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Archiv "„Gesundheitsuntersuchung“ - Entscheidend: Die Motivierung des Patienten" (14.12.1989)

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„Gesundheitsuntersuchung" Entscheidend:

Die Motivierung des Patienten

Die neue „Gesundheitsuntersu- chung", die das Gesundheits-Re- formgesetz zu einer Leistung der ge- setzlichen Krankenversicherung ge- macht hat, ist mehr als eine Erweite- rung der seit Jahren betriebenen Krebsfrüherkennung. Sie verschiebt das Gewicht unserer Arbeit aus dem kurativen weiter in den präventiven Bereich und stellt die Kassenärzte vor neue Aufgaben.

In diese Entwicklung wurden wir nicht durch den Gesetzgeber ge- drängt; sie ist von uns selbst in Gang gesetzt worden. Die Zunahme der Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch bei jüngeren Altersgruppen hat schon in den 50er Jahren zwei Deut- sche Ärztetage (1951 und 1955) be- schäftigt. Die Sachverständigenkom- mission zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung for- derte 1973, die Maßnahmen zur Früherkennung auf Krankheiten des Kreislaufsystems auszudehnen. Das Gesundheits-Reformgesetz hat, achtzehn Jahre danach, eine Erwei- terung auf die „am häufigsten auftre- tenden ‚Volkskrankheiten', wie es in einer Anmerkung heißt, vorge- nommen und Herz-Kreislauf-Stö- rungen, Nierenschäden und den Dia- betes ausdrücklich genannt.

Es hat neun Monate gedauert, bis diese Untersuchung ab 1. Okto- ber 1989 endlich realisiert werden konnte. Hauptgrund für die Verzö- gerung waren Kontroversen um das Untersuchungsprogramm. Welche Laboratoriumswerte waren unbe- dingt notwendig, um den Absichten des Gesetzgebers zu genügen? Sollte ein Ruhe-EKG in jedem Falle, nur bei bestimmten Verdachtsmomenten oder überhaupt nicht in den Katalog aufgenommen werden?

In der Presse, auch in der ärzt- lichen, wurden diese Meinungsver- schiedenheiten in erster Linie als Probleme der Finanzierung gesehen.

Über die Frage, welche prognosti- sche Bedeutung einzelne Risikofak- toren oder bestimmte klinische Sym- ptome haben, ob eine Beeinflussung

dieser Faktoren präventiv wirkt, ob und welche Befunderhebungen zu einer Verbesserung der therapeuti- schen Möglichkeiten führen, gibt es gerade bei den Herz-Kreislauf-Er- krankungen, unabhängig vom Ko- stenfaktor, stark voneinander abwei- chende Meinungen und Ergebnisse von Studien. Das gilt auch für die Frage, in welchem Lebensalter diese Untersuchungen beginnen und in welchen Zeitabständen sie fortge- setzt werden sollten.

Von den im Gesetz genannten Krankheiten stehen die Herz-Kreis- lauf-Schäden seit Jahrzehnten an der Spitze der Morbiditäts- wie der Mor- talitätsstatistik. Die Bedeutung von Adipositas, Hypertonie, erhöhten Cholesterinwerten und Zigaretten- rauchen ist unumstritten. Mag man diskutieren, wieweit es sich um echte Risikofaktoren, wieweit um mehr- deutige Indikatoren handelt. Für uns Ärzte muß der präventive und thera- peutische Nutzen der Gesundheits- untersuchung im Vordergrund ste- hen.

Die Beratung muß im Zentrum stehen

Betrachten wir das Untersu- chungsprogramm, das zwischen Ärz- ten und Krankenkassen vereinbart wurde, finden wir die Beratung an letzter Stelle. Das mag in der zeitli- chen Abfolgeplanung so sein, aber der Bedeutung nach muß die Bera- tung im Zentrum der Gesundheits- untersuchung stehen, wenn sie von den Patienten wirklich akzeptiert und genutzt werden soll. Dazu ge- hört dann auch zwingend eine sorg- fältige Anamnese.

Erläutert wird die Beratung als die Information des Versicherten über das Ergebnis der Untersuchun- gen und die Erörterung von mögli- cherweise erhobenen Befunden so- wie deren Auswirkungen auf die Le- bensgestaltung. Dabei sollen auch die vorhandenen Risiken bespro-

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR

chen werden und die Möglichkeiten, gesundheitsschädigendes Verhalten zu verändern. Das klingt fast wie ei- ne Selbstverständlichkeit. Der Arzt als Gesundheitserzieher, das ist nicht nur eine standespolitische For- derung, sondern entspricht auch dem Selbstverständnis der meisten Kollegen. Aber ist schon bei der Be- folgung von Arzneimittelverordnun- gen keine befriedigende „complian- ce" des Patienten zu erreichen, wie schwer wird das bei Ratschlägen, die die Lebensweise des Patienten be- treffen und vielleicht seiner Einstel- lung völlig zuwiderlaufen!

Der Rat zu mehr körperlicher Bewegung wird kaum befolgt wer- den, wenn regelmäßiges „Jogging"

vielleicht nur durch Straßen voller Autoabgase möglich ist. Auch von ihren Ernährungsgewohnheiten, ih- rer Zigarette oder dem Glas Bier las- sen sich die meisten Menschen nur ungern abbringen. Ob die Gesund- heitsuntersuchung unter diesen Um- ständen dennoch zum Nutzen für den Untersuchten werden kann, wird weitgehend von dem psychologi- schen Geschick abhängen, mit dem der Arzt das Beratungsgespräch führt. Er muß ein Gefühl dafür ha- ben, wem er mit der Autorität des Arztes etwas „verbietet" und wen er mit Sachkenntnis überzeugen muß.

Vor allem aber muß er in der Beratung den Patienten über mög- liche Risiken, und wie sie sich ver- meiden lassen, umfassend informie- ren. Es bleibt dann die Entscheidung des einzelnen abzuwägen, wo mög- liche Einschränkungen seinen Vor- stellungen von Lebensqualität nicht mehr entsprechen.

Mehr noch als das in Meßwerten ausgedrückte Ergebnis wird die Qua- lität der Beratung für den Unter- suchten ausschlaggebend dafür sein, ob er die Untersuchung in zwei Jah- ren und bei diesem Arzt wiederholen läßt.

Die Beratung wird auch ein Gradmesser für die Nutzung dieses Untersuchungsangebotes durch die Versicherten sein. Bei den bisher eingeführten Vorsorge- und Früher- kennungsuntersuchungen haben sich die hohen an die Inanspruchnahme geknüpften Erwartungen nicht er- füllt. Bei der Krebsfrüherkennungs- Dt. Ärztebl. 86, Heft 50, 14. Dezember 1989 (17) A-3849

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untersuchung mag die psychische Hemmschwelle, die Angst vieler Menschen vor einem möglicherweise positiven Befund, dem „Urteil", zu der unbefriedigenden Beteiligung beigetragen haben. Bei der neuen Gesundheitsuntersuchung wird es diese Hemmschwelle nicht geben.

Das ist unsere Chance!

Hinführen zu höherem Gesundheitsbewußtsein Was kann der Arzt zusätzlich tun, und wie kann der Arzt seine Pa- tienten zu Gesundheitsuntersuchun- gen motivieren? Kann er es über- haupt? Ich bin davon überzeugt, daß viele Patienten dankbar dafür sind, wenn der Arzt sich intensiv mit ihnen und ihren Problemen beschäftigt und auf sie eingeht. Entscheidend ist, daß es gelingt, die in Form der Gesundheitsuntersuchung angebote- ne Prävention beim Patienten zu eta- blieren und ihn dazu zu motivieren, teilzunehmen und Wiederholungs- untersuchungen alle zwei Jahre durchführen zu lassen.

Im Unterschied zu den Scree- ning-Methoden vieler der früheren Modellversuche, die mit übergroßen Erwartungen begrüßt und später um so heftiger kritisiert worden sind,

Italien ist ein liebenswertes Land. Eine Tatsache, die immer wie- der zur Erheiterung beiträgt, ist die, daß dieses Land ein Super-Rechts- staat ist. Immerhin waren es schon die alten Römer, die lange vor Chri- stus Gesetzestafeln einführten, die die Rechte des Individuums gegen- über der herrschenden Kollektivität

— dem Staat — begründeten (und des- halb sind die Römer die wirklichen Begründer des Abendlandes, nicht die alten Griechen, die zwar schöne Skulpturen machten, aber auch sol- che Tyrannis-Ideologen wie Platon hervorbrachten!).

Eine der auf das heutige Italien ausstrahlenden Folgen ist die, daß die höchstangesehene Berufsgruppe

bieten jetzt die Gesundheitsuntersu- chungen gerade für den Bereich der Herz-Kreislauf-Störungen durch ih- re Organisationsform den Vorteil ei- ner besseren Erkenntnis psychoso- zial bedingter Schäden.

Das zentrale Anliegen präventi- ver Maßnahmen ist das Gespräch des Arztes mit dem Versicherten.

Die sogenannten „technischen" Lei- stungen werden in den wenigsten Fällen Ausgangspunkt für verhal- tensändernde Maßnahmen sein. Das hat die Sachverständigenkommission schon im September 1973 erkannt und eigene Vorschläge angekündigt, wie man den Versicherten helfen könne, Risikofaktoren „in individuell geeigneter Weise zu überwinden".

Zu diesen Vorschlägen ist es nicht gekommen. Es ist unsere Aufgabe — Aufgabe des einzelnen Arztes —, ei- gene Wege zu suchen, die Gesund- heitsuntersuchung über die Samm- lung von Daten hinauszuführen in das Gebiet eines unserem geschärf- ten Sinn entsprechenden Gesund- heitsbewußtseins.

Dr. med. Klaus Voelker, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Str. 3, 5000 Köln 41

des Landes die Anwälte sind, die

„avvocati". Wenn ein Tankstellen- mensch den Kunden mit „avvocato"

anredet, dann ist das viel mehr als der österreichische „Herr Doktor"

oder der „Herr Baron". Und wenn in italienischen Zeitungen ohne Namen von „l'avvocato" die Rede ist, dann weiß jeder, wer gemeint ist: Gianni Agnelli, Chef des FIAT-Konzerns, zufällig auch noch approbierter Ju- rist — aber das ist eben sein wichtig- ster Titel! (Übrigens: In der sozialen Hierarchie folgt auf dem zweiten Umfrageplatz der Journalist; der Arzt ist etwa auf Nummer neun- zehn . . .)

Weiteres, hierher Passendes aus letzter Zeit: Man meint bei uns, daß

man in Italien im Ernstfall „durch die Finger schaut". Nichts derglei- chen. Der neue Gesundheitsminister Dr. med. de Lorenzo schickte kürz- lich die NAS der Carabinieri („nuc- leo antisofisticazione", eine Spezial- truppe) aus, um in italienischen Re- staurants nach dem Rechten zu se- hen. Irgendwo beim Südtiroler Pu- stertal, am Pragser Wildsee, fanden sie ein Hotel, das aus hygienischen Gründen auf der Stelle geschlossen werden müßte. Und es wurde. Es half dem Wirt nichts, daß sich bei ihm gerade der urlaubende Minister- präsident Giulio Andreotti angemel- det hatte. Il Presidente del Consiglio mußte sich ein anderes Lokal für sei- ne Colazione suchen (das geschlos- sene Hotel war übrigens im ersten Weltkrieg Hauptquartier des öster- reichischen Generalstabs!)

Und noch ein Beispiel: Ein ho- her Richter hat in einem Zeitungsar- tikel darauf hingewiesen, daß es mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Italien nicht so weit her sei. Frauen seien ganz erheblich be- vorzugt. Sie dürfen inzwischen ziem- lich frei abtreiben. Aber die Vasek- tomie ist nicht erlaubt, und ein Arzt, der sie vornimmt, riskiert einige Jah- re „in galera" — da haben die Römer, wenigstens sprachlich, doch etwas aus alten Zeiten übernommen . „Ga- lera" ist heute nicht mehr die Ruder- bank, sondern das ganz normale Ge- fängnis.

Ein deutscher Tourist wurde einmal als Zeuge von einem Gericht an der Riviera geladen, weil ihm et- was geklaut und von den Carabinieri (übrigens: Sie gehören zum Heer!) wiedergebracht worden war, unter Festnahme der jugendlichen Diebe.

Seine Aussage bewirkte, daß aus dem schweren ein leichter Diebstahl wurde. Als er den Justizpalast ver- ließ, stand da unten an der pompö- sen Freitreppe die ganze Verwandt- schaft der beiden Diebe, was zu- nächst bedrohlich wirkte. Er ging mutig darauf zu — und die nahmen ihn auf die Schultern und trugen ihn zu einer Riesen-Fete. Er hatte eben mit seiner Aussage den Freispruch wegen geringer Schuld von Ersttä- tern bewirkt!

Manchmal ist das Gesetz eben

doch liebenswert. bt

Gesetze: Scharf und liebenswert

A-3850 (18) Dt. Ärztebl. 86, Heft 50, 14. Dezember 1989

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