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Sind wir Träumer in der internationalen Zusammenarbeit?

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Sind wir Träumer in der

internationalen Zusammenarbeit?

Von Sven Grimm, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

vom 19.10.2015

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Sind wir Träumer in der internationalen Zusammenarbeit?

Bonn,19.10.2015. Kritiker wie der Ökonom William Easterly bezeichnen die „2030 Agenda für nachhal- tige Entwicklung“ der Vereinten Nationen als „sinn- los, träumerisch und zugemüllt“, eine Art John- Lennon-Ansatz nach seinem berühmten Lied

„Imagine“. Sind wir alle Träumer?

Vermeintliche Pragmatiker sehen die neuen univer- sellen Ziele nachhaltiger Entwicklung skeptisch, weil sie berechtigterweise die Idee angreifen, Entwick- lung planen zu können. Hämisch sprechen sie von einer „Highschool-Wunschliste“. Die nachhaltigen Entwicklungsziele bieten aber neue Möglichkeiten,

„außen“ und „innen“ an einem gemeinsamen Ziel- system auszurichten.

Man kann die 2030-Agenda auch als eine Reaktion auf veränderte internationale Bedingungen verste- hen und als Versuch, mit zunehmendem Wissen über Zusammenhänge auf verschiedenen Ebenen ehrlicher umzugehen. Vor allem bemüht sich dieser internationale Konsens, in einer komplexen Welt, Nachhaltigkeitsziele in mehreren (Teil-)Zielsystemen zu verankern.

Politische Entscheidungen sind immer in einer eige- nen Handlungslogik verortet, die oft jedoch nicht ausreicht, um komplexe Ziele zu erreichen. Wir kön- nen beispielsweise „Armutsbekämpfung“ als höchs- tes Ziel der Entwicklungspolitik formulieren, wie dies etwa in Großbritannien per Gesetz der Fall ist. Aber auch eine so verstandene Armutsbekämpfung muss planetarische Grenzen (Klimawandel, ökologische Belastbarkeit) berücksichtigen, um relevante Ant- worten geben zu können. Dort wie auch hier müssen Problemlösungen unter komplexen Bedingungen mit vielen Unbekannten erarbeitet werden. Auch in britischen Debatten sieht man beispielsweise die grundlegende Bedeutung von Sicherheit. Bisher wurden internationale Auswirkungen nationaler Politiken als Fragen der Politikkohärenz diskutiert.

Unterschwellig ging man davon aus, dass „internati- onale Entwicklung“ ein übergeordnetes Ziel ist und daher alle Akteure sich diesem unterordnen. Das hat so nicht funktioniert.

In der nationalen Politik sind das Denken in globalen Zusammenhängen und eine langfristige Orientie- rung keine Aufgaben für ein Ministerium allein. Sie können auch nicht in die vermeintlich „außenorien- tierten Ressorts“ ausgelagert werden. Globale Anlie- gen werden in einer Reihe von Fachressorts disku- tiert, von Entwicklungspolitik über Bildungs- oder Umweltressorts bis zu (unbeabsichtigten) Wirkun- gen vermeintlich rein innenpolitisch orientierter Ministerien, wie bei der Landwirtschafts- und Ver-

braucherpolitik. Schon vor 15 Jahren analysierte der Politikwissenschaftler Christopher Hill die veränder- ten Bedingungen, unter denen (Außen-)Politiken festgeschrieben sind („The changing politics of foreign policy“) und warf Fragen auf. Ist die Trennung zwi- schen außen- und binnenorientierten Politiken noch sinnvoll? Oder haben Globalisierung und zuneh- mende Vernetzung der Welt diese Unterscheidung weitgehend aufgeweicht? Das Handeln im eigenen Land muss in den größeren Zusammenhang globa- ler Herausforderungen verortet werden. Die Flücht- lingspolitik ist ein aktuelles Beispiel.

Auch die internationale Zusammenarbeit muss sich verändern und dabei alle Staaten wie auch transna- tionale, zivilgesellschaftliche Formen der Zusam- menarbeit berücksichtigen. Als langfristigen Trend in der Staatenwelt können wir das Aufstreben einiger Entwicklungsländer beobachten. Die Zahl der Staa- ten mit mittlerem Einkommen ist stark angestiegen.

Für sie gilt es, neue Verantwortung zu übernehmen.

Darüber hinaus wirken transnationale Akteure in den globalen Beziehungen mit, mehr als jemals zuvor.

Hierzu gehören global handelnde Wirtschaftsunter- nehmen sowie philanthropische Stiftungen (wie etwa die Bill & Melinda Gates Stiftung oder die von George Soros gegründete Open Society) und interna- tionale Nichtregierungsorganisationen wie Green- peace. Auch dies ist ein schon länger diskutiertes Phänomen. Plädoyers für ein „Regieren jenseits des Nationalstaates“ (Michael Zürn) wurden bereits Mitte der 1990er Jahr verfasst.

Kooperationen jenseits des Nord-Süd-Schemas wer- den wichtiger, insbesondere, wenn wir die ökologi- schen Herausforderungen mitdenken, die alle Gesell- schaften vor grundlegende Probleme und Verände- rungen stellen. Dieser Wandel ist im Gange, auch wenn Institutionen und eingeübte Praktiken der Kooperation „träge“ sind und reale Veränderungen oftmals erst zeitversetzt nachvollzogen werden.

Mit ihrem Umfang entwirft die 2030-Agenda ein realistisches Bild der vielfältigen Zusammenhänge globaler Entwicklung. Die Welt ist in der Tat, „kom- plexer, umstrittener und vernetzter“ geworden, wie die Europäische Außenbeauftragte Federica Mogherini feststellt. Ein gemeinsames Zielsystem

„nachhaltiger Entwicklung“, das auch die Grundla- gen (und Grenzen) menschlicher Entwicklung mit einbezieht, ist damit ganz sicher nicht die Lösung aller Schwierigkeiten, aber ein Fortschritt. Es ist träumerisch, sich eine einfachere Welt zu wünschen, in denen Antworten eindeutig, weniger „zugemüllt“, und unumstritten ausfallen.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 19.10.2015

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