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Affektives Priming mit emotionalen Bildern in einer lexikalischen Entscheidungsaufgabe : eine EEG-Studie

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Academic year: 2022

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Affektives Priming mit emotionalen Bildern in einer lexikalischen Entscheidungsaufgabe –

eine EEG Studie

Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades einer Diplom-Psychologin im Fachbereich Psychologie der Universität Konstanz

vorgelegt von Susanne Kößler

Hermann-von-Vicaristraße 17 78464 Konstanz

Erstgutachterin: Professor Dr. Johanna Kißler Zweitgutachter: Professor Dr. Harald Schupp

Konstanz, im April 2006

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2007/2341/

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mir diese Diplomarbeit ermöglicht haben:

Ich bedanke mich bei Michael, der mich während meines ganzen Studiums und vor allem vor den Prüfungen unendlich unterstützt hat. Vielen Dank für die stundenlange Hilfe beim Kopieren und Bücherschleppen, fürs Korrekturlesen und Deinen nicht- psychologischen Blick auf mein „Werk“. Sei Dir sicher, ich freue mich genauso wie Du auf die Zeit danach!

Vielen Dank bei meinen Eltern, die mich in jeglicher Form motiviert und unterstützt haben. Und vielen Dank an meine Schwester Julia für ihr großes Interesse und ihr Verständnis dafür, dass meine Mithilfe bei ihrer Facharbeit etwas kurz kam.

Herzlichen Dank an Prof. Dr. Johanna Kißler für die gute Unterstützung, die intensive Betreuung, die kritischen Anmerkungen und die Ausdauer beim Beantworten all meiner Fragen. Ebenfalls danke ich Prof. Dr. Harald Schupp für die Bereitschaft, die Zweitkorrektur zu übernehmen.

Vielen Dank an Cornelia Herbert, die mich mit großer Geduld und viel Zeit bei BESA unterstützt hat. Deine Erklärungen haben mich sehr weitergeholfen. Ein Dankeschön auch an Tobias Flaisch für sein Interesse an meiner Arbeit, die Tipps und Ideen.

Außerdem bedanke ich mich bei Anne Hauswald, Jens Borgelt und Irene Winkler für ihre Hilfe bei Statistica und EMEGS und die Gespräche, die mich sehr motiviert haben!

Ralf, Raphaela und Mira: vielen Dank fürs Korrekturlesen und die kritischen Anmerkungen. Ihr habt Dinge gesehen, die mir einfach nicht mehr aufgefallen sind.

Vielen Dank auch an Bärbel Awiszus und Christiane Wolf für die nette Zusammenarbeit bei der EEG-Messung.

Außerdem ein großes Dankeschön an Nicola Böhler, die mir während ihres Portugalaufenthaltes ihr Auto zur Verfügung gestellt hat, was es mir und meinen Versuchspersonen wesentlich erleichtert hat, ans ZPR zu kommen.

Wen habe ich vergessen? All denen möchte ich hier auch noch danken. Und natürlich meinen Versuchspersonen, die für mich (und 12 €) ihren Kopf hingehalten haben.

In Erinnerung an Rita – für mich sehr eng mit dieser Arbeit verbunden.

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...4

2. Theoretische Grundlagen ...6

2.1 Priming ... 6

2.1.1 Definition und Erläuterung ...6

2.1.2 Ursprung des Primings...7

2.1.3 Primingexperimente mit weitreichenden Schlussfolgerungen ...8

a) Gedächtnis – implizites vs. explizites ...8

b) Semantische Netzwerke ...9

c) Strategische vs. automatische Effekte ...11

d) Gebahntes Verhalten ...11

2.1.4 Affektives Priming...12

a) Ursprung und Begriffsdefinition ...12

b) Experimentelle Befunde zum affektiven Priming ...14

c) Aufgabenstellungen beim affektiven Priming...18

d) Erklärungsansätze für affektives Priming ...19

i) Die Aktivationsausbreitungshypothese ...19

ii) Der Antwortwettbewerb...21

iii) Das Prinzip des affektiven Matchings ...22

2.2 Das Modell des emotionalen Primings ... 24

2.2.1 Grundlagen des Modells ...25

a) Definition der Emotion...25

b) Die biphasische Organisation der Emotionen ...25

c) Experimentelle Hinweise für eine biphasische Organisation der Emotionen...26

i) Die Beurteilung affektiver Bilder...26

ii) Studien zur Untersuchung der Aktivität von M. corrugator supercilii und M. zygomaticus major...28

iii) Studien zur Untersuchung des Hautleitwertes...29

iv) Studien zur Untersuchung von ereigniskorrelierten Potentialen .30 2.2.2 Darstellung des Modells ...32

2.2.3 Untersuchungen zur Modulation der Schreckreaktion ...34

2.3 Die N400 als kortikaler Indikator für Kontextkompatibilität . 36 2.3.1 Die N400 im semantischen Kontext ...37

a) Die N400 und semantisches Priming ...39

b) Die N400 unter Variation des Reizmaterials...41

2.3.2 Die N400 im emotionalen Kontext...43

a) Der Einfluss emotionaler Prosodie auf die Ausprägung der N400 ...44

b) Die Modulation der N400 beim affektiven Priming ...45

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Inhaltsverzeichnis

3. Fragestellung und Hypothesen... 48

4. Methoden... 51

4.1 Versuchspersonen und Kontaktaufnahme... 51

4.2 Reizmaterial ... 53

4.2.1 Reizmaterial für Primes ...53

4.2.2 Reizmaterial für Targets ...55

a) Adjektive ...55

b) Pseudowörter ...58

4.2.3 Erstellung der Prime-Target-Kombinationen ...58

4.3 Apparative Ausstattung des Labors ... 59

4.4 Vorbereitung der Untersuchung... 60

4.4.1 Vorbereitung der Versuchspersonen...60

4.4.2 Anlegen der Elektroden ...61

4.4.3 Aufzeichnung des Elektrookulogramms...62

4.5 Aufgabenstellung und Durchführung des Experimentes ... 62

4.6 Experimentelles Design... 63

4.7 Nachbereitung der Untersuchung... 65

4.8 Datenaufbereitung... 65

4.8.1 Weiterverarbeitung der EEG-Daten...65

4.8.2 Exploration der EEG-Daten, Bestimmung der Sensor- und Zeitbereiche ...66

4.9 Statistische Analyse ... 69

4.9.1 Die statistische Analyse der Verhaltensdaten ...69

4.9.2 Die statistische Analyse der EEG-Daten ...69

5. Resultate ... 70

5.1 Ergebnisse der Verhaltensdaten ... 70

5.1.1 Reaktionszeiten...70

5.1.2 Anteile der korrekten Antworten ...72

5.2 Ergebnisse der EEG-Daten ... 74

5.2.1 Signifikante Ergebnisse im Zeitbereich von 370 bis 450 ms...75

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Inhaltsverzeichnis

5.2.2 Signifikante Ergebnisse im Zeitbereich von 440 bis 540 ms...78

5.2.3 Signifikante Ergebnisse im Zeitbereich von 560 bis 660 ms...81

6. Diskussion... 90

6.1 Verhaltensdaten... 90

6.2 EEG-Daten ... 97

6.3 Probleme und Ausblick... 103

7. Zusammenfassung ... 106

8. Literatur ... 107

9. Anhang ... 117

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Einleitung

1. Einleitung

Neulich auf dem Pausenhof einer Grundschule …

Klein Julia: „Los, wir spielen ein Spiel. Du musst ganz schnell antworten!“

Klein Thomas: „Okay, fang an!“

Julia: „Welche Farbe haben die Wolken?“

Thomas: „Weiß.“

Julia: „Welche Farbe hat ein Brautkleid?“

Thomas: „Weiß.“

Julia: „Welche Farbe hat Schnee?“

Thomas: „Weiß.“

Julia: „Was trinkt die Kuh?“

Thomas: „Milch, äh … nein, Wasser!“

Julia: „Ha ha! Ätsch, ich hab Dich reingelegt!“

Grundschüler sind fasziniert von solchen Wortspielen und begeistert, wenn ihr kleiner Trick klappt, weil der Antwortende sich auf eine falsche Fährte locken lässt und dadurch verkehrt antwortet. Meist bemerkt er seinen Fehler schnell und kann dann herzlich mitlachen.

Mancher Psychologiestudent mag sich im Grundstudium an solche Wortspiele aus seiner Kindheit erinnert haben, denn es handelt sich dabei um nichts Geringeres als ein kleines Primingexperiment. Die vielen kurzen Fragen bahnen bestimmte Antworten und erhöhen so die Wahrscheinlichkeit, dass auf die entscheidende letzte Frage falsch reagiert wird.

Priming, genauer gesagt affektives Priming, dient auch als theoretische Grundlage für die folgende Arbeit. Es werden emotionale Reize, angenehme und unangenehme Bilder, präsentiert und untersucht, wie sich diese auf die Verarbeitung nachfolgender emotionaler Wörter auswirken. Das Besondere an der vorliegenden Arbeit ist, dass gleichzeitig mit der Versuchsdurchführung die elektroenzephalographische Aktivität (EEG) der Probanden aufgezeichnet wird.

Vor der Beschreibung des eigentlichen Experimentes sollen die theoretischen Grundlagen erläutert werden. Anschließend werden die darauf basierenden

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Einleitung

Hypothesen formuliert, bevor die Methoden für eine mögliche Replikation des Experimentes dargestellt werden. Der Resultateteil gibt alle relevanten Ergebnisse wieder. In der darauf folgenden Diskussion werden diese interpretiert und kritisch begutachtet.

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Theoretische Grundlagen

2. Theoretische Grundlagen

Das Hauptziel dieser Arbeit ist die Untersuchung affektiven Primings, wobei das Interesse nicht nur dem Verhalten, sondern auch der EEG-Aktivität während der Versuchsdurchführung gilt.

Die theoretischen Grundlagen für das Untersuchungsdesign und das erwartete Verhalten liefern Studien zum Priming, insbesondere zum affektiven Priming, während die Emotionspsychologie ein eher neuropsychologisches Modell dazu vorschlägt. Zur elektroenzephalographischen Aktivität beim affektiven Priming gibt es bisher nur wenige Untersuchungen, jedoch liefert die N400-Komponente als Indikator für die Schwierigkeit der semantischen Analyse einen viel versprechenden Ansatz dazu.

2.1 Priming

2.1.1 Definition und Erläuterung

Der Begriff Priming stammt aus dem Angloamerikanischen und bedeutet im wortwörtlichen Sinn u. a. Zündung und Vorbereitung (Häcker, 2004; Willmann, 1995).

In der Psychologie wird der Begriff im Sinne einer Aktivierung oder Bahnung verwandt. Priming bezeichnet im Allgemeinen die Wirkung eines Reizes A auf die Verarbeitung eines nachfolgenden Reizes B. Nach Häcker (2004) und Wenninger (2001) liegt es dann vor, wenn das Auftreten eines Ereignisses A die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Ereignisses B, welches mit A assoziiert ist, vergrößert. Diese theoretische Definition soll anhand eines Beispiels erläutert werden:

Bitten wir eine beliebige Person ein paar Tiernamen aufzuzählen, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit „Hund, Katze, Maus, Vogel, Pferd, Kuh …“ oder ähnliche Tiere aus ihrer eigenen aktuellen Lebens- und Erfahrungswelt nennen. Zeigen wir der Person aber vor unserer Frage einen Film über die exotische afrikanische Fauna, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie dann „Antilope, Krokodil, Hyäne, Zebra, Termiten …“ oder andere im Tierfilm gezeigte Tiere nennt. Der Film stellt das Ereignis A dar. B repräsentiert die Antworten auf unsere Frage, welche zeitlich mit dem Film und thematisch mit dem Inhalt assoziiert sind. Gemäß der Definition erlaubt diese Assoziation eine Auswirkung von A auf B. Ohne Film erinnern wir uns an jene

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Theoretische Grundlagen

Informationen, die häufig durch entsprechenden Kontakt, z. B. wenn wir eine Katze auf der Straße sehen, in unserem Gedächtnis präsent und aktuell sind. Der Film allerdings aktualisiert unser Wissen über exotische afrikanische Tiere, reaktiviert die damit in Verbindung stehenden Konzepte und erleichtert uns dadurch den Zugriff auf jene Gedächtnisinformationen.

Daher spricht man beim Priming auch von einer Reaktionsbahnung, die durch vorausgehende Ereignisse oder Erfahrungen erzeugt wird. Gebahnte Reaktionen treten häufiger und schneller als nicht gebahnte auf und lassen sich durch eine erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit und eine kürzere Reaktionszeit von außen beobachten.

Im folgenden Text wird in Anlehnung an das angloamerikanische Ursprungswort von Priming und geprimten Reaktionen und Verhalten gesprochen.

2.1.2 Ursprung des Primings

Der Begriff Priming wurde zum ersten Mal 1951 von Karl Lashley (1951) anlässlich eines Vortrags im Sinne einer kurzzeitigen internalen Aktivierung von Antworttendenzen benutzt. Zur Entstehung flüssiger Sprache sollten Wort und Wortabschnitte bereits vor deren Aussprache aktiviert – er nannte es geprimt – werden.

Beobachtbar sei dies bei sog. Spoonerismen1, d.h. dem Vertauschen der Anfangsbuchstaben zweier oder mehrerer Wörter in einem Satz. Wenn wir z. B. von

„hötzlich pleute“ sprechen, aber eigentlich „plötzlich heute“ meinen und sagen wollten. Lashley verstand Priming als einen vermittelnden Prozess zwischen Handlungsabsicht und der tatsächlich vollzogenen Handlung.

Durch ihn ging Priming als ein Begriff für die Bereitschaft und Verfügbarkeit mentaler Repräsentationen in die Literatur ein. Stellte Priming bei ihm noch eine intern ausgelöste Aktivierung dar, konnte später gezeigt werden, dass es auch extern verursacht werden kann (Bargh & Chartrand, 2000). So ließ Storms (1958) Probanden zunächst eine Liste von Wörtern (Liste A) lernen. In einer zweiten Aufgabe sollten die Versuchspersonen zu einer anderen Wortliste (Liste B) frei assoziieren. Bei dieser Assoziationsaufgabe nannten die Versuchspersonen häufiger Wörter der Liste A, als dies im Hinblick auf vorhandene Assoziationsnormen zu erwarten war. Storms (1958)

1 Der Begriff Spoonerismus stammt von seinem Namensgeber W. A. Spooner. Er war Dozent an der Oxford University und schalt seine Studenten mit Bemerkungen wie „You have tasted the whole worm!“ anstatt „You have wasted the whole term!“ (Zimbardo & Gerrig, 1999).

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Theoretische Grundlagen

bezeichnete sein Ergebnis als recency effect und beschrieb ihn im Sinne Hulls: „(…) the recency effect might be formulated as an augmentation of reaction potential resulting from the occurrence of a response low in habit-family hierachy for some given stimulus” (Storms, 1958, S. 394).

Mitte der 60er Jahre wurde dieser von Storms gefundene Effekt bereits als Priming bezeichnet. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass er auch ohne explizite Wortlerninstruktion, z. B. eingebettet in eine Stroop-Aufgabe oder als Analogietest, auftritt (Grand & Segal, 1966; Segal, 1967).

In der darauf folgenden Zeit wurde Priming in vielen Untersuchungen als experimentelle Grundlage eingesetzt und lieferte beachtliche Ergebnisse. Bis heute ist Priming von großem heuristischem Wert für viele Teilbereiche der Psychologie. Im folgenden Kapitel werden einige wichtige Primingexperimente und die aus ihnen gezogenen Schlussfolgerungen dargestellt.

2.1.3 Primingexperimente mit weitreichenden Schlussfolgerungen a) Gedächtnis – implizites vs. explizites

In der Gedächtnisforschung konnte mithilfe von Primingexperimenten, welche an amnestischen Patienten durchgeführt wurden, demonstriert werden, dass Gedächtnis kein einheitliches Phänomen darstellt.

Elizabeth Warrington und Larry Weiskrantz (1974) konnten zeigen, dass Amnestiker Probleme haben, sich an vorher präsentierte Wortlisten bewusst zu erinnern und diese wiederzugeben und dort schlechter als gesunde Versuchspersonen abschneiden.

Wurden die Versuchspersonen allerdings nicht explizit nach dem Inhalt der Listen befragt, sondern sollten sie Wortfragmente, welche teilweise zu den vorher präsentierten Wörtern passten, sinnvoll ergänzen, unterschieden sich die Leistungen von Amnestikern und Gesunden nicht. Beide Gruppen profitierten gleichermaßen von vorher präsentierten Wörtern und schnitten bei Wortfragmenten, die mit den Wörtern der vorher präsentierten Wortliste zusammenpassten, besser ab. Die Gedächtniseinschränkungen der Amnestiker waren also nicht bei allen Gedächtnisanteilen zu finden, weswegen verschiedene Gedächtnisteile oder -systeme

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Theoretische Grundlagen

angenommen werden müssen. Dass wir heute explizites und implizites Gedächtnis2 unterscheiden (Graf, Squire & Mandler, 1984; Squire, Shimamura & Graf, 1985;

Schacter & Bruckner, 1998a,b), verdanken wir auch diesem Primingexperiment.

Während Wissen über Fakten und Ereignisse zum expliziten Gedächtnis3 gehört, basiert Priming auf dem impliziten4 Gedächtnis (Kandel, Schwarz & Jessell, 2000).

Letzteres ist bei Amnestikern intakt und führt dazu, dass bei ihnen Priming erhalten bleibt, obwohl die bewusste Erinnerung fehlt.

b) Semantische Netzwerke

Primingexperimente lieferten auch wertvolle Hinweise über eine mögliche Struktur semantischer Inhalte im Gedächtnis. Nach der Theorie der semantischen Netzwerke (Collins & Loftus, 1975; Collins & Quillian, 1969) besteht unser Gedächtnis aus miteinander verbundenen Knoten (auch Informationen). Wird ein Knoten aktiviert, gibt er diese Aktivierung nach dem Prinzip der sich ausbreitenden Aktivierung (spreading activation) über die Verbindungen dazwischen auch an andere Knoten weiter. Angenommen werden insbesondere semantische Netzwerke, die semantisch verwandte Konzepte (d.h. die Knoten oder Informationen) miteinander verbinden.

Diese Annahme konnte durch Ergebnisse aus semantischen Priminguntersuchungen5 unterstützt werden. In solchen Studien wird sequentielles Priming eingesetzt. Dabei wird zunächst ein erster Reiz, der Prime (auch Primereiz), präsentiert. Dieser soll ein entsprechendes Konzept im Gedächtnis aktivieren. Nach dem Prime wird ein Zielreiz, das Target (auch Targetreiz), auf welchen die Versuchsperson reagieren soll, dargeboten. Aus der benötigten Reaktionszeit werden Schlüsse in Bezug auf mögliche ablaufende Prozesse gezogen. Semantisches Priming wird in der Regel mit Wörtern als Prime- und Targetreizen untersucht und die Reaktion der Versuchsperson kann z. B. in einer lexikalischen Entscheidungsaufgabe beobachtet werden. Dabei muss die Versuchsperson so schnell wie möglich durch Tastendruck entscheiden, ob der

2 In der Literatur finden sich auch die Bezeichnungen „deklarativ“ für explizit und „prozedural“ für implizit. Man spricht auch vom bewussten (expliziten) und unbewussten (impliziten) Gedächtnis.

3 Explizites (deklaratives) Gedächtnis: Faktenwissen, Wissen um Ereignisse z. B. „Rom ist die Hauptstadt von Italien“.

4 Implizites (prozedurales) Gedächtnis: Fähigkeit, gewisse Dinge zu erlernen z. B. Autofahren, Maschineschreiben.

5 Von semantischem Priming spricht man, weil ebensolche Zusammenhänge damit untersucht werden.

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Theoretische Grundlagen

dargebotene Reiz ein tatsächlich existierendes Wort (z. B. „BLUME“ oder

„MERKMAL“) ist oder nicht (z. B. „MNIRTS“ oder „BAUFER“). Ein beispielhafter Durchgang könnte folgendermaßen ablaufen: Ein kurzer Hinweis auf dem Bildschirm kündigt der Versuchsperson den Durchgang an. Dann erscheint der Primereiz („HIMMEL“) auf dem Monitor. Im Anschluss daran wird der Targetreiz („HÖLLE“) präsentiert. Dann klickt die Versuchsperson so schnell wie möglich auf die Wort-Taste und ein neuer Durchgang kann beginnen. Einen schematischen Aufbau eines solchen Trials beim sequentiellen Priming zeigt Abbildung 1.

Start des Durchgangs, Fixationskreuz für 1000 ms Primereiz für 250 ms

leerer Bildschirm 50 ms

Targetreiz bis zur Reaktion der Versuchsperson

Reaktion der Reaktionszeit = Latenz Versuchsperson - vom Auftreten des

Targets bis zur Reaktion

Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines Trials beim sequentiellen Priming mit einer stimulus onset asynchrony (SOA) von 300 ms mit einem inter stimulus interval (ISI – leerer Bildschirm) von 50 ms. Das ISI könnte auch entfallen (aus Bargh et al., 2000).

Nach der Theorie der semantischen Netzwerke sollte nun eine Reaktion bei semantisch verwandten Reizpaaren (Prime-Target-Paar) schneller erfolgen, d.h. die Latenz ist kürzer, als bei Paaren, die in ihrer Bedeutung nicht miteinander assoziiert sind.

Präsentieren wir z. B. „KRANKENSCHWESTER“ Primereiz und folgt darauf

„ARZT“ als Target, sollte die Versuchsperson nach der Theorie in diesem Fall schneller reagieren, als wenn „ERDE“ als Target präsentiert würde. Denn Arzt und Krankenschwester sind semantisch stärker miteinander verwandt als Erde und Krankenschwester. Die erwarteten Ergebnisse konnten auch gezeigt (z. B. Meyer &

Schvaneveldt, 1971) und somit die Theorie der semantischen Netzwerke bekräftigt werden.

+

HIMMEL

HÖLLE

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Theoretische Grundlagen

c) Strategische vs. automatische Effekte

Mit der Technik des sequentiellen Primings kann auch untersucht werden, ob Effekte schnell und automatisch oder bewusst und strategisch auftreten (Bargh et al., 2000). Neely (1977) variierte die stimulus onset asynchrony (SOA), die Zeit von Präsentationsbeginn des Primereizes bis zum Auftreten des Targetreizes, und stellte fest, dass bei einer kurzen SOA (z. B. 250 ms) zwar semantisches Priming auftrat, aber keine bewussten strategischen Effekte. Die Versuchspersonen waren instruiert worden, nach manchen Primereizen semantisch inkongruente Reize zu erwarten (z. B. nach „BODY“ Teile von Gebäuden wie „DOOR“). Diese strategische Erwartungshaltung verkürzte die Reaktionszeit in der lexikalischen Entscheidungsaufgabe bei den erwarteten Targetreizen, jedoch nur bei einer längeren SOA (z. B. 2000 ms). In den Bedingungen mit kürzerer SOA (z. B.

250 ms) führten die semantisch kongruenten Paare auch zu einer kürzeren Reaktionszeit, wenn diese Paare nach der Instruktion gerade nicht zu erwarten waren, aber im semantischen Netzwerk zusammenhängen (z. B. „BODY“ –

„HEART“). Bei einer kurzen SOA ließ sich dieser schnelle semantische Effekt durch eine bewusste Strategie nicht inhibieren. („BODY“ – „HEART“ sollte zu Gunsten von „BODY“ – „DOOR“ nicht erwartet werden.) Daraus lässt sich folgern, dass semantische Primingeffekte schnell und automatisch (denn sie lassen sich nicht unterdrücken) ablaufen, bewusste Strategien und Absichten sind langsamer und kommen nur im Fall einer längeren Vorbereitung (längere SOA) zum Tragen.

d) Gebahntes Verhalten

In der sozialpsychologischen Forschung konnte gezeigt werden, dass es mittels Primings auch möglich ist, Verhaltenstendenzen zu bahnen. Mithilfe des scrambled sentence test versuchten Bargh, Chen und Burrows (1996; siehe auch Brehm, Kassin &

Fein, 1999) die Konzepte Höflichkeit und Unhöflichkeit zu aktivieren, um dann Auswirkungen auf das Verhalten der Probanden gegenüber dem Versuchsleiter zu beobachten. Dreißig Psychologiestudenten wurden 30 Wörtersets vorgelegt. Ein Wortset bestand aus wenigen Wörtern, die von den Versuchspersonen so

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Theoretische Grundlagen

zusammengesetzt werden sollten, dass ein sinnvoller und grammatikalisch richtiger Satz entstand. Die so zu erstellenden Sätze enthielten alle Wörter, die entweder mit Höflichkeit (Experimentalgruppe 1), Unhöflichkeit (Experimentalgruppe 2) oder keinem von beiden (Kontrollgruppe) in Verbindung gebracht werden konnten. Am Ende dieses Experiments beobachtete man, wie höflich oder unhöflich sich die Probanden gegenüber dem Versuchsleiter verhielten. Dieser gab vor, in ein Gespräch verwickelt zu sein, sollte allerdings nach Ende des Experiments von den Versuchspersonen informiert werden. Von den auf Höflichkeit geprimten Versuchspersonen wurde das Gespräch am seltensten gestört (17 %), hingegen von 38 % der Kontrollgruppe und 63 % der auf Unhöflichkeit geprimten Versuchspersonen. Die vorausgehende Aufgabe hatte scheinbar bei den Probanden die entsprechenden Verhaltenskonzepte aktiviert, so dass sie im Anschluss leichter gezeigt werden konnten.

Man spricht hier auch von konzeptuellem Priming, bei welchem sich die Aktivierung mentaler Repräsentationen in einem Kontext in unbewusster passiver Weise auf einen späteren unabhängigen Kontext auswirkt (Bargh et al., 2000).

Diese Beispiele aus völlig verschiedenen Teildisziplinen der Psychologie machen deutlich, dass durch Priming nicht mehr nur einzelnen Worte – wie Lashley (1951) vermutete –, sondern semantische Konzepte und scheinbar verschüttete Gedächtnisinhalte ebenso wie Verhalten gebahnt werden können. Das folgende Kapitel zeigt, dass auch Einstellungen und Bewertungen voraktiviert werden können, was von besonderer Bedeutung für die vorliegende Untersuchung ist.

2.1.4 Affektives Priming

a) Ursprung und Begriffsdefinition

Es wurde bereits erwähnt (siehe Kap. 2.1.3 b), dass die Verarbeitung von Targetreizen bei der lexikalischen Entscheidungsaufgabe vereinfacht ist, wenn das Target mit dem vorausgehenden Prime semantisch verwandt ist. Dies geht darauf zurück, dass durch die Präsentation eines einzelnen Wortes ein ganzes damit zusammenhängendes Konzept aktiviert und dadurch die Verarbeitung später präsentierter Konzeptmitglieder

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Theoretische Grundlagen

erleichtert wird. Fazio, Sanbonmatsu, Powell und Kardes (1986) konnten ähnliches auch für die Aktivierung von Einstellungen zeigen (siehe auch Fazio, 2001).

In ihrem Modell nahmen sie an, dass Einstellungen als Verbindungen zwischen Objekt6 und Bewertung7 (object-evaluation associations) im Gedächtnis existierten.

Wird ein Objekt präsentiert, führe dies zu einer automatischen Aktivierung der mit dem Objekt assoziierten Bewertung oder Einstellung8. Diese Aktivierung wiederum erleichtere eine spätere ähnliche Beurteilung. Zur Überprüfung des Modells wurden mehrere Experimente, die auf sequentiellem Priming basierten, durchgeführt. Um etwaige (richtige) Hypothesen der Versuchspersonen auszuschließen, waren sie als Untersuchungen zur Bedeutung von Wörtern und zum Wiedererinnern derselben getarnt. Das sequentielle Priming ging folgendermaßen vonstatten: Zunächst wurden Wörter als Primereize präsentiert. Diese waren entweder positiv (z. B. „gift“, „music“,

„party“) oder negativ (z. B. „death“, „hell“, „guns“). Im Anschluss daran folgte ein eindeutig negatives (z. B. „repulsive“, „awful“) oder positives (z. B. „appealing“,

„delightful“) Adjektiv, das von den Versuchspersonen so schnell wie möglich mittels Tastendrucks mit „gut“ oder „schlecht“ bewertet werden sollte. Es zeigte sich, dass die Reaktionszeiten kürzer waren, wenn Prime- und Targetwort dieselbe Valenz hatten, d.h. beide entweder positiv oder negativ waren. Interessant an diesem Ergebnis ist, dass die Probanden nicht explizit dazu aufgefordert worden waren, die Primewörter zu bewerten. Sie wurden ihnen stattdessen als „Merkwörter“ angekündigt und sollten am Ende jedes einzelnen Durchgangs laut auf ein Tonband gesprochen werden. Jedoch ist das Ergebnis modellkonform: Das präsentierte Objekt (Wort) führt ohne bewusstes Zutun der Versuchsperson zur automatischen Aktivierung der damit verbundenen Einstellung (oder auch Bewertung). Eine bereits aktivierte Einstellung wiederum

6 Objekt (object) wird von Fazio und Kollegen (1986) in einem sehr weiten Sinn verstanden:

Darunter sind soziale Angelegenheiten genauso wie bestimmte Situationen, Menschengruppen, einzelne Individuen oder physische Objekte zu verstehen.

7 Bewertung (evaluation) wird von Fazio und Kollegen (1986) auch sehr weit gebraucht: Der Begriff reicht von einem stark ausgeprägten Affekt („hot“) mit einer entsprechenden emotionalen Reaktion bis zu einer rein kognitiv basierten Beurteilung („cold“) der eigenen Vor- und Nachteile.

8 Das Ursprungsmodell macht allerdings keine Aussage zu affektiven Netzwerken, die – vergleichbar den semantischen Netzwerken - affektive Konzepte gleicher Valenz miteinander verbinden. Auch wenn das vorgeschlagene Modell häufig in diese Richtung interpretiert wurde (Fazio, 2001 z. B. Maier, Berner & Pekrun, 2003; Klauer & Musch, 2003). Das heißt, es existiert weder ein „positives“ Netzwerk, in dem positive Konzepte (z. B. positive Eigenschaften, positive Situationen, positive Menschen usw.) miteinander in Verbindung stehen, noch ein äquivalentes

„negatives“ Netzwerk.

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Theoretische Grundlagen

erleichtert die Bewertung eines nachfolgenden Reizes, der dieselbe Einstellung nach sich zieht.

Abgeleitet vom semantischen Priming bedeutet dies für die Erläuterung des Begriffs:

Affektives Priming beschreibt das Phänomen, dass die Verarbeitung eines affektiven Reizes erleichtert wird, wenn diesem Reiz ein affektiv konsistenter Reiz vorausgeht im Vergleich zu einem affektiv inkonsistenten (z. B. Hermans, De Houwer & Eelen, 1996, 2001; Klauer & Musch, 2003; Spruyt, Hermans, De Houwer & Eelen, 2004).

b) Experimentelle Befunde zum affektiven Priming

Ausgehend vom obigen Experiment (Fazio et al., 1986) wurde die Versuchsanordnung vielfältig verändert, um festzustellen, wann affektive Primingeffekte auftreten.

Eine kurze stimulus onset asynchrony9 (SOA) – die Zeit von Präsentationsbeginn des Primereizes bis zum Auftreten des Targetreizes – scheint eine Voraussetzung für affektives Priming zu sein. Bereits Fazio und Mitarbeiter (1986) variierten die SOA und stellten fest, dass affektive Primingeffekte, d.h. eine schnellere Reaktion bei konsistenten Reizpaaren im Vergleich zu inkonsistenten, nur bei einer kurzen SOA von 300 ms, nicht aber bei einer SOA von 1000 ms auftraten. Dieses Ergebnis wurde von verschiedenen unabhängigen Studien repliziert. Affektives Priming trat bei kurzen SOAs stabiler auf als bei langen (z. B. De Houwer, Hermans & Eelen, 1998). In einer Untersuchung von Hermans, DeHouwer und Eelen (2001), in der die SOA schrittweise variiert wurde, konnte der Effekt sogar nur bei einer SOA von 150 ms gefunden werden, während Musch und Klauer (1997) die SOA noch weiter reduzierten und den Effekt auch bei einer SOA von 0 ms10 nachweisen konnten.

Dies deutet darauf hin, dass der Prozess des affektiven Primings frühzeitig und schnell verläuft. Bei einer längeren SOA lässt die Einstellungsaktivierung entweder schnell wieder nach oder kann aufgrund ihrer Irrelevanz für die Aufgabestellung inhibiert werden (Fazio, 2001).

9 Wird der z. B. der Prime für 300 ms präsentiert und folgt sofort im Anschluss daran das Target, beträgt die SOA 300 ms. Wird der Prime 200 ms lang präsentiert und folgt ein inter stimulus interval (ISI, die Zeit zwischen Reizende von Reiz A und Beginn von Reiz B) von 100 ms, beträgt die SOA auch 300 ms. Fazio und Kollegen (1986) variierten die SOA (300 ms vs. 1000 ms) in ihrem zweiten Experiment.

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Theoretische Grundlagen

Murphy und Zajonc (1993) präsentierten ihren Versuchspersonen Bilder von lächelnden oder missmutigen Gesichtern als Primereize und unbekannte chinesische Schriftzeichen, deren positive oder negative Bedeutung die Versuchspersonen einschätzen sollten11, als Targetreize. Zusätzlich wurden zwei Bedingungen eingeführt:

Die Primereize wurden entweder a) suboptimal (für eine Dauer von 4 ms) oder b) optimal (für eine Dauer von 1000 ms) präsentiert. Die Primereize führten zu signifikanten Verschiebungen der Bewertungen der Schriftzeichen im Vergleich zum Priming mit leeren Bildschirm oder Vielecken als Primereizen. Das heißt nach einem lächelnden Gesicht bewerteten die Versuchspersonen die Schriftzeichen eher positiv, nach einem ärgerlichen Gesicht eher negativ. Dieses Ergebnis zeigte sich aber nur bei der suboptimalen Präsentationsdauer von 4 ms. Im Fall der optimalen Präsentationsdauer drehte sich dieser Effekt sogar bei einem der insgesamt sechs Experimente ins Gegenteil (d.h. missmutige Gesichter führten zu einer positiveren Bewertung der Schriftzeichen und umgekehrt) um, verfehlte die Signifikanz aber knapp. Das Ergebnis von Murphy und Kollegen (1993), das Vorhandensein von affektiven Primingeffekten auch bei einer subliminalen Primepräsentation, konnte vielfach repliziert werden (z. B. Haneda, Nomura, Iidaka & Ohira, 2003; Ferguson, Bargh & Nayak, 2005; Stapel & Koomen, 2005).

Rotteveel, de Groot, Geutskens und Phaf (2001) zeigten, dass sich subliminales affektives Priming nicht nur auf die Bewertungen der Versuchspersonen auswirkt, sondern sogar auf implizitere affektive Maße wie die Aktivität von Gesichtsmuskeln (M. zygomaticus major, M. corrugator supercilii; mehr zur Bedeutung dieser Muskeln bei der emotionalen Verarbeitung in Kap. 2.2.1). Auch hier waren die affektkongruenten Muskelreaktionen stärker unter suboptimalen als optimalen Bedingungen. Für den M. zygomaticus major konnte in der optimalen Bedingung [ähnlich zur Tendenz bei Murphy und Kollegen (1993)] sogar ein umgekehrter affektiver Primingeffekt gefunden werden.

Allerdings haben Studien mit subliminaler Primepräsentation einen Nachteil: Rotteveel und Phaf (2004) argumentieren, dass die subliminal präsentierten Primereize so kurz gezeigt werden, dass sie gar nicht verarbeitet werden, wenn während ihrer Präsentation

11 Anhand einer 5-stufigen Skala sollten die Versuchspersonen angeben, ob das Schriftzeichen eher etwas Angenehmes oder Unangenehmes repräsentiert.

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Theoretische Grundlagen

Sakkaden12 oder Blinzelbewegungen auftreten. Diese Umstände erklären zwar nicht, weshalb affektives Priming stärker bei suboptimaler als bei optimaler Primepräsentation auftritt, allerdings können die erzielten Effekte auch nicht eindeutig auf die Primereize zurückgeführt werden, weil diese nicht mit Sicherheit verarbeitet werden. Auch die Versuchspersoneninstruktionen beim optimalen vs. suboptimalen Priming unterscheiden sich: Beim optimalen Priming wissen die Probanden im Vorhinein von auftretenden, zu ignorierenden Primereizen; beim suboptimalen Priming sind sie nicht über kurz aufblitzende, aber nicht bewusst wahrnehmbare Reize informiert. Um bei ihren Ergebnissen solche Unterschiede und eine daraus folgende mögliche Konfundierung ausschließen zu können, verwendeten Rotteveel und Kollegen (2004) ein anderes Untersuchungsdesign: Affektives Priming wurde einmal mit fokussierter Aufmerksamkeit und einmal mit geteilter Aufmerksamkeit untersucht.

In den Durchgängen mit geteilter Aufmerksamkeit wurde vor der Präsentation des Primes eine 7-stellige Zahlen-Buchstaben-Reihe, die von den Probanden gemerkt und am Ende jedes Durchgangs wiedergegeben werden sollte, dargeboten. In den Durchgängen mit fokussierter Aufmerksamkeit fehlte eine solche Merkaufgabe. In beiden Bedingungen betrug die Präsentationsdauer des Primes 1000 ms. Die Versuchspersonen wurden instruiert, den Prime (glückliche, neutrale und ärgerliche Gesichter) zu ignorieren und japanische Schriftzeichen intuitiv als positiv oder negativ zu bewerten. Die stärkeren affektiven Primingeffekte wurden – parallel zum suboptimalen Priming – bei der Bedingung mit geteilter Aufmerksamkeit erzielt13. Zwar genügte im beschriebenen Experiment die Zeit, um den Primereiz ins Bewusstsein gelangen zu lassen, jedoch konnten die Versuchspersonen aufgrund der gleichzeitigen Merkaufgabe nicht ihre gesamte Aufmerksamkeit darauf richten. Hier werden die Parallelen zur kurzen SOA und der subliminalen Primepräsentation deutlich. Eine aufmerksame, ganz bewusste Verarbeitung scheint für affektives Priming nicht förderlich. Stattdessen ermöglicht sie die Entwicklung von Gegenstrategien, so dass der Effekt letztendlich gehemmt wird. Rotteveel und

12 Rotteveel und Kollegen (2004) merkten an, dass man bei während Sakkaden blind sei.

13 Zusätzlich zum affektiven Priming wurde auch noch nicht-affektives Priming unter der Bedingung der fokussierten und geteilten Aufmerksamkeit untersucht. Primereize waren weibliche und männliche Gesichter, Targetreize japanische Schriftzeichen, die intuitiv als männlich oder weiblich bewertet werden sollten. Der Primingeffekt (weibliches Gesicht erleichtert weibliche Einschätzung, männliches Gesicht erleichtert männliche Einschätzung) zeigte sich nur bei

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Theoretische Grundlagen

Kollegen (2001) fanden unter optimalen Bedingungen schließlich auch inkongruente affektive Primingeffekte.

Auch Spruyt, Hermans, De Houwer und Mitarbeiter (2004) schlussfolgern, dass affektives Priming frühzeitig auftritt und automatisch abläuft. Die obigen Beispiele zeigen, dass dieser Automatismus durch genügend Aufmerksamkeit und eine längere Verarbeitungszeit (längere SOA) inhibiert, wenn nicht sogar umgekehrt werden kann;

ähnlich geschah dies beim semantischen Priming mit langer SOA und instruierter Strategie (Neely, 1977). Bewusstsein muss wohl nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, aber eine kurze und unterbewusste Darbietung der Primereize und reduzierte Aufmerksamkeit erleichtern affektives Priming.

Variiert wurde – neben Primedarbietungszeit und Aufmerksamkeit – auch das Reizmaterial für Prime- und Targetreize. Bereits Murphy und Kollegen (1993) setzten anstatt des häufig verwendeten Wortmaterials (meist Adjektive oder Nomen) Bilder von ärgerlichen und lächelnden Gesichtern als Primes ein. Die Ergebnisse entsprachen den Erwartungen, und die Wirksamkeit dieser Gesichtsreize in Bezug auf affektives Priming wurde vielfach repliziert (z. B. Haneda et al., 2003; Rotteveel et al., 2001, 2004; Spruyt, Hermans, De Houwer et al., 2004). Auch anderes affektives Bildmaterial kann als Stimulusmaterial eingesetzt werden. Allerdings gibt es im Vergleich zu Studien mit Wörtern oder Gesichtern weniger Untersuchungen dazu und die Effekte scheinen nicht so stabil zu sein (siehe z. B. Hermans, Spruyt, De Houwer & Eelen, 2003; Storbeck & Robinson, 2004). Auch Tietz (2004) findet in ihrer Diplomarbeit mit emotionalen Bildern als Prime- und Targetreizen nicht die erwarteten behavioralen affektiven Primingeffekte. Giner-Sorolla, García und Bargh (1999) dagegen können mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen als Primereizen und Adjektiven als Targetreizen die Effekte nachweisen, ebenso wie Banse (2001) mit Photographien von beliebten (Partner, Charlie Chaplin) und unbeliebten Personen (Saddam Hussein) als Primes.

Selbst angeblich14 positive und negative türkische Vokabeln, die vor dem Experiment gelernt worden waren und anschließend als Primewörter präsentiert wurden, führten zu den erwarteten Kongruenzeffekten (Hermans, Baeyens & Eelen, 1998). Auch mit positiven oder negativen Gerüchen als Primereizen konnte affektives Priming

14 Tatsächlich Pseudwörter.

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Theoretische Grundlagen

nachgewiesen werden (Hermans et al., 1998; Hermans, Baeyens, Lamote, Spruyt &

Eelen, 2005).

c) Aufgabenstellungen beim affektiven Priming

Bei Untersuchungen zum affektiven Priming werden verschiedene Aufgaben, welche die Versuchspersonen als Reaktion auf den Targetreiz durchführen sollen, eingesetzt.

Man unterscheidet vor allem drei Aufgaben (Fazio, 2001; Klauer et al., 2003):

Die evaluative Entscheidungsaufgabe oder Bewertungsaufgabe (evaluative decision): Die Versuchspersonen sollen beim Erscheinen des Targets so schnell wie möglich entscheiden, ob es sich um einen „guten“ oder „schlechten“ Reiz handelt; auch Bewertungen wie „positiv“ oder „negativ“ sind möglich. Die Einschätzung kann durch Tastendruck mitgeteilt werden (z. B.

Fazio et al., 1986) oder wird in ein Mikrophon gesprochen (z. B.

Hermans et al., 1996). Bei dieser Aufgabenstellung werden in der Regel affektive Primingeffekte gefunden.

Die lexikalische Entscheidungsaufgabe (lexical decision task): Als Targetreize werden tatsächlich existierende Wörter (in der Regel aus der Muttersprache der Versuchsperson) oder Buchstabenketten, die keinen Sinn ergeben, präsentiert. Als sinnlose Buchstabenketten können Nonwörter (z. B. „WRAZRLY“) oder aussprechbare Pseudowörter (z. B. „BAUMFER“) benutzt werden.

Die Versuchsperson soll so schnell wie möglich durch Tastendruck angeben, ob es sich um ein tatsächliches Wort oder nicht handelt (z. B. Hill & Kemp-Wheeler, 1989). Auch hier werden affektive Primingeffekte gefunden, die Ergebnisse sind aber etwas inkonsistent.

Die Benennaufgabe (naming task oder pronunciation task): Die präsentierten Targetreize sollen von der Versuchsperson so schnell wie möglich laut ausgesprochen werden. Ein Mikrophon dient der Aufnahme. Auch hier werden affektive Primingeffekte gefunden (z. B. Giner-Sorolla et al., Exp. 2, 1999), allerdings sind die Ergebnisse noch inkonsistenter als bei der lexikalischen

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Theoretische Grundlagen

Entscheidungsaufgabe. Es werden auch Nulleffekte (Klauer &

Musch, 2001) oder umgekehrte Primingeffekte (Glaser & Banaji, 1999) gefunden.

Bei einer deutlich seltener eingesetzten Aufgabe werden die Targetreize maskiert und mit der Dauer der Darbietung immer deutlicher. Sobald die Versuchsperson den Reiz erkennt, soll er benannt werden.

Anstatt evaluativer Entscheidungen können auch grammatikalische (z. B. Nomen vs.

Adjektiv; z. B. Klauer & Musch, 2002) und semantische (z. B. wenn angegeben werden soll, ob es sich um ein lebendes Objekt handelt oder nicht) von den Versuchspersonen verlangt werden. Diese Aufgaben werden nicht mit affektiven Kongruenzeffekten in Verbindung gebracht, liefern aber Vergleichsmöglichkeiten zur evaluativen Entscheidungsaufgabe (Klauer et al., 2003).

d) Erklärungsansätze für affektives Priming

Verschiedene Mechanismen werden als Erklärungen für affektives Priming herangezogen. Dabei werden drei Ansätze am häufigsten angenommen: Dies sind die Aktivationsausbreitungshypothese (spreading acitivation), der Antwortwettbewerb (stroop mechanism) und das Prinzip des affektiven Matching (affective-matching mechanism) (Fazio, 2001; Klauer et al., 2003).

i) Die Aktivationsausbreitungshypothese

Spreading activation oder die Aktivationsausbreitungshypothese nimmt Netzwerke von Informationen (oder sog. Knoten), die alle miteinander verknüpft sind, an. Wird ein Knoten aktiviert, kann er seine eigene Aktivierung über die Verbindung zwischen den Knoten an andere Knoten weiterleiten (vgl. Kap. 2.1.3 b). Ähnlich den semantischen oder lexikalischen Netzwerken werden nun auch Netzwerke positiver und/oder negativer Valenz vermutet, die sämtliche positiven oder negativen Konzepte - seien es positive Adjektive, positive Lebensmittel, positive Menschen oder entsprechend alles Negative - miteinander verbinden. Dieser Ansatz wird in der Literatur häufig von Fazio und Kollegen (1986) (vgl. z. B. Klauer et al., 2003; Maier, Berner & Pekrun, 2003) abgeleitet, jedoch betont Fazio (2001), dass ursprünglich keine ganzen Netzwerke affektiver Konzepte angenommen wurden, sondern nur

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Theoretische Grundlagen

Assoziationen zwischen Objekt und der damit verbundenen Einstellung.

Nichtsdestotrotz führte diese Interpretation zu einem Erklärungsansatz von großem heuristischem Wert. Anhand eines Beispiels soll erläutert werden, welche Annahmen dadurch möglich werden: Präsentiert man das Wort „HÖLLE“ (als Prime), wird durch dessen negative Konnotation und dessen Assoziationen das negativ valente Netzwerk aktiviert und mit ihm sämtliche Informationsknoten, die negativ besetzt sind; also z. B.

das Wort „KAKERLAKE“, aber auch der gemeine Nachbar, die Lebensmittel, auf die man allergisch reagiert, und die Erinnerung an die misslungene Klausur. Durch die geschehene Aktivierung sind diese Konzepte nun leichter zugänglich, denn es ist weniger zusätzliche Aktivierung notwendig, um Zugang zu erhalten. Im obigen Beispiel würden später präsentierte negativ valente Wörter schneller und effektiver verarbeitet als positiv valente Wörter. Nach diesem Ansatz führen daher aus Prime- und Targetreiz gebildete kongruente Wortpaare oder – allgemeiner – sämtliche affektiv kongruente Reizpaare zu einer schnelleren Reaktion als inkongruente Paare und somit zu affektiven Primingeffekten.

Diese „affektive Aktivationsausbreitungshypothese“ kann jedoch nur dann als Erklärung herangezogen werden, wenn – mit Ausnahme der affektiven – andere Zusammenhänge ausgeschlossen werden können. Die präsentierten Reizpaare sollten nicht semantisch oder inhaltlich assoziiert sein, denn dann sind die Effekte möglicherweise auf semantisches anstatt affektives Priming zurückzuführen. Um das zu verhindern, können die Reize aus großen Reizpools ausgewählt und zufällig gepaart werden; oder es werden im Vorhinein nicht assoziierte Paare gebildet, die dann im Experiment über alle Versuchspersonen hinweg präsentiert werden. Zeigen sich affektive Primingeffekte, sollte zusätzlich überprüft werden, ob die erhaltenen Resultate nicht auf wenige zufällig andersartig assoziierte Reizpaare zurückgehen (Klauer et al., 2003).

Der Ansatz der spreading activation führt noch zu einem anderen Problem: Die Anzahl positiver (bzw. negativer) Konzepte im Gedächtnis ist sicherlich sehr groß. Jedoch ist die Menge möglicher Aktivierung begrenzt, weswegen es unwahrscheinlich ist, dass die Aktivierung eines Konzeptes im Gedächtnis zur Aktivierung sämtlicher Konzepte gleicher Valenz führt. Nimmt man allerdings an, dass ein Reiz, welcher ein bestimmtes Konzept aktiviert, zu einem ganz spezifischen Aktivitätsmuster führt, und sind diese Aktivitätsmuster bei affektiv verwandten Reizen ähnlich, dann muss das

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Theoretische Grundlagen

Aktivitätsmuster bei einem affektiv kongruenten Target weniger stark verändert werden als bei einem inkongruenten. Diese geringfügigere Veränderung könnte sich dann in einer kürzeren Reaktionszeit auf den Targetreiz niederschlagen und zu affektiven Primingeffekten führen (Spruyt, Hermans, De Houwer & Eelen, 2002).

ii) Der Antwortwettbewerb

Ein weiterer häufig herangezogener Erklärungsansatz für affektives Priming ist der Antwortwettbewerb oder stroop mechanism. Dieser nimmt an, dass der Primereiz zu einer Einstellungsaktivierung führt. Diese aktivierte Einstellung wiederum bereitet die Versuchsperson darauf vor, auf eine bestimmte Weise zu reagieren. Bei einem positiven Reiz wird die Einstellung „gut“ aktiviert und die motorische Reaktion auf die

„gut“-Taste initiiert oder gebahnt. Ist das Target dann mit dem Prime kongruent, kann die Reaktion schneller erfolgen, weil das Antwortverhalten schon vorbereitet wurde.

Sind Prime- und Targetreiz dagegen inkongruent, muss das bereits angestoßene Antwortverhalten gehemmt werden, denn es widerspricht dem tatsächlich erforderten Verhalten. Diese Inhibition benötigt Zeit und führt zu höheren Reaktionszeiten.

Aufgrund seiner Parallelität zum Stroop-Effekt, bei dem automatisches Verhalten (das Lesen) unterdrückt werden muss, um das richtige Verhalten (das Benennen der Schriftfarbe) zu zeigen, wird dieser Erklärungsansatz auch als Stroop-Mechanismus bezeichnet (Fazio, 2001).

Der Ansatz wird von verschiedenen Studien unterstützt. Mit subliminalem Priming und der response window procedure15 konnten affektive Primingeffekte nur gefunden werden, wenn die präsentierten Targets nach ihrer Valenz beurteilt werden sollten.

Sollten die Versuchspersonen jedoch angeben, ob die dargebotenen Targetreize belebte oder unbelebte Objekte waren, ergaben sich keine affektiven Primingeffekte, sondern nur Kongruenzeffekte hinsichtlich der Belebtheit oder Unbelebtheit von Prime- und Targetreiz. Bei der evaluativen Entscheidungsaufgabe verlangen affektiv kongruente Reize dieselbe motorische Reaktion, weshalb man nach dem Ansatz des Anwortwettbewerbs affektive Primingeffekte erhält. Soll jedoch die Unbelebtheit vs.

Belebtheit von Objekten beurteilt werden, erfolgt die Reaktionsbahnung durch den

15 Die response window procedure erlaubt den Versuchspersonen nur eine Reaktion innerhalb eines kurzen Zeitintervalls. Hier interessiert als abhängige Variable die Fehlerrate der Versuchspersonen (Klinger, Burton & Pitts, 2000)

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Theoretische Grundlagen

Reiz im Hinblick auf dessen (Un-)Belebtheit ohne Rücksicht auf seine affektive Konnotation. Kongruenzeffekte ergeben sich dann, weil beide Reize dieselbe motorische Reaktion verlangen, nicht weil sie affektiv konsistent sind (Klinger, Burton

& Pitts, 2000).

Der Ansatz sagt weiter aus, dass eine durch den Primereiz erzeugte Reaktionstendenz beim Targetreiz gehemmt werden müsste, wenn dieser eine andere korrekte Reaktion erfordert als der Primereiz. Diese Hemmung sollte noch zu beobachten sein, wenn im darauf folgenden Durchgang die gehemmte Reaktion plötzlich vom Targetreiz verlangt würde. Folgt z. B. „HÖLLE“ (Target) auf „HIMMEL“ (Prime), muss die evaluative Entscheidung „gut“ gehemmt werden, damit die korrekte Reaktion „schlecht“ erfolgen kann. Erscheint im nächsten Durchgang „URLAUB“ als Targetreiz, sollte sich die vorher erfolgte Inhibition der „gut“-Reaktion nun in einer längeren Reaktionszeit bemerkbar machen. Dieser Effekt wird negatives Priming genannt und konnte von Wentura (1999) nachgewiesen werden.

Der Ansatz des Antwortwettbewerbs lässt sich aber auch nicht auf alle Untersuchungsbedingungen übertragen. Er erklärt nicht, weshalb Primingeffekte auch bei der lexikalischen Entscheidungsaufgabe oder beim Aussprechen der Zielwörter gefunden werden, denn bei diesen Aufgaben kann Antwortwettbewerb ausgeschlossen werden (Fazio, 2001; Klauer et al., 2003; Storbeck et al., 2004).

iii) Das Prinzip des affektiven Matchings

Ein letzter, häufig erwähnter Erklärungsansatz für affektive Primingeffekte ist das Prinzip des affektiven Matchings (affective-matching mechanism). Der Ansatz macht folgende drei Annahmen:

Sowohl Prime- als auch Targetreiz aktivieren automatisch die mit den Reizen assoziierten Einstellungen/Bewertungen, welche wiederum spontan auf deren Konsistenz oder Inkonsistenz überprüft werden. Dies geschieht unabhängig von der Aufgabenstellung oder den Zielen der Versuchsperson.

Sind die Bewertungen der Reize konsistent, führt dies zu einem zunehmenden Gefühl von Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit;

Inkonsistenz führt zu einem Gefühl von Unglaubwürdigkeit und Unwahrscheinlichkeit.

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Theoretische Grundlagen

Das spontane Gefühl der Glaubwürdigkeit erleichtert zustimmende Antworten, während Gefühle der Unglaubwürdigkeit solche hemmen. Bei kongruenten Reizen wird deshalb eher mit „ja“ reagiert, bei inkongruenten eher mit „nein“. (Klauer et al., 2003; Rothermund & Wentura, 1998;

Storbeck et al., 2004).

In der lexikalischen Entscheidungsaufgabe würde sich dies folgendermaßen niederschlagen: Wenn Prime- und Targetreiz affektiv konsistent sind, sollte die Reaktion „ja, Wort“ erleichtert, jedoch bei einem inkonsistenten Reizpaar gehemmt sein. Dagegen wäre die Reaktion „nein, kein Wort“ bei inkongruenten Reizpaaren erleichtert und die Reaktion „ja, Wort“ entsprechend inhibiert. Zur Überprüfung wurde von Wentura (2000) eine entsprechende Studie durchgeführt: In einem Primingexperiment mit lexikalischer Entscheidungsaufgabe sollten die Versuchspersonen „nein“ auf Wort und „ja“ auf Pseudowort antworten. Wenn das Prinzip des affektiven Matching zuträfe, sollten sich die affektiven Primingeffekte unter dieser Bedingung umkehren. Denn bei der lexikalischen Entscheidungsaufgabe werden zur Untersuchung affektiver Primingeffekte nur Durchgänge mit (tatsächlich existierenden) Wörtern herangezogen, und in diesem Fall sollten die inkonsistenten Reizpaare die Reaktion „nein, Wort“ erleichtern und damit schneller verarbeitet werden als die konsistenten Reizpaare, welche zwar die Reaktion „ja, Wort“, aber nicht dir Reaktion „nein, Wort“ vereinfachen. Das Ergebnis entsprach genau dieser Erwartung.

Aber auch der Ansatz des affektiven Matching kann nicht als Erklärung für jede Untersuchungsbedingung herangezogen werden. Er erklärt nicht, weshalb affektive Primingeffekte bei der evaluativen Entscheidungsaufgabe oder bei der Benennaufgabe gefunden werden (Klauer et al., 2003).

Keiner der Mechanismen liefert eine umfassende, auf jedes Untersuchungsdesign übertragbare Erklärung für affektives Priming. Spreading activation kann als einziger Erklärungsmechanismus für affektive Primingeffekte bei der Benennaufgabe herangezogen werden. Der Antwortwettbewerb kann bei der evaluativen Entscheidungsaufgabe zu den Effekten führen, affektives Matching bei der lexikalischen Entscheidungsaufgabe. Dennoch lässt sich die Aktivationsausbreitungshypothese auch bei den beiden letztgenannten Aufgabentypen

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Theoretische Grundlagen

nicht mit Sicherheit ausschließen. Es ist anzunehmen, dass die Mechanismen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern vielmehr zusammen zu den Effekten beitragen (siehe auch Fazio, 2001). Auch im Falle einer vertauschten Tastenbelegung bei der lexikalischen Entscheidungsaufgabe (siehe Wentura, 2000) muss Spreading activation nicht vollkommen ausgeschlossen sein. Möglicherweise hat affektives Matching aufgrund der Untersuchungsbedingungen einen sehr großen Einfluss, übertrifft mithin die Aktivationsausbreitung in ihrer Wirkung und führt so zu den umgekehrten affektiven Primingeffekten.

Auch im Rahmen der Emotionsforschung wird dem Phänomen des affektiven Primings Beachtung geschenkt. Der folgende emotionspsychologische Ansatz unterscheidet sich durchaus von den bisher beschriebenen Forschungs- und Erklärungsmodellen, widerlegt diese jedoch nicht. Durch seine andere Herangehensweise ergänzt er vielmehr die bisherigen Erläuterungen und hat insbesondere mit der Aktivationsausbreitungshypothese viele Berührungspunkte.

Im folgenden Kapitel sollen zunächst die emotionspsychologischen Grundlagen des Modells beschrieben werden. Anschließend wird der Ansatz selbst, das Modell des emotionalen Primings (Lang, Bradley & Cuthbert, 1998), dargestellt.

2.2 Das Modell des emotionalen Primings

Das Modell des emotionalen Primings16 (emotional priming model) von Lang und Kollegen (1998) ist ein emotions- und neuropsychologischer Ansatz, der zur Erklärung des Geschehens beim affektiven Priming herangezogen werden kann. Es basiert auf emotions- und motivationspsychologischen Grundlagen, welche im Folgenden kurz erläutert werden sollen. Diesbezügliche Ausführungen können im Rahmen dieser Diplomarbeit lediglich eine Einführung und einen knappen Überblick zum Verständnis des nachfolgenden Modells17 darstellen. Ausführlichere Informationen finden sich in der gängigen Fachliteratur (z. B. Davis & Lang, 2003; Hamm, Schupp & Weike, 2002;

Lang et al., 1998).

16 Im Text auch emotionales Primingmodell genannt.

17 Wobei als emotionstheoretische Grundlage nur das dimensionale Erklärungsmodell von Lang, Bradley und Cuthbert (1998) herangezogen wird. Auf kategoriale Emotionstheorien (z.B. sechs

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Theoretische Grundlagen

2.2.1 Grundlagen des Modells a) Definition der Emotion

In der emotions- und neuropsychologischen Forschung werden Emotionen als Handlungsdispositionen definiert. Diese veranlassen den Organismus, möglichst schnell adaptiv zu handeln, während dysfunktionales, ablenkendes oder nicht adaptives Verhalten unterbrochen wird. Dadurch verschaffen sie einen Überlebensvorteil und werden entsprechend als Produkte der Evolution angesehen, die sich aus einfachen reflexiven Handlungen – aus der Annäherung an appetitive Reize und der Entfernung von aversiven Reizen – entwickelt haben (Bradley & Lang, 2000b; Lang, 1994; Lang, Bradley & Cuthbert; 1990).

Zum Ausdruck kommen Emotionen auf drei Subebenen: Auf einer verbalisierbaren, subjektiven Ebene können wir sie als Gefühle ausdrücken, und sie beeinflussen unsere Einstellung und soziale Kommunikation. Auf körperlicher Ebene führen sie zu (adaptiven) physiologischen Veränderungen, die durch das somatische und autonome System vermittelt werden. Außerdem sind Emotionen von außen direkt als Verhalten beobachtbar (Bradley et al., 2000b; Frijda, 1986; Lang et al., 1998). Gefühle sind nur subjektive Erlebnisaspekte von Emotionen. Physiologie und Verhalten können weitgehend unbewusst ablaufen (LeDoux, 2003).

b) Die biphasische Organisation der Emotionen Die Organisation emotionaler Reaktionen beruht nach Lang und Kollegen (1998;

Davis et al., 2003; Lang, 1994) auf einem biphasisch organisierten Affekt- oder Motivationssystem, wobei ein appetitives und ein defensives/aversives18 System im Gehirn angenommen werden. Jedes dieser Systeme variiert im Hinblick auf Aktivation oder Erregung. Die verschiedenen beobachtbaren oder wahrgenommenen emotionalen Zustände spiegeln diese biphasische Organisation wider. Die allgemeine Tendenz im emotionalen Verhalten – appetitives vs. defensives Handeln – wird vom zugrunde liegenden System bestimmt. Man bezeichnet diese generelle Verhaltenstendenz auch als Strategie. Das tatsächlich gezeigte Verhalten und das spezifische somatische und autonome Aktivitätsmuster, die Taktik, werden jedoch vom situationalen Kontext und

18 In der zitierten Literatur werden beide Begriffe äquivalent verwendet. Aus Gründen der Lesbarkeit wird im folgenden Text wird nur noch die Bezeichnung „defensiv“ verwandt.

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Theoretische Grundlagen

den jeweiligen Erfordernissen bestimmt. Treffen wir z. B. in einem beengten Supermarkt auf einen unliebsamen Bekannten und ist direkte Flucht wegen der langen Kassenschlange nicht möglich, verstecken wir uns vielleicht zwischen zwei Regalreihen und geben vor, aufmerksam die Produktpalette zu studieren, in der Hoffnung nicht entdeckt zu werden. Das durch den Anblick der unliebsamen Person aktivierte defensive System bestimmt die nun folgende Verhaltenstendenz, während die Taktik dem situationalen Kontext angepasst wird. Bei einem aktiven defensiven System können beispielsweise Flucht, Vermeidung, Verteidigung und Angriff als Taktiken auftreten. Ist unser appetitives System aktiv, können wir u. a. Annäherung und Kontaktaufnahme zeigen.

Eine derartige Organisation der Emotionen erscheint durchaus plausibel, als Forschungsgrundlage kann diese augenscheinliche Glaubwürdigkeit jedoch nicht genügen. In experimentellen Untersuchungen konnte die Annahme einer solchen biphasischen Einteilung erhärtet werden. Einige experimentelle Befunde werden beispielhaft im folgenden Kapitel beschrieben.

c) Experimentelle Hinweise für eine biphasische Organisation der Emotionen

i) Die Beurteilung affektiver Bilder

Von Lang, Bradley und Cuthbert (1999) wurde zur Untersuchung emotionaler Prozesse und deren grundlegender Organisation ein standardisiertes Reizset, das International Affective Picture System (IAPS), mit über 700 emotionalen (negativen und positiven) und neutralen Bildern entwickelt19. Eine kleine Auswahl aus dem IAPS wird im später folgenden Experiment als Reizmaterial benutzt.

Die Bilder des IAPS wurden Versuchspersonen zur emotionalen Beurteilung vorgelegt.

Für jedes Bild sollte angegeben werden, als wie angenehm oder unangenehm (Valenz) und erregend oder ruhig (Erregung) dieses empfunden wurde. Als Instrument zur Valenz- und Erregungseinschätzung diente die graphische Rating-Skala Self- Assessment-Manikin (SAM, Bradley & Lang, 1994), womit anhand einer neunstufigen

19 Inzwischen gibt es zu Forschungszwecken auch ein affektives Soundsystem, die International Affective Digitized Sounds (IADS; Bradley, Cuthbert & Lang, 1998b), und emotionales

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Theoretische Grundlagen

graphischen Figurenskala die Dimensionen Valenz und Erregung bewertet werden können. Die so erhaltenen Bewertungen der Versuchspersonen ergaben eine charakteristische Verteilung: In einem kartesischen Koordinatensystem mit den Achsen Valenz (Pleasure) und Erregung (Arousal) erstreckte sie sich bumerangförmig vom ruhigen neutralen Zentrum aus in den hoch erregend positiven und hoch erregend negativen Quadranten (Bradley, Codispoti, Cuthbert & Lang, 2001). Eine graphische Darstellung dieser Verteilung ist in Abbildung 2 zu sehen.

Abbildung 2: Die charakteristische bumerangförmige Verteilung der Bilder aus dem IAPS anhand der Dimensionen Valenz (Pleasure) und Erregung (Arousal) (aus Bradley et al., 2001).

Bradley und Lang (2000a) interpretieren die Form der Verteilung als eine Bestätigung für die angenommene biphasische Organisation der Emotionen. Die beiden Motivationssysteme spiegeln sich in den Schenkeln – einem positiven und einem negativen – des „Bumerangs“ wider. Gleichzeitig variieren sie in der Höhe der Erregung.

Diese Bildbeurteilungen sind nicht der einzige Hinweis auf zwei voneinander unabhängige Motivationssysteme, auch psychophysiologische Untersuchungen bestätigen dies. Unter der Annahme einer biphasischen Organisation der Emotionen ist zu erwarten, dass Verhalten und Physiologie, welche Teil emotionaler Reaktionen

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Theoretische Grundlagen

sind, diese Organisation widerspiegeln und mit den erhobenen Bewertungen der Bilder aus dem IAPS kovariieren. Das heißt, dass z. B. ein als erregend eingestuftes Bild auch zu messbarer Erregung führen sollte, und ein als angenehm eingestuftes Bild zu einer Verhaltensreaktion, die mit dem appetitiven System in Verbindung gebracht wird.

Zahlreiche Studien zur Aktivität von Muskeln, zum Hautleitwert und zur Herzrate wurden deshalb durchgeführt (Lang, Greenwald, Bradley & Hamm, 1993). Außerdem wurde die EEG-Aktivität, während emotionales Material präsentiert wurde, untersucht.

Einige Beispiele werden im Folgenden geschildert

ii) Studien zur Untersuchung der Aktivität von M. corrugator supercilii und M. zygomaticus major

In Studien zur Aktivität von Muskeln werden insbesondere der Corrugatormuskel (M.

corrugator supercilii) und der Zygomatikusmuskel (M. zygomaticus major) herangezogen. Ersterer ist zur Bildung senkrechter Falten zwischen den Augenbrauen zuständig und wird entsprechend mit negativen Emotionen in Verbindung gebracht, während letzterer auch als „Mundwinkelheber“ bezeichnet wird und deshalb in Zusammenhang mit positiven Emotionen steht.

Lang und Mitarbeiter (1993) konnten nachweisen, dass die Corrugatoraktivität bei der Präsentation von negativen20 Bildern signifikant stärker ausfällt als bei positiven oder neutralen Bildern. Bei über 80 % der Versuchspersonen zeigte sich die erwartete negative Korrelation zwischen Valenzeinschätzung und Corrugatoraktivität. Zu einem deutlichen Anstieg der Zygomatikusaktivität kam es entsprechend der Erwartung beim Betrachten angenehmer Bilder21.

Diese Kovarianz der physiologischen Muskelaktivität mit der erhobenen Valenz des Reizmaterials kann als eine weitere Bestätigung für die biphasische Organisation der Emotionen angesehen werden.

20 Die Einteilung des Bildmaterial in negativ (unangenehm) und positiv (angenehm) erfolgte über die erhobenen Bewertungen der Versuchsperson.

21 Jedoch wird der M. zygomaticus major auch beim Ansehen von sehr unangenehmen Bildern mit Verstümmelten und Toten aktiv. Der Effekt lässt sich dadurch erklären, dass beim Anblick solcher Bilder häufig grimassiert wird, was neben dem Corrugator- auch den Zygomatikusmuskel aktiviert

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Theoretische Grundlagen

iii) Studien zur Untersuchung des Hautleitwertes

Auch Messungen des Hautleitwertes werden als Untersuchungsmethode herangezogen.

Die Höhe dieses Wertes wird von der Aktivität der Schweißdrüsen, welche vom sympathischen Nervensystem innerviert werden, bestimmt (Trepel, 2004). In Stress- und Aufregungssituationen ist der Sympathikus sehr aktiv und steigert die Sekretion der Schweißdrüsen22.

Da bei den Einschätzungen der Bilder sowohl hoch unangenehme als auch hoch angenehme als erregend, neutrale Bilder hingegen als wenig erregend eingestuft wurden (Bradley et al., 1994), wäre ein paralleles Hautleitwertmuster zu erwarten: Die Präsentation affektiver Bilder sollte zu einen höheren Hautleitwert führen als die Darbietung neutraler Bilder. Genau dies zeigte sich auch in Studien: Der Hautleitwert stieg mit zunehmender Erregung der präsentierten Reize, d. h. er war höher je positiver oder negativer die Bilder waren und entsprechend niedriger bei neutralen Bildern (Bradley et al., 2000b; Hamm et al., 2002; Lang et al., 1993).

Einen besonders interessanten Zusammenhang zwischen Erregungsbewertung und Hautleitwert beschreiben Bradley und Kollegen (2000b; Morris, Bradley, Bowers, Lang & Heilmann, 1991). Sie untersuchten den Patienten S. L., dem Teile des Temporallappens (u. a. die Amygdala) entfernt worden waren. Er beurteilte Bilder aus dem IAPS in Bezug auf die Valenz wie die gesunde Stichprobe, stufte aber nur positive – nicht negative – Bilder als erregender als neutrale ein. Interessanterweise entsprachen seine Hautleitwertmessergebnisse genau diesem Muster: Ein erhöhter Hautleitwert im Vergleich zu neutralen Bildern zeigte sich bei positivem, nicht aber bei negativem Material. Seine physiologischen Kennzeichen stimmten also mit dem verbalisierten Eindruck überein (Bradley et al., 2000b).

Dieses Ergebnis bei S. L. und die Resultate aus den Hautleitwertstudien mit gesunden Stichproben demonstrieren, dass sich die im Rating erhobenen subjektiven Erregungswerte auch auf körperlicher, objektiverer Ebene widerspiegeln.

22 Es darf jedoch nicht fälschlicherweise angenommen werden, dem Sympathikus käme eine Stress- und dem Parasympathikus eine Entspannungsfunktion zu. Häufig werden in Stresssituationen auch Teile des Parasympathikus aktiv, was sich z. B. an vermehrtem Toilettengang bei Prüflingen vor einer Prüfung zeigt. Der Parasympathikus wirkt u. a. auf die Peristaltik steigernd (Trepel, 2004).

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