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Archiv "P-Glykoprotein: ein Mediator der Mehrfachresistenz von Tumorzellen" (09.09.1994)

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Tabelle: Bedeutung von P-Glykoprotein als Effluxpumpe für Chemotherapeutika und andere Verbindungen. Nach Chin et al., Adv. Cancer Res 60 (1993) 157

Substrate Chemotherapeutika

keine Substrate (Chemotherapeutika) Sonstige

Vinca -Alkaloide (Vinblastin, Vincristin) Anthracycline

(Doxorubicin, Daunorubicin) (Mitoxantron) Epipodophyllotoxine

(Etoposid, Teniposid) Mitomycin C

Actinomycin D Taxol

Topotecan Mithramycin

Colchicin Puromycin Podophyllotoxin Ethidiumbromid Emetin

Gramicidin D Valinomycin

5-Fluorouracil Cytosinarabinosid Methotrexat Chlorambucil Melphalan Cyclophosphamid Carmustin Bleomycin Camptothecin

P-Glykoprotein:

ein Mediator der Mehrfachresistenz von Tumorzellen

Dieter Schrenk

MEDI

S

elektionierte Säugerzellen weisen in Gegenwart eines zy- totoxischen Chemotherapeu- tikums wie Doxorubicin (Adriamycin) eine Kreuzresistenz ge- genüber einer Reihe anderer Che- motherapeutika wie Vinca-Alkalo- ide, Actinomycin D oder Colchicin auf. Dieses Phänomen der Mehrfach- resistenz (multidrug resistance; mdr) wird häufig während der Chemothe- rapie maligner Tumoren beobachtet, die eine Resistenz gegenüber che- misch nicht verwandten Chemothe- rapeutika entwickeln. In Tumoren des Gastrointestinaltraktes, der Le- ber und der Niere wird oft bereits a priori eine Mehrfachresistenz beob- achtet, die die Chancen für eine er- folgreiche Chemotherapie erheblich einschränkt.

Zumeist handelt es sich bei den betroffenen Arzneimitteln um Natur- stoffe mit relativ komplizierter Mole- külstruktur. Die meisten dieser Ver- bindungen sind bei physiologischem pH-Wert positiv geladen und tragen hydrophobe (wasserabweisende) Gruppen.

Diese Form der Mehrfachresi- stenz ist mit der vermehrten Expres- sion von P-Glykoprotein 170, einer membranständigen Effluxpumpe, korreliert, welche die vorgenannten Verbindungen effektiv aus der Zelle transportieren kann und sie damit wirkungslos macht. Daneben existie- ren weitere Formen der Mehrfachre- sistenz, wie die gegenüber hydrophi- len (gut wasserlöslichen) Alkylanzien oder gegenüber Topoisomerase-II- Inhibitoren. Typischerweise sind Zel- len, die P-Glykoprotein überexpri- mieren, gegen derartige Verbindun- gen nicht von vorneherein resistent (Tabelle).

Funktionen

des menschlichen Glykoproteins

Menschliches P-Glykoprotein besteht aus 1 280 Aminosäuren und weist zwölf transmembranäre Domä- nen auf. Es besitzt zwei einander ähnliche Hälften, die durch eine so- genannte „Linkerregion" miteinan- der verbunden sind (Abbildung 1). In

KURZBERICHT

jeder Hälfte findet sich eine hydro- phile zytoplasmatische Domäne, die eine Nukleotid-Bindungsstelle auf- weist. Der Transport von Substraten erfolgt unter ATP-Verbrauch, so daß metabolische Inhibitoren der Ener- giegewinnung wie Azid oder Vanadat die Pumpfunktion zum Erliegen brin- gen. Über den Pumpmechanismus selbst ist noch wenig bekannt.

Als wichtig für die Substratspezi- fität, etwa einem Rezeptor vergleich- bar, wurden Bereiche der 1. extrazel- lulären Loop-Domäne sowie der 6.

und 11./12. transmembranären Do- mäne identifiziert. Dies hat zur Vor- stellung einer ringförmigen Orientie- rung des Moleküls in der Zellmem-

Institut für Toxikologie (Direktor: Prof. Dr.

med. Karl Walter Bock), Eberhard-Karls- Universität Tübingen

bran, das heißt eines „Kanals" ge- führt. Andere Vorstellungen gehen von einem Bindeprotein aus, das nach Bindung des Substrates im In- neren der Zellmembran in eine ande- re Konformation übergeht (Flip-flop- Mechanismus). Bei diesem Vorgang soll das Substrat an die Zelloberflä- che „geschleudert" werden (Abbil- dung 2).

P-Glykoprotein zählt zu einer großen Gruppe verwandter Trans- portproteine, mit denen Ähnlichkei- ten in der Aminosäuresequenz und Struktur bestehen. Hierzu gehören bakterielle Transportproteine für Hämolysin b und Leukotoxin sowie die Transporter für Histidin und Maltose. In Hefen findet sich der Transporter für den sogenannten

„mating factor a", ein Pheromon, und in Plasmodium falciparum, dem

A-2330 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 36, 9. September 1994

(2)

l,

E D I Z I KURZBERICHT

außen IMembran innen

600

500

1280

Abbildung 1: Schematische Darstellung des menschlichen P-Glykoproteins und seiner funktionellen Domänen. Dargestellt sind Glykosilierungsstellen (KringrI), AlP-Bindungsstelien (AlP) und die Position einer Aminosäure (185), die für die Substratspezifität des l ransportes wichtig ist. Modifiziert nach Chin et al., Adv.

Cancer Res. 60 (1993) 157

Erreger der Malaria, ein Protein, welches in chloroquinresistenten Stämmen überexprimiert wird. Erst vor kurzem wurde die strukturelle Verwandtschaft mit dem CFTR (cy- stic fibrosis transmembrane conduc- tance regulator) entdeckt, dessen Defekt als ursächlich für die Muko- viszidose angesehen wird.

P-Glykoprotein 170 ist in der Mukosa von Jejunum und Kolon, am biliären Pol der Hepatozyten, auf der luminalen Seite der Ductuli des Pan- kreas, im Bürstensaum des proxima- len Tubulus der Niere, im blutbilden- den Knochenmark sowie in der Ne- benniere zu finden. Seine Lokalisati- on am Gallepol normaler Leberpar- enchymzellen deutet auf eine physio- logische Funktion im Rahmen der bi- liären Ausscheidung von Fremdstof- fen und/oder endogenen Gallebe- standteilen hin. So konnte zum Bei- spiel durch künstliche Anhäufung von Gallebestandteilen in der Leber nach Unterbindung des Gallegangs (obstru ktive Cholestase) eine Ind uk- tion der mdr-Genexpression erreicht werden. Nach Induktion von P-Gly- koprotein mit 2-Acetylaminofluoren wurde in der Rattenleber eine gestei- gerte biliäre Ausscheidung des Sub- strates Vinblastin gefunden. AJler- dings konnten bisher die endogenen

Substrate von P-Glykoprotein in der Galle noch nicht identifiziert werden.

Überwindung der Mehrfachresistenz

Zur Überwindung der P-Glyko- protein-vermittelten Mehrfachresi- stenz könnten spezifische Inhibitoren von P-Glykoprotein dienen. Der Kal- ziumantagonist Verapamil ist zwar als solcher wirksam, die notwendi- gen, hohen Konzentrationen haben allerdings erhebliche Nebenwirkun- gen, nämlich die bekannten phar- makologischen Wirkungen des Ver- apamils zur Folge. Das als Kalzium- antagonist wesentlich weniger po- tente (- )-S-Isomer hemmt P-Gly- koprotein in vitro ebenso gut wie ( + )-R-Verapamil und könnte daher in der Kombinationstherapie mit Chemotherapeutika erfolgreicher sein.

Auf der DNA-Ebene wird P- Glykoprotein durch Mitglieder der sogenannten mdr-Supergenfamilie kodiert. Sie umfassen beim Men- schen zwei Gene, MDR1 und MDR2, bei Nagern drei Gene, näm- lich mdrla, mdrlb und mdr2. Mdr2- Gene* sind nicht an der Mehrfachre- sistenz beteiligt; die biologische A-2332 (54) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 36, 9. September 1994

Funktion ihres Genprodukts ist un- bekannt. Die Mitglieder der mcl"- Genfamilie weisen ein hohes Maß an Homologie auf, was ihre Bedeutung während der Evolution unterstreicht.

So ist das menschliche MDRI-Gen mit den mdr-Genen von Nagern :!j 71 bis 84 Prozent homolog.

In Tumorzellen findet man häu- fig eine Überexpression der mdrl- Gene (MDR1 beim Menschen), meist durch Gen-Amplifizierung n;'t

der Folge eines erhöhten P-Glyko- protein-Gehaltes. Durch Transfekti- on des MDR1-Gens ist es gelungen, Zellen gegen Vinca-Alkaloide und andere Chemotherapeutika resistel,t zu machen. Auch eine Überexpressi- on durch Steigerung der Transkripti. on von mdrl-Genen ist möglich. Die- se erfolgt in normalen Zellen, zum Beispiel in Hepatozyten der RattL während des regenerativen Wachs- tums nach partieller Hepatektomie sowie nach kurzzeitiger Behandlung der Tiere mit dem Karzinogen 2-Ace- tylaminofluoren oder dem Chemo- therapeutikum Mitoxantron. Die In-

Kleinschreibung wird im folgenden im mer donn gewählt, wenn sich die Aussagen sowohl auf den Menschen wie auch auf Nager beziehen.

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(3)

Extrazellulärraum

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Plasma- membran

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zytotoxische Wirkung

0 Zytoplasma

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endogene Substrate

Abbildung 2: Modell der „Flippase", die Substrate direkt aus der Plasmamembran „heraussaugt". Unge- ladene Substrate (A) diffundieren innerhalb der Membran, während positiv geladene Substrate (8) ent- lang der inneren Phospholipid-Grenzschicht ‚gleiten". Beide werden von P-Glykoprotein „eingefangen"

und aus der Zelle hinausbefördert. Modifiziert nach Chin et al., Adv. Cancer Res. 60 (1993) 157 MEDIZIN KURZBERICHT / FÜR SIE REFERIERT

duktion durch 2-Acetylaminofluoren wird von einem reaktiven Metaboli- ten verursacht, der die DNA schä- digt und auch für die mutagene und karzinogene Wirkung des 2-Acetyl- aminofluorens verantwortlich ge- macht wird. Die bekannten Indukto- ren führen damit zu einer Schädi- gung der DNA, einem sogenannten

„genotoxic stress", der vermutlich zu einer konzertierten Antwort der Zel- le führt.

Ein Bestandteil dieses Program- mes ist vermutlich die erhöhte Ex- pression von P-Glykoprotein, die auch vor und während der DNA- Synthese und Zellteilung vermutlich als Teil eines Schutz- und Abwehr- mechanismus erfolgt. Als Modulato- ren dieses Programmes kommen vor allem Protoonkogen- und Tumor- suppressorgen-Produkte in Frage, die in Tumorzellen häufig mutiert vorliegen und sich der normalen Re- gulation entziehen. So konnte durch Transfektion sowohl des Protoonko- gens H-ras beziehungsweise K-ras als auch eines mutierten Tumorsuppres- sorgens p53 eine mdr-Überexpres- sion in Zellinien erzielt werden. Auch das Vorliegen von entsprechenden Bindungssequenzen für Protoonko- gen-Produkte wie c-jun und c-fos in der 5'-flankierenden Promotorregion im (nichtkodierenden) 1. Exon der mdr 1-Gene von Mensch und Maus be- legen diese Annahme

Schlußfolgerungen

Zukünftig wird sich die experi- mentelle Krebsforschung vor allem mit Fragen der Regulation der mdr- Genexpression als Bestandteil zellu- lärer Schutz- und Abwehrprogramme befassen. Insbesondere wird nach den Mechanismen gefahndet wer- den, die die Überexpression von P- Glykoprotein in Tumorzellen verur- sachen. Ferner wird die Suche nach den physiologischen Substraten und nach geeigneten Inhibitoren von P- Glykoprotein von besonderer Bedeu- tung sein, um die Chemotherapie maligner Tumoren zu verbessern.

Hierbei könnte auch die Schutzfunk- tion von P-Glykoprotein in normalem Gewebe während der Chemothera- pie von Interesse sein.

Deutsches Arzteblatt

91 (1994) A-2330-2333 [Heft 36]

Das Literaturverzeichnis befindet sich im Sonderdruck, anzufordern über den Verfas- ser.

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent Dr. rer. nat.

Dr. med. Dieter Schrenk Institut für Toxikologie Universität Tübingen Wilhelmstraße 56 72074 Tübingen

Orale Rehydrierungs- lösungen zur

Diarrhoe-Therapie von Diabetikern

Orale Rehydrierungslösungen, die in der Regel 20 bis 40 g Zucker pro Liter enthalten, haben sich welt- weit bei der Behandlung akuter Durchfallerkrankungen durchgesetzt und gelten, zumindest was die von der WHO empfohlene Lösung an- langt, als eine der größten medizini- schen Errungenschaften.

Die Autoren gingen der Frage nach, ob diese Lösungen auch bei Diabetikern eingesetzt werden kön- nen. Im Rahmen einer Studie in Bangladesh erhielten 45 diabetische Patienten mit akuten Durchfallattak- ken orale Rehydrierungslösungen, die Glukose, Reis oder Glyzin ent- hielten. Bei der ersten Lösung han- delte es sich um die WHO-Rehydra- tation mit 20 W1 Glukose, 2,5 g/1 Na- triumchlorid, 1,5 g/1 Kaliumchlorid und 2,9 g/1 Trinatriumcitratdihydrat.

Die zweite Gruppe erhielt eine Lö- sung, die 50 g Reispuder und die oben genannten Elektrolyte enthielt.

Die dritte Gruppe erhielt eine Lö- sung, die 15 g/1 Glyzin und Elektroly- te beinhaltete.

Dreimal am Tag wurden Blutzuk- kermessungen vorgenommen Dabei ergaben sich keine signifikanten Un- terschiede in den Blutzuckerkonzen- trationen, der Stuhlfrequenz und der Krankheitsdauer, so daß die Autoren zu dem Schluß kommen, daß alle drei oralen Rehydrierungslösungen bei Diabetikern mit akuter Diarrhoe und Zeichen der Dehydratation problem- los verabreicht werden können. W

Haider, R., A. K. Azad Khan, S. K. Roy, N. Dewan, A. N. Alam, D. Mahalanabis:

Management of acute diarrhoea in dia- betic patients using oral rehydration so- lutions containing glucose, rice, or gly- cine. Brit. Med. J. 308 (1994) 624-626 International Centre for Diarrhoeal Dis- ease Research, Bangladesh, Box 128, Dhaka 1000, Bangladesh

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 36, 9. September 1994 (55) A-2333

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