DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
DER KOMMENTAR
Prävention, Prophylaxe, vorsor- gen, vorbeugen — mehr als Schlag- worte? Wer ist hier eigentlich für wen zuständig, hat der Patient über- haupt die nötige Information, um Krankheiten aktiv vorzubeugen?
Oder beugt er sich nach wie vor nur passiv der „Vorsehung" Krankheit und sorgt vor mit bestmöglichem.
Versicherungsschutz? Was will ei- gentlich der Patient? Will er nur das Wort von der Kanzel, das Wort zum Sonntag, das er mitnimmt in seine jährliche Abspeck-Kur und sonst nichts?
Das Gesundheits-Reformgesetz hat mehr möglich gemacht, ist einen wichtigen Aspekt konsequent ange- gangen, nämlich den Aspekt der wirklichen Vorsorge. Seit zwei Jah- ren schon können die Versicherten die im Sozialgesetzbuch V festge- schriebene Gesundheitsuntersu- chung in Anspruch nehmen. Damit wird ihnen ein Stück Selbstverant- wortung nahegelegt, genau das, wo- mit man den mündigen Bürger so gern belegt.
Hierzu aber muß man umfassen- de Informationen bieten. Gleiches Recht für alle! Die Krankenkassen tun es nur halbherzig, und die Ärzte haben bislang diese wichtige Chance zu wenig genutzt. Dabei gilt es end- lich die Chance wahrzunehmen, die Kompetenz des Arztes bei der Prä- vention herauszustellen und so auf das Chamäleon schillernder „Ge- sundheitskassen" zu antworten, die ohnehin vergeblich dem Image der Unverwechselbaren nachjagen.
Gesundheit hat angesichts stei- gender Krankheitskosten einen ho- hen Marktwert bekommen, aber in
der Vergangenheit hat man oft den Eindruck, die Ärzte würden nach dem Prinzip des Merkantilismus ver- fahren, zu puristisch, um sich öffent- lichen Kampagnen anzuschließen, zu
selbstvergessen vielleicht auch zur Zusammenarbeit, stets die falsch ge- ortete Honorarpolitik diskutierend, das Einmaleins des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in Frage stellend.
Aber es geht nicht immer nur ums Geld. Es geht auch um die Selbstbehauptung im Medien-Zirkus und um die Rückgewinnung öffentli- chen Ansehens. Es deht darum, das Feld der Primärprävention von ärzt- licher Seite zu besetzen und damit gesundheitspolitischen Tendenzen vorzubeugen, die neue medizinische Dienste institutionalisieren wollen.
Eine ausgeprägte präventive Einstellung, ein präventives Agieren kann man aber bislang weder bei Arzten noch bei der Bevölkerung feststellen. Die Ärzte sind während ihres Studiums vornehmlich auf ku- ratives Handeln ausgerichtet. Zu- nehmend erkennt man zwar den Wert der Prävention auch in der Fortbildung. Doch es besteht ein rie- siger Nachholbedarf, hier gilt es, Barrieren abzubauen.
• Barrieren beim Patienten abbauen!
Barrieren müssen aber auch beim Patienten abgebaut werden. Es ist eine Verkennung des Präventi- onsgedankens, erst dann zum Arzt zu gehen, wenn man sich nicht mehr gesund fühlt. Eine rechtzeitige Än- derung der Lebensweise unter Be- rücksichtigung der individuellen Ri- sikofaktoren verbessert die Lebens- qualität bis ins hohe Alter. Selbstver- schuldete Krankheiten können nicht mehr als Schicksal betrachtet wer- den.
Die Akzeptanz der Krebsvorsor- ge-Untersuchungen ist unter ande- rem deshalb relativ gering, weil die
Angst vor der möglichen Diagnose besteht. Beim Gesundheits-Check- up liegen die Dinge völlig anders;
man braucht weder Angst vor der Untersuchung noch Angst vor der Diagnose zu haben. Vielfach be- kommt die Patientin/der Patient so- gar bestätigt: „Du bist gesund!" An- dernfalls wird eine frühzeitige Be- handlung eingeleitet.
Anzeigen, Fernsehspots, Material für die Praxis
Um diese positive Umsetzung des sogenannten Check-up geht es bei der Aufklärung „Check ab 35", mit der die Kassenärztliche Bundes- vereinigung eine Düsseldorfer Wer- beagentur beauftragt hat. Es wurden Anzeigen und TV-Spots entwickelt, mit denen primär die Bevölkerung ab dem 35. Lebensjahr ermuntert werden soll, jedes zweite Jahr zur Gesundheitsuntersuchung zu gehen.
Die Kampagne läuft Ende Septem- ber an, die ersten Motive stehen be- reits und werden in einer der näch- sten Ausgaben des Deutschen Ärzte- blatts vorgestellt. Die Anzeigen- schaltungen in der Bild am Sonntag, Bunte/Bild + Funk, Stern sowie die Fernseh-Spots in RTL plus und Pro 7 laufen bis Ende März 1992.
Unterstützend wird als Service- Leistung den für die Gesundheitsun- tersuchung in Frage kommenden Arztgruppen (Internisten, Prakti- sche Ärzte, Allgemeinärzte) ein In- fo-Package zugeschickt. Hierin ent- halten sind eine Video-Kassette, ein zwölfseitiger Prospekt, Poster für das Wartezimmer und die ersten Hand- zettel. Mit Hilfe dieser Medien soll das gesamte Praxisteam für die Akti- on „Check ab 35" begeistert werden.
Der Gesamtetat für die Aktion wird sich auf etwa 5,6 Millionen Mark belaufen. Eine zu hohe Sum- me, als daß die Kassenärzteschaft nicht im Konsens ihre gemeinsamen Interessen artikulieren sollte. Es geht nicht zuletzt darum, das Ver- trauen in der Bevölkerung zu stärken
und Vorurteile abzubauen.
Ursel Meenzen
• Dazu auch der Veranstaltungshin- weis „Auftaktveranstaltung zur bundeswei- ten Aktion" vorne im Heft.
Gesundheitsuntersuchung
„Check ab 35": Prävention ist Sache der Ärzte
Dt. Ärztebl. 88, Heft 34/35, 26. August 1991 (21) A-2769