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Archiv "Methodische Probleme bei den genannten Studien" (25.10.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 43

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25. Oktober 2013 735

M E D I Z I N

DISKUSSION

Methodische Probleme bei den genannten Studien

Die Infragestellung von Hydroxyethylstärke (HES) zur Volumentherapie kritisch Kranker (1) basiert fast ausschließlich auf den Ergebnissen der 6S- (2) und CHEST-Studie (3). In beiden Studien lagen vor der Randomisierung zentralvenöser Druck, zentralvenö- se Sättigung, Urinausscheidung und Serum-Laktat- Konzentration sämtlich im von der Surviving Sepsis Campaign bei der initialen Therapie der Sepsis emp- fohlenen Bereich (4). Dies legt nahe, dass die Patien- ten zum Zeitpunkt der Randomisierung bereits hä- modynamisch stabilisiert und normovolämisch wa- ren. Das wäre nicht verwunderlich, denn Patienten der 6S-Studie (2) hatten vor Randomisierung durch- schnittlich 3,0–3,5 L Flüssigkeit und 42 % dieser Pa- tienten Kolloide erhalten. Damit lag in beiden Studi- en eine Kontraindikation für eine Volumentherapie mit HES vor. In keiner der beiden Studien waren die Flüssigkeitszufuhr standardisiert oder „goal-di- rected“ und die Kriterien für die Nierenersatzthera- pie a priori definiert, obwohl es sich dabei um eine sekundäre Outcome-Variable handelte. Die Daten der CHEST-Studie (3) belegen zudem keine statis- tisch vermehrte Nierenersatztherapie (relatives Risi- ko [RR], 1,20; 95-%-Konfidentintervall [KI], 1,00 bis 1,44; p = 0,05) und nach den RIFLE-Kriterien sogar eine eher geringere Nierenschädigung unter HES.

Gänzlich unerklärlich ist, warum in der CHEST- Studie (3) zwei hyperchloräme Lösungen zur Volu- mensubstitution bei kritisch kranken Patienten ver- wendet wurden, obwohl seit Langem bekannt ist, dass Chlorid ein renaler Vasokonstriktor ist. Selbst bei Gesunden kann die Infusion von NaCl zu einer 40%igen Abnahme der Nierendurchblutung führen (5). Wegen dieser (und weiterer nicht genannter) be- trächtlichen methodischen Probleme erlauben die Er- gebnisse beider Studien keinerlei Rückschlüsse auf die Wirksamkeit balanzierter HES-Lösungen, schon gar nicht bei hypovolämen, hämodynamisch instabi- len Patienten, bei denen diese indiziert sind.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0735a

Studien werden in den Kliniken gemacht Es gibt ja neben der 6-%-Haes in balanzierter Elek- trolyt-Lösung auch die Zubereitung „Hyperhes“, HES-6-% in NaCl-7,2 %.

Diese Infusion hat sicher schon so manches Men- schenleben gerettet, wenn sie als Volumenersatz in konzentrierter Form gegeben wurde.

Das frische Polytrauma am Unfallort droht oft akut zu verbluten und die erste Blutkonserve gibt es erst nach Eintreffen im Schockraum. Bis dahin gibt es nur Hyperhes, Haes, Gelatine oder Kristalloide, und der beste Volumeneffekt kommt von den HES- Zubereitungen.

Falls HES wirklich vom Markt genommen wird werden wir es draußen vor Ort sicherlich vermissen, aber die Studien werden eben in den Kliniken ge- macht, selten präklinisch.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0735b LITERATUR

1. Hartog CS, Welte T, Schlattmann P, Reinhart K: Fluid replacement with hydroxyethyl starch in critical care—a reassessment. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(26): 443–50.

Mark Schorr Anästhesist, Honorararzt Pirmasens

docteurmark@me.com

Schlusswort

Dem geschätzten Kollegen Priebe möchten wir ant- worten: Die schweren Bedenken der Zulassungsbe- hörden wurde nicht nur durch zwei große Studien, sondern auch die Metaanalyse von Zarychanski et al.

(1) ausgelöst, die eine signifikant höhere Sterblich- keit und einen signifikanten Mehrbedarf an Nieren- ersatzverfahren bei den mit HES- im Vergleich zu kristalloiden Lösungen behandelten Patienten ge- zeigt hat, basierend auf 31 Studien mit insgesamt 10 290 Patienten. Ein aktuelles Cochrane-Review zum Nierenversagen, das wir in unserer Arbeit nicht zu dem Beitrag

Volumentherapie mit Hydroxyethylstärke beim kritisch Kranken: Eine Neubewertung

von PD Dr. med. Christiane S. Hartog, Prof. Dr. med. Tobias Welte, Prof. Dr. med. MSc Peter Schlattmann, Prof. Dr. med. Konrad Reinhart in Heft 26/2013

LITERATUR

1. Hartog CS, Welte T, Schlattmann P, Reinhart K: Fluid replacement with hydroxyethyl starch in critical care—a reassessment. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(26): 443–50.

2. Perner A, Haase N, Guttormsen AB, et al.: Hydroxyethyl starch 130/0.42 versus Ringer’s acetate in severe sepsis. N Engl J Med 2012; 367: 124–34.

3. Myburgh JA, Finfer S, Bellomo R, et al.: Hydroxyethyl starch or saline for fluid resuscitation in intensive care. N Engl J Med 2012; 367: 1901–11.

4. Chowdhury AH, Cox EF, Francis ST, Lobo DN: A randomized, con- trolled, double-blind crossover study on the effects of 2-L infusi- ons of 0.9% saline and Plasma-Lyte(R) 148 on renal blood flow velocity and renal cortical tissue perfusion in healthy volunteers.

Ann Surg 2012; 256: 18–24.

Prof. em. Dr. med. Hans-Joachim Priebe Merzhausen

hans-joachim.priebe@uniklinik-freiburg.de

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berücksichtigen konnten, umfasste 42 Studien mit 11 399 Patienten. Die Autoren schlossen, dass „in den meisten klinischen Situationen diese Risiken ge- genüber dem potenziellen Nutzen von HES überwie- gen“ und deshalb „alternative Volumenersatzthera- pien zu HES Anwendung finden sollten“ (2).

Bei Patienten mit schwerer Sepsis besteht ein Vo- lumenmangel nicht nur in der Initialphase, sondern dieser hält oft zwei bis drei weitere Tage an aufgrund fortdauernder Volumenverluste ins Gewebe („capil- lary leak“). Diese Patienten können unabhängig von der Art des verabreichten Volumenersatzmittels in der Akutphase der Sepsis nicht selten 10–20 und mehr Liter Flüssigkeit einlagern. Neben den statis- tisch signifikanten negativen Effekten von HES in der CHEST-Studie sollte auch in Betracht gezogen werden, dass die in der HES-Gruppe beobachteten Nebenwirkungen bei einer kumulativen Dosis von weniger als 10 mL/kg auftraten, das heißt bei weit unter der Hälfte einer derzeit erlaubten Tagesdosis.

Die Verwendung von hyperchlorämen Lösungen in beiden Armen einer verblindeten, randomisierten Studie kann nicht das Auftreten von Nebenwirkun- gen in einer dieser Gruppen erklären.

Für Herrn Schorr möchten wir auf zwei wichtige Studien von 2010 aus dem präklinischen Bereich hinweisen: Bei 1 282 Patienten mit Schädelhirntrau- ma ohne hypovolämischen Schock (3) beziehungs- weise bei 853 schwerverletzten Traumapatienten mit hypovolämischem Schock (4) wurden präklinisch entweder 0,9 %, 7,5 % Kochsalzlösung oder 7,5 % Kochsalzlösung/6 % Dextran 70 verabreicht. Die erste Studie wurde wegen Erfolglosigkeit vorzeitig abgebrochen, da das neurologische Ergebnis nach sechs Monaten und die 28-Tage-Sterblichkeit (75,1 %, 75,7 % und 74,3 %) gleich waren (3). Auch

die zweite Studie wurde bei vergleichbarer 28-Tage- Sterblichkeit abgebrochen; zusätzlich gab es Sicher- heitsbedenken, weil Patienten, die hypertone Lösun- gen und keine Bluttransfusion erhalten hatten, etwa doppelt so häufig starben wie Patienten, die isotone Kochsalzlösung erhielten (4). Deshalb empfehlen auch die aktuellen deutschen Polytrauma-Guidelines Kristalloide als Mittel der Wahl. Gelatine-Lösungen sollten nicht mehr verwendet werden, weil sie ein ähnliches Risikoprofil wie HES haben. Sie verlän- gern die Blutungszeit und sind deshalb in den USA nicht mehr zugelassen.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0735c LITERATUR

1. Zarychanski R, Abou-Setta AM, Turgeon AF, et al.: Association of hydroxyethyl starch administration with mortality and acute kid- ney injury in critically ill patients requiring volume resuscitation: a systematic review and meta-analysis. JAMA 2013; 309: 678–88.

2. Mutter TC, Ruth CA, Dart AB: Hydroxyethyl starch (HES) versus other fluid therapies: effects on kidney function. Cochrane Data- base Syst Rev 2013; 7(CD007594).

3. Bulger EM, May S, Brasel KJ, et al.: Out-of-hospital hypertonic resuscitation following severe traumatic brain injury: a randomi- zed controlled trial. JAMA 2010; 304: 1455–64.

4. Bulger EM, May S, Kerby JD, et al.: Out-of-hospital hypertonic re- suscitation after traumatic hypovolemic shock: a randomized, pla- cebo controlled trial. Annals of Surgery 2010; 253: 431–41.

5. Hartog CS, Welte T, Schlattmann P, Reinhart K: Fluid replacement with hydroxyethyl starch in critical care—a reassessment. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(26): 443–50.

Prof. Dr. med. Konrad Reinhart

Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin Universitätsklinikum Jena

Konrad.Reinhart@med.uni-jena.de

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Hinweise für Autoren von Diskussionsbeiträgen im Deutschen Ärzteblatt

Reichen Sie uns bitte Ihren Diskussionsbeitrag bis spätestens vier Wochen nach Erscheinen des Primärartikels ein.

Argumentieren Sie wissenschaftlich, sachlich und konstruktiv. Briefe mit persönlichen Angriffen können wir nicht abdrucken.

Schreiben Sie klar und deutlich, fokussieren Sie sich inhaltlich. Vermeiden Sie es, Nebenaspekte zu berühren.

Sichern Sie die wichtigsten Behauptungen durch Referenzen ab. Bitte geben Sie aber – abgesehen von dem Artikel, auf den Sie sich beziehen – insgesamt nicht mehr als drei Referenzen an.

Beschränken Sie Ihren Diskussionsbeitrag auf eine Textlänge von 250 Wörtern (ohne Referenzen und Autorenadresse).

Verzichten Sie auf Tabellen, Grafiken und Abbildungen. Aus Platzgründen können wir solche grafischen Elemente in Diskussionsbeiträgen nicht abdrucken.

Füllen Sie eine Erklärung zu einem möglichen Interessenkonflikt aus.

Bearbeiten Sie die deutschen und englischen Satzfahnen nach Erhalt ohne Verzögerung.

Geben Sie eine Adresse an. Anonyme Diskussionsbeiträge können wir nicht publizieren.

Senden Sie Ihren Diskussionsbeitrag zu Artikeln der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion an:

medwiss@aerzteblatt.de oder Deutsches Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

Referenzen

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