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Archiv "Motivierung zur Gesundheit" (29.01.1976)

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Motivierung zur Gesundheit

Fragen der Gesundheitserziehung und der gesundheitlichen Aufklärung

Gerhard Jungmann

Es ist wohl an der Zeit, die Frage zu stellen, ob und wieweit Ge- sundheitserziehung und gesundheitliche Aufklärung Aufgabe des Staates oder der freien gesellschaftlichen Initiative sind und ob be- ziehungsweise wieweit es sich bei der Gesundheitserziehung um eine medizinische oder eine pädagogisch-publizistische Aufgabe handelt. Diese Fragen behandelt der Autor und geht auf ihre „orga- nisatorischen Konsequenzen" ein: auf die Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung, deren Vorsitz er führt, und auf die Bundes- zentrale für gesundheitliche Aufklärung, die kürzlich im Mittelpunkt besonderen Interesses stand (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 3/

1976, Seite 102). Der Bedeutung dieser Fragen entsprechend hat die Bundesärztekammer jetzt einen „Arbeitsausschuß für Gesund- heitserziehung" ins Leben gerufen, dem der Autor vorsteht und bei dem mitzuarbeiten alle interessierten Kollegen eingeladen sind (5 Köln 41, Haedenkampstraße 1). Dieser Ausschuß der Bundesärzte- kammer plant im übrigen für Herbst 1976 eine Arbeitstagung über die genannten Fragen. DÄ

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Die Geschichte der Gesundheitser- ziehung reicht bis in die Anfänge der Medizin zurück. Die Verbin- dung zwischen Heilkunde und Hy- giene war schon den frühen Ärzten bewußt.

Für die Griechen war Hygieia die Tochter des Asklepios. In der ge- samten griechischen Philosophie, besonders für Plato und Aristote- les, spielt die Gesundheit eine wichtige Rolle. 300 vor Chr. wurde die Diätetik des Hippokrates von Diokles zu einem umfassenden Plan für das gesamte gesundheits- fördernde Verhalten im Alltag und im ganzen Leben erweitert. In die- sem Lehramt unterschied sich der freie Arzt nach griechischer Vor- stellung von dem auf das Kurieren von Krankheiten beschränkten Sklavenarzt.

Auch in der römischen Medizin wurden Unmäßigkeit aller Art, un- genügende Sorge für die Aufzucht der Kinder und die Verweichli- chung der Jugend verurteilt. Auch

hier gab es eugenische Ratschläge und Grundsätze für eine gesunde Erziehung. Diese Ratschläge der römischen Ärzte waren jedoch an- ders als die Hygieia der Griechen Teil der Heilkunde, nicht mehr Teil der Lebensweisheit, der Philoso- phie.

In den Geschichtsbüchern der Me- dizin kann man nachlesen, daß die Bedeutung einer gesunden Le- bensführung in der römischen und in der späteren Medizin nie ganz in Vergessenheit geraten ist. Das In- teresse an der Gesundheitspflege ist jedoch jahrhundertelang in den Hintergrund getreten. Wieweit die Wandlung des allgemeinen Le- bensgefühls dafür verantwortlich gewesen ist, läßt sich heute nicht mehr schlüssig beantworten. So- fern auch in diesen Zeiten gesund- heitserzieherisches Denken leben- dig geblieben ist, wurde es als Ver- hütung und Abwehr von Krankhei- ten, Siechtum und Tod verstanden, als Konsequenzen aus den Er- kenntnissen der zeitgenössischen

Medizin, und dabei ist es bis heute geblieben.

Auch Paracelsus, der große Kämp- fer gegen Irrglauben und Fehlver- halten, macht da keine Ausnahme.

Zum Gesundheitslehrer hat auch Paracelsus nicht werden können, weil sein ganzes ärztliches Leben und Wirken der Suche nach der rechten Arznei gegen die Krankheit gewidmet war.

Mit der Ausbreitung des Buch- drucks begann auch ein verstärk- tes Interesse an der gesundheitli- chen Aufklärung, die sich unabhän- gig von der zeitgenössischen Medi- zin weitgehend im Sinne volkstüm- licher Überlieferungen entwickelte.

Das Interesse der frühen naturwis- senschaftlichen Medizin war mehr denn je auf die Entstehung und Be- handlung von Krankheiten gerich- tet, und der 30jährige Krieg war wohl nicht dazu angetan, das Inter- esse der Bevölkerung auf die Ge- sundheitspflege zu richten.

Hier müssen die großen Stadtärzte des ausgehenden Mittelalters ge- nannt werden — Basel, Frankfurt, Augsburg, Bremen mögen hier für andere stehen. Über einzelne her- ausragende Leistungen hinaus ver- dienen diese Ärzte wegen ihrer Be- deutung für die Entwicklung der öf- fentlichen Gesundheitspflege auch heute noch Beachtung. Aber erst mit der Aufklärung am Ende des 18. Jahrhunderts kam eine Zeit ge- sundheitserzieherischer Aktivität, die bis heute besonders mit den Namen Johann Peter Frank, Bern- hard Christoph Faust und Wilhelm Hufeland verbunden ist.

Weithin in Vergessenheit geraten ist dagegen, daß damals auch her- ausragende pädagogische Schrif- ten über das Thema Gesundheits- erziehung erschienen sind. Auch hier sollen nur die Namen Base- dow, Guthsmuths, des „Leibeser- ziehers", und Salzmann für viele andere genannt werden. Unge- nannt müssen in dieser kurzen Übersicht auch die Namen und Daten der gleichzeitigen Entwick- lung in anderen Ländern bleiben,

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 5 vom 29. Januar 1976 279

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Gesundheitserziehung

vor allem die Entwicklung in der Schweiz, obwohl sie nicht ohne Ein- fluß auf unser Land geblieben ist.

Die stürmische Entwicklung der Medizin des 19. und 20. Jahrhun- derts war nicht von einer auch nur ähnlich starken Entwicklung der Gesundheitserziehung begleitet, wobei man allerdings nur allzu- leicht geneigt ist, alles das für selbstverständlich zu halten, was mit dem jeweiligen Stand der medi- zinischen Wissenschaft in das all- gemeine und öffentliche Bewußt- sein eingegangen ist.

Erst in das 19. Jahrhundert fällt die Entwicklung der Hygiene zu einem Fachgebiet der Medizin. Im Vorder- grund der jungen Wissenschaft stand die Bekämpfung der großen Seuchen, mit deren großartigen Er- folgen sich die klassische Hygiene allerdings mehr und mehr zur Bak- teriologie, Virologie und Mikrobio- logie weiterentwickelt hat, während die eigentliche Hygiene mehr und mehr wieder in den Hintergrund getreten ist.

Mit der Entstehung der öffentlichen Gesundheitspflege, die ebenfalls zu dieser Entwicklung gehört, ent- stand dann die Sozialhygiene, die später in Volksgesundheitspflege umbenannt worden ist.

Parallel zu dieser medizinischen Entwicklung kam es auch zu einer erneuten Verstärkung des pädago- gischen Interesses an der Gesund- heit. Als Vorläufer des heutigen In- teresses der Massenmedien an Ge- sundheitsfragen und entsprechen- den Bemühungen sind die damals sehr weit verbreiteten Familienzeit- schriften nach Art der „Gartenlau- be" zu nennen. Nicht unerwähnt soll schließlich auch die vielseitige und vielgestaltige private Initiative von Vereinen und Verbänden bleiben, die sich mit großem Elan für eine naturgemäße Lebensweise einsetz- ten und die den gesundheitsschädli- chen Folgen unserer zivilisatori- schen und industriellen Entwicklung entgegenzuwirken versuchten. Die Bedeutung der um die Jahrhun- dertwende entstandenen gesetz- lichen Krankenversicherung für

die gesundheitliche Entwicklung in unserem Lande braucht hier nicht näher begründet zu werden. Die Gesundheitserziehung ist durch die gesetzliche Krankenversicherung jedoch nicht gefördert worden.

Eine solche Zielsetzung hat in der gesetzlichen Krankenversicherung von vornherein gefehlt. Das Inter- esse der Bürger an der Gesundheit ist durch die Krankenversicherung sogar eher vermindert worden, weil das der gesetzlichen Krankenversi- cherung zugrunde liegende Prinzip, ärztliche Behandlung, Arznei und Pflege im Krankheitsfall „als Sach- leistung zu gewähren", wenig ge- eignet war, das Interesse der Ver- sicherten — und das war ein stän- dig wachsender Teil der gesamten Bevölkerung — an ihrer Gesund- heit zu fördern.

Die Entwicklung im 20. Jahrhundert

Vielleicht aus diesem Grunde ver- suchte der Dresdener Kaufmann Lingner um die Jahrhundertwende durch Ausstellungen das Interesse seiner Mitbürger an den Volks- krankheiten und ihrer Bekämpfung zu wecken. Aus diesen Ausstellun- gen hat sich das Deutsche Hygie- nemusem in Dresden (1911) ent- wickelt, das zugleich Ausgangs- punkt und Vorbild für alle ähnli- chen Bemühungen in der ganzen Welt gewesen ist.

Wahrscheinlich auch als Ausdruck der Unzufriedenheit über die man- gelnden Erfolge der vielfachen, ohne einheitliche Linie verfolgten Bemühungen um eine zeitgemäße Verbreitung des gesundheitlichen Wissens wurden 1919 zunächst die

„Landesausschüsse für hygieni- sche Volksbelehrung" und 1921 dann der „Reichsausschuß für hy- gienische Volksbelehrung" zu- nächst mit dem Sitz am Ort des Deutschen Hygienemuseums in Dresden, später in Berlin, ins Le- ben gerufen.

Ein nachhaltiger Erfolg ist diesem Reichsausschuß allerdings wohl deshalb versagt geblieben, weil die Zeit seines Wirkens zu kurz ge-

wesen ist. Der aus privater Initia- tive entstandene Reichsausschuß ist im Jahre 1933 aufgelöst worden.

• Erst 1954 kam es auf Initiative des für das Gesundheitswesen da- mals zuständigen Bundesinnenmi- nisteriums zur Begründung des

„Bundesausschusses für gesund- heitliche Volksbelehrung", mit dem ganz bewußt an die Tradition sei- nes Vorgängers angeknüpft wurde.

Auch dieser Bundesausschuß ist ausdrücklich als Zusammenfas- sung der freien Initiative auf die- sem wichtigen Gebiet der „Volks- gesundheitspflege" wiedergegrün- det worden. Die Bundesregierung folgte damit zugleich auch dem Prinzip der Weltgesundheitsorgani- sation (WHO), die die Gesundheits- erziehung soweit wie möglich der 1952 auf französische Initiative ge- gründeten Internationalen Union für Gesundheitserziehung überlas- sen wollte und seither auch über- lassen hat. Diese Internationale Union für Gesundheitserziehung setzt sich aus den entsprechenden Nationalkomitees zusammen, die die Repräsentanten der freien In- itiative in ihren Ländern darstellen.

Im Bundesausschuß für gesund- heitliche Volksbelehrung, jetzt Bundesvereinigung für Gesund- heitserziehung, sind neben Einzel- mitgliedern alle wesentlichen Or- ganisationen — Vereine, Verbände, Körperschaften — zusammenge- schlossen, die sich der Gesund- heitserziehung verpflichtet fühlen:

außer den entsprechenden auf Länderebene tätigen Organisatio- nen für Gesundheitserziehung die Organisationen der Lehrer, Ärzte und anderer Heilberufe, Organisa- tionen der Krankenkassen und Ge- werkschaften, vor allem auch die aktiv für gesundheitliche Ziele täti- gen Organisationen — insgesamt weit über hundert.

Als Nachfolgeorganisation des in der Bundesrepublik zunächst eben- falls in Vereinsform wiederbegrün- deten Deutschen Gesundheitsmu- seums ist als Einrichtung des für das Gesundheitswesen zuständi- gen Bundesministeriums für Ju- gend, Familie und Gesundheit die

280 Heft 5 vom 29. Januar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Gesundheitserziehung

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entstanden, die sich mit erheblichen staatlichen Mitteln, um die gesundheitliche Aufklärung bemüht.

Bedeutungsvoll: Die freie Initiative

• Es ist hier nicht der Ort, um zu der Zweckmäßigkeit und Effektivi- tät dieser organisatorischen Ent- wicklung Stellung zu nehmen. Um so mehr muß hier die Frage ge- stellt werden, ob und wieweit Ge- sundheitserziehung und gesund- heitliche Aufklärung Aufgabe des Staates oder der freien gesell- schaftlichen Initiative sind und ob und wieweit es sich bei der Ge- sundheitserziehung um eine medi- zinische oder um eine pädago- gisch-publizistische Aufgabe han- delt.

Nicht nur die Internationale Union für Gesundheitserziehung und ihre Nationalkomitees, sondern auch die Landesvereinigungen für Ge- sundheitserziehung (sie tragen un- terschiedliche Bezeichnungen) sind auf der Grundlage der freien Initiative aufgebaut. Dennoch wer- den sie fast alle von den Staaten und Ländern finanziell unterstützt, mit Ausnahme vielleicht der Verei- nigten Staaten, wo die finanzielle Unterstützung derartiger Initiativen durch Fonds und Stiftungen oder Firmen als selbstverständlich gilt.

Wie wichtig die freie Initiative für die Gesundheitserziehung ist, ist auch daraus zu entnehmen, daß alle autoritären Staaten bemüht sind, die freie Initiative neben ihren staatlichen Institutionen oder zu deren Unterstützung anzuregen und zu fördern. Im übrigen bestä- tigt sich immer wieder die Erfah- rung, daß die Einsicht der Bürger in die Notwendigkeit eigener Initia- tiven nur dann erreicht werden kann, wenn die dazu erforderliche Initiative von den Bürgern selbst ausgeht. Was für Feuerwehr, Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk gilt, das gilt auch und erst recht für die Gesundheitserziehung.

Der Staat, sinngemäß auch die Kommune, ist verpflichtet, diese im

öffentlichen Interesse erforderli- chen Initiativen und Aktivitäten so zu unterstützen, daß sie auch wirk- sam werden können, wobei aller- dings auch nicht verschwiegen werden soll, daß die alleinige Fi- nanzierung aus öffentlichen Mitteln nur allzuleicht dazu führt, daß die freie Initiative verkümmert. Die Un- terstützung durch die öffentliche Hand sollte davon abhängig ge- macht werden, daß ein Teil der Fi- nanzierung aus eigener Kraft und Initiative erfolgt. Der Staat sollte sich seiner Verpflichtung zur Un- terstützung gemeinnütziger Bestre- bungen allerdings nicht mit dem Hinweis darauf zu entziehen versu- chen, daß die erforderlichen Mittel von der freien Initiative aufge- bracht werden müßten.

Obwohl die Kenntnisse auf gesund- heitlichem Gebiet heute ungleich größer sind, als sie es je gewesen waren, muß man sich doch mehr denn je fragen, was an medizini- schem Wissen für die breite Öffent- lichkeit nützlich und geeignet ist, und mehr noch, wo die gesundheit- liche Aufklärung der Ergänzung durch eine entsprechende Motivie- rung, das heißt durch eine Erzie- hung zur Gesundheit, bedarf. Der vor wenigen Jahren noch deutliche Widerstand gegen die Gesund- heitserziehung erwachsener und älterer Menschen ist heute kaum noch spürbar, offenbar weil die af- fektive Seite der Gesundheitserzie- hung heute allgemein als notwen- dig anerkannt wird.

Auch so verstanden, ist die Ge- sundheitserziehung allerdings kei- neswegs identisch mit dem, was heute vielfach als „Gesundheitsbe- wußtsein" bezeichnet wird, tat- sächlich aber nichts anderes als der Ausdruck eines allgemeinen Unsicherheitsgefühls in Gesund- heitsfragen ist, das sich nicht sel- ten sogar in Form von mehr oder weniger massiven psychosomati- schen Störungen äußert. Zur Ge- sundheitserziehung gehört zwar auch eine Verbesserung des ge- sundheitlichen Wissens. Bei der Gesundheitserziehung kommt es jedoch — wie schon gesagt — ent-

scheidend auf die Motivation zu ei- nem gesunden Leben an.

• Für die Gesundheitserziehung ist die WHO-Definition der Gesund- heit — als Zustand körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefin- dens — als Zielvorstellung sehr viel besser geeignet als für die Gesundheitspolitik, weil das seinem Wesen nach subjektive und persönliche gesundheitliche Wohl- befinden tatsächlich ein erzieheri- sches, nicht aber ein politisches Ziel ist.

Ergänzung der Medizin durch die Pädagogik

So unentbehrlich für die Gesund- heitserziehung ein gewisses Maß an medizinischem Wissen und da- mit an gesundheitlicher Aufklärung ist — der Unterschied zwischen Gesundheitserziehung und gesund- heitlicher Aufklärung darf doch nicht übersehen oder verwischt werden. In beiden Bereichen ist die Mitarbeit von Ärzten notwendig, wobei dem Arzt direkt oder indirekt mehr die Aufgabe der Wissensver- mittlung zufällt, während die erzie- herische Aufgabe mehr von Päd- agogen erfüllt werden muß. Es wäre natürlich unrealistisch und so- gar falsch, diese Trennung so apo- diktisch verstehen zu wollen, daß der Arzt nicht auch erzieherisch tä- tig sein könnte oder sogar nicht tätig sein sollte.

1> Es ist für die Gesundheitser- ziehung und ihren Erfolg von ent- scheidender Bedeutung, daß es endlich zu der notwendigen Ko- operation zwischen Pädagogik und Medizin kommt, wobei der Pädago- gik insofern der Vorrang vor der Medizin zukommen müßte, weil zum Beruf des Arztes zwar auch erzieherische Aufgaben gehören, die berufliche Aufgabe des Arztes aber doch mehr in der Heilung von Kranken als in der Erziehung von gesunden Menschen liegt. Päd- agogen und Ärzte müssen beide, unter ihren jeweiligen fachlichen Voraussetzungen, ihre Beiträge einbringen und voneinander lernen.

Die Frage, ob der Arzt auch in sei-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 5 vom 29. Januar 1976 281

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Spektrum der Woche Aufsatze ·Notizen Gesundheitserziehung

ner alltäglichen ärztlichen Arbeit seine Aufgabe als Gesundheitser- zieher erfüllen kann, ist bisher noch nicht einmal ernstlich unter- sucht worden. ln seiner Ausbildung erfährt der künftige Arzt praktisch nichts von dieser Aufgabe, auch nicht in seiner fachlichen Weiter- bildung. ln der ärztlichen Fortbil- dung soll diese Seite der ärztlichen Tätigkeit in Zukunft die ihr zukom- mende Beachtung finden, doch sollte dabei von vornherein nicht angestrebt werden, den Arzt zum Gesundheitserzieher umzufunktio- nieren. Um so mehr muß der Arzt lernen, welche gesundheitserziehe- rische Aufgaben er auch zu erfüllen hat und wie er diese Aufgabe als Arzt erfüllen kann - durchaus also auch im Umgang mit seinen Pa- tienten und mit allen denen, die seinen ärztlichen Rat suchen.

Unabhängig davon müssen die Lehrer und die pädagogischen In- stitutionen die für die Gesundheits- erziehung erforderlichen theoreti- schen und praktischen Grundlagen erarbeiten - nicht als Forderung der Medizin an die Pädagogik, son- dern als Grunderfordernis der Menschenbildung überhaupt.

Je unübersichtlicher die Medizin als die Summe des Wissens von den Krankheiten und ihrer Heilung geworden ist, um so notwendiger ist eine Gesundheitslehre als eine von der Medizin weitgehend unab- hängige Aufgabe geworden. Die Verwandtschaft von Medizin und Gesundheitslehre entspricht der- jenigen von Asklepios und Hygieia.

Wir Ärzte streben mit der Forde- rung nach Wiederbelebung der Ge- sundheitslehre keine Ausdehnung der medizinischen Kompetenz auf das Gebiet der Pädagogik an. Im Gegenteil: Wir suchen nach der notwendigen Ergänzung der Medi- zin durch die Pädagogik.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Gerhard Jungmann Vorsitzender der

Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung 3354 Dassei-Markoldendorf

FORUM

Gliederung

der geburtshilfliehen Versorgung in den Krankenhäusern

Kari-Heinrich Wulf

Die moderne Geburtshilfe bedarf zur Nutzung aller ihrer Möglich-

keiten eines gegliederten Systems von Krankenhäusern verschiede-

ner Versorgungsstufen mit differenzierter Zweckbestimmung. ln An- lehnung an die Leitsätze zur Struktur der Krankenhäuser und ihres ärztlichen Dienstes, wie sie anläßlich des 75. Deutschen Ärztetages formuliert wurden, wurde ein Modell entwickelt, das als Zielvorstel- lung für die stationäre Versorgung im Bereich der Geburtshilfe gel- ten kann.

Das Modell enthält drei Kranken- haustypen unterschiedlicher Lei- stungskapazität:

A. das Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung (geburtshilf- lich-gynäkologische Abteilung) B. das Schwerpunktkrankenhaus (geburtshilflich-gynäkologische Ab- teilung)

C. das Zentralkrankenhaus (ge- burtshilflich-gynäkologische Abtei- lung)

Die Charakterisierung der einzel- nen Typen und die Einstufung vor- handener oder zu erstellender ge- burtshilflich-gynäkologischer Abtei- lungen in dieses System ist allein durch die funktionelle Kapazität gegeben, d. h.

I. durch die personelle, insbeson- dere ärztliche Besetzung, ein- schließlich

II. der interdisziplinären ärztlichen Versorgung,

111. durch die räumliche und appa- rative Ausstattung und

IV. durch die Laborkapazität Bettenzahlen, Patientendurchgang und Geburtenfrequenz werden nur insofern zu berücksichtigen sein, als bei Schwerpunkt- und Zen- tralkrankenhäusern wegen des

enormen Aufwandes schon aus Gründen der Rentabilität und auch zur Sicherung eines ausreichenden Erfahrungsschatzes von einer be- stimmten Mindestzahl von Patien- ten auszugehen ist. Eine niedrige Geburtenfrequenz darf jedoch nicht Alibi sein für eine unzurei- chende personelle Besetzung bzw.

apparative Ausstattung, ebensowe- nig wie eine hohe Geburtenzahl al- lein Legitimation für eine ausrei- chende Leistungskapazität sein kann.

~ Prinzipiell sind auch im Rahmen dieses Modells verschiedene Orga- nisationsformen und Krankenhaus- träger denkbar; neben kommuna- len Abteilungen können zumindest auf der Stufe der Grund- und Re- gelversorgung auch Belegkranken- häuser bestehen. Entscheidend bleibt die funktionelle Kapazität.

Die drei Krankenhaustypen haben ihrer Leistungsfähigkeit entspre- chend unterschiedliche Aufgaben in der geburtshilfliehen Versorgung zu erfüllen.

A. Die Abteilung

der Grund- und Regelversorgung:

1. Beteiligung an der ambulanten, speziell konsiliarischen Betreuung Schwangerer mit genereller Ein-

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