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2. Theoretische Grundlagen

2.1 Priming

2.1.4 Affektives Priming

a) Ursprung und Begriffsdefinition

Es wurde bereits erwähnt (siehe Kap. 2.1.3 b), dass die Verarbeitung von Targetreizen bei der lexikalischen Entscheidungsaufgabe vereinfacht ist, wenn das Target mit dem vorausgehenden Prime semantisch verwandt ist. Dies geht darauf zurück, dass durch die Präsentation eines einzelnen Wortes ein ganzes damit zusammenhängendes Konzept aktiviert und dadurch die Verarbeitung später präsentierter Konzeptmitglieder

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erleichtert wird. Fazio, Sanbonmatsu, Powell und Kardes (1986) konnten ähnliches auch für die Aktivierung von Einstellungen zeigen (siehe auch Fazio, 2001).

In ihrem Modell nahmen sie an, dass Einstellungen als Verbindungen zwischen Objekt6 und Bewertung7 (object-evaluation associations) im Gedächtnis existierten.

Wird ein Objekt präsentiert, führe dies zu einer automatischen Aktivierung der mit dem Objekt assoziierten Bewertung oder Einstellung8. Diese Aktivierung wiederum erleichtere eine spätere ähnliche Beurteilung. Zur Überprüfung des Modells wurden mehrere Experimente, die auf sequentiellem Priming basierten, durchgeführt. Um etwaige (richtige) Hypothesen der Versuchspersonen auszuschließen, waren sie als Untersuchungen zur Bedeutung von Wörtern und zum Wiedererinnern derselben getarnt. Das sequentielle Priming ging folgendermaßen vonstatten: Zunächst wurden Wörter als Primereize präsentiert. Diese waren entweder positiv (z. B. „gift“, „music“,

„party“) oder negativ (z. B. „death“, „hell“, „guns“). Im Anschluss daran folgte ein eindeutig negatives (z. B. „repulsive“, „awful“) oder positives (z. B. „appealing“,

„delightful“) Adjektiv, das von den Versuchspersonen so schnell wie möglich mittels Tastendrucks mit „gut“ oder „schlecht“ bewertet werden sollte. Es zeigte sich, dass die Reaktionszeiten kürzer waren, wenn Prime- und Targetwort dieselbe Valenz hatten, d.h. beide entweder positiv oder negativ waren. Interessant an diesem Ergebnis ist, dass die Probanden nicht explizit dazu aufgefordert worden waren, die Primewörter zu bewerten. Sie wurden ihnen stattdessen als „Merkwörter“ angekündigt und sollten am Ende jedes einzelnen Durchgangs laut auf ein Tonband gesprochen werden. Jedoch ist das Ergebnis modellkonform: Das präsentierte Objekt (Wort) führt ohne bewusstes Zutun der Versuchsperson zur automatischen Aktivierung der damit verbundenen Einstellung (oder auch Bewertung). Eine bereits aktivierte Einstellung wiederum

6 Objekt (object) wird von Fazio und Kollegen (1986) in einem sehr weiten Sinn verstanden:

Darunter sind soziale Angelegenheiten genauso wie bestimmte Situationen, Menschengruppen, einzelne Individuen oder physische Objekte zu verstehen.

7 Bewertung (evaluation) wird von Fazio und Kollegen (1986) auch sehr weit gebraucht: Der Begriff reicht von einem stark ausgeprägten Affekt („hot“) mit einer entsprechenden emotionalen Reaktion bis zu einer rein kognitiv basierten Beurteilung („cold“) der eigenen Vor- und Nachteile.

8 Das Ursprungsmodell macht allerdings keine Aussage zu affektiven Netzwerken, die – vergleichbar den semantischen Netzwerken - affektive Konzepte gleicher Valenz miteinander verbinden. Auch wenn das vorgeschlagene Modell häufig in diese Richtung interpretiert wurde (Fazio, 2001 z. B. Maier, Berner & Pekrun, 2003; Klauer & Musch, 2003). Das heißt, es existiert weder ein „positives“ Netzwerk, in dem positive Konzepte (z. B. positive Eigenschaften, positive Situationen, positive Menschen usw.) miteinander in Verbindung stehen, noch ein äquivalentes

„negatives“ Netzwerk.

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erleichtert die Bewertung eines nachfolgenden Reizes, der dieselbe Einstellung nach sich zieht.

Abgeleitet vom semantischen Priming bedeutet dies für die Erläuterung des Begriffs:

Affektives Priming beschreibt das Phänomen, dass die Verarbeitung eines affektiven Reizes erleichtert wird, wenn diesem Reiz ein affektiv konsistenter Reiz vorausgeht im Vergleich zu einem affektiv inkonsistenten (z. B. Hermans, De Houwer & Eelen, 1996, 2001; Klauer & Musch, 2003; Spruyt, Hermans, De Houwer & Eelen, 2004).

b) Experimentelle Befunde zum affektiven Priming

Ausgehend vom obigen Experiment (Fazio et al., 1986) wurde die Versuchsanordnung vielfältig verändert, um festzustellen, wann affektive Primingeffekte auftreten.

Eine kurze stimulus onset asynchrony9 (SOA) – die Zeit von Präsentationsbeginn des Primereizes bis zum Auftreten des Targetreizes – scheint eine Voraussetzung für affektives Priming zu sein. Bereits Fazio und Mitarbeiter (1986) variierten die SOA und stellten fest, dass affektive Primingeffekte, d.h. eine schnellere Reaktion bei konsistenten Reizpaaren im Vergleich zu inkonsistenten, nur bei einer kurzen SOA von 300 ms, nicht aber bei einer SOA von 1000 ms auftraten. Dieses Ergebnis wurde von verschiedenen unabhängigen Studien repliziert. Affektives Priming trat bei kurzen SOAs stabiler auf als bei langen (z. B. De Houwer, Hermans & Eelen, 1998). In einer Untersuchung von Hermans, DeHouwer und Eelen (2001), in der die SOA schrittweise variiert wurde, konnte der Effekt sogar nur bei einer SOA von 150 ms gefunden werden, während Musch und Klauer (1997) die SOA noch weiter reduzierten und den Effekt auch bei einer SOA von 0 ms10 nachweisen konnten.

Dies deutet darauf hin, dass der Prozess des affektiven Primings frühzeitig und schnell verläuft. Bei einer längeren SOA lässt die Einstellungsaktivierung entweder schnell wieder nach oder kann aufgrund ihrer Irrelevanz für die Aufgabestellung inhibiert werden (Fazio, 2001).

9 Wird der z. B. der Prime für 300 ms präsentiert und folgt sofort im Anschluss daran das Target, beträgt die SOA 300 ms. Wird der Prime 200 ms lang präsentiert und folgt ein inter stimulus interval (ISI, die Zeit zwischen Reizende von Reiz A und Beginn von Reiz B) von 100 ms, beträgt die SOA auch 300 ms. Fazio und Kollegen (1986) variierten die SOA (300 ms vs. 1000 ms) in ihrem zweiten Experiment.

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Murphy und Zajonc (1993) präsentierten ihren Versuchspersonen Bilder von lächelnden oder missmutigen Gesichtern als Primereize und unbekannte chinesische Schriftzeichen, deren positive oder negative Bedeutung die Versuchspersonen einschätzen sollten11, als Targetreize. Zusätzlich wurden zwei Bedingungen eingeführt:

Die Primereize wurden entweder a) suboptimal (für eine Dauer von 4 ms) oder b) optimal (für eine Dauer von 1000 ms) präsentiert. Die Primereize führten zu signifikanten Verschiebungen der Bewertungen der Schriftzeichen im Vergleich zum Priming mit leeren Bildschirm oder Vielecken als Primereizen. Das heißt nach einem lächelnden Gesicht bewerteten die Versuchspersonen die Schriftzeichen eher positiv, nach einem ärgerlichen Gesicht eher negativ. Dieses Ergebnis zeigte sich aber nur bei der suboptimalen Präsentationsdauer von 4 ms. Im Fall der optimalen Präsentationsdauer drehte sich dieser Effekt sogar bei einem der insgesamt sechs Experimente ins Gegenteil (d.h. missmutige Gesichter führten zu einer positiveren Bewertung der Schriftzeichen und umgekehrt) um, verfehlte die Signifikanz aber knapp. Das Ergebnis von Murphy und Kollegen (1993), das Vorhandensein von affektiven Primingeffekten auch bei einer subliminalen Primepräsentation, konnte vielfach repliziert werden (z. B. Haneda, Nomura, Iidaka & Ohira, 2003; Ferguson, Bargh & Nayak, 2005; Stapel & Koomen, 2005).

Rotteveel, de Groot, Geutskens und Phaf (2001) zeigten, dass sich subliminales affektives Priming nicht nur auf die Bewertungen der Versuchspersonen auswirkt, sondern sogar auf implizitere affektive Maße wie die Aktivität von Gesichtsmuskeln (M. zygomaticus major, M. corrugator supercilii; mehr zur Bedeutung dieser Muskeln bei der emotionalen Verarbeitung in Kap. 2.2.1). Auch hier waren die affektkongruenten Muskelreaktionen stärker unter suboptimalen als optimalen Bedingungen. Für den M. zygomaticus major konnte in der optimalen Bedingung [ähnlich zur Tendenz bei Murphy und Kollegen (1993)] sogar ein umgekehrter affektiver Primingeffekt gefunden werden.

Allerdings haben Studien mit subliminaler Primepräsentation einen Nachteil: Rotteveel und Phaf (2004) argumentieren, dass die subliminal präsentierten Primereize so kurz gezeigt werden, dass sie gar nicht verarbeitet werden, wenn während ihrer Präsentation

11 Anhand einer 5-stufigen Skala sollten die Versuchspersonen angeben, ob das Schriftzeichen eher etwas Angenehmes oder Unangenehmes repräsentiert.

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Sakkaden12 oder Blinzelbewegungen auftreten. Diese Umstände erklären zwar nicht, weshalb affektives Priming stärker bei suboptimaler als bei optimaler Primepräsentation auftritt, allerdings können die erzielten Effekte auch nicht eindeutig auf die Primereize zurückgeführt werden, weil diese nicht mit Sicherheit verarbeitet werden. Auch die Versuchspersoneninstruktionen beim optimalen vs. suboptimalen Priming unterscheiden sich: Beim optimalen Priming wissen die Probanden im Vorhinein von auftretenden, zu ignorierenden Primereizen; beim suboptimalen Priming sind sie nicht über kurz aufblitzende, aber nicht bewusst wahrnehmbare Reize informiert. Um bei ihren Ergebnissen solche Unterschiede und eine daraus folgende mögliche Konfundierung ausschließen zu können, verwendeten Rotteveel und Kollegen (2004) ein anderes Untersuchungsdesign: Affektives Priming wurde einmal mit fokussierter Aufmerksamkeit und einmal mit geteilter Aufmerksamkeit untersucht.

In den Durchgängen mit geteilter Aufmerksamkeit wurde vor der Präsentation des Primes eine 7-stellige Zahlen-Buchstaben-Reihe, die von den Probanden gemerkt und am Ende jedes Durchgangs wiedergegeben werden sollte, dargeboten. In den Durchgängen mit fokussierter Aufmerksamkeit fehlte eine solche Merkaufgabe. In beiden Bedingungen betrug die Präsentationsdauer des Primes 1000 ms. Die Versuchspersonen wurden instruiert, den Prime (glückliche, neutrale und ärgerliche Gesichter) zu ignorieren und japanische Schriftzeichen intuitiv als positiv oder negativ zu bewerten. Die stärkeren affektiven Primingeffekte wurden – parallel zum suboptimalen Priming – bei der Bedingung mit geteilter Aufmerksamkeit erzielt13. Zwar genügte im beschriebenen Experiment die Zeit, um den Primereiz ins Bewusstsein gelangen zu lassen, jedoch konnten die Versuchspersonen aufgrund der gleichzeitigen Merkaufgabe nicht ihre gesamte Aufmerksamkeit darauf richten. Hier werden die Parallelen zur kurzen SOA und der subliminalen Primepräsentation deutlich. Eine aufmerksame, ganz bewusste Verarbeitung scheint für affektives Priming nicht förderlich. Stattdessen ermöglicht sie die Entwicklung von Gegenstrategien, so dass der Effekt letztendlich gehemmt wird. Rotteveel und

12 Rotteveel und Kollegen (2004) merkten an, dass man bei während Sakkaden blind sei.

13 Zusätzlich zum affektiven Priming wurde auch noch nicht-affektives Priming unter der Bedingung der fokussierten und geteilten Aufmerksamkeit untersucht. Primereize waren weibliche und männliche Gesichter, Targetreize japanische Schriftzeichen, die intuitiv als männlich oder weiblich bewertet werden sollten. Der Primingeffekt (weibliches Gesicht erleichtert weibliche Einschätzung, männliches Gesicht erleichtert männliche Einschätzung) zeigte sich nur bei

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Kollegen (2001) fanden unter optimalen Bedingungen schließlich auch inkongruente affektive Primingeffekte.

Auch Spruyt, Hermans, De Houwer und Mitarbeiter (2004) schlussfolgern, dass affektives Priming frühzeitig auftritt und automatisch abläuft. Die obigen Beispiele zeigen, dass dieser Automatismus durch genügend Aufmerksamkeit und eine längere Verarbeitungszeit (längere SOA) inhibiert, wenn nicht sogar umgekehrt werden kann;

ähnlich geschah dies beim semantischen Priming mit langer SOA und instruierter Strategie (Neely, 1977). Bewusstsein muss wohl nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, aber eine kurze und unterbewusste Darbietung der Primereize und reduzierte Aufmerksamkeit erleichtern affektives Priming.

Variiert wurde – neben Primedarbietungszeit und Aufmerksamkeit – auch das Reizmaterial für Prime- und Targetreize. Bereits Murphy und Kollegen (1993) setzten anstatt des häufig verwendeten Wortmaterials (meist Adjektive oder Nomen) Bilder von ärgerlichen und lächelnden Gesichtern als Primes ein. Die Ergebnisse entsprachen den Erwartungen, und die Wirksamkeit dieser Gesichtsreize in Bezug auf affektives Priming wurde vielfach repliziert (z. B. Haneda et al., 2003; Rotteveel et al., 2001, 2004; Spruyt, Hermans, De Houwer et al., 2004). Auch anderes affektives Bildmaterial kann als Stimulusmaterial eingesetzt werden. Allerdings gibt es im Vergleich zu Studien mit Wörtern oder Gesichtern weniger Untersuchungen dazu und die Effekte scheinen nicht so stabil zu sein (siehe z. B. Hermans, Spruyt, De Houwer & Eelen, 2003; Storbeck & Robinson, 2004). Auch Tietz (2004) findet in ihrer Diplomarbeit mit emotionalen Bildern als Prime- und Targetreizen nicht die erwarteten behavioralen affektiven Primingeffekte. Giner-Sorolla, García und Bargh (1999) dagegen können mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen als Primereizen und Adjektiven als Targetreizen die Effekte nachweisen, ebenso wie Banse (2001) mit Photographien von beliebten (Partner, Charlie Chaplin) und unbeliebten Personen (Saddam Hussein) als Primes.

Selbst angeblich14 positive und negative türkische Vokabeln, die vor dem Experiment gelernt worden waren und anschließend als Primewörter präsentiert wurden, führten zu den erwarteten Kongruenzeffekten (Hermans, Baeyens & Eelen, 1998). Auch mit positiven oder negativen Gerüchen als Primereizen konnte affektives Priming

14 Tatsächlich Pseudwörter.

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nachgewiesen werden (Hermans et al., 1998; Hermans, Baeyens, Lamote, Spruyt &

Eelen, 2005).

c) Aufgabenstellungen beim affektiven Priming

Bei Untersuchungen zum affektiven Priming werden verschiedene Aufgaben, welche die Versuchspersonen als Reaktion auf den Targetreiz durchführen sollen, eingesetzt.

Man unterscheidet vor allem drei Aufgaben (Fazio, 2001; Klauer et al., 2003):

Die evaluative Entscheidungsaufgabe oder Bewertungsaufgabe (evaluative decision): Die Versuchspersonen sollen beim Erscheinen des Targets so schnell wie möglich entscheiden, ob es sich um einen „guten“ oder „schlechten“ Reiz handelt; auch Bewertungen wie „positiv“ oder „negativ“ sind möglich. Die Einschätzung kann durch Tastendruck mitgeteilt werden (z. B.

Fazio et al., 1986) oder wird in ein Mikrophon gesprochen (z. B.

Hermans et al., 1996). Bei dieser Aufgabenstellung werden in der Regel affektive Primingeffekte gefunden.

Die lexikalische Entscheidungsaufgabe (lexical decision task): Als Targetreize werden tatsächlich existierende Wörter (in der Regel aus der Muttersprache der Versuchsperson) oder Buchstabenketten, die keinen Sinn ergeben, präsentiert. Als sinnlose Buchstabenketten können Nonwörter (z. B. „WRAZRLY“) oder aussprechbare Pseudowörter (z. B. „BAUMFER“) benutzt werden.

Die Versuchsperson soll so schnell wie möglich durch Tastendruck angeben, ob es sich um ein tatsächliches Wort oder nicht handelt (z. B. Hill & Kemp-Wheeler, 1989). Auch hier werden affektive Primingeffekte gefunden, die Ergebnisse sind aber etwas inkonsistent.

Die Benennaufgabe (naming task oder pronunciation task): Die präsentierten Targetreize sollen von der Versuchsperson so schnell wie möglich laut ausgesprochen werden. Ein Mikrophon dient der Aufnahme. Auch hier werden affektive Primingeffekte gefunden (z. B. Giner-Sorolla et al., Exp. 2, 1999), allerdings sind die Ergebnisse noch inkonsistenter als bei der lexikalischen

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Entscheidungsaufgabe. Es werden auch Nulleffekte (Klauer &

Musch, 2001) oder umgekehrte Primingeffekte (Glaser & Banaji, 1999) gefunden.

Bei einer deutlich seltener eingesetzten Aufgabe werden die Targetreize maskiert und mit der Dauer der Darbietung immer deutlicher. Sobald die Versuchsperson den Reiz erkennt, soll er benannt werden.

Anstatt evaluativer Entscheidungen können auch grammatikalische (z. B. Nomen vs.

Adjektiv; z. B. Klauer & Musch, 2002) und semantische (z. B. wenn angegeben werden soll, ob es sich um ein lebendes Objekt handelt oder nicht) von den Versuchspersonen verlangt werden. Diese Aufgaben werden nicht mit affektiven Kongruenzeffekten in Verbindung gebracht, liefern aber Vergleichsmöglichkeiten zur evaluativen Entscheidungsaufgabe (Klauer et al., 2003).

d) Erklärungsansätze für affektives Priming

Verschiedene Mechanismen werden als Erklärungen für affektives Priming herangezogen. Dabei werden drei Ansätze am häufigsten angenommen: Dies sind die Aktivationsausbreitungshypothese (spreading acitivation), der Antwortwettbewerb (stroop mechanism) und das Prinzip des affektiven Matching (affective-matching mechanism) (Fazio, 2001; Klauer et al., 2003).

i) Die Aktivationsausbreitungshypothese

Spreading activation oder die Aktivationsausbreitungshypothese nimmt Netzwerke von Informationen (oder sog. Knoten), die alle miteinander verknüpft sind, an. Wird ein Knoten aktiviert, kann er seine eigene Aktivierung über die Verbindung zwischen den Knoten an andere Knoten weiterleiten (vgl. Kap. 2.1.3 b). Ähnlich den semantischen oder lexikalischen Netzwerken werden nun auch Netzwerke positiver und/oder negativer Valenz vermutet, die sämtliche positiven oder negativen Konzepte - seien es positive Adjektive, positive Lebensmittel, positive Menschen oder entsprechend alles Negative - miteinander verbinden. Dieser Ansatz wird in der Literatur häufig von Fazio und Kollegen (1986) (vgl. z. B. Klauer et al., 2003; Maier, Berner & Pekrun, 2003) abgeleitet, jedoch betont Fazio (2001), dass ursprünglich keine ganzen Netzwerke affektiver Konzepte angenommen wurden, sondern nur

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Assoziationen zwischen Objekt und der damit verbundenen Einstellung.

Nichtsdestotrotz führte diese Interpretation zu einem Erklärungsansatz von großem heuristischem Wert. Anhand eines Beispiels soll erläutert werden, welche Annahmen dadurch möglich werden: Präsentiert man das Wort „HÖLLE“ (als Prime), wird durch dessen negative Konnotation und dessen Assoziationen das negativ valente Netzwerk aktiviert und mit ihm sämtliche Informationsknoten, die negativ besetzt sind; also z. B.

das Wort „KAKERLAKE“, aber auch der gemeine Nachbar, die Lebensmittel, auf die man allergisch reagiert, und die Erinnerung an die misslungene Klausur. Durch die geschehene Aktivierung sind diese Konzepte nun leichter zugänglich, denn es ist weniger zusätzliche Aktivierung notwendig, um Zugang zu erhalten. Im obigen Beispiel würden später präsentierte negativ valente Wörter schneller und effektiver verarbeitet als positiv valente Wörter. Nach diesem Ansatz führen daher aus Prime- und Targetreiz gebildete kongruente Wortpaare oder – allgemeiner – sämtliche affektiv kongruente Reizpaare zu einer schnelleren Reaktion als inkongruente Paare und somit zu affektiven Primingeffekten.

Diese „affektive Aktivationsausbreitungshypothese“ kann jedoch nur dann als Erklärung herangezogen werden, wenn – mit Ausnahme der affektiven – andere Zusammenhänge ausgeschlossen werden können. Die präsentierten Reizpaare sollten nicht semantisch oder inhaltlich assoziiert sein, denn dann sind die Effekte möglicherweise auf semantisches anstatt affektives Priming zurückzuführen. Um das zu verhindern, können die Reize aus großen Reizpools ausgewählt und zufällig gepaart werden; oder es werden im Vorhinein nicht assoziierte Paare gebildet, die dann im Experiment über alle Versuchspersonen hinweg präsentiert werden. Zeigen sich affektive Primingeffekte, sollte zusätzlich überprüft werden, ob die erhaltenen Resultate nicht auf wenige zufällig andersartig assoziierte Reizpaare zurückgehen (Klauer et al., 2003).

Der Ansatz der spreading activation führt noch zu einem anderen Problem: Die Anzahl positiver (bzw. negativer) Konzepte im Gedächtnis ist sicherlich sehr groß. Jedoch ist die Menge möglicher Aktivierung begrenzt, weswegen es unwahrscheinlich ist, dass die Aktivierung eines Konzeptes im Gedächtnis zur Aktivierung sämtlicher Konzepte gleicher Valenz führt. Nimmt man allerdings an, dass ein Reiz, welcher ein bestimmtes Konzept aktiviert, zu einem ganz spezifischen Aktivitätsmuster führt, und sind diese Aktivitätsmuster bei affektiv verwandten Reizen ähnlich, dann muss das

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Aktivitätsmuster bei einem affektiv kongruenten Target weniger stark verändert werden als bei einem inkongruenten. Diese geringfügigere Veränderung könnte sich dann in einer kürzeren Reaktionszeit auf den Targetreiz niederschlagen und zu affektiven Primingeffekten führen (Spruyt, Hermans, De Houwer & Eelen, 2002).

ii) Der Antwortwettbewerb

Ein weiterer häufig herangezogener Erklärungsansatz für affektives Priming ist der Antwortwettbewerb oder stroop mechanism. Dieser nimmt an, dass der Primereiz zu einer Einstellungsaktivierung führt. Diese aktivierte Einstellung wiederum bereitet die Versuchsperson darauf vor, auf eine bestimmte Weise zu reagieren. Bei einem positiven Reiz wird die Einstellung „gut“ aktiviert und die motorische Reaktion auf die

„gut“-Taste initiiert oder gebahnt. Ist das Target dann mit dem Prime kongruent, kann die Reaktion schneller erfolgen, weil das Antwortverhalten schon vorbereitet wurde.

Sind Prime- und Targetreiz dagegen inkongruent, muss das bereits angestoßene Antwortverhalten gehemmt werden, denn es widerspricht dem tatsächlich erforderten Verhalten. Diese Inhibition benötigt Zeit und führt zu höheren Reaktionszeiten.

Aufgrund seiner Parallelität zum Stroop-Effekt, bei dem automatisches Verhalten (das Lesen) unterdrückt werden muss, um das richtige Verhalten (das Benennen der Schriftfarbe) zu zeigen, wird dieser Erklärungsansatz auch als Stroop-Mechanismus bezeichnet (Fazio, 2001).

Der Ansatz wird von verschiedenen Studien unterstützt. Mit subliminalem Priming und der response window procedure15 konnten affektive Primingeffekte nur gefunden werden, wenn die präsentierten Targets nach ihrer Valenz beurteilt werden sollten.

Sollten die Versuchspersonen jedoch angeben, ob die dargebotenen Targetreize belebte oder unbelebte Objekte waren, ergaben sich keine affektiven Primingeffekte, sondern nur Kongruenzeffekte hinsichtlich der Belebtheit oder Unbelebtheit von Prime- und Targetreiz. Bei der evaluativen Entscheidungsaufgabe verlangen affektiv kongruente Reize dieselbe motorische Reaktion, weshalb man nach dem Ansatz des Anwortwettbewerbs affektive Primingeffekte erhält. Soll jedoch die Unbelebtheit vs.

Belebtheit von Objekten beurteilt werden, erfolgt die Reaktionsbahnung durch den

15 Die response window procedure erlaubt den Versuchspersonen nur eine Reaktion innerhalb eines kurzen Zeitintervalls. Hier interessiert als abhängige Variable die Fehlerrate der Versuchspersonen (Klinger, Burton & Pitts, 2000)

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Reiz im Hinblick auf dessen (Un-)Belebtheit ohne Rücksicht auf seine affektive Konnotation. Kongruenzeffekte ergeben sich dann, weil beide Reize dieselbe motorische Reaktion verlangen, nicht weil sie affektiv konsistent sind (Klinger, Burton

& Pitts, 2000).

Der Ansatz sagt weiter aus, dass eine durch den Primereiz erzeugte Reaktionstendenz beim Targetreiz gehemmt werden müsste, wenn dieser eine andere korrekte Reaktion erfordert als der Primereiz. Diese Hemmung sollte noch zu beobachten sein, wenn im darauf folgenden Durchgang die gehemmte Reaktion plötzlich vom Targetreiz verlangt würde. Folgt z. B. „HÖLLE“ (Target) auf „HIMMEL“ (Prime), muss die evaluative Entscheidung „gut“ gehemmt werden, damit die korrekte Reaktion „schlecht“ erfolgen kann. Erscheint im nächsten Durchgang „URLAUB“ als Targetreiz, sollte sich die vorher erfolgte Inhibition der „gut“-Reaktion nun in einer längeren Reaktionszeit bemerkbar machen. Dieser Effekt wird negatives Priming genannt und konnte von Wentura (1999) nachgewiesen werden.

Der Ansatz des Antwortwettbewerbs lässt sich aber auch nicht auf alle Untersuchungsbedingungen übertragen. Er erklärt nicht, weshalb Primingeffekte auch bei der lexikalischen Entscheidungsaufgabe oder beim Aussprechen der Zielwörter gefunden werden, denn bei diesen Aufgaben kann Antwortwettbewerb ausgeschlossen werden (Fazio, 2001; Klauer et al., 2003; Storbeck et al., 2004).

iii) Das Prinzip des affektiven Matchings

Ein letzter, häufig erwähnter Erklärungsansatz für affektive Primingeffekte ist das Prinzip des affektiven Matchings (affective-matching mechanism). Der Ansatz macht folgende drei Annahmen:

Sowohl Prime- als auch Targetreiz aktivieren automatisch die mit den Reizen assoziierten Einstellungen/Bewertungen, welche wiederum spontan auf deren Konsistenz oder Inkonsistenz überprüft werden. Dies geschieht unabhängig von der Aufgabenstellung oder den Zielen der Versuchsperson.

Sind die Bewertungen der Reize konsistent, führt dies zu einem zunehmenden Gefühl von Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit;

Sind die Bewertungen der Reize konsistent, führt dies zu einem zunehmenden Gefühl von Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit;