• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Kontrolle von Arzneimittelforschung: Ein tief greifender Dissens" (23.03.2007)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Kontrolle von Arzneimittelforschung: Ein tief greifender Dissens" (23.03.2007)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 12⏐⏐23. März 2007 A759

P O L I T I K

listische Regierung rund 90 Seemei- len vor der eigenen Küste zu beseiti- gen. Nachdem sie gescheitert sind, hat sich Washington auf eine Warte- position zurückgezogen. Im Fall des Todes Fidel Castros, so war seither wiederholt in offiziellen Dokumen- ten zu lesen, werde ein System- wechsel ohnehin einsetzen. Ganz so sicher scheint sich die US-Führung aber doch nicht zu sein. Das Helms- Burton-Gesetz, mit dem 1996 die US-Blockade gegen den Inselstaat verschärft wurde, schließt jegliche Beteiligung des amtierenden Präsi- denten Raúl Castro an einer Regie- rung aus, die Washingtons Akzep- tanz finden soll.

Symbolische Beerdigung

Es liegt an der hohen symbolischen Bedeutung der Person Fidel Castros, dass keine der beiden Seiten nachge- ben will – auch weil man sich seiner Wirkung bewusst ist. Gezeigt hat sich das am 31. Juli 2006, als Hunder- te Exilkubaner in Miami den Rückzug des verhassten Staatschefs mit einer symbolischen Beerdigung feierten.

Das Schauspiel ging selbst Gesin- nungsgenossen zu weit: „Es war ein geschmackloses Spektakel“, schrieb die Journalistin Ana Menendez im Castro-kritischen „Miami Herald“.

Doch nicht alles ist nur Symbolik.

Regierung und Geheimdienst in den USA haben für den Fall eines baldi- gen Todes Fidel Castros militärische Pläne parat, die sich im Kern auf die Reaktion der exilkubanischen Ge- meinde stützen. Mitte Dezember hatten mehr als 400 Polizisten, Mit- glieder der US-Küstenwache und Vertreter des Heimatschutzministe- riums in Miami ihre Einsatzpläne für diesen Fall durchgespielt. Das Manöver – in dem von Unruhen in Kuba und Florida ausgegangen wird – sah drastische Maßnahmen vor:

Schließung der Häfen und Flug- häfen, Mobilisierung der Polizei und Rationierung von Treibstoff.

„Im Militärischen geht man im- mer von schlimmsten Szenario aus“, begründete ein Armeevertreter die Pläne gegenüber US-Medien. Die vorhergesagte Eskalation könnte zur selbsterfüllenden Prophezeiung

werden. I

Harald Neuber

D

ie schlechte Nachricht kam Anfang des Jahres vom Bad Homburger Wirtschaftsforschungs- institut „Feri“: Berlin gehöre zu den höchstverschuldeten Städten Deutschlands; zugleich habe die deutsche Kapitale eine der schlech- testen Entwicklungsperspektiven.

Hauptproblem ist die enorme Schul- denlast von derzeit 62 Milliarden Eu- ro – fast sechsmal so viel wie 1991.

Kein Wunder also, dass die Aussich- ten auf wirtschaftliche Entwicklung ein ständiges Streitthema im Berli- ner Abgeordnetenhaus sind. So auch Mitte März: In einer öffentlichen Sitzung prangerte die FDP-Fraktion

den vermeintlich hemmenden Ein- fluss der medizinischen Forschungs- kontrolle auf den „Pharma- und For- schungsstandort Berlin“ an. Die Sit- zung im Wissenschaftsausschuss, zu der neben den Mitgliedern aller Frak- tionen Vertreter der Universitätskli- nik Charité, des Verbandes Forschen- der Arzneimittelhersteller (VFA) und der Ethik-Kommission des Landes Berlin (EKLB) geladen waren, of- fenbarte einen tief greifenden Dis- sens zwischen den Beteiligten. Im Kern geht es dabei um die Haltung zur EKLB, die im Oktober 2005 als übergeordnete Kontrollinstanz ge- schaffen worden war: Schadet ihre Arbeit der Wirtschaft?

„Wer die Pharmaindustrie in der Stadt haben will, muss die richti- gen Rahmenbedingungen schaffen“, hatte der Vorsitzende der FDP-Frak- tion, Martin Lindner, vorab in einer Mitteilung an die Presse gefordert.

Charité und VFA beklagten „massiv

erschwerte Bedingungen für kli- nische Forschungsvorhaben durch die Politik“. Sie forderten „konkre- te Schritte“, um eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Würden Pharmaunternehmen verschreckt, so verhindere dies die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Akquise von Drittmitteln.

Die Debatte um die Kontrolle der klinischen Forschung nach dem Arz- neimittelgesetz (AMG) in Berlin hält an, seit die EKLB im Oktober 2005 gegründet wurde. Nötig wurde dies durch die zwölfte AMG-Novelle, mit der Deutschland im Vorjahr 2004 der Verpflichtung nachgekom- men war, die Verwaltungs- vorschriften für die Durch- führung klinischer Arz- neimittelstudien den EU- Richtlinien anzupassen.

Erklärtes Ziel der Überarbeitung des AMG war damals die Schaffung ei- nes einheitlichen, transparenten und effizienten Verfahrens. Gut ein Jahr später entstand die EKLB als dritte Kommission ihrer Art in der Haupt- stadt. Neben dem Landesgremium ist eine zweite Kommission bei der Berliner Ärztekammer angesiedelt, eine weitere in der Charité. Wäh- rend diese beiden Ausschüsse aber nur bei epidemiologischen Studien- vorhaben und solchen nach dem Medizinproduktegesetz beratend tä- tig sind, müssen alle pharmazeu- tischen Forschungsvorhaben nach dem AMG von der Landeskommis- sion bewilligt werden. Die ausgela- gerte Kontrolle der Arzneimittelfor- schung wird von der FDP ebenso wie von Vertretern der Pharmain- dustrie und einzelnen Vertretern der Charité als Hemmnis bei der Ent- wicklung von Forschung und Ge-

schäft angesehen.

KONTROLLE VON ARZNEIMITTELFORSCHUNG

Ein tief greifender Dissens

In Berlin spitzt sich ein Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der Ethikkommission des Landes zu.

Die EKBL wurde als übergeordnete

Kontrollinstanz geschaffen.

(2)

A762 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 12⏐⏐23. März 2007

P O L I T I K

Bei der Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus führte der Vor- standsvorsitzende der Charité, Prof.

Dr. med. Detlev Ganten, den Ab- geordneten gegenüber eine Reihe von Forschungsvorhaben an, mit denen etablierte Therapieformen ei- ner neuerlichen, wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen wurden.

Gerade bei solchen Vorhaben be- hindere die medizinethische Kon- trolle der EKLB die Arbeit von For-

schung und Industrie. Zurückhal- tender äußerte sich indes der Ge- schäftsführer beim VFA, Dr. Sieg- fried Throm. Sein Verband sei grund- sätzlich mit der Zuständigkeit nur einer Ethikkommission für eine spezifische Studie einverstanden.

Auch bei der Einhaltung der gesetz- lichen Fristen gebe es keine nennens- werten Probleme mit der EKLB, sag- te Throm, der lediglich auf Mei- nungsverschiedenheiten bei Detail- forderungen wie der erzwungenen Pseudonymisierung von Studien- daten hinwies. Diese Bestimmung aber geht nicht auf die EKLB zu- rück, sondern auf die Datenschutz- richtlinien des Landes.

Verzwickte Gesetzeslage

Priv.-Doz. Dr. med. Hans-Herbert Fülle, der Vorsitzende der EKLB, hielt den Vorwürfen aus der FDP und des Charité-Vorstandsvorsit- zenden daher den Auftrag seiner Kommission entgegen: den Schutz des Patienten. Werde eine pharma- zeutische Studie von der EKLB ab- gelehnt, dann geschehe dies allein,

um eine unnötige Gefährdung für die Probanden zu verhindern. Etwa wenn einem Studienteilnehmer ein notwendiges Präparat vorenthalten werden solle, weil er im Rahmen ei- ner Studie ein reines Placebo verab- reicht bekomme. Solche Regelun- gen aber würden nicht von der Lan- des-Ethikkommission gemacht, sie seien vom Gesetzgeber vorgegeben.

Die Position Fülles hatte im Vorfeld auch der Berliner Senat in seiner

Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vertreten. Der Se- nat bedauerte dabei „die als nicht zutreffend bewertete Auffassung“, dass Pharmavertreter und Wissen- schaftsvertreter die Landes-Ethik- kommission als „Verhinderungs- behörde“ wahrnähmen.

Ähnliche Stimmen sind aus der Charité zu vernehmen. Die Leiterin des „Koordinationszentrums Klini- sche Studien“ (KKS) des Uniklini- kums, Roswitha Bussar-Maatz, sieht zwar auch „Schwierigkeiten bei der Arbeit mit der EKLB“. Diese seien jedoch zum großen Teil auf die ver- zwickte Gesetzeslage zurückzufüh- ren, sagte sie im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. Durch die Aus- lagerung der Prüfung von klinischen Studien nach dem AMG ergäben sich für die Wissenschaftler mitunter große finanzielle Probleme, etwa durch Gebühren. Dadurch komme es, wenn überhaupt, zu einer Gefähr- dung des Wissenschaftsstandortes Berlin. Eine Auswirkung auf die wirt- schaftliche Situation sieht Bussar- Maatz jedoch nicht. Die Erfahrungen

aus der Zeit vor der zwölften AMG- Novelle seien schließlich „erheblich negativer“ gewesen. Damals hätten alle Ethikkommissionen in Deutsch- land Sonderwünsche geäußert; es habe oft ein bis anderthalb Jahre ge- dauert, bis man das endgültige Stu- dienprotokoll und alle notwendigen Voten hatte. Auch der Dekan für Hu- manmedizin der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. med. Martin Paul, sah auf Nachfrage keine „konkreten Beispiele“, bei denen klinische Stu- dien aus der Privatwirtschaft durch die Intervention der EKLB verhin- dert wurden.

Abweichende Interessenlage

Die unterschiedlichen Ansichten in- nerhalb der Charité erklären sich wohl am ehesten durch die abweichende Interessenlage. Das KKS wurde als Beistand für Forscher gegründet, die Studien in eigener Regie entwickeln und durchführen wollen. Diese „In- vestigator Initiated Trials“ werden vom KKS mit Ausbildung der Betei- ligten und Betreuung während der Studien begleitet. Die Fördermittel stammen vom Bundesforschungsmi- nisterium. Parallel zu solchen Gremi- en, die der Forschungsförderung die- nen, wurden an der Berliner Unikli- nik in den vergangenen Jahren aber auch profitorientierte Firmen ins Le- ben gerufen, die Aufträge aus der Privatwirtschaft akquirieren sollen.

Eines der bekanntesten Beispiele ist die „Charité Research Organisation“.

Auf dem Neujahrsempfang am 24.

Januar hatte Detlev Ganten diese Therapieforschungsfirma als Bei- spiel für eine Reihe von Firmenneu- gründungen genannt, die dabei hel- fen, den „Weg zum Unternehmen Charité“ zu ebnen.

In der Anhörung im Berliner Ab- geordnetenhaus bezeichnete der FDP- Abgeordnete Sebastian Czaja die Kontrolle der klinischen Arzneimit- telforschung indirekt als „Hindernis“

für den Ausbau der Wirtschaft. Die Entgegnung aus der rot-roten Lan- desregierung kam stante pede. Es sei die unqualifizierte Kritik an der Ar- beit der EKLB, die dem Wissen- schaftsstandort Berlin schade, hielt der Linksabgeordnete Dr. med. Wolf- gang Albers entgegen. I Harald Neuber Alle pharmazeu-

tischen Vorhaben nach dem Arzneimittelgesetz müssen von der Landeskommission

bewilligt werden. Foto:dpa

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wegen dieser (und weiterer nicht genannter) be- trächtlichen methodischen Probleme erlauben die Er- gebnisse beider Studien keinerlei Rückschlüsse auf die Wirksamkeit

Patienten. Damit hat sich die Erwar- tung, ja die Prognose der beteiligten Ärzte erfüllt. Dieser Ausgangsfall ist nicht geeig- net, die Finckesche These von der

Jedoch ist die Anwendung von Placebokontrollen selbst hier nicht obligatdrisch: Die Er- stellung von Dosiswirkungskurven für das neue Arzneimittel und die Standard- mittel kann

Eine zu geringe Power kann dazu führen, dass eine Studie in der Planung modifiziert oder nicht durchgeführt wird.. Breckenkamp und Koautoren (10) berichten von einer geplanten

für ihre systematische Übersichtsarbeit (2) auf den folgenden Seiten zur Frage des Zusammenhangs von Finanzierung und Ergebnissen von Arzneimittel- studien ausgewertet haben:

Diese Chancen-Risiko-Abwägung ist ein wichtiges Kriterium für die individu- elle Entscheidung des Patienten für oder gegen seine Teilnahme am Ver- such: Es kann jedoch keine Räde

Dosierung der Antibiotika und nicht zu kurze Therapiedauer.“ Es ging darum, möglichst nachgewie- sene Bakterien gezielt vollständig zu vernichten und ihnen keine Chance zu

Über diese und andere von Fincke nicht zu verantwortende, aber für den zeitweiligen Stand der Diskus- sion typischen Entgleisungen hin- aus ist zu fragen, ob der Behand-