Die Zukunft der Sekundär- prävention kardiovaskulärer Ereignisse liegt in der indivi- duellen Risikostratifizierung.
Nicht jeder Patient braucht zum Beispiel das wirksamere Clopidogrel anstatt Acetylsa- licylsäure (ASS). Aber be- stimmte Gruppen von Hochri- siko-Patienten profitieren er- heblich davon. Welche Patien- ten dies sind, lassen neue Aus- wertungen der CAPRIE-Stu- die (Clopidogrel versus Aspi- rin in Patients at Risk of Ischaemic Events) erkennen.
Im Gesamtkollektiv der Atherosklerose-Patienten ver- minderte Clopidogrel (75 mg) das Risiko für kardiovasku- läre Ereignisse (Schlaganfall, Herzinfarkt, Tod) relativ um 8,7 Prozent stärker als 325 mg ASS. Das ergibt bei einer ab- soluten Risikoreduktion um 0,5 Prozent eine NNT (num- ber needed to treat) von 200.
„Dies bedeutet, dass Clopido- grel für alle keine kosteneffek- tive Prävention ist“, so Prof.
Dr. med. Karl Einhäupl (Ber- lin). Analysen von CAPRIE konnten aber Risikokollektive identifizieren, bei denen die NNT sehr viel niedriger wird:
Das sind Diabetiker, Patien- ten mit lipidsenkender Medi- kation, Mehrfachereignissen und koronarem Bypass. Diese sollten Clopidogrel als Throm- bozytenfunktionshemmer er- halten.
Darüber hinaus betrachtet Einhäupl das Versagen einer Therapie mit ASS als Grund, auf Clopidogrel zu wechseln.
„Ein erneutes zerebrales Er- eignis unter laufender ASS- Medikation ist der Nachweis einer mangelnden Wirksam- keit“, erklärte Einhäupl. Als weitere Argumente nannte er, dass das zweite Ereignis den Patienten bereits in eine Hoch- risiko-Kategorie bringt, die den Einsatz des wirksameren Clopidogrel sinnvoll macht, und dass ein anderer Wirkme- chanismus neue Chancen eröffnet.
Sowohl die Daten der CAPRIE-Studie als auch der get-ABI-Studie (German Epi- demiological Trial on Ankle Brachial Index) zeigen, dass viele Patienten nicht nur ei- ne, sondern gleichzeitig zwei oder drei atherosklerotische Krankheiten aufweisen. Dar- an muss sowohl in der Dia- gnostik als auch in der Thera- pie gedacht werden. In der get- ABI-Studie wurde bei 6 880 unselektionierten Patienten ab 65 Jahren in hausärztlicher Betreuung der Knöchel-Arm- Index (ankle brachial index;
ABI) gemessen, das Verhält- nis des Doppler-Drucks am Knöchel zu dem am Ober- arm. Werte unter 0,9 sind hochverdächtig auf eine peri- phere arterielle Verschluss- krankheit (PAVK).
Ein Jahr sowie drei Jahre später wiederholte man die- se Untersuchung und hielt
zwischenzeitlich aufgetretene kardiovaskuläre Ereignisse fest.
PAVK erwies sich als Marker- erkrankung für ein atheroskle- rotisch verändertes gesamtes Gefäßsystem. Im Risikoprofil unterschieden sich Patienten mit PAVK bereits zu Beginn in einigen Punkten signifi- kant von denen ohne PAVK:
Sie waren älter, häufiger Männer und aktive Raucher, litten häufiger unter Hyper- tonie, Diabetes sowie Hyper- lipidämie und hatten häufiger Herzinfarkte oder Schlagan- fälle hinter sich.
Auch nach Adjustierung der Ergebnisse auf diese Unter- schiede traten bei den PAVK- Patienten innerhalb von drei Jahren mehr kardiovaskuläre Ereignisse auf: Doppelt so vie- le PAVK-Patienten wie Pati- enten ohne PAVK erlitten ei- nen Myokardinfarkt (3,98 ver- sus 1,46 Prozent) und ein
Drittel mehr PAVK-Patienten zerebrovaskuläre Ereignisse (3,37 versus 1,94 Prozent). Die Häufigkeit peripherer Revas- kularisationen lag bei den PAVK-Patienten sechsmal so hoch (3,95 versus 0,46 Prozent), und eine Nekrose oder Gan- grän war neunmal so häufig aufgetreten (2,28 versus 0,15 Prozent). Die Gesamtmorta- lität der PAVK-Patienten lag um 81 Prozent höher als die der Patienten ohne PAVK.
Auch aus kardiovaskulärer Ursache seien 2,65-mal so vie- le und aus zerebrovaskulä- rer Ursache doppelt so viele PAVK-Patienten gestorben, be- richtete Prof. Roman Haberl (München). Die Gesamtmor- talität und die kardiovaskulä- re Sterblichkeit zeigten außer- dem eine klare Korrelation mit dem Schweregrad der PAVK.Dr. med. Angelika Bischoff
Symposium „Schlaganfall: Was wissen wir schon alles über zerebrovaskuläre Risiko- faktoren?“ anlässlich der 78. Jahresta- gung der Deutschen Gesellschaft für Neu- rologie in Wiesbaden, Veranstalter: Sanofi Aventis
V A R I A
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 8⏐⏐24. Februar 2006 AA495
Prävention kardiovaskulärer Ereignisse
Risikostratifizierung erforderlich
Unternehmen
Astra Zeneca hat das Arznei- mittel Exanta mit dem Wirk- stoff Ximelagatran vom Markt genommen und alle klinischen Studien abgebrochen. Xime- lagatran war als direkter, ora- ler Thrombinhemmer indi- ziert zur kurzzeitigen Vorbeu- gung von Thrombosen bei Pa- tienten nach Hüft- oder Knie- gelenkersatzoperationen. An- lass für diese Entscheidung ist der Bericht über eine schwer- wiegende, aber reversible Le- berschädigung, die im Rah- men einer klinischen Studie bei einer Patientin etwa drei Wochen nach Beendigung der Einnahme von Exanta eintrat.
Schon vorher hatte es Berich- te über hepatotoxische Ne- benwirkungen gegeben, deret- wegen die amerikanische Arz- neimittelbehörde FDA im Sep- tember 2004 eine Zulassung
von Exanta abgelehnt hatte.
In zwölf europäischen Län- dern (ohne Großbritannien und Irland) und Südamerika kam Exanta dagegen auf den Markt. In Deutschland wurde das Arzneimittel im Juni 2004 zugelassen – trotz der be- kannten Risiken, auf welche das Bundesinstitut für Arznei- mittel und Medizinprodukte (BfArM) damals in einer Arz- neimittelschnellinformation je- doch aufmerksam machte.
Da die Komplikationen bei Patienten aufgetreten waren, die mit einer höheren als der aktuell zugelassenen Ximela- gatrandosierung (2 × täglich 36 mg) behandelt worden waren, wurde das Risiko vom BfArM als gering eingestuft, sofern sich die Ärzte an Dosierung und Indikation hielten. Es gab Einschränkungen für Patien-
ten mit eingeschränkter Le- berfunktion, und der Einsatz zur Thromboembolieprophy- laxe war auf maximal elf Ta- ge beschränkt. Die Vorteile ei- nes oralen Medikamentes ge- genüber den subkutan zu ap- plizierenden Präparaten zur Thromboseprophylaxe greifen jedoch erst bei einer langfristi- gen Therapie. Deshalb ließ der Hersteller in der EXTEND- Studie den längerfristigen Ein- satz von Ximelagatran zur Thromboseprophylaxe unter- suchen. Die Patienten nahmen das Mittel bis zum 35. postope- rativen Tag ein. Bei einer der Teilnehmerinnen dieser Stu- die ist es etwa drei Wochen nach Beendigung der Ein- nahme von Exanta®zu einer schweren Leberschädigung ge- kommen, die nun zur Rück- nahme geführt hat. rme