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Archiv "Arzneimittel: Positivliste heftig umstritten" (04.06.1999)

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m Qualität und Wirtschaft- lichkeit zu verbessern, sollen künftig alle Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Kranken- kassen verordnet werden dürfen, auf einer Positivliste verzeichnet werden.

Phytotherapeutika, Homöopathika und Anthroposophika werden in ei- nem Anhang gelistet. So sieht es der Referentenentwurf zur Gesund- heitsreform 2000 vor.

Danach soll die Liste solche Arzneimittel enthalten, die für ei- ne „zweckmäßige, ausreichende und notwendige“ Behandlung der gesetzlich Krankenversicherten geeignet sind. Nur vage und relativ widersprüchlich definiert der Ent- wurf die Aufnahmekriterien. Die- se legt das Bundesministerium für Gesundheit nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse selber fest, heißt es. Und obwohl der Entwurf klarstellt, daß „den Bewertungen jeweils einheitliche Beurteilungsstandards zugrunde zu legen sind“, müssen die „Be- sonderheiten“ der Arzneimittel der besonderen Therapierichtun- gen berücksichtigt werden.

Über die Aufnahme in die Liste, die auch indikationsbezogen erfolgen kann, soll ein eigens gegründetes In- stitut befinden. Dessen unabhängiger Sachverständigen-Kommission gehö- ren, so die Absicht des Ministeriums, drei Vertreter der ärztlichen Praxis und der klinischen Medizin, zwei Pharmakologen, ein Medizin-Statisti- ker sowie jeweils ein Vertreter der Phytotherapie, der Homöopathie und der Anthroposophie an, die das Bun- desgesundheitsministerium für die Dauer von vier Jahren beruft. Eine Mehrheit von mindestens sieben Stimmen sorgt für die Aufnahme. Um

dem medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt gerecht zu werden, soll die Liste laufend aktualisiert werden.

Die Idee einer Positivliste ist nicht neu. Bereits Ministerin Fischers Vorgänger im Amt, Horst Seehofer (CSU), hatte 1993 einen Arbeitsent- wurf erstellen lassen. Eingeführt wur- de die Liste nie. Dies darf man nicht

zuletzt der erfolgreichen Lobbyarbeit der Betroffenen zuschreiben. Dem Vorsitzenden des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Hans Rüdiger Vogel, wurde damals ein geschreddertes Exemplar zum Geburtstag überreicht.

Jetzt erfolgt die Neuauflage des alten Plans. Glaubt man dem Bundes- gesundheitsministerium, dient die Li- ste in erster Linie der Qualitätssiche- rung. Auch die Krankenkassen argu- mentieren, daß mit einer Positivliste eine „Marktbereinigung“ unter den rund 50 000 in Deutschland verkehrs- fähigen Arzneimitteln stattfinde und

somit die Qualität der Versorgung verbessert werde. Dabei schätzen die Kassen, daß eine Positivliste rund die Hälfte des derzeitigen Arzneimittel- spektrums beinhalten wird. Immerhin entfallen dem jährlich erscheinenden Arzneiverordnungs-Report zufolge rund sechs Milliarden DM auf die Verordnung sogenannter umstritte- ner Arzneimittel. Daran, daß man mit Hilfe einer Positivliste eine ähnliche Summe einsparen kann, glauben auf- grund der zu erwartenden Substituti- onseffekte allerdings auch die Befür- worter nicht mehr. Gegner befürchten gar eine Steigerung der Kassenaus- gaben.

Qualität, Wirksamkeit und Un- bedenklichkeit von Arzneimitteln zu bewerten ist nach dem Arzneimittel- gesetz Aufgabe des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinproduk- te (BfArM). Eine weitere Überprü- fung durch das Institut für die Arzneimittelverordnung in der Gesetzlichen Krankenversiche- rung komme einer Zweitzulas- sung gleich, argumentieren die Kritiker der Positivliste, allen vor- an die pharmazeutischen Herstel- ler. Dazu der BPI-Vorsitzende Vogel, der unter anderem um die wirtschaftliche Existenz sei- ner vorwiegend mittelständischen Mitgliedsunternehmen fürchtet:

„Die Positivliste ist eine mehr oder weniger willkürliche Aus- grenzung von Arzneimitteln aus der Erstattungsfähigkeit der Ge- setzlichen Krankenversicherung.“

Listen verbesserten nicht die Qualität, sie erschwerten viel- mehr eine abgestufte, individuelle Arzneitherapie. Damit spricht er vielen Hausärzten aus dem Herzen.

Peter Lau, Vorstandsmitglied im Berufsverband der Allgemeinärzte Deutschlands, hält die geplante Posi- tivliste für eine „Rationierungsliste“.

Zwar hätten auch die Hausärzte ein Interesse daran, die Unübersichtlich- keit des Arzneimittelmarktes zu be- seitigen. „Das wird aber gerade nicht geleistet. Es sind nach wie vor zahlrei- che wirkstoffgleiche Präparate auf dem Markt“, so Lau.

Ähnlich argumentiert der BPI:

„Der sachgerechte Umgang mit Arz- neimitteln ist entscheidend für die Qualität, nicht die Zahl der angebote- A-1474 (26) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 22, 4. Juni 1999

P O L I T I K AKTUELL

Arzneimittel

Positivliste heftig umstritten

Dient die Positivliste der Qualitätssicherung oder der Rationierung? Dazwischen bewegen sich die Meinungen.

U

Illustration: Tinos Otto

(2)

nen Medikamente.“ Dem scheint sich auch die Bundesärztekammer nicht ganz verschließen zu können. Zwar begrüßt sie ebenso wie die Kas- senärztliche Bundesvereinigung die Einführung einer Positivliste. „Eine rationale Arzneimitteltherapie wird hierdurch nur begrenzt gewährlei- stet“, heißt es in einer Stellungnahme.

Dazu bedürfe es vielmehr Leitlinien und Therapieempfehlungen, wie sie beispielsweise die Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft vorgebe. Zudem lehnt die BÄK es strikt ab, bei der Bewertung von che- misch definierten und alternativen Arzneimitteln unterschiedliche wis- senschaftliche Standards anzusetzen.

Die Ärzte scheinen sich vor allem zwei Dinge von einer Positivliste zu versprechen. Zum einen gewinnen sie Verschreibungssicherheit und können damit dem ständigen Vorwurf be- gegnen, auf Kassenkosten unwirksa- me Arzneimittel zu verordnen. Zum anderen können sie lästige Diskussio- nen um Wunschverordnungen ihrer Patienten umgehen.

Die Krankenkassen lassen nichts auf die Positivliste kommen. Als „ri- tualisiertes Horrorszenario“ bezeich- net Wolfgang Kaesbach vom Bundes- verband der Betriebskrankenkassen den Protest der Listengegner. Ziel ei- ner Positivliste sei „Qualität statt Be- liebigkeit“. Wenn auch indirekt, plä- diert er für eine „sozialgesetzliche Zweitzulassung“. Das BfArM treffe eine produktbezogene Einzelfallent- scheidung, die auf den Ergebnissen klinischer Prüfungen basierten, die Kommission zur Erstellung der Posi- tivliste nehme eine vergleichende Prüfung der Arzneimittel unter rea- len Praxisbedingungen vor. Arznei- mittel, die auf die Liste sollen, müs- sen nach Auffassung von Kaesbach nachweislich zur Behandlung von er- heblichen Gesundheitsstörungen und Krankheiten geeignet sein. Eine qua- litätsorientierte Leistungsbeschrän- kung, wie sie mit der Liste angestrebt werde, gebe dem Arzt Verordnungs- sicherheit, stelle ihn jedoch nicht frei von Fragen der Wirtschaftlichkeit.

Dazu seien flankierende Maßnah- men, beispielsweise in Form von The- rapieempfehlungen des Bundesaus- schusses der Ärzte und Krankenkas- sen, nötig. Heike Korzilius A-1476

P O L I T I K AKTUELL

(28) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 22, 4. Juni 1999

ie Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) hat eine Kooperationsstelle für Selbst- hilfeorganisationen eingerichtet – und will damit dem wachsenden Einfluß der Selbsthilfeorganisationen in der Gesundheitspolitik gerecht werden.

Ziel ist es, die Akzeptanz und Zusam- menarbeit zwischen Vertragsärzten und Selbsthilfeorganisationen auf Bundesebene zu verbessern und ge- meinsame gesundheitspolitische Zie- le umzusetzen.

Kooperation mit

Beratungsstellen der KVen

Die Kooperationsstelle sieht es als eine ihrer Aufgaben an, Kontakte zu den überregionalen Verbänden der Selbsthilfegruppen und den Bera- tungsstellen der Kassenärztlichen Vereinigungen aufzubauen. Einige KVen haben bereits „Kooperations- beratungsstellen für Selbsthilfegrup- pen und Ärzte“ (KOSA) eingerichtet:

die KV Nordrhein in Köln und Duis- burg, die KV Hessen in Frankfurt, die KV Westfalen-Lippe in Bielefeld und die KV Brandenburg in Potsdam. Zu- dem will sie die Selbsthilfegruppen über die Arbeit und politischen Akti- vitäten der KBV informieren und sie über die Auswirkungen der Gesetzge- bung auf die vertragsärztliche Versor- gung – und damit auf die Patienten- versorgung – aufklären.

Erste Selbsthilfegruppen sind in Deutschland vor mehr als 30 Jahren entstanden. Inzwischen gibt es etwa 70 000. Viele schließen sich in überre- gionalen Organisationen zusammen, die sich als Interessenvertreter und Ansprechpartner in gesundheits- und sozialpolitischen Fragen verstehen.

Zahlreiche Selbsthilfegruppen oder deren Organisationen gehören Dach- verbänden an, beispielsweise dem Ge- samtverband des Paritätischen Wohl- fahrtsverbandes, der Bundesarbeits- gemeinschaft Hilfe für Behinderte e.V. oder der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren.

In den vergangenen Jahren sind Kontaktstellen eingerichtet worden, die die Bekanntheit und Akzeptanz von Selbsthilfegruppen in der Öffent- lichkeit erhöhen sollen. Sie arbeiten eigenständig oder sind in andere Insti- tutionen wie Kliniken oder Gesund- heitsämter integriert. Die Kooperati- onsstelle der Ärztekammer Nord- rhein in Düsseldorf unterstützt seit Jahren die Zusammenarbeit zwischen Selbsthilfegruppen und Ärzten. Rat- suchenden und Ärzten bietet sie bei- spielsweise Informationsmaterialien und Adressenlisten an.

Gesetzgeber fördert Selbsthilfegruppen

Überregional werden die Selbst- hilfegruppen vor allem gefördert von der Nationalen Kontakt- und Infor- mationsstelle zur Anregung und Un- terstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) der Deutschen Arbeitsge- meinschaft Selbsthilfegruppen e.V.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Förderung von Selbsthilfegruppen im Sozialgesetzbuch V verankert (§ 20 Abs. 3).

Die Kooperationsstelle der KBV ist zu erreichen über: Kassenärztliche Bundesvereinigung – Kooperations- stelle für Selbsthilfeorganisationen –, Adela Litschel, Herbert-Lewin- Straße 3, 50931 Köln, Telefon 02 21/

4 00 52 26. SG

Selbsthilfeorganisationen

KBV richtet

Kooperationsstelle ein

Die Vertragsärzte wollen die Zusammenarbeit mit den Selbsthilfegruppen verbessern.

D

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