Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 39|
1. Oktober 2010 A 1861 Zielwerte von unter 140 respektiveunter 120 mmHg.
Bei einer Subgruppe von 2 856 Patienten wurde geprüft, wie sich dieses Management über einen Zeitraum von vier Jahren auf die Progression einer Retinopathie aus- wirkt. Von einer Progression wurde ausgegangen bei einer Zunahme von mindestens drei Schritten auf der „Early Treatment Diabetic Re - tinopathie Study Severity Scale“
oder der Notwendigkeit einer La- serphotokoagulation oder Vitrekto- mie.
Dabei ergaben sich signifikante Unterschiede: Die Progressionsrate betrug in der Gruppe mit intensi- vierter glykämischer Kontrolle 7,3 %
gegenüber 10,4 % unter der Stan- dardtherapie (korrigierte Odds Ra- tio [OR]: 0,67; 95%-Konfidenzin- tervall [KI]: 0,51–0,87, p = 0,003).
In der Gruppe mit der Kombina - tionstherapie gegen die Dyslipid - ämie lag die Progressionsrate bei 6,5 % gegenüber 10,2 % bei alleini- ger Simvasatin-Gabe (korrigierte OR: 0,60; 95%-KI: 0,42–0,87, p = 0,006). Keinen Unterschied er- brachte auch in dieser Subgruppen- analyse die strenge Blutdruckkon- trolle mit einer Progressionsrate von 10,4 % in der intensiviert be- handelten Gruppe und 8,8 % unter der Standardtherapie (korrigierte OR: 1,23; 95%-KI: 0,84–1,79, p = 0,29).
Fazit: „Die Daten bestätigen, dass es für die Entwicklung der mikro- vaskulären Komplikationen wichtig ist, den HbA1c gut einzustellen. Da beim Blutdruck auch die Kontroll- gruppe eine gute Einstellung auf- wies, bedeutet das Ergebnis aller- dings nicht, dass man den Blut- druck vernachlässigen sollte“, er- läuterte Prof. Dr. med. Stephan Martin aus Düsseldorf, Direktor am Westdeutschen Diabetes- und Ge- sundheitszentrum (Sana-Kliniken, Düsseldorf).
Christine Vetter
The ACCORD Study Group ACCORD Eye Study Group: Effects of medical therapies on retino- pathy progression in type 2 diabetes, NEJM 363; 2010: 233–44.
Patienten mit Atherothrombose ha- ben ein erhöhtes Risiko für kar - diovaskuläre Ereignisse. Unklar ist bislang, wie stark das Risiko bei stabilen Patienten durch weite - re Komorbiditäten wie ischämi - sche Ereignisse, Gefäßerkrankun- gen oder Diabetes mellitus jeweils erhöht wird. Dieser Frage wird im REACH-Register nachgegangen, von dem nun eine Vierjahresanaly- se vorliegt.
Das REACH-Register ist das erste Register für ambulante Patien- ten mit koronarvaskulären, zerebro- vaskulären oder peripheren arteriel- len Erkrankungen oder einer Kom- bination hoher Risikofaktoren, das weltweit Ereignisrate und Behand- lungsmuster erfasst. Das Register wird von Sanofi-Aventis, Bristol- Myers-Squibb und der Waksman Foundation unterstützt.
In der Vierjahresanalyse wurden die Daten von 45 227 Patienten von 3 647 Zentren in 29 Ländern be- rücksichtigt. Die Patienten waren im Durchschnitt 68,4 Jahre alt, zwei Drittel waren Männer. Sie litten häufig an Hypercholesterinämie (70,4 %) und Hypertonie (81,3 %).
Ein Diabetes mellitus lag bei 43,6 % und eine Mehrgefäßerkran- kung bei 15,9 % vor. Die Mehrzahl wurde mit Acetylsalicylsäure und Statinen behandelt. Im Beobach- tungszeitraum trat bei 5 481 Patien- ten mindestens ein Ereignis ein, es kam zu 2 315 kardiovaskulären Todesfällen, 1 228 Herzinfarkten, 1 898 Schlaganfällen, und bei 40 Patienten traten sowohl ein Herzinfarkt als auch ein Schlagan- fall auf. Die Ereignisrate war für Patienten, die bereits ein ischämi-
sches Ereignis erlitten hatten, mit 18,3 % am höchsten, während sie bei Patienten mit stabiler korona - rer Herzkrankheit, zerebraler oder pe ripherer Gefäßerkrankung mit 12,2 % niedriger war. Das geringste Risiko hatten Patienten ohne Athe- rothrombose, aber mit Risikofakto- ren; hier betrug die Ereignisrate 9,1 %. Das Risiko für weitere Er- eignisse steigt, zum Beispiel bei Vorliegen einer Mehrgefäßerkran- kung oder eines Diabetes mellitus, deutlich (Tabelle).
Fazit: Die Vierjahresanalyse des REACH-Registers ergibt zur Risi- koabschätzung ein einfaches Mo- dell: Das Risiko für ein kardiovas- kuläres Ereignis ist für die Patien- ten relativ niedrig, bei denen „nur“
klassische Risikofaktoren, aber noch keine akute Gefäßerkrankung vorliegt. Bei Herzinfarkt, Schlagan- fall oder einem sonstigen Ereignis vor mehr als einem Jahr ist das Ri- siko mittelhoch, bei kürzer zurück- liegenden Ereignissen jedoch sehr hoch. Potenziert wird das Risiko zudem bei Vorliegen eines Diabetes mellitus.
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl Bhatt DL et al.: Comparative determinants of 4-year cardiovascular event rates in stable outpatients at risk of or with atherothrombo- sis. JAMA 2010; 304: Online-Publikation am 30. August 2010. doi:10.1001/jama.2010.
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KARDIOVASKULÄRE EREIGNISSE
Welche Patienten sind am stärksten gefährdet?
TABELLE
Multivariable Prädiktoren für kardiovaskulären Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall nach dem Cox-Regressions-Modell
Variable
Mehrgefäßerkrankung vs. nur Risikofaktoren
Herzinsuffizienz, ja vs. nein Ischämisches Ereignis in den letzten 12 Monaten vs kein ischämisches Ereignis
Diabetes mellitus, ja vs. nein Eingefäßerkrankung vs. nur Risikofaktoren
Body-mass-Index < 20, ja vs. nein Raucher, vs. früher oder nie Raucher
Hazard Ratio (95%-KI) 1,99 (1,78–2,24)
1,71 (1,60–1,83) 1,71 (1,57–1,85)
1,44 (1,36–1,53) 1,39 (1,25–1,54)
1,30 (1,14–1,49) 1,30 (1,20–1,41)
p-Wert < 0,001