die fünf häufigsten ambulanten Eingriffe sowie die „Top-30 DRG“ der Kranken- häuser erfasst. Ärzten und Patienten soll die Wahl eines Krankenhauses über eine Suchfunktion erleichtert werden, mit der Häuser in einem bestimmten Bundes- land, Ort oder Postleitzahlbereich re- cherchiert werden können. Über die Stichwortsuche kann der Nutzer gezielt nach bestimmten Begriffen, wie zum Beispiel „Orthopädie“, recherchieren.
Wichtige Kriterien für mehr Transpa- renz sind neben dem einfachen Zugang zu den Daten auch Verständlichkeit und eine nutzerfreundliche Darstellungs- form. Gerecht wird diesem Anliegen der
„Krankenhaus-Navigator“ der AOK.
Über eine benutzerfreundliche Such- maske brauchen die Versicherten nur ih- re Postleitzahl, den Entfernungsradius und die Diagnose einzugeben, um ein geeignetes Krankenhaus zu finden. Te- sten können das Portal während des gesamten Monats September auch Nicht-AOK-Versicherte. Das Prinzip der erweiterten Arztsuche der KV Ber- lin ist ebenfalls leicht verständlich. Ein- ziges Manko: Der Benutzer muss wissen, nach welcher QS-Leistung er suchen will. Denn aufgrund der Vielfalt an Lei- stungen hat die KV verständlicherweise darauf verzichtet, alle aufzulisten. Bei den Qualitätsberichten hapert es dage- gen an Benutzerfreundlichkeit: Die Suchmaske der Datenbank ist nicht in- tuitiv bedienbar, die Volltextsuche über PDF-Dokumente schwerfällig, und das Sichten und Vergleichen der Ergebnisse erfordert vom Patienten Spezialwissen, über das dieser in der Regel nicht verfügt.
Der Mangel aller Internetportale: Sie enthalten keine Daten zur Ergebnisqua- lität einer Behandlung – der Patient er- fährt beispielsweise nichts über Kompli- kations- und Mortalitätsraten oder über Stärken und Schwächen bestimmter Ärzte. „Mit dem Krankenhaus-Naviga- tor können sich AOK-Versicherte zu- mindest erstmals anhand des Qualitäts- indikators ,Häufigkeit einer Behand- lung‘ ein Bild über die speziellen Erfah- rungen der Krankenhäuser machen“, betont Dr. jur. Hans Jürgen Ahrens, der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bun- desverbandes. Dies sei ein erster Schritt zu mehr Transparenz im Gesundheits- wesen.Martina Merten, Heike E. Krüger-Brand, Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann
T H E M E N D E R Z E I T
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A2448 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 37⏐⏐16. September 2005
KOMMENTAR
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ie durchschnittliche Lebenser- wartung steigt in Deutschland weiter. Die Hälfte der Frauen wird über 80 Jahre alt – zwei Drittel von ihnen leben allein. Das wird mehr Altenheimkapazität erfordern und ver- größert die jetzt schon bestehenden Qualitätsprobleme erheblich. Eine Be- obachtung aus der gynäkologischen Ambulanz einer Universitätsklinik ver- deutlicht dies.Mehrmals monatlich werden Senio- rinnen aus Altenheimen mit den Dia- gnosen „vaginale Blutung, Blutung nach Menopause, gynä-
kologisches Mali- gnom/Corpuskarzi- nom“ eingewiesen.
Das Ambulanzper- sonal nimmt die Se- niorinnen – meist auf Liegen gebracht – in Empfang. Er- fahrene Helferin-
nen machen „Blickdiagnostik“, die in neun von zehn Fällen stimmt. Eigen- ständig untersuchen sie den Urin, ent- weder durch Miktion auf der Liege bei schlechtem Allgemeinzustand oder in Begleitung auf dem WC. Nicht selten gelingt beides nicht. Katheterisieren ist notwendig – unter Beachtung der Desinfektionsregeln. Das Ergebnis be- stätigt sich: blutiger Urin. Nicht ein Tumor im Urogenitalbereich ist der Grund, sondern eine hämorrhagische Zystitis. Die Ursache ist mangelnde Flüssigkeitszufuhr und damit Keimas- zension (meist Coli-Bakterien) in der atrophischen Urethra.
Vom Heimpersonal wird die Häma- turie als vaginale Blutung interpretiert.
Dies führt über den Heimarzt zur Ein- weisung in die Frauenklinik. Meist han- delt es sich um chronische Entzündun- gen, die auch tiefere Schichten der Blasenwand erfassen. Darauf lässt die länger bestehende Exsikkose als Pfle- geversagen schließen: unzureichende Wasseraufnahme mangels Durstgefühl bei den Seniorinnen. Sie werden nicht regelmäßig zu zwei Liter Flüssigkeits- aufnahme pro Tag ermuntert. Was das Ambulanzpersonal sofort erkennt, sollte auch vom Personal des Altenpfle-
geheims registriert werden: trockene Haut (Falten bleiben als luxierte Haut stehen), borkige Zunge (erschwert das Sprechen) und Müdigkeit, oft ausge- prägt bis zur Apathie.
Bei diesen bedauernswerten Patien- tinnen ist oft keine Anamneseerhebung mehr möglich. Sie werden zum Trinken aufgefordert (ein halber Liter Mineral- wasser), und bei Bedarf wird eine Rin- ger-Lösung als Infusion angelegt. Be- reits nach einer Stunde ist bei ungefähr der Hälfte ein „mentales Aufhellen“
beobachtbar. Eine Anamneseerhebung wird möglich,ausge- nommen bei Alzhei- mer-Patientinnen.
Dass ausgepräg- te Exsikkose erheb- lich die Kognition reduziert, ist aus der Intelligenz-For- schung hinreichend bekannt. Diese Se- niorinnen zeigen regelrechte Urämie- Symptome: Anorexie, Nausea, urinö- ser Geruch, Stomatitis, Verwirrtheit und motorische Unruhe. Solche
„Harnvergiftungen“ durch lang an- dauerndes Flüssigkeitsdefizit sind als Pflegeversagen zu bewerten. In den Arztbriefen der Ambulanz wird das auch so formuliert.
Kognition zu erhalten setzt den trivial erscheinenden Parameter „ausreichen- de Flüssigkeitszufuhr“ trotz fehlenden Durstgefühls im Senium voraus. Das trägt zu längerer Eigenständigkeit bei.
Am ehesten gelingt das in der Familie und weniger durch Pflegekräfte in Altenheimen. Ein Mangel an grund- pflegerischer Versorgung in Form von Flüssigkeit über Monate wäre durch Heimaufsicht (und Heimleitungen!) leicht erfahrbar. Unangemeldet wird Urin per Stix (kosten wenige Cent) auf spezifisches Gewicht und Entzün- dungszeichen überprüft. So ließe sich ein wesentlicher Aspekt der Heim- qualität einfach abschätzen und in Be- zug zur Kognition und Lebensqualität seiner Bewohner bringen. Exsikkose- Probleme stellen die Spitze des Eisber- ges „Pflegedefizite in Altenheimen“
dar. Prof. Dr. med. J. Matthias Wenderlein