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Burn-out: «Fördern Sie das Positive,Hedonistische!»

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ARS MEDICI 25/26 2006 B E R I C H T

Es gibt gemäss Matthias Burisch, Hamburg, etwa rund 50 verschiedene Definitionen des Burn-out-Syndroms.

Deshalb ist eine definitorische Ab- grenzung gegenüber anderen psychi- schen Leidenszuständen schwierig.

Trotzdem lohnt sich eine Eingren- zung, denn das Leiden kann auch be- handelt werden.

T H O M A S F E R B E R

Das Thema Burn-out sei gegenwärtig in aller Munde, sagten die Initianten der Ta- gung «Burn-out-Syndrom in der klinischen Praxis: Diagnose, Therapie, Rehabilita- tion» vom 9. November. Die Tagung fand im Rahmen der interdisziplinären Fort- bildungsreihe im Universitätsspital Zü- rich statt. Organisiert wurde sie von Wulf Rössler, Klinikdirektor an der Psychiatri- schen Universitätsklinik, Zürich, in Ko- operation mit Lundbeck (Schweiz) AG und unter Schirmherrschaft von Swiss Burn-out.

Wenn Menschen ein schweres Burn-out- Syndrom entwickeln, sind sie häufig nicht mehr am Arbeitsplatz anzutreffen.

Sie wenden sich mit ihren Beschwerden, vordergründig oft auch somatischer Na- tur, an ihren behandelnden Arzt.

Emotionale Erschöpfung, Depersona- lisierung, Leistungsreduktion Gemäss Beate Schulze, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, bemerkte der New Yorker Psychiater Herbert Freuden- berger in den Siebzigerjahren bei Kolle- gen, die wie er mit grossem Engagement als freiwillige Helfer in einer Anlaufstelle für Drogenabhängige arbeiteten, zuneh- mende Erschöpfung, eine distanzierte, zynische Einstellung gegenüber den Nut- zern der Beratungsstelle und eine nega- tive Wahrnehmung der eigenen Arbeits- leistung.

Christina Maslach, Sozialpsychologin im kalifornischen Berkeley, untersuchte bei- nahe zeitgleich, wie Menschen in Ge- sundheits- und anderen sozialen Beru- fen mit emotionalen Belastungen umge- hen. Dabei interessierte sie sich vor allem für kognitive Strategien zur Aufrecht- erhaltung der professionellen Distanz (detached concern). In ihren Interviews wurde deutlich, dass viele der Befragten Schwierigkeiten dabei erlebten, dieses Ideal in die Praxis umzusetzen. Es fan- den sich drei Themen, die Freudenber- gers Beobachtungen bestätigen und die bis heute den Burn-out-Begriff prägen:

1. Emotionale Erschöpfung: Die Be- fragten schilderten das Gefühl, emo- tional ausgelaugt zu sein und nicht mehr mitzufühlen.

2. Depersonalisierung: Die interviewten Fachpersonen entwickelten eine ne- gative Wahrnehmung und negative Gefühle gegenüber ihren Klienten.

3. Reduzierte persönliche Leistungs- fähigkeit: Im Ergebnis der emotio- nalen Belastungen erlebten viele Kliniker eine Krise hinsichtlich ihrer professionellen Kompetenz.

Die Konfrontation mit menschlichem Leid und die hohen emotionalen Anforderun- gen in therapeutischen Beziehungen wurden als Hauptursachen für ein Burn- out ausgemacht. Auch wenn andere Stress- reaktionen ähnliche schädliche Aus- wirkungen haben, das unterscheidende Merkmal von Burn-out ist für Maslach, dass hier der Stress im Ergebnis sozialer Interaktionen zwischen Helfern und ihren Klienten entsteht. Zahlreiche Studien zu Risikofaktoren für ein Burn-out in den Neunzigerjahren bestätigen gemäss Schulze diese Annahme: «Die Arbeit mit Klienten zählt zu den Faktoren, die ein Ausbrennen im Beruf zu begünstigen scheinen.» Gleichzeitig stellen ein stei-

gender Bedarf an psychiatrischen Ver- sorgungsleistungen sowie ein erhöhter Kostendruck im Gesundheitswesen Psy- chiaterinnen und Psychiater vor neue Herausforderungen. Doch wie sehen dies die Angesprochenen selbst?

Zürcher Empowerment-Programm – Studie zu Burn-out in der Psychiatrie Mit dieser Fragestellung wurde an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zü- rich ein spezifisches Interventionspro- gramm zur Unterstützung psychiatrischer Fachpersonen beim Umgang mit Stress und Belastungen entwickelt – das Zürcher Empowerment-Programm. Um das Pro- gramm auf den konkreten Praxisbedarf zuzuschneiden, wurden Mitarbeitende in zwölf psychiatrischen Einrichtungen aus allen deutschsprachigen Kantonen zu ihren arbeitsbezogenen Belastungen und Ressourcen befragt. Die Ergebnisse er- staunen: Die Patientenarbeit ist nicht Stressfaktor Nummer eins, sondern es sind die organisatorischen Hindernisse, die einer effektiven Behandlung im Weg stehen, wie die Tabellezeigt.

Gemäss Schulze ist das Burn-out-Risiko aber in allen Branchen erhöht. Es handelt sich nicht um ein spezifisches Berufsrisiko für Psychiaterinnen und Psychiater. Viel- mehr wirken sich Veränderungen der Arbeitswelt in Richtung wachsende Kon- kurrenz, Kostenoptimierung sowie zuneh- mende Anforderungen an Mitarbeitende wie Flexibilität, Effizienz und Qualitäts- sicherung verstärkt auch im Gesundheits- wesen aus. Dadurch wird die Arbeits- situation in der Psychiatrie zunehmend geprägt von hohem Arbeitsdruck, ge- paart mit geringen individuellen Gestal- tungsmöglichkeiten. Vor allem diese Ent- wicklungen scheinen laut Schulze zu Burn-out beizutragen, womöglich durch einen kumulativen Effekt mit klinischen Belastungen. «Gleichwohl ist festzustellen,

Interdisziplinäre Fortbildungsreihe Universitätsspital Zürich:

Burn-out: «Fördern Sie das Positive,

Hedonistische!»

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B U R N - O U T

B U R N - O U T: « F Ö R D E R N S I E D A S P O S I T I V E , H E D O N I S T I S C H E ! »: « F Ö R D E R N S I E D A S P O S I T I V E , H E D O N I S T I S C H E ! »

ARS MEDICI 25/26 2006

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dass Burn-out in wachsendem Masse als Risiko mit Berufstätigkeit in allen Bran- chen einhergeht. Wachsende Unsicher- heit und zunehmender Leistungsdruck auf Unternehmensebene sowie steigende, oft idealisierte Erwartungen an die Arbeit und den beruflichen Erfolg seitens der Mitarbeitenden führen zu Spannungen, auf die Arbeitnehmer – ob in der Wirt- schaft oder der Medizin – oft nicht aus- reichend vorbereitet sind», so Schulze.

Behandlung muss auch Prävention umfassen

Interventionen zur Behandlung und Prä- vention von Burn-out richten sich gemäss Barbara Hochstrasser, Chefärztin der Pri- vatklinik Meiringen, entweder an das be- troffene Individuum, an die betroffene Person mit Einbezug der Schnittstelle Arbeitsplatz oder an eine Organisation.

Ein weiterer Schritt ist die Vorbereitung der beruflichen Rehabilitation und die kontinuierliche Begleitung des Patienten in dieser essenziellen Behandlungsphase.

Die direkte Einbindung des Arbeitgebers, des Vorgesetzten oder einer vermitteln- den Instanz, zum Beispiel eines Per- sonalverantwortlichen, trägt wesentlich zum Gelingen der Reintegration bei.

Die Therapie des Burn-outs richtet sich nach dem Schweregrad des Störungsbil- des. Sind vor allem Änderungen in der Haltung gegenüber der Arbeit oder wich- tigen Ansprechpartnern, wie Zynismus und Demotivation, oder psychische Be- findlichkeitsstörungen im Vordergrund, muss für Hochstrasser vor allem die psy- chotherapeutische Intervention im Vor- dergrund stehen. Bei ausgeprägter Er- schöpfung und Vorliegen körperlicher Symptome, Schlafstörungen und Konzen- trationsstörungen sollte laut der Burn- out-Spezialistin ein multimodaler Thera-

pieansatz zur Anwendung gelangen.

Dieser kann auch den Einsatz von psychoaktiven Substanzen beinhalten.

Vorgängig medizinische Differenzial- diagnose

In einem ersten Schritt ist eine gründ- liche medizinische Differenzialdiagnose zu erstellen. Medizinisch sollen laut Hochstrasser vor allem endokrine Er- krankungen (speziell Schilddrüsen- erkrankungen), Stoffwechselerkrankun- gen, infektiöse Erkrankungen (Borre- liose, HIV, Hepatitis, Tuberkulose, Pfeiffer-Drüsenfieber), Vitamindefizite und neurologische Erkrankungen (Schlaf- apnoe, Migräne, multiple Sklerose) erwo- gen und unter Umständen abgeklärt wer- den. Andererseits treten bei Burn-out auch häufig Hypertonie und gastrointe- stinale Störungen auf, die einer medizini- schen Intervention bedürfen.

Psychiatrisch sind besonders Depression, Angststörung und Suchterkrankungen zu beachten, wobei diese komorbid mit einem Erschöpfungssyndrom auftreten können. Sind sie vorhanden, erfolgt ihre Behandlung nach den Richtlinien der an- erkannten psychiatrischen Fachgremien.

Strikt und strukturiert behandeln Die individuelle Behandlung eines Pa- tienten mit einem Burn-out bedarf ge- mäss Hochstrasser einer strikten Patien- tenführung: «Es ist sehr wichtig, dem Patienten eine klare Diagnose seines Zu- stands zu geben und seine Symptome zuzuordnen, da dies zu einer ersten Ent- lastung und zur Einbindung des Patien- ten in eine Kooperation führt.» Weiter gilt es, den Patienten von sehr stressbe- hafteten Situationen zu entlasten, was unter Umständen eine Krankschreibung zur Folge hat. «Der Patient muss aufge- fordert werden, seinen Tag zu strukturie- ren, in regelmässiger Abfolge von Phasen der milden Aktivität und Phasen der Ent- spannung und Ruhe», so Hochstrasser.

Regelmässige Schlafzeiten, gesunde Mahl- zeiten und mässiger Alkoholkonsum sind für sie unabdingbare Behandlungsbau- steine. Sie umfassen weiter regelmässige, anfänglich milde körperliche Aktivität, mit dem Ziel, mindestens dreimal wö- chentlich 30 Minuten eine aerobe Leis-

tung zu erbringen. Sie beinhalten auch eine gezielte Entspannung, anfänglich eher passiv mittels Körpertherapie oder Massagen, dann zunehmend die Einü- bung von aktiven Entspannungsübun- gen, wie autogenem Training, progressi- ver Muskelrelaxation, Qigong, Yoga oder Biofeedback. Die Praxis der Meditation kann einen sehr wertvollen präventiven Beitrag leisten.

Kognitive Verhaltenstherapie

Einen entscheidenden Behandlungsbau- stein stellen für Hochstrasser die Psycho- therapie, die Psychoedukation und unter Umständen ein längeres Coaching be- züglich der Arbeitssituation dar: «Psycho- therapeutisch haben sich vor allem kog- nitiv behaviorale Ansätze bewährt», so die Burn-out-Spezialistin. Einerseits sind für sie Einstellungen, fehlerhafte Glau- benssätze und Verhaltensweisen, die die Entwicklung eines Burn-outs fördern, zu erkennen und zu relativieren. Dabei muss es, je nach Situation, zu einer vertieften Bearbeitung von Persönlichkeitsmerkma- len und Schwierigkeiten in der Lebens- bewältigung kommen. Häufig bewährt sich auch die Einbindung des Partners beziehungsweise die Überweisung zu einer Paartherapie. Andererseits geht es für Hochstrasser um das Erlernen, Ein- üben und Umsetzen von Stressbewäl- tigungstechniken, sozialer Kompetenz wie dem Neinsagen und Konfliktbewäl- tigungsstrategien. Die Psychoedukation zeigt die Zusammenhänge zwischen ungenügender oder fehlerhafter Bewälti- gung und der Entwicklung des Burn-outs auf und vermittelt Kenntnisse und Fähig- keiten bezüglich der erwähnten Bewäl-

tigungstechniken.

Dr. med. Thomas Ferber Neustadt 40, 8200 Schaffhausen Tel. 052-620 34 04 E-Mail: thomasferber@mail.ru

Interessenlage: Die Berichterstattung erfolgt mit freundlicher Unterstützung von Lundbeck (Schweiz) AG.

Organisatorische

Hindernisse (29%)

Psychische Faktoren (18,9%)

Hohe quantitative

Anforderungen (13,6%)

Patientenarbeit (13,6%)

Teamkonflikte (12,5%)

Gesellschaftliche

Rahmenbedingungen (12,4%)

Link: www.swissburnout.ch

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