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Archiv "Pflegeversicherung: Koalition sucht Kompromiss" (23.07.2004)

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Das Karlsruher Urteil war von FDP- Politikern erstritten worden. Unter ih- nen war die ehemalige Bundesjustizmi- nisterin Sabine Leutheusser-Schnarren- berger, die wegen der Einführung der

„akustischen Wohnraumüberwachung“

von ihrem Amt zurückgetreten war.

Auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum war unter den Klägern.

Er kündigte bereits eine erneute Ver- fassungsklage an, wenn die Pläne nicht gründlich korrigiert würden.

Der Referentenentwurf führe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ad absurdum, heißt es in der Resolu- tion des KBV-Länderausschusses. „Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist unabding- bar und absolut im Interesse der Patien- ten zu schützen.“ Der stellvertretende Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Prof. Dr. med. Rainer Rix, kritisierte:

„Frau Zypries hat den konstruktiven Geist des Karlsruher Urteils nicht ver- standen.“ Der Vertrauensschutz im Arzt-Patienten-Verhältnis sei ein ele- mentarer Bereich der privaten Lebens- gestaltung und daher durch das Grund- gesetz besonders geschützt. Für den Vorsitzenden des Hartmannbundes, Dr.

med. Hans Jürgen Thomas, sind ärztli- che Sprechzimmer eine absolute Tabu- zone. Diesen Status müssten sie ohne Abstriche behalten. Auch der Deutsche Journalisten-Verband nannte die Plä- ne „völlig inakzeptabel“. Bundesvorsit- zender Michael Konken: „Der prakti- sche Wegfall des Informantenschutzes macht die Pressefreiheit in Deutschland zu Makulatur.“ Der Bundesverband der Freien Berufe warnte: Berufsge- heimnisträger Abhörmaßnahmen aus- zusetzen „unterminiert das Vertrauens- verhältnis zu ihren Patienten und Man- danten“. Sogar die Katholische Kirche schaltete sich in die Debatte ein und kritisierte die Pläne als einen Versuch, in die Beichtstühle zu blicken.

Aufgeschreckt vom breiten Wider- stand gegen die missglückte Reform, lenkte Justizministerin Zypries schließ- lich ein. Der vorliegende Referenten- entwurf sei nicht die Fassung, „über die das Bundeskabinett abstimmen wird“.

Sie habe von Anfang an gesagt, dass sie alle Fragen zum Großen Lauschangriff

„konsensual“ lösen wolle. Mit kleineren Korrekturen wird dies allerdings nicht

gelingen. Samir Rabbata

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3023. Juli 2004 AA2081

Pflegeversicherung

Koalition sucht Kompromiss

Die Grünen wollen klaren Fahrplan für weitere Reformen.

E

s herrschte mal wieder Durchein- ander in der Regierungskoalition.

Diesmal waren die Konsensgesprä- che zur Reform der Pflegeversicherung Anfang Juli der Auslöser. In kleiner Runde hatten sich Bundesgesundheits- ministerin Ulla Schmidt (SPD), SPD- Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch und Grünen-Politikerin Petra Selg samt einiger Fraktionsexperten getroffen, um über die Reform der Pflegeversiche- rung zu verhandeln. So weit, so gut. Im Ergebnis allerdings wurden die Ge- spräche recht unterschiedlich beurteilt.

Waren Schmidt und Schaich-Walch zu- nächst sicher, eine Einigung erzielt zu haben, erhielten sie von Reinhard Bü- tikofer, dem Parteichef der Grünen, ei- nen Dämpfer. Man habe durchaus noch Gesprächsbedarf, trat der auf die Har- monie-Bremse.

Vorerst nur kleine Reform

Dabei hat die gerade mal zehn Jahre al- te Pflegeversicherung gleich mehrfa- chen Reformbedarf. Neben der maro- den Einnahmesituation – allein für dieses Jahr wird ein Minus von bis zu 900 Millionen Euro erwartet – und unzureichenden Pflegeleistungen vor allem für Demenzkranke drängt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.

Darin hatten die Richter verlangt, Kin- der erziehende Beitragszahler gegen- über kinderlosen Beitragszahlern bis Ende 2004 finanziell zu entlasten (dazu auch der Titelbeitrag in diesem Heft).

Handlungsbedarf besteht – darin sind sich alle einig. Am Reform-Fahrplan aber scheiden sich die Geister. Erst wenn klar sei, wann was für die Besserstellung von Demenzkranken in der Pflege gere- gelt werde, habe man eine Lösung, so Bütikofer. Zudem müsse auch bei der ambulanten Hilfe nachgebessert wer-

den. Im Rahmen eines Entschließungs- antrages oder eines Gesetzentwurfes sollen deswegen parallel zu der vorrangi- gen Umsetzung des Urteils die weiteren Reformschritte eindeutig benannt wer- den. „Wir brauchen einen klaren Zeit- plan und mögliche Finanzierungswege für Leistungsverbesserungen“, so Petra Selg. Allein für die von den Grünen an- visierte zusätzliche Pflegezeit von einer halben Stunde für Demenzkranke ver- anschlagt sie einen finanziellen Mehr- bedarf von etwa 750 Millionen Euro.

Während die Grünen das Reform- tempo forcieren wollen, ist man bei den Sozialdemokraten hingegen bemüht, konkrete Angaben zur weiteren Umge- staltung der Pflegeversicherung zu ver- meiden. Erst einmal gelte es, die Karls- ruher Vorgaben umzusetzen. In dem Entschließungsantrag will Schaich- Walch lediglich den Willen für weite- re Reformschritte bekunden. Über die konkrete Ausgestaltung könne man ab 2005 verhandeln. „Dann wird man auch die Finanzlage der Pflegeversicherung abschätzen können“, erklärte sie ge- genüber dem Deutschen Ärzteblatt.

Einig waren sich die Verhandlungs- partner zumindest, dass das Gesund- heitsministerium in der Sommerpause einen Referentenentwurf zur Urteils- umsetzung erarbeiten soll. Anfang Sep- tember soll dieser dann von den Frak- tionen beraten und – wenn möglich – noch in die erste Lesung gehen.

Während die Konzepte beider Par- teien für grundlegende Reformen der Pflegeversicherung noch schwammig sind, zeichnet sich für die vorrangige Entlastung der Kindererziehenden in- des ein möglicher Kompromiss ab.

Demnach sollen Kinderlose, die älter als 23 Jahre sind, ab 2005 einen höheren Pflegesatz zahlen. Dieser würde dann von derzeit 0,85 auf 1,1 Prozent des Bruttoeinkommens steigen. Obwohl die Grünen ursprünglich nur die Bezie- her von Kindergeld besser stellen woll- ten, könne man damit „einigermaßen leben“, erklärt Selg.

Längerfristig aber müssen vor allem die Einnahmen in der Pflegeversiche- rung steigen, mahnen Experten. Denn bis 2007 sind die in der Anfangszeit ge- sammelten Rücklagen verbraucht. Spä- testens dann ist wieder Zeit für Re- formgespräche. Timo Blöß

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