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Archiv "Methodische Probleme" (01.07.2011)

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460 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 26

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1. Juli 2011

M E D I Z I N

DISKUSSION

Schwächen im Studiendesign

Es ist erfreulich, dass auch Studien, die kein positives Resultat gebracht haben, publiziert werden. Bedauer- lich wäre der Rückschluss, dass kein Zusammenhang zwischen gestörter Vaginalflora und Frühgeburt be- steht.

Das negative Ergebnis wundert mich nicht und entspricht meinen eigenen, langjährigen Erfahrun- gen. Neben dem erheblichen Selektionsproblem in dieser Studie dürften folgende mikrobielle Gründe zu diesem negativen Ergebnis geführt haben:

Mit der pH-Messung des Fluors wird nur die Anzahl der Laktobazillen und nicht die Zahl der fakultativ pathogenen Bakterien in der Vagina erfasst. Auch nach Antibiotikagabe ist der pH- Wert erhöht, es liegen aber keine bakteriellen Störungen und kein Infektionsrisiko vor.

Dass die gestörte Vaginalflora und die bakteriel- le Vaginose, häufig mit E. coli vergesellschaftet, einer der Faktoren für Spätabort und Frühgeburt sind, ist schon lange bekannt. Im Gegensatz zu anderen Risikofaktoren kann dies nicht von der Patientin, aber vom Arzt erkannt und beseitigt werden.

Wenn auch Metronidazol und Clindamycin als leitliniengerechte Mittel der Wahl bei der bakte- riellen Vaginose genannt werden, da hierfür in- ternationale Studien nur an nicht schwangeren Frauen vorliegen , so ist die Therapie mit diesen Wirkstoffen in der Schwangerschaft zur Ver- minderung der Frühgeburtenrate aber ungeeig- net (1, 2). Metronidazol ist zudem keine unpro- blematische Substanz in der Schwangerschaft wegen der Interaktion mit der DNA und Clinda- mycin führt zu einer auffälligen Selektion von E. coli.

Den anogenitalen Bereich langfristig zu verbes- sern, indem durch Ansäuerung und Fettpflege das Wachstum von Laktobazillen gefördert und Keime der Darmflora reduziert werden, ist nach meinen Erfahrungen der bessere Weg (3). Für diese Behandlung sollten sich Krankenkassen engagieren, wenn sie Leid verhindern und Geld sparen wollen.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0460a

Methodische Probleme

Zunächst ist mit Blick auf einen nicht seltenen Publika- tionsbias zu würdigen, dass es zu einer Veröffentli- chung dieser Evaluationsergebnisse gekommen ist.

Wenn man sieht, dass 1 887 von 7 469 Schwangeren (25 %) mindestens einen abweichenden pH-Wert nann- ten, aber nur 803 (10,8 %) eine ärztliche Kontrolle durchführten ließen und nur 642 (9 %) wie auch immer medikamentös behandelt wurden, so ist offensichtlich, dass damit eine Reduktion der Frühgeburtenrate nicht erreichbar ist.

Das Problem der Studie ist, dass auch nicht in der Tendenz erkennbar ist, warum eine Nichtwirksamkeit der vaginalen pH-Selbstmessung vorliegt. Dies ist einer Kumulation methodischer Probleme in der Intervention und auch Evaluation geschuldet.

Interventionen müssen gut geplant und hinsichtlich der Strukturen, Prozesse und Produkte gut gesteuert sein.

Ziel der Interventionsplanung- und durchführung ist es, in einem Fall-Kontroll-Ansatz zufällige, möglichst nicht gesundheitlich/sozial selektierte Interventionsgrup- pen zu generieren. De facto lag in der Fallgruppe eine ausschließlich sich selbst selektierende Stichprobe vor.

Im Rahmen der Studie war eine Steuerung und Kon- trolle der Strukturen und Prozesse nicht möglich, die Intervention verlief in Eigenregie der teilnehmenden Schwangeren. Ob und wie der pH-Testhandschuh ange- wendet wurde, konnte lediglich über einen Fragebogen erhoben werden. Auf eine Befragung der Kontrollgrup- pe wurde verzichtet. Nur auf diese Weise wäre es mög- lich gewesen, die Selektionen in den Gruppen zu erken- nen und gegebenenfalls zu standardisieren.

zu dem Beitrag

Vaginale pH-Selbstmessung zur Verhinderung von Frühgeburten: Eine prospektive kontrollierte Studie

von Prof. Dr. med. Eva-Maria Bitzer, Dipl.-Psych. Andrea Schneider, Paul Wenzlaff, Prof. Dr. med. Prof. Dr. h. c. Udo B. Hoyme, Dr. med. Elisabeth Siegmund-Schultze in Heft 6/2011

LITERATUR

1. Donders GG, et al.: Predictive value for preterm birth of abnormal va- ginal flora, bacterial vaginosis and aerobic vaginitis during the first trimester of pregnancy or why metronidazole is not a good option in pregnancy. 6th Eur Conf Eur Soc Inf Dis Obstet Gynecol (ESIDOG), Leuven/Belgien, 2008, Abstract Plen II-2.

2. Klebanoff MA, et al.: Failure of metronidazole to prevent preterm deli- very among pregnant women with asymptomatic Trichomonas vagi- nalis infection. N Engl J Med 2001; 345: 487–93.

3. Petersen EE: Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe. 5th edition.

Stuttgart: Thieme-Verlag 2011.

4. Bitzer EM, Schneider A, Wenzlaff P, Hoyme UB, Siegmund-Schultze E:

Self-testing of vaginal pH to prevent preterm delivery: A controlled trial. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(6): 81–6.

Prof. Dr. med. Eiko E. Petersen Freiburg

eiko.petersen@web.de

Interessenkonflikt

Prof. Petersen hat Honorare für Vorträge oder Fortbildungsveranstaltungen er- halten von den Firmen Bayer, Taurusm, Essex Pharma, Kaymogyn GmbH und Grünenthal.

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 26

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1. Juli 2011 461

M E D I Z I N

Zweifel am individualmedizinischen Nutzen des In- struments sind durch die Studie nicht angebracht. Jeder weitere Einsatz des Instruments in Kollektiven sollte aber von einer belastbaren Evaluation begleitet sein.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0460b

LITERATUR

1. Bitzer EM, Schneider A, Wenzlaff P, Hoyme UB, Siegmund-Schultze E:

Self-testing of vaginal pH to prevent preterm delivery: a controlled tri- al. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(6): 81–6.

Dr. phil. Wolf Kirschner Berlin

Prof. Dr. med. Klaus Friese

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, München

Klaus.friese@med.uni-muenchen.de

Dr. med. Albrecht Scheffler Berlin

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Gravierende Mängel

Die vorliegende Studie (1) weist gravierende Mängel auf. Sie ist ungeeignet, um die Effizienz der vaginalen pH-Selbstmessung zur Vermeidung von Frühgeburten zu beurteilen. Wichtige Mängel werden zwar im Haupt- text, nicht aber in der Zusammenfassung erwähnt. Die zahlreichen „Nur-Abstract-Leser“ erhalten auf diese Art irreführende Informationen.

In der Studie wurde nicht gesichert:

dass ein ausreichender Anteil der Teilnehmerin- nen das Testkit rechtzeitig erhielt und dann auch regelmäßig gemessen hat. Denn nur 1 823 Schwangere haben überhaupt die Messung proto- kollgerecht durchgeführt (also nur 9,7 % der Teil- nehmerinnen in der Interventionsgruppe) (2). Die- se Zahl ist in der vorliegenden Publikation gar nicht genannt.

dass das diagnostische und therapeutische Vorge- hen der behandelnden Frauenärzte standardisiert und damit vergleichbar war.

dass im Falle eines ärztlich bestätigten pathologi- schen Zustandes eine den aktuellen Leitlinien ent- sprechende Therapie stattfand.

Es stellt sich die Frage, warum die Studie in dieser Form überhaupt durchgeführt wurde. Die so gewonne- nen Ergebnisse sind im Grunde genommen nichtssa- gend und eher irreführend. Und warum hat man uns, die wir 1994 diese innovative pH-Selbstmessung für Schwangere begründet (3, 4) und seitdem maßgeblich ausgebaut haben, nicht vorher konsultiert? Wir sind nicht einmal als Urheber erwähnt worden, was eigent- lich zu den guten Gepflogenheiten unter Wissenschaft- lern gehört.

Das Fehlen essenzieller Voraussetzungen lässt sich durch hochgezüchtete Statistik nicht ausgleichen. Al- lerdings fand sich, trotz der genannten Unzulänglich-

keiten, ein geringer protektiver Effekt der pH-Selbst- messung im Zusammenhang mit dem Geburtsgewicht.

Daher ist anzunehmen, dass bei einer korrekt konzipier- ten Studie deutlichere Effekte erkennbar gewesen wä- ren.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0461a

LITERATUR

1. Bitzer EM, Schneider A, Wenzlaff P, Hoyme UB, Siegmund-Schultze E:

Self-testing of vaginal pH to prevent preterm delivery: A controlled trial. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(6): 81–6.

2. Schneider A, Rudolph A, Bitzer EM, Dörning H: Vermeidung von Früh- geburten. Gemeinsames Modellprojekt nach § 63 SGB V der Kauf- männischen Krankenkasse (KKH), Barmer Ersatzkasse, Techniker Krankenkasse (TK), Hamburg Münchener Krankenkasse (HMK). End- bericht 2009; 48.

3. Saling E, Fuhr N, Placht A, Schumacher E: „Selbst-Vorsorge-Aktion für Schwangere“ – ein wichtiger Bestandteil des Frühgeburtenver- meidungsprogrammes. In: Weidinger H, (eds.): Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Moderne Medizin zwischen Natur und High-Tech.

7. Bayreuther Gespräch. Berlin, Wien: Blackwell Wissenschafts-Ver- lag 1995; 63–70.

4. Saling E, Fuhr N, Placht A, Schumacher E: A new efficient strategy for prevention of prematurity. In: Kurjak A, Latin V, Rippmann E (ed.):

Advances on the pathophysiology of pregnancy: CIC Edizioni Interna- tionali 1995; 228–34.

Prof. Dr. med. Erich Saling Jürgen Lüthje

Institut für Perinatale Medizin, Berlin info@saling-institut.de

Interessenkonflikt

Prof. Saling hat die pH-Selbstmessung zur Vermeidung von Frühgeburten entwickelt . Herr Lüthje erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Schlusswort

Ja, ein prospektive randomisierte kontrollierte Studie mit früher Ansprache von circa 64 000 Schwangeren, einem Monitoring der Compliance von Studienteilnehmerinnen sowie der Leitlinientreue von behandelnden Frauenärzten wäre die ideale Studie, um den Effekt der pH-Selbstmes- sung auf die Frühgeburtenrate nachzuweisen. Eine solche Untersuchung wäre eine klinische Studie, zu deren Förde- rung den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) derzeit die gesetzliche Grundlage fehlt. Unsere Untersuchung erfolg- te als gesetzlich verpflichtende Evaluation auf der Basis des § 65 SGB V im Rahmen eines Modellvorhabens nach

§ 63 SGB V, in dem es um die Weiterentwicklung der Ver- sorgung ging. Die von den Leserbriefautoren benannten Schwächen des Interventions- und Studiendesigns (unter anderem selbstselektierte Kontrollgruppe, späte Anspra- che der Schwangeren, keine gesicherte ärztliche Nachver- sorgung) entsprechen der Routineversorgung, unter denen die pH-Selbstmessung als Regelleistung der GKV mit großer Wahrscheinlichkeit angeboten würde. Es war daher absichtsvoll nicht Bestandteil des Konzepts, zusätzlich zur Intervention „pH-Selbstmessung“ die evtuell nachfolgen- de Diagnostik und unter Umständen resultierende Be- handlung (also eine Behandlungsintervention) vorzuge- ben. Dies sollte mit der derzeitigen Routineversorgung ab- gedeckt sein. Das Evaluationskonzept kann damit Aussa-

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