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Archiv "Jagd auf „Blaumacher“: Ärzte an den Pranger gestellt" (11.04.2003)

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erbert Schulz hat eine Mission: Der Vorstand der BKK Hamburg will die hoch verschuldete ehemals städtische Betriebskrankenkasse sanie- ren. Rücksicht auf gesetzliche Regelun- gen oder Persönlichkeitsrechte kann er dabei nicht immer nehmen. Am 24.

März schrieb der BKK-Chef einen Brief an mehr als 2 000 Hamburger Arbeitge- ber, der mit der Frage beginnt: „Sind Blaumacher bei Ihnen auch ein Pro- blem?“ Wer bei der BKK Hamburg ver- sicherte Mitarbeiter im Verdacht habe, allzu häufig krankzufeiern, solle sich bei der Krankenkasse melden. „In den Fäl- len, in denen Zweifel an der Arbeitsun- fähigkeit angebracht sind, werden wir einen Hausbesuch durch eine unserer kompetenten Mitarbeiterinnen veran- lassen“, heißt es weiter. Die Kranken- geldmanagement-Methoden der BKK erlaubten es, Blaumacher und Ärzte, die oft krankschreiben, zu identifizieren.

Dem Brief als Anlage beigefügt ist eine Liste mit den Namen von zehn Ärzten, die durch zu häufiges Krankschreiben aufgefallen sein sollen.

Die Aufsicht schreitet ein

„Diese BKK-Aktion ist ein Skandal“, sagte Dr. med. Lothar Späth, Vorsitzen- der der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Die schwarze Liste mit ver- dächtigten Arztpraxen verstoße gegen Datenschutzrechte und erfülle darüber hinaus den Tatbestand der Verleumdung.

Man sei in Kontakt mit den inkriminier- ten Ärzten und unterstütze diese bei ei- ner angestrebten Sammelklage. Dr. med.

Michael Reusch, Präsident der Ärzte- kammer Hamburg, betonte, es sei beson- ders verwerflich, dass den Ärzten nicht einmal vorab die Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt worden sei.

„Die Ärzte sind hamburgweit als Blau- krankschreiber bekannt“, wischte Schulz diesen Vorwurf in einem NDR-Interview vom Tisch. Es sei nicht so, dass sie nun aus heiterem Himmel plötzlich bekannt wür- den. Überhaupt, er verstehe die ganze Aufregung nicht. Man habe die Veröf- fentlichung der Liste und den Inhalt des Briefes juristisch prüfen lassen. Die An- wälte seien der Meinung, dass die Aktion mit dem Datenschutzrecht und allen an- deren Sozialrechten vereinbar sei.

Dies sieht die zuständige Kranken- kassenaufsicht der Gesundheitsbehörde in Hamburg anders. Nach nur kurzer Bedenkzeit untersagte sie der BKK, das Schreiben weiter zu verbreiten. Die Krankenkasse habe eindeutig gegen geltendes Recht verstoßen, erläuterte der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Michael Mrozek. Die BKK Hamburg muss sich nun verpflichten, künftig nicht mehr die Datenschutzrechte von Ärzten zu verletzen und bei Zweifeln an der Ar- beitsunfähigkeit ihrer Versicherten den Medizinischen Dienst der Krankenkas- sen einzuschalten. Unterlässt es die BKK, dies schriftlich zu bestätigen, kann die Behörde den „Blaumacher“-Brief förmlich beanstanden und ihn untersa- gen. Gegen einen solchen Bescheid könnte die Krankenkasse dann klagen.

Die Überprüfung einer Krankschrei- bung ist in § 275 SGB V geregelt: „Die Krankenkassen sind . . . verpflichtet, . . . bei Arbeitsunfähigkeit . . . zur Beseiti- gung von Zweifeln an der Arbeitsun-

fähigkeit eine gutachterliche Stellung- nahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen“, heißt es dort. Die Krankenkassen dürfen demnach nicht selbst den Versicherten aufsuchen, um seine Krankmeldung zu überprüfen. Der Arbeitgeber kann aber verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des Me- dizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit sind dem Ge- setz zufolge insbesondere dann anzu- nehmen, wenn die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen auffällig geworden ist.

Begründbare Häufigkeit

Dass die in Hamburg an den Pranger ge- stellten Ärzte häufiger krankschreiben als der Durchschnitt, kann zumindest in fünf Fällen nicht überraschen: Die Hälfte der beschuldigten Ärzte sind Durch- gangsärzte, bei denen davon auszugehen ist, dass sie relativ viele Arbeitsunfähig- keitsatteste ausstellen. Durchgangsärzte sind Fachärzte für Chirurgie oder Or- thopädie mit besonderen unfallmedizini- schen Kenntnissen, die von den Landes- verbänden der gewerblichen Berufsge- nossenschaften zugelassen sind. Die Vor- schriften der Berufsgenossenschaften le- gen unter anderem fest, dass Unfallver- letzte nach Arbeits- oder Wegeunfällen zwingend einem solchen Durchgangsarzt vorzustellen sind, „wenn die Unfallver- letzung über den Unfalltag hinaus zur Arbeitsunfähigkeit führt“. Jens Flintrop P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1511. April 2003 AA959

Jagd auf „Blaumacher“

Ärzte an den

Pranger gestellt

Die BKK Hamburg schickt mehr als 2 000 Arbeitgebern eine schwarze Liste mit den Namen von Ärzten, die

angeblich Gefälligkeitsatteste ausstellen.

Foto:dpa

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