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Archiv "Mehr Babies wegen „Babyjahr“?" (09.11.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen AUS DER DDR

Und so geht es weiter: „Man habe den größten Teil der annähernd 500 000 Diabetiker in der Republik erfaßt" (woher weiß man dann, daß es 500 000 sind?). Oder (im Zusam- menhang mit der Schwangerenvor- sorge): „Daß dieses Vorsorgeange- bot des Staates heute von der Mehr- zahl der Frauen in der DDR genutzt wird, ist auf die intensive Gesund- heitserziehung der Bevölkerung zu- rückzuführen. Dazu gehört auch der heilsame Zwang', daß die finanziel- len Vergünstigungen von der regel- mäßigen ärztlichen Kontrolle abhän- gig sind."

Das ist ein Beispiel dafür, wie in den heutigen Deutschlands Begriffe nicht mehr das gleiche meinen: fi- nanzieller Zwang ist Teil der „Ge- sundheitserziehung" — Dr. Stössel scheint nichts dabei zu finden.

In sich unlogisch ist die Antwort ei- nes Apothekers auf die Frage, wel- che Rolle der Preis bei der Verord- nung von Arzneimitteln in der DDR spiele: seit 20 Jahren sei noch kein Arzt regreßpflichtig gemacht wor- den wegen irgendwelcher höherer Kosten. Und Stössels Frage nach der Verordnung gehe von falschen Voraussetzungen aus. Es gebe näm- lich keine vergleichbaren Arzneimit- tel mit unterschiedlichen Preisen.

Als bei einem bestimmten Sulfon- amid 40 Tabletten sechs Mark koste- ten, hat man neu hinzukommende Mittel „bewußt zum selben Preis an- geboten, damit der Arzt nicht meint, er müsse unbedingt das Neue auf- schreiben, weil das teuerer ist." So einfach ist das!

Ein Gespräch Stössels mit Medizin- studenten der Universität Rostock litt darunter, daß die ersten drei Stu- dienjahre gerade bei der Kartoffel- ernte eingesetzt waren. Durch Ver- gleiche mit der sozialen Zusammen- setzung der westdeutschen Studen- ten bemüht sich der Verfasser nach- zuweisen, daß in der DDR wirklich nur die Geeigneten zum Medizinstu- dium zugelassen werden; Arztkinder als Medizinstudenten seien in der DDR „immer die Ausnahme" geblie- ben. Es scheint ihn überhaupt nicht zu stören, daß — wie er selbst dar-

stellt — am Ende des Praktischen Jahres vor dem Studium, wenn man die Zulassung schon in der Tasche hat, „Kollektive der verschiedenen Abteilungen, die für die Endbeurtei- lung gehört werden", zu der Ent- scheidung kommen können, der Be- treffende sei für das Medizinstudium doch nicht geeignet. Und ausdrück- lich fügt er noch hinzu, daß dabei auch „gesellschaftliche Aktivitäten, FDJ-Arbeit zum Beispiel", berück- sichtigt werden.

Stössel zitiert einmal einen Rostok- ker Facharbeiter (Geburtsjahrgang 1941): „Ich würde meinen, daß es in der BRD auch ganz anders ausse- hen würde, wenn sich die Menschen mehr für Politik interessieren wür- den. Das ist oft erschreckend, wie wenig Kenntnisse da sind." Woher dieser Rostocker Facharbeiter das wissen will, das hat Stössel wieder einmal nicht „hinterfragt".

Er selbst, heißt es an anderer Stelle, glaube nicht an Wunder, „es sei denn, man halte es für ein Wunder, daß die Mehrheit ihre Sache selbst in die Hand nehmen kann". Daß dies in der DDR geschehen sei, daran glaubt er also. Und auch deshalb ist dieses Buch gefährlich: weil Dr.

med. vet. Jürgen-Peter Stössel (Ge- burtsjahrgang 1939) offensichtlich nicht nachfühlen kann, was man mit dem nötigen politischen Druck einer Mehrheit alles einreden kann — und was eine Mehrheit sich sogar selbst einreden kann. Günter Burkart

Mehr Babies

wegen „Babyjahr"?

Der seit zwei Jahren zu verzeichnen- de Wiederanstieg der Geburtenzah- len ist im wesentlichen auf das soge- nannte „Babyjahr" zurückzuführen.

Zu diesem Ergebnis kommt, wie die Westberliner Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales mitteilt, das Deutsche Institut für Wirtschaftsfor- schung in einer Studie zur Gebur- tenentwicklung und Familienförde- rung in der DDR, die im Auftrag des Senators für Arbeit und Soziales durchgeführt wurde. Nach der 1976

eingeführten Regelung können sich berufstätige Mütter nach dem Wo- chenurlaub bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes von der Ar- beit freistellen lassen; vom zweiten Kind an gibt es einen zusätzlichen Anspruch auf finanzielle Unterstüt- zung.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß die Geburtenzunahme in der DDR ausschließlich von zweiten und weiteren Kindern getragen wird, daß also gerade die Förderung der Mehrkinderfamilie durch das „Baby- jahr" wirksam gewesen sei. Dazu kommen weitere familienpolitische Hilfen wie zum Beispiel der Schwan- gerschafts- und Wochenurlaub von 26 Wochen, die Geburtsbeihilfe von jeweils 1000 Mark, der höhere Ur- laub für Mütter, die Anrechnung auf die Rentenversicherungszeit und Familienkredite. Außerdem weist das Deutsche Institut für Wirt- schaftsforschung darauf hin, daß in der DDR jeweils mehr als 70 Prozent aller Schulkinder einen Kinderhort besuchen und Gemeinschaftsver- pflegung erhalten.

Andererseits müsse beachtet wer- den, daß in der DDR durch die ex- trem hohe Frauenbeschäftigung be- sondere Bedingungen herrschen und daß noch nicht nachgewiesen ist, ob der jetzige Geburtentrend langfristig anhält.

Der Westberliner Senator für Arbeit und Soziales, Olaf Sund, erklärte zu dieser Studie, die Garantie des Ar- beitsplatzes, wie sie in der DDR durch das „Babyjahr" gegeben sei, könne man nur im Zusammenhang mit dem wirtschafts- und gesell- schaftspolitischen System betrach- ten. Unter den Bedingungen eines freien Arbeitsmarktes ließe sich eine solche Garantie in der westlichen Gesellschaftsordnung nicht realisie- ren. Dazu müsse man auch die Fra- ge stellen, ob der bevölkerungspoli- tische Erfolg des „Babyjahres" in der DDR einem echten Kinder- wunsch der Familien entspringt oder aber der den Frauen gebotenen Möglichkeit, vorübergehend aus der Doppelbelastung durch Beruf und Familie herauszukommen. LPD

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2692 Heft 45 vom 9. November 1978

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