleich zur EWG wurden vernachlässigt.6 Weil der Anteil der in der Agrarwirtschaft Beschäftigten in Griechenland, Spanien und Portugal weit über den EWG Ländern stand, wurde befürchtet, dass es nach deren Beitritt zu Wettbewerbsproblemen kommen würde, unter anderem deshalb, weil der Importdruck aus der EG auf die

3 Schroeder, Grundkurs Europarecht(München 2009) 8.

4 Neisser, Die EU Integration1, 71.

5 Neisser, Die EU Integration1, 71-72.

6 General considerations on the problems of enlargement, COM(78) 120final vom 20.04.1978.

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6 neuen Mitglieder steigen würde.7 Dennoch nahm die EWG sowohl Griechenland als auch Spanien und Portugal als Mitglieder auf.8

Im Jahr 1989 änderte sich die politische Landschaft in Mittel- und Osteuropa stark. Die ehemals kommunistischen Länder wandelten sich in politische Systeme mit demokratischen Strukturen und die jungen Demokratien hatten ein ausgeprägtes Interesse einer Annäherung an die EU. Nachdem die EU ihren Willen geäußert hatte mit den Mittel- und Osteuropäischen Ländern eine Partnerschaft zu entwickeln, galt es, die Herausforderungen der Erweiterungen zu meistern. Beim Gipfeltreffen im Juni 1993 in Kopenhagen definierte die EU erstmals eine allgemein verbindliche, politische Orientierung für die Beitrittskandidaten. Die Kopenhagener Kriterien bestehen aus drei Gruppen, dem politischen, dem wirtschaftlichen und dem Acquis-Kriterium.9

Diese Kriterien besagen, dass der Beitrittskandidat institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte, sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten, verwirklicht haben muss. Des Weiteren ist eine funktionsfähige Marktwirtschaft, sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten, erforderlich. Die Mitgliedschaft setzt außerdem voraus, dass die einzelnen Beitrittskandidaten die aus einer Mitgliedschaft erwachsenen Verpflichtungen übernehmen und sich auch die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu eigen machen können. Ebenso muss die Fähigkeit der Union neue Mitglieder aufzunehmen gewährleistet sein. Diese Kriterien müssen spätestens beim Abschluss der Verhandlungen erfüllt sein.10 Schon in den Römischen Verträgen von 1957 war erkennbar, dass die Gründerstaaten durch den Zusammenschluss ihrer Wirtschaftskräfte Frieden und

7Hasenpflug/Kohler, Die Süd-Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft, Wende oder Ende der Integration?1 (Hamburg 1977) 110.

8Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union, Anspruch und Wirklichkeit(Wien 2001) 28.

9Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union30-31.

10 Europäischer Rat Kopenhagen 21.-22. Juni 1993.

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7 Freiheit wahren und festigen wollen und die Gemeinschaft auch anderen Staaten offenstehe. Art 237 EWGV regelte die Aufnahme weiterer Mitglieder, die sich zum gleichen hohen Ziel bekennen.11 Laut Art 49 EUV kann jeder europäische Staat, der die Werte der EU achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, beantragen EU Mitglied zu werden. Die Werte der EU sind in Art 2 EUV geregelt.

Diese sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Weitere Werte der EU sind Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern. Hinzu zu den Voraussetzungen des Art 49 EUV, kommen die Kopenhagener Kriterien.12

Im Jahre 1993 trat der Vertrag von Maastricht in Kraft und die EG wurde in die Europäische Union umbenannt. Dieser Vertrag schuf die Europäische Union, die einen institutionellen Rahmen für die Europäische Gemeinschaft, die Europäische Atomgemeinschaft, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und eine Zusammenarbeit in der Bereichen Justiz und Inneres schuf.13 Österreich, Schweden und Finnland wurden am 1.1.1995 Mitglieder der EU.14

In den neunziger Jahren wurde der Wunsch nach einer gemeinsamen Außenpolitik und Terrorbekämpfung größer. Die Themen der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion und die Osterweiterung waren Schwerpunkte der für 1996 anberaumten Regierungskonferenz. In den Niederlanden wurde 1997 ein neuer Vertrag unterzeichnet, der 1999 in Kraft trat, der Vertrag von Amsterdam. Dieser brachte eine Stärkung des Europäischen Parlaments und einige materiell-rechtliche Änderungen. Bedeutsam ist die Verankerung der europäischen Verfassungsgrundsätze im EUV.15

11 Neisser/Verschraegen, Die Europäische Union24.

12 Neisser, Die EU Integration1, 30-31.

13Ziegerhofer-Prettenthaler, Europäische Integrationsgeschichte, Unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Weges nach Brüssel1 (Wien 2004) 129.

14 Tatham, Enlargement of the European Union1 (Niederlande 2009) 68.

15 Ziegerhofer-Prettenthaler, Europäische Integrationsgeschichte1, 138-141.

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8 Schon bald, 2003, wurde der Vertrag von Nizza unterschrieben. Erforderlich war er, weil zu diesem Zeitpunkt die Beitrittsverhandlungen mit 12 Staaten geführt wurden und Reformen der EU Organe notwendig waren. Ebenso wurde auf dem Gipfel von Nizza die Charta der Grundrechte vorgestellt, jedoch vom Europäischen Rat nur „begrüßt“. Somit blieb ihr rechtlicher Status unklar. Erst später, im Vertrag von Lissabon, wurde die Charta der Grundrechte der EU auf die Ebene des EU Primärrechts gehoben.16

Der Nizza Vertrag brachte nicht die gewünschten Ergebnisse und die EU war gezwungen eine grundlegende Neuordnung durchzuführen. Nachdem im Juni 1993 in Kopenhagen erstmals allgemein verbindliche Beitrittskriterien geschaffen wurden, mussten sich die 12 neuen Beitrittskandidaten dem „Acquis Screening“ unterziehen. Schließlich wurden 2004 zehn neue Mitglieder in die Europäische Union aufgenommen, Bulgarien und Rumänien folgten drei Jahre später. Sie wurden unter einer Reihe von Vorgaben aufgenommen, welches ein bis dahin unübliches Verfahren darstellte.17

Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, der 2004 in Rom von den Regierungen der Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde, trat nie in Kraft, da er nicht von allen Ländern ratifiziert wurde. Dies wurde durch Referenden in Frankreich und den Niederlanden, die sich dagegen aussprachen, verhindert.

Nach anfänglicher Ratlosigkeit der EU Staaten aufgrund der Ablehnung des Vertrages, gelang es unter deutscher Ratspräsidentschaft den Reformprozess wieder in Gang zu bringen. Im Reformvertrag kamen Begriffe wie Verfassung, Symbole der EU, Flagge oder Hymne nicht mehr vor. Im Jahre 2009 trat schließlich ein überarbeiteter Vertrag in Kraft, der Vertrag von Lissabon. Dieser verleiht der EU Rechtspersönlichkeit, die EG wurde mit der EU zu einer Union

16 Schroeder, Grundkurs Europarecht 11-12.

17 Neisser, Die EU Integration1, 73-75.

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9 verschmolzen und die Charta der Grundrechte der EU steht nun auf der Ebene des Primärrechts.18

Von einer rein wirtschaftlichen Gemeinschaft, die nach dem zweiten Weltkrieg notwendig wurde, entwickelte sich die Zusammenarbeit der Länder Europas zu einer immer enger werdenden politischen Union.

2 Konditionalität

Nachdem sich die politische Landschaft in Südosteuropa im Jahre 1989 durch den Zerfall des kommunistischen Staates stark verändert hatte, sah auch die EG sich gezwungen, größtmögliche Unterstützung für die jungen Demokratien zu bieten.

Da die jungen Staaten großes Interesse hatten, sich der EG zu nähern, mussten die Herausforderungen der möglichen Erweiterungen gemeistert werden. Auf dem Gipfel von Straßburg im Dezember 1989 wurde für die neue Situation das Modell der Assoziationsabkommen empfohlen. Die ersten Europa–Abkommen wurden bereits im Dezember 1991 mit Polen und Ungarn unterzeichnet. Weitere folgten bald darauf mit Rumänien, Bulgarien, Tschechien und der Slowakei. Die wichtigsten Merkmale der Europa–Abkommen sind die wirtschaftlichen Bestimmungen, die die Errichtung einer Freihandelszone für industrielle Güter, begünstigten Handel mit landwirtschaftlichen Produkten, die Liberalisierung grenzüberschreitender Dienstleistungen, das Recht auf Gründung von Unternehmen, die Liberalisierung des Zahlungsverkehrs im Bereich Handel und Dienstleistungen und die Liberalisierung des Kapitaltransfers für Investoren enthalten. Es wurde ein bilateraler politischer Dialog eingerichtet. Im Gegenzug verpflichteten sich die Partnerländer Wettbewerbsregeln, ähnlich denen im Vertrag von Rom, anzuwenden und ihre Gesetzgebung dem Gemeinschaftsrecht anzupassen. Die finanzielle Zusammenarbeit wurde intensiviert und beinhaltete die Fortführung des PHARE-Programms, das später auch auf andere Länder, außer Polen und Ungarn, ausgeweitet wurde. Der europäische Rat von

18 Schroeder, Grundkurs Europarecht 14.

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10 Kopenhagen vom Juni 1993 einigte sich hinsichtlich der Mittel- und Südeuropäischen Länder darauf, dass diese, falls sie es wünschten, Mitglieder der Union werden können sofern sie die hierfür erforderlichen wirtschaftlichen und politischen Kriterien erfüllen können.19

Im April 1997 entwickelte der Rat für Allgemeine Angelegenheiten, in dem Bestreben Frieden und Stabilität in Südosteuropa zu schaffen, ein Konzept politischer und wirtschaftlicher Konditionen für die Länder des westlichen Balkans. Die EU wollte zum wirtschaftlichen Wiederaufbau beitragen, sowie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Standards bei Menschen- und Minderheitenrechten stärken. Diese Bedingungen waren die Grundlage bilateraler Beziehungen zwischen den Ländern des westlichen Balkans und der EG und ihre Erfüllung war an die finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung durch das PHARE-Programm gebunden. Diese EU-Strategie sollte kein Hindernis darstellen, sondern einen Anreiz für die Länder die Konditionen zu erfüllen. Diese sind die Beachtung der Grundprinzipien der Demokratie und der Menschenrechte. Weitere Voraussetzungen sind die Bindung an die Friedensabkommen, die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, die Gewährung der Rückkehr der Kriegsflüchtlinge ins ehemalige Jugoslawien, wirtschaftliche Reformen, die Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten, die Gewährung allgemeiner, gleicher, geheimer und freier Wahlen, keine Einschränkung der Medienfreiheit und keine Diskriminierung von Minderheiten.

Diese Konditionen galten für die Westbalkanländer. Die jeweiligen Abkommen mit den Ländern konnten ausgesetzt werden, falls eine grobe Missachtung der Bedingungen festgestellt wurde.20

Da die betroffenen Staaten nicht positiv auf die gebotenen Anreize reagiert hatten, schlug die Kommission 1999 ein neues Konzept vor, das die Entwicklung von Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen vorsah, welche den Ländern

19 Sajdik, Die EU-Erweiterung: Hintergrund, Entwicklung, Fakten(Wien 2003) 18ff.

20 Rat Allgemeine Angelegenheiten 29./30. April 1997, C97/129.

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11 größere Anreize boten, diese jedoch auch an mehr Bedingungen knüpften. Die Situation jedes Landes sollte einzeln berücksichtigt werden und sobald die Kopenhagener Kriterien erfüllt waren, sollte eine Perspektive für die EU- Mitgliedschaft geboten werden.21

Die Ziele der Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen waren die Angleichung der Rechtsvorschriften der Länder mit den Verträgen der EU, die Unterstützung des Überganges zur Marktwirtschaft, eine ausgewogene wirtschaftliche Beziehung zwischen der Gemeinschaft und den Ländern, die Errichtung einer Freihandelszone, die Förderung der regionalen Zusammenarbeit, die Wahrung der Grundsätze der Demokratie und der Menschenrechte, Frieden und Stabilität sowohl auf regionaler als auch auf internationaler Ebene zu fördern und gutnachbarliche Beziehungen zu entwickeln. Des Weiteren sollte die Rückkehr der Flüchtlinge, die Bekämpfung der Korruption, des organisierten Verbrechens und der Geldwäsche, der illegalen Einwanderung und des Menschenhandels gewährleistet werden.22

Die politische Konditionalität ist das stärkste Instrument der EU die Demokratisierung in Ländern zu stärken, die noch keine Mitglieder der Union sind.23 Sie ist eine Strategie der Druckausübung durch internationale Organisationen oder auch andere internationale Akteure, um politische Veränderungen zu stärken.24 Diese politischen Veränderungen sind z.B. die Achtung der Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und auch die Stärkung der Demokratie. Damit die auferlegten Bedingungen von den jeweiligen Ländern auch erfüllt werden, werden ihnen Belohnungen versprochen. Die größte Belohnung stellt der Beitritt zur Europäischen Union dar, weil dies das größte Ziel dieser

21 KOM(1999)235 endg. vom 26.05.1999.

22Beschluss des Rates und der Kommission über den Abschluss des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten und der Republik Kroatien.

23Kelley, Ethnic Politics in Europe: The Power of Norms and Incentives, Princeton University Press 8.

24Grabbe, The EU´s Transformative Power, Europeanization Through Conditionality in Central and Eastern Europe(USA 2006).

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12 Länder ist.25 Fehlt die EU-Perspektive, können die Politiker ihren Wählern gegenüber keine Reformopfer rechtfertigen.26 Andere Arten von Belohnung sind die internationale Anerkennung, materielle Hilfen im Zuge von Finanzhilfen oder Handelsliberalisierungen und auch militärischer Schutz.27

Bei Nichteinhaltung der Konditionen erteilt die EU keine expliziten Strafen, wobei auch eine Herausschiebung der Mitgliedschaft als Strafe empfunden wird, doch gibt es auch keine Belohnungen für die Länder.28 Dennoch betonte die Kommission im „Strategiepapier 2005 zur Erweiterung“, dass sie die Aussetzung des Annäherungsprozesses empfehlen kann, sollten die Länder ernsthaft und nachhaltig gegen Grundprinzipien der EU verstoßen.29

Laut Schimmelfennig gibt es drei Mechanismen für die Demokratisierung. Diese sind die politische Konditionalität, die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes, denn je besser die Wirtschaft entwickelt ist, desto höher ist der Grad der Demokratisierung, und drittens, der grenzüberschreitende Austausch mit anderen demokratischen Ländern. Die politische Konditionalität hat Einfluss auf die anderen zwei Mechanismen. Wichtig ist hierbei, dass die EU glaubwürdig auftritt, d.h. dass die Länder auch davon überzeugt sind, dass wenn sie die Bedingungen der EU erfüllen, am Ende auch tatsächlich in die Europäische Union aufgenommen werden.30 Dies ist nicht immer selbstverständlich, wie z.B. im Falle der Türkei. Bei allen anderen Ländern führte der Status „Beitrittskandidat“

zweifellos auch zu einer Mitgliedschaft in der EU. Doch bei der Türkei löste dieser

25Schimmelfennig, European Regional Organizations, Political Conditionality, and Democratic Transformation in Eastern Europe, East European Politics and Societies 2007, 126-141.

26Vachudova, Tempted by the EU? Political parties and party systemy before and after accession, Journal of European Public Policy 6, 2008, 861.

27Schimmelfennig, East European Politics and Societies 2007.

28Schimmelfennig, EU Democracy Promotion in the European Neighborhood: Political Conditionality, Economic Development, and Transnational Exchange, NCCR Democracy Working Paper 9 2007.

29 Mitteilung der Kommission Strategiepapier 2005 zur Erweiterung, KOM(2005) 561 endg. vom 09.11.2005.

30 Schimmelfennig, NCCR Democracy Working Paper 9 2007.

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13 Status Diskussionen darüber aus, ob sie überhaupt jemals Mitglied werden solle.

Dies schwächt die Glaubwürdigkeit der EU in Bezug auf die Konditionalität.31 Die EU hat auf die Mittel- und Osteuropäischen Staaten durch Ausübung der politischen Konditionalität einen enormen Einfluss.32 Doch hängt die Effektivität der politischen Konditionalität von drei Faktoren ab. Die EU muss, wie vorhin schon erläutert, glaubwürdig auftreten, dies bedeutet, dass bei Nichteinhaltung der Bedingungen durch die Länder auch die Belohnungen entfallen müssen.

Andererseits muss es für die Beitrittskandidaten erkennbar sein, dass sie bei Erfüllung der Konditionen auch tatsächlich in die EU aufgenommen werden. Des Weiteren hängt der Erfolg der politischen Konditionalität auch von der Größe der Belohnung ab. Je höher die Belohnung, umso größer ist auch der Anreiz der Länder die Konditionen zu erfüllen. Und schließlich spielen auch die Kosten der Umsetzung eine große Rolle. Regierungen verlieren bei der Umsetzung der Konditionen meistens an Macht und Autonomie. Dies geschieht, weil sie Kompetenzen an Gerichte und Parlamente abgeben müssen, weil die Oppositionsrechte und auch die Minderheitenrechte gestärkt werden, die Medienfreiheit garantiert werden muss und auch freie und faire Wahlen stattzufinden haben. Im Gegenzug erhalten die Länder bei Erfüllung eine Mitgliedschaft in der EU und somit Zugang zum freien Markt, militärischen Schutz und auch Förderungen bei Agrar- und Landwirtschaft. Sie erhalten ebenfalls ein Stimmrecht bei Entscheidungen der EU.33

Ebenso scheint die „Erweiterungsmüdigkeit“ der EU ihrer eigenen Glaubwürdigkeit zu schaden. Die Referenden in Frankreich und in den Niederlanden, die sich gegen einen neuen Verfassungsvertrag aussprachen, wurden als Ausdruck der Ablehnung weiterer Erweiterungsschritte interpretiert.

Die Eurobarometer-Umfragen in den EU-15-Ländern ergaben für den Beitritt des

31 Sedelmeier/Epstein, Beyond conditionality: international institutions in postcommunist Europe after enlargement, Journal of European Public Policy 2008, 795.

32Schimmelfennig, Governance by Conditionality: EU Rule Transfer to the Candidate Countries of Central and Eastern Europe, ibid.4, 2004, 669.

33 Schimmelfennig, East European Politics and Societies 2007.

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14 Westlichen Balkans keine Unterstützung, die über 40% ging.34 Die westlichen Balkanstaaten stellen eine besondere Herausforderung für die EU dar. Hinzu kommt, dass die EU mit vielen Konditionen heikle Fragen von nationaler Identität berührt, wie z.B. die Auslieferung von Kriegsverbrechern, die in ihren Heimatländern als Nationalhelden gesehen werden und deren Auslieferung sich nach Schuldgeständnis anfühlt.35 Es scheint, als müssen neue Kandidatenländer größere Hürden überwinden als die Kandidaten zuvor. Dies verringert die Glaubwürdigkeit der EU, die jedoch erforderlich ist, damit die politische Konditionalität effektiv sein kann.36 Fest steht, dass eine Erweiterung um eine Vielzahl von Staaten, wie es sie beim „Big Bang“ 2004 gegeben hat, nicht in Sicht ist, da sich die Mittel-und Osteuropäischen Länder auf ihrem Weg in die Europäische Union in verschiedenen Stadien befinden.37

34 Altmann, EU-Erweiterungsmüdigkeit und Westlicher Balkan, SWP Comments 60, 2005.

35 Sedelmeier/Epstein, Journal of European Public Policy 2008.

36 Schimmelfennig, EU Political Conditionality After the 2004 Enlargement: Consistency and Effectiveness, ibid.6, 2008, 918.

37 KOM(2005) 561 endg.

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15 2.1 Anforderungen an Kroatien

Schon im Jahr 1997 stellte der Rat für Allgemeine Angelegenheiten eine Liste von Konditionen zusammen, die die Westbalkanländer zu erfüllen hatten.38 Manche dieser Konditionen betrafen alle Länder, manche nur bestimmte. Diese Konditionen waren die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Herkunftsorte, Aufnahme von eigenen Staatsangehörigen, die sich illegal in einem EU Mitgliedsstaat befanden, die Erfüllung von Verpflichtungen, die in Friedensabkommen eingegangen wurden, einschließlich der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Hag, Reformen einzuleiten um anerkannten Standards bei Menschen- und Minderheitenrechten zu entsprechen, faire, allgemeine, gleiche und geheime Wahlen abzuhalten, keine Diskriminierung von Minderheiten durch öffentliche Stellen, keine Diskriminierung oder Einschüchterung unabhängiger Medien, Wirtschaftsreformen, Bereitschaft, mit den Nachbarstaaten in gutnachbarliche Beziehungen einzutreten und die Abkommen zwischen den Ländern mit den Friedensabkommen von Dayton in Einklang zu bringen. Des Weiteren nannte der Rat spezielle Konditionen, die nur Kroatien erfüllen musste. Diese waren die Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem Basisabkommen über Ostslawonien ergaben und die Zusammenarbeit mit der UNTAES, United Nations Transitional Administration for Eastern Slavonia, und der OSZE, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die Öffnung der Zollgrenze zwischen Kroatien und der Republik Serbien und die Erbringung des Nachweises, dass auf die bosnischen Kroaten genug Druck ausgeübt wurde, die Strukturen in Herceg-Bosna aufzulösen und bei der Errichtung und Verwaltung der Föderation mitzuarbeiten. Des Weiteren musste die kroatische Regierung ihren Einfluss geltend machen, damit bosnische Kroaten, die Kriegsverbrechen begangen hatten, auch dem Internationalen Gerichtshof in Den Hag zugeführt wurden.39

38 Rat Allgemeine Angelegenheiten 29./30. April 1997, C97/129.

39 Rat Allgemeine Angelegenheiten 29./30. April 1997, C97/129.

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16 Schließlich wurde im Jahr 2001 das Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen, SAA, zwischen der Europäischen Union und Kroatien unterzeichnet und somit die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft geboten. Die SAA sind rechtsverbindliche internationale Abkommen, die sich eng an die Europaabkommen anlehnen. Der Kern dieser Abkommen sind Grundprinzipien, die die EU-Mitgliedschaft ausmachen. Sie fordern die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit und die Errichtung einer Freihandelszone mit der EU.40 Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Kroatien trat am 1.2.2005 in Kraft, nachdem es in allen Mitgliedstaaten sowie durch das kroatische Parlament ratifiziert worden war.41 In dem SAA verpflichtete sich Kroatien zur politischen, wirtschaftlichen und institutionellen Stabilisierung, zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und zur Demokratisierung, zum Aufbau und Reformierung öffentlicher Verwaltung, zur Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, zur Erhöhung nationaler und regionaler Sicherheit, Stärkung politischer und wirtschaftlicher Freiheiten, Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte, zur Rechtsstaatlichkeit und zu Rückkehr der Flüchtlinge und der Vertriebenen und zu deren Schutz. Des Weiteren verpflichtete sich Kroatien zur Achtung der Charta der Vereinten Nationen und der Abkommen von Dayton und Erdut, zum Grundsatz der freien Marktwirtschaft und zur Angleichung seiner Rechtsvorschriften an die der EU, ebenso zur Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität.42 Zur Überwachung der Anwendung und Durchsetzung des SAA wurde ein Stabilitäts- und Assoziationsrat geschaffen, der aus Mitgliedern des Ministerrates und der Kommission der EU einerseits und aus Mitgliedern der kroatischen Regierung andererseits besteht.43

40 Bericht der Kommisssion, Der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess in Südosteuropa, KOM(2002) 163endg. vom 03.04.2002.

41 Pogatschnigg/Schladebach, Ein Jahr nach der EU-Erweiterung 2004(Frankfurt am Main 2005) 265, 266.

42 Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen zwischen EU und Kroatien.

43 Pogatschnigg/Schladebach, Ein Jahr nach der EU-Erweiterung 2004 267.

(22)

17 Am 21.02.2003 beantragte Kroatien in Athen seinen Beitritt in die Europäische Union. Ein Jahr später folgte das positive Avis der Kommission, denn diese stellte fest, dass Kroatien sowohl die Kopenhagener Kriterien von 1993 als auch die 1997 festgestellten Kriterien des Europäischen Rates erfüllte. Die Kommission stellte ebenfalls fest, dass Kroatien über solide demokratische Institutionen verfüge, die ordnungsgemäß funktionieren. Verbesserungsbedarf bestand in dem Bereich Minderheitenrechte, insbesondere von serbischen Minderheiten. Ebenso musste die Arbeitsweise und die Leistungsfähigkeit der Justiz, die Bekämpfung der Korruption und die Regionale Zusammenarbeit verbessert werden. Des Weiteren war eine Modernisierung in den Bereichen Werftenbau und Landwirtschaft notwendig.44

Kroatien musste die Rechtsangleichung in sämtlichen Bereichen fortsetzen und seinen Verwaltungs- und Justizapparat ausbauen, damit der gemeinschaftliche Besitzstand in wirksamer Weise umgesetzt werden kann.45 Die Beitrittsverhandlungen wurden im Juni 2011 abgeschlossen, da Kroatien die Benchmarks in allen Kapiteln erfüllt und auch solide Ergebnisse in der Korruptionsbekämpfung erzielt hatte. Die Kommission veröffentlicht jedoch bis zum Beitritt Kroatiens halbjährlich Bewertungen über den Fortschritt hinsichtlich der Umsetzung der in den betreffenden Kapiteln eingegangenen Verpflichtungen. Die Kontrolle konzentriert sich insbesondere auf die Bereiche Justiz und Grundrechte, Wettbewerbspolitik und Recht, Freiheit und Sicherheit.46

44 Mitteilung der Kommission zum Antrag Kroatiens auf Beitritt zur Europäischen Union, KOM(2004) 257endg. vom 20.04.2004.

45 Kroatien Fortschrittsbericht 2005 KOM(2005)561 endg. , SEK(2005) 1424 vom 09.11.2005.

46 Mitteilung der Kommission über die Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen 2011- 2012, KOM(2011) 666 endg. vom 12.10.2011.

(23)

18

3 Kroatien

3.1 Allgemeine Informationen

Kroatien liegt im südlichen Mitteleuropa und grenzt im Norden an Slowenien und Ungarn, im Osten an Serbien, im Südosten an Bosnien Herzegowina und Montenegro und im Westen an das Adriatische Meer. Es hat rund 4,3 Millionen Einwohner und ist somit im Vergleich zu anderen EU Ländern eher klein.47

Nach den Wahlen im Frühjahr 1990 hat Kroatien die parlamentarische Demokratie eingeführt und proklamierte im Dezember 1990, im damaligen Jugoslawien, die neue Verfassung. Seit 1991 ist Kroatien unabhängig.48 Die Verfassung wurde mehrfach geändert, wobei die größten Veränderungen in den

47 Kroatisches Statistikamt http://www.dzs.hr/default.htm (10.01.2012).

48 KOM(2004) 257endg.

Abbildung 1: Geographische Lage Kroatiens in der EU 2012 (Quelle: Wikipedia)

(24)

19 Jahren 2000 und 2001 stattfanden, bei denen die Stellung von Parlament und Regierung gegenüber dem Staatspräsidenten gestärkt wurde. Der Staatspräsident wird in direkter Wahl für eine Amtszeit von fünf Jahren mit der Möglichkeit einer Wiederwahl gewählt.49 Der derzeitige Präsident ist Ivo Josipović.50

3.2 EU und Kroatien – kurze Chronologie

Nachdem Kroatien am 25. Juni 1991 seine Unabhängigkeit verkündete, zögerte die Europäische Gemeinschaft zunächst das Land anzuerkennen. Es dauerte fast sieben Monate bis Kroatien von allen EG Mitgliedstaaten schließlich doch anerkannt wurde.51

Kroatien wollte sich nach der Verkündung der Unabhängigkeit der Europäischen Gemeinschaft annähern, doch aufgrund der militärischen Bedrohung verschoben sich die Prioritäten im Land und das Ziel EG rückte in den Hintergrund.52

Der kroatische Präsident Franjo Tudjman war dem Westen gegenüber eher skeptisch eingestellt und fürchtet eine Vereinigung von Kroatien mit einem anderen Staat. Dies, sein autoritäres Regime und die antidemokratische Tendenz seiner Politik führten zur Abkühlung der Beziehungen von EG und Kroatien.53 Im Jahre 1995 gab es schließlich Verhandlungen über ein Abkommen zur Zusammenarbeit zwischen EU und Kroatien, doch kurz vor dessen Abschluss wurde das Abkommen seitens der EU suspendiert. Der Grund hierfür war die Militäraktion Oluja, die den Zweck hatte, Kroatisches Territorium von den serbischen Militärtruppen wieder zurück zu erobern. Eine Wende in der Beziehung Kroatiens mit der EU brachten die Parlamentswahlen von 2000 und die Wahl von Stjepan Mesic als neuen Staatspräsidenten. Somit hatten die

49Cohen/Lampe, Embracing Democracy in the Western Balkans - From Postconflict Struggles toward European Integration(Washington D.C. 2011) 82.

50 KOM(2004) 257endg.

51 Kusic, Zwischen Euphorie und Ernüchterung: Kroatien auf dem Weg in die EU(Wien 2007) 54, 57.

52 Kusic, Kroatien auf dem Weg in die EU62.

53 Kusic, Kroatien auf dem Weg in die EU67.

(25)

20 Tudjman Ära und das autoritäre Regime in Kroatien ein Ende. Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen EU und Kroatien konnte 2001 abgeschlossen werden und führte das Land an die EU heran. Zwei Jahre später stellte Kroatien den Beitrittsantrag zur Aufnahme in die EU. Die Beitrittsverhandlungen sollten im März 2005 beginnen und der Beitritt wurde u.a. an die Bedingung geknüpft, dass Kroatien mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag kooperierte.54

Die Stimmung gegenüber der EU war überwiegend positiv. Im Jahr 2000 waren 77,6% der Bevölkerung für einen Beitritt Kroatiens in die EU. Vier Jahre später waren noch immer fast zwei Drittel der Kroaten für einen Beitritt.55 Doch obwohl Kroatien sich bemühte alle Kriterien für den Beitritt zu erfüllen, konnte es den General Ante Gotovina nicht an das Tribunal in Den Haag ausliefern. Die Regierung in Kroatien beteuerte nicht zu wissen, wo der General sich versteckte, doch die Chefanklägerin Carla Del Ponte glaubte dies nicht. Daraufhin wurden die Beitrittsverhandlungen kurzerhand auf unbestimmte Zeit verschoben und die Enttäuschung in der kroatischen Bevölkerung wuchs. Im Jahr 2005 war die Stimmung gegenüber der Europäischen Union bei weitem nicht mehr so gut wie im Jahr 2000. Laut dem „Eurobarometer 64“ hatten nur noch 28% der Bevölkerung eine positive Meinung zur EU.56

Innerhalb der EU herrschte kein Konsens darüber, was „uneingeschränkte Kooperation“ bedeutete. Doch im Oktober 2005 kam dann die plötzliche Wende.

Die Verhandlungen wurden nach der Aussage von Carla del Ponte, Kroatien würde mit dem ICTY kooperieren, wieder aufgenommen und schon bald konnte General Ante Gotovina auf einer der Kanarischen Inseln ergriffen und nach Den

54 KOM(2004) 257endg.

55 KroatischesMinisteriumAussen-undEuropapolitik, Rezultati osmog vala istraživanja stavova građana Hrvatske prema EU http://www.mvep.hr/ei/default.asp?ru=338&gl=200401280000005&sid=&jezik=1 (22.02.2012).

56 EuropeanCommission, Eurobarometer 64 von Dezember 2005

http://www.culturenet.hr/UserDocsImages/korisno%20-%20statistika/EB64.pdf (22.02.2012).

(26)

21 Haag ausgeliefert werden.57 Dennoch blieb die Unterstützung für die EU in Kroatien eher niedrig.

In den folgenden Jahren wurden Fortschritte gemacht und Kroatien sollte 2010 der EU beitreten. Doch das Nachbarland Slowenien blockierte die Eröffnung der letzten elf Verhandlungskapitel zehn Monate lang und somit wurde der Beitritt wieder auf unbestimmte Zeit verschoben. Schließlich konnte Kroatien sich doch mit Slowenien einigen und die letzten Kapitel für den Beitritt konnten eröffnet werden. Die letzten Schritte betrafen Reformen in Justiz und Korruptionsbekämpfung. Seit Juni 2011 sind alle Kapitel geschlossen und die Kommission erteilte Kroatien grünes Licht für den Beitritt, doch die Zustimmung zur EU im Land selbst ist seit der Verurteilung von General Ante Gotovina stark gesunken. Laut Eurobarometer 2011 waren nur noch 30% aller Kroaten für einen Beitritt, wohingegen 34% dagegen waren. 47% der Befragten waren der Meinung, dass Kroatien von einer Mitgliedschaft in der EU nicht profitieren werde.58 Am 22. Jänner 2012 fand in Kroatien ein EU-Referendum statt bei welchem 66,27% für einen Beitritt in die Europäische Union und 33,13% der Bevölkerung dagegen waren. Doch mit einer Beteiligung von nur 43,68% ist Kroatien das Land mit der geringsten Beteiligung an einem EU-Referendum. Zu beachten ist allerdings, dass auch Auslandskroaten mitstimmen konnten und gerade ihre Beteiligung am EU-Referendum besonders niedrig war.

Vernachlässigt man die Auslandskroaten, ist die Zahl der Beteiligten am Referendum in Kroatien selbst um einiges höher.59 Der Beitritt zur Europäischen Union wird Mitte 2013 erwartet.60

57 Kusic, Kroatien auf dem Weg in die EU95-100.

58 EuropeanCommission, Eurobarometer 75 von August 2011

http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb/eb75/eb75_publ_en.pdf (22.02.2012).

59 Drzavno-izborno-povjerenstvo-Republike-Hrvatske, Drzavni Referendum o pristupanju Republike Hrvatske Europskoj uniji von 2012 http://www.izbori.hr/2012Referendum/rezultati/rezultati.html (22.02.2012).

60 EuropäischeKommission, Kroatiens politische Beziehungen mit der EU

http://ec.europa.eu/enlargement/candidate-countries/croatia/relation/index_de.htm (21.02.2012).

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22

Teil B

Nachdem die Beziehungen zwischen Kroatien und der Europäischen Union überblicksmäßig dargestellt wurden, wird in den folgenden Kapiteln genauer auf die größten Herausforderungen und Hindernisse des Kroatischen EU-Beitritts eingegangen. Hierbei handelt es sich um drei sehr sensible und kroatienspezifische Probleme, die auch die nationale Identität berühren.

Zum einen handelt es sich um die Korruptionsbekämpfung in Kroatien. Die EU betonte bereits im positiven Avis der Kommission im Jahr 2004, dass Kroatien Antikorruptionsmaßnahmen setzen müsse. Bei dieser Kondition handelt es sich um eine Acquis Kondition, die auch andere Beitrittskandidaten zu erfüllen hatten und haben.

Im Gegensatz zu dieser Voraussetzung für einen Beitritt in die EU, handelt es sich bei der Kriegsverbrecherkondition um eine, die nur die Länder des Westlichen Balkans betrifft. Die Kommission betonte in ihrem Avis aus dem Jahr 2004, dass die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zu den wesentlichen Elementen des Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen zwischen Kroatien und der EU gehört und aus diesem Grund auch zu den Konditionen für einen EU Beitritt zählt. Solch eine Beitrittsbedingung gab es für andere Mitglieder der EU im Zuge ihrer Beitrittsverhandlungen nicht. Da diese Kondition ein sehr sensibles Thema für Kroatien darstellt und die nationale Identität berührt, war es für den EU Kandidaten nicht einfach, dieses Beitrittskriterium zu erfüllen. Aus diesem Grund wird auch diese Hürde in dieser Arbeit durchleuchtet.

Schlussendlich wird in Punkt 6 auf den Grenzstreit zwischen Kroatien und Slowenien eingegangen. Slowenien blockierte die Beitrittsverhandlungen zwischen Kroatien und der Europäischen Union monatelang. Bei diesem neuen, erst 2008 relevant gewordenem Kriterium, handelt es sich um keine Acquis

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23 Kondition. Slowenien nutzte ihren Vorteil als EU-Mitgliedsstaat insofern aus, indem es die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien blockierte um eigene Interessen durchzusetzen. Aus diesem Grund wird auch dieses Beitrittskriterium in dieser Arbeit thematisiert.

4 Korruption

Im Jahr 2004 stellte die Kommission in einem positiven Avis zu Kroatiens Beitrittsantrag fest, dass das Land über solide demokratische Institutionen verfüge. Jedoch bestand in einigen Punkten auch Verbesserungsbedarf. Diese waren unter anderem die Bekämpfung der Korruption und eine Lösung bei der Kriegsverbrecherproblematik. Ebenfalls zählte die Kommission der Europäischen Union die Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zu den Konditionen, die umzusetzen waren. Diese Prioritäten müsse Kroatien vor einem EU-Beitritt erfüllen.61

Die Bekämpfung der Korruption in Kroatien ist sehr wichtig für die ganze EU.

Korruption ist in allen EU-Ländern vorhanden, doch unterscheidet sie sich in Art und Umfang von Land zu Land. Korrupte Handlungen führen zu geringeren Investitionen, behindert das Funktionieren des Binnenmarkts und schmälern die öffentlichen Finanzen. Sie verursachen einen großen finanziellen Schaden, der geschätzt 120 Milliarden Euro jährlich beträgt. Wird nichts gegen Korruption unternommen, besteht die Gefahr, dass das Vertrauen in die demokratischen Einrichtungen schwindet und die Rechenschaftspflicht der politischen Führer abgeschwächt wird.62

Seit dem positiven Avis der Kommission im Jahr 2004 wurden jährlich Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission veröffentlicht, in denen

61 KOM(2004) 257endg.

62 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Korruptionsbekämpfung in der EU, KOM(2011)308 endgültig vom 06.06.2011.

(29)

24 Kroatiens Fortschritte bei der Umsetzung der Beitrittskriterien dokumentiert wurden.63 Neben den Fortschrittsberichten erschienen jährlich auch Dokumente der Kommission an das Europäische Parlament und an den Rat über die weitere Erweiterungsstrategie und die Herausforderungen für das folgende Jahr. In beiden Dokumenten wurde immer wieder betont, wie wichtig die Korruptionsbekämpfung sei.64 Vor allem nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens erkannte die Europäische Union, dass schwierige Themen wie die Justizreform und Antikorruptionsmaßnahmen frühzeitig in Angriff genommen werden müssen.65 Selbst fünf Jahre nach dem EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien lässt die Korruptionsbekämpfung in beiden Ländern zu wünschen übrig.66

Im Oktober 2011 forderte die Kommission in ihrer positiven Stellungnahme zum Antrag Kroatiens auf den Beitritt zur Europäischen Union das Land auf, seine Anstrengungen bei der Anpassung an den Besitzstand der EU weiterhin zu stärken und insbesondere in den Bereichen der Justiz, der Korruptionsbekämpfung und der Grundrechte seine Verpflichtungen einzuhalten und weitere Fortschritte zu erzielen.67

63 Fortschrittsbericht Kroatien 2011, SEC(2011) 1200 final vom 12.10.2011.

64 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Erweiterungsstrategie und wichtigsten Herausforderungen 2011-2012, KOM(2011) 666 endgültig vom 12.10.2011.

65 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Erweiterungsstrategie und den wichtigsten Herausforderungen für den Zeitraum 2006 - 2007, Kom(2006) 649 endgültig vom 08.11.2006.

66 DiePresse.com, Viel zu korrupt: Die EU rügt Bulgarien und Rumänien von 20.07.2011

http://diepresse.com/home/politik/eu/679625/Viel-zu-korrupt_Die-EU-ruegt-Bulgarien-und- Rumaenien (11.06.2012).

67 Stellungnahme der Kommission zum Antrag der Republik Kroatien auf den Beitritt zur Europäischen Union, KOM(2011) 667 endgültig vom 12.10.2011.

(30)

25 4.1 Definition

Korruption ist der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen. Dies ist die Definition von Transparency International, einer weltweit agierenden nichtstaatlichen Organisation, die sich in der Korruptionsbekämpfung engagiert.

Transparency International erhebt jährlich in über 100 Ländern den CPI, Corruption Perceptions Index, den Korruptionswahrnehmungsindex. Er konzentriert sich auf die Wahrnehmung der Korruption im öffentlichen Sektor durch Amtsträger, Beamte oder Politiker. Hauptsächlich werden zur Bestimmung der Indexe Zahlungen von Schmiergeldern, Bestechungen von Amtsträgern und Unterschlagungen öffentlicher Gelder beobachtet.

Der Korruptionswahrnehmungsindex setzt sich aus verschiedenen Umfragen und Untersuchungen zusammen, die die Wahrnehmung von Korruption durch die Bevölkerung angeben.

Gemäß dem CPI von 2011 liegt Kroatien mit einem Wert von 4,0 auf Platz 66. Die am wenigsten korrupten Länder sind Neuseeland, Dänemark, Finnland und

Abbildung 2: Abbildung Corruption Perceptions Index 2011 von Transparency International

(31)

26 Schweden mit Werten zwischen 9,3 und 9,5. Zu den korruptesten Ländern zählen Somalia, Nordkorea oder Afghanistan. Die EU Länder bewegen sich zwischen den Plätzen zwei und 86, der von Bulgarien besetzt wird. Österreich befindet sich mit Platz 16 im obersten Viertel der EU Mitgliedsstaaten.68

In Kroatien fallen folgende Delikte unter den Begriff der Korruption: das Geben und Erhalten von Bestechungsgeldern, illegale Vermittlung, Amtsmissbrauch, Missbrauch der Stellung und Abschluss eines schädlichen Vertrages, Offenlegung von Amtsgeheimnissen und Offenlegung und unberechtigter Zugriff zu Amtsgeheimnissen.69

68 TransparencyInternational, Corruption Perceptions Index 2011

http://cpi.transparency.org/cpi2011/in_detail/#myAnchor3 (26.01.2012).

69 Vasiljevic/Bajo/Cestar, National Integrity System Study

http://www.transparency.hr/dokumenti/tekstovi/NATIONAL_INTEGRITY_SYSTEM_STUDY.pdf (29.02.1012).

(32)

27 4.2 Wieso ist in Kroatien die Korruption ein so großes Problem?

Zuerst soll anhand einiger prominenter Fälle die Korruptionsproblematik in Kroatien veranschaulicht werden. Im Folgenden wird versucht, sowohl die Ursachen als auch die Folgen von Korruption zu erläutern.

Einer der wohl prominentesten Korruptionsfälle in Kroatien ist der des ehemaligen Premierministers Ivo Sanader. Er ist ein kroatischer Politiker, der nach dem Tod des Präsidenten Franjo Tudjman zum Vorsitzenden der Partei HDZ, Kroatische Demokratische Union, gewählt wurde. Von 2003 bis 2009 war er Kroatiens Premierminister und wollte das Land in die NATO und in die EU bringen.70 Im Jahr 2009 gab er plötzlich und ohne Bekanntgabe von Gründen seinen Rücktritt als Premierminister und Parteivorsitzender der HDZ bekannt.71 Aufgrund von Korruptionsvorwürfen und Untersuchungen von USKOK (Ured za suzbijanje korupcije i organiziranog kriminaliteta), einer Behörde zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, wurde seine politische Immunität Ende 2009 aufgehoben, woraufhin er Kroatien verließ. Er konnte jedoch bald darauf in Österreich festgenommen werden.72

In Zagreb laufen aktuell mehrere Prozesse gegen den früheren Premier. Ihm wird vorgeworfen Anfang der 1990iger Provisionen über eine halbe Million Euro von der Kärntner Hypo Bank erhalten zu haben. Ebenso soll er Bestechungsgelder in Höhe von 10 Millionen Euro vom ungarischen Erdölkonzern MOL bekommen haben.73 Eine weitere Anklage betrifft illegale Geldtransfers aus staatlichen

70 biografije.org, Ivo Sanader http://www.biografije.org/sanader.htm (03.02.2012).

71 Cohen/Lampe, Embracing Democracy in the Western Balkans148.

72 DiePresse, Kroatiens Ex-Premier in Österreich verhaftet von 10.12.2010

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/617228/Kroatiens-ExPremier-Sanader-in- Oesterreich-verhaftet?_vl_backlink=/home/index.do (03.02.2012).

73 DiePresse, Sanader: Zwei Korruptionsprozesse auf einen Streich von 08.11.2011

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/706948/Sanader_Zwei-Korruptionsprozesse-auf- einen-Streich?from=simarchiv (03.02.2012).

(33)

28 Firmen durch fiktive Aufträge.74 Seit Dezember 2011, nachdem die höchste bisher in Kroatien gezahlte Kaution von 1,6 Millionen Euro bezahlt wurde, befindet sich Ivo Sanader nicht mehr in Untersuchungshaft.75

Korruption kommt in Kroatien leider in noch vielen anderen Bereichen vor.

Daher ist es von Bedeutung, dass in den Medien davon berichtet wird. Doch gerade dies stellt in Kroatien ein großes Problem dar. Journalisten, die über Korruptionsfälle berichten, begeben sich oft in große Gefahr.76 So zum Beispiel der Journalist und Zeitungsherausgeber Ivo Pukanić. Er berichtete im Jahr 2001 unter Anderem in einer Artikelreihe über Zigarettenschmuggel auf dem Balkan und wurde daraufhin in Zagreb ermordet.77 Pukanić scheute nicht davor, kritisch über Kriminelle und auch Politiker, die mit korrupten Handlungen in Verbindung gebracht werden konnten, zu berichten.78

Doch er ist leider nicht der einzige, der sich durch seine Berichte in Gefahr begab.

Hrvoje Appelt, der sich für Medienfreiheit einsetzt und viel über Korruptionsfälle informierte, wie zum Beispiel die Hypo Alpe Adria Affäre und Ivo Sanader, wurde selbst Opfer von Morddrohungen und erhielt des Öfteren Polizeischutz.79 Laut Appelt sind mehr als 90% aller Angriffe auf Journalisten nicht aufgeklärt und in 99% der Fälle wird keine Anklage erhoben.80 Kroatischen Journalisten wird immer häufiger Geld geboten, damit sie nicht über Korruptionsfälle berichten.81

74 DerStandard, Sanader aus U-Haft entlassen von 16.12.2011

http://derstandard.at/1323916652793/Sanader-aus-U-Haft-entlassen (03.02.2012).

75 DerStandard, Sanader kommt auf Kaution frei von 07.12.2011

http://derstandard.at/1323222424713/Sanader-kommt-auf-Kaution-frei (03.02.2012).

76 Cohen/Lampe, Embracing Democracy in the Western Balkans207.

77 KleineZeitung, Pukanic-Mord: Erinnerung an die "montenegrinische Episode" von 24.10.2008 http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/1596933/index.do (09.02.2012).

78 Index.hr, Economist: Posljednja ubojstva pokazala da je Hrvatska i dalje balkanska zemlja von 31.10.2008 http://www.index.hr/vijesti/clanak/economist-posljednja-ubojstva-pokazala-da-je-hrvatska- i-dalje-balkanska-zemlja/407942.aspx (11.06.2012).

79 VolksgruppenORF, Journalist mit Bombenattrappe bedroht von 25.11.2008 http://volksgruppen.orf.at/kroatenungarn/aktuell/stories/92940 (09.02.2012).

80 Appelt, Napadi na novinare http://www.appeltreport.com/hr/appeltreport-com-nagrada-100-000- kuna/www-napadi-na-novinare-com/ (09.02.2012).

81 tportal.hr, "Novinarima se sve cesce nudi novac da ne pisu o korupciji" von 24.01.2012

http://www.tportal.hr/vijesti/hrvatska/172322/Novinarima-se-sve-cesce-nudi-novac-da-ne-pisu-o- korupciji.html (09.02.2012).

(34)

29 Auch auf den kroatischen Universitäten ist Korruption kein Fremdbegriff. Im Jahr 2008 wurden im Zuge der Aktion „Indeks“ 105 Personen festgenommen, darunter hauptsächlich Professoren. Studenten bezahlten für Prüfungen bis zu 2000 Euro. Einschreibungen auf Universitäten kosteten sogar bis zu 9000 Euro.82 Reiche Studenten kauften sich guten Noten, Studenten aus ärmeren sozialen Verhältnissen sollten lernen. Die höchsten Strafen gegen Professoren betrugen bis zu 34 Monate Haft.83

Diese Liste von Korruptionsfällen in Kroatien könnte man beliebig fortsetzen.

Täglich werden auf der Homepage von USKOK neue Fälle von Korruption bekanntgegeben.

Im Jahr 2010 wurden von UNODC, United Nations Office on Drugs and Crime, mehrere Umfragen über die Erfahrungen der Kroatischen Bevölkerung mit Korruption durchgeführt. 11,2% der Befragten gaben an, mindestens einmal in den letzten 12 Monaten eine Person im öffentlichen Sektor bestochen zu haben.

In fast 45% der Fälle wird Geld gegeben, in 37% Nahrungsmittel.

Durchschnittlich werden zwischen 100 und 280 Euro gegeben, in 3% der Korruptionsfälle sogar bis zu 1300 Euro. Am häufigsten, werden Ärzte bestochen, an zweiter Stelle sind Krankenschwestern, gefolgt von Polizisten. 35% aller Befragten gaben an, Personen im öffentlichen Sektor deshalb zu bestechen, damit die jeweiligen Vorgänge beschleunigt werden. Andere Gründe sind, sich eine bessere Behandlung zu sichern oder zusätzlichen Problemen zu entgehen. Bei 16% der Befragten ist der Grund für korruptes Handeln der, einer Strafe zu entgehen und 14% erhoffen sich eine Information. 26% aller Befragten würden Korruption nicht anzeigen, da sie Vorteile durch diese erfahren. 24% gaben an, die Bestechung sei nur ein Zeichen von Dankbarkeit gewesen und 23% sehen in

82 index.hr, Akcija Index: Studenti priznaju, policija ih pusta von 18.09.2008

http://www.index.hr/vijesti/clanak/akcija-index-studenti-priznaju-policija-ih-pusta-90-zaplijenjenih- indeksa/402584.aspx (09.02.2012).

83 JutarnjiList, Finale za USKOK-ove akcije Index: Zatvor za osam profesora Pormetnog fakulteta von 30.01.2012 http://www.jutarnji.hr/afera-index--zatvor-za-osam-profesora-prometnog-

fakulteta/1003296/ (09.02.2012).

(35)

30 einer Anzeige keinen Sinn weil sich keiner damit auseinandersetzen würde. Fast 5% aller Befragten würden korruptes Handeln aus Angst vor Rache nicht anzeigen und 3% wissen nicht einmal, wo sie Korruption melden sollen.84

Im Folgenden wird versucht die Ursachen und Folgen für Korruption in Kroatien zu erläutern. Dies ist jedoch sehr schwierig, da die Beteiligten alles daran setzen, ihr Handeln zu verbergen.

Es gibt viele verschiedene Ursachen für korruptes Handeln, welches in allen Lebensbereichen und auf der ganzen Welt vorkommt. Zu den grundlegenden Ursachen zählen im Allgemeinen vor allem die Abwesenheit von Gesetzen und das Fehlen von Institutionen, die Kontrollen ausüben können. In Kroatien sind zwar die Gesetze mittlerweile größtenteils gegeben, doch müssen die Rechtsvorschriften noch vollständig in die Praxis umgesetzt werden.85 Die Gesetze werden oft unpräzise formuliert oder sie werden nicht ordnungsgemäß angewendet.86

Seit dem Jahr 2000 existiert USKOK, eine Behörde zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität in Kroatien. Es wurden auch weitere USKOK-Behörden bei der Kriminalpolizei und im Justizwesen erschaffen. Für weitere Ausführungen wird an dieser Stelle auf Kapitel 4.4 verwiesen.

Gemäß dem Fortschrittsbericht der EU von 2011 ist es wichtig, dass in Kroatien die Wahlkommissionen noch gestärkt werden, um die Finanzierung politischer Parteien und Wahlkampagnen besser zu kontrollieren. Der Zugang zu Informationen muss gewährleistet sein und vor allem muss Korruption auf hohen

84 UNODC, Korupcija u Hrvatskoj: Stvarna korupcijska iskustva gradjana.

85 SEC(2011) 1200 final.

86 Vasiljevic/Bajo/Cestar, National Integrity System Study

http://www.transparency.hr/dokumenti/tekstovi/NATIONAL_INTEGRITY_SYSTEM_STUDY.pdf (29.02.1012).

Referenzen

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