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Probleme in der

Begutachtungspraxis komplexer psychischer Traumafolgestörungen

und das Thüringer Modell

nach politischer Verfolgung in der SBZ/DDR

Ruth Ebbinghaus, Magdeburg 2014

(2)

Probleme in der Begutachtungspraxis Komplex Traumatisierter

• Kompetenz und Qualifikation der Gutachter

• Anerkennung eines traumatischen Ereignisses

• Durchführung der Gutachten

• Diagnostische Einordnung

• Herstellung der Kausalitätskette (Abgrenzung

von Vorschaden, Nachschaden), zeitliche Latenz

(fehlende Befunde in den Akten)

(3)

Qualifikation der Gutachter

• Gutachter werden von Versorgungsämtern oder Gerichten ausgewählt, eine besondere Qualifikation ist derzeit nicht erforderlich.

Aber es gibt eine Empfehlung des BMA.

• Ergebnis:

• bundesweit uneinheitliches Vorgehen

• Sehr unterschiedliche Qualität der

Gutachten, lange Gerichtsverfahren mit

mehrfachen Begutachtungen, hohen Kosten

oder Klienten müssen in Vorleistung treten.

(4)

Beispiel: Kompetenz der Gutachter

Fehlendes Hintergrundwissen

• Ein Schulausschluss in der DDR wegen

Zugehörigkeit der Eltern zum gewerblichen Mittelstand wird vom GU angezweifelt, die Angabe des AST als paranoides Erleben deklariert.

• Deshalb wertet der Gutachter die bestehenden

Symptome aufgrund der späteren Haftzeit nicht

als Schädigungsfolge, da aus seiner Sicht bereits

vorher paranoides Verhalten und vermutlich

eine Psychose vorgelegen habe.

(5)

Beispiele: Kompetenz der Gutachter

Fehlendes Hintergrundwissen

• Der Betroffene hätte sich besser

anpassen müssen an den Staat, habe doch mögliche Folgen -aufgrund seines

Verhaltens gegen den Staat- gekannt, z.B.

inhaftiert zu werden.

• Muss also schon aufsässig, unangepasst

vor der Haft gewesen sein. Daraus wird

eine Störung der Persönlichkeit vor der

Haft angenommen, Anspruch abgelehnt.

(6)

Beispiel: Kompetenz der Gutachter/Behörden

Unzureichende Kenntnisse der Psychotraumatologie

• Der Betroffene habe in der Haftzelle Angstzustände bekommen, sei ausgerastet und habe laut geschrien.

• Daraus folgert der Gutachter:

• dieses Verhalten sei eine pathologische Reaktion und Beweis für die persönliche labile und

hysterische Struktur des Betroffenen, er folgert

deshalb eine Persönlichkeitsstörung/Psychasthenie vor der

Haft.

(7)

Beispiele: Kompetenz der Gutachter/Behörden

• Ablehnungen wegen:

• fehlender Brückensymptome -weil keine Befunde in den Akten vorliegen (Vermeidung, Misstrauen)

• unkritische Übernahme der alten Diagnosen und Befunde (aus DDR-Zeit, fehlendes Wissen, keine Traumaamnese)

• Beispiel: Fehldiagnose paranoide Schizophrenie seit 1972 nach Verfolgungs-Zersetzungsmassnahmen.

• ungeeignete, überflüssige Testverfahren

(8)

Beispiele: Durchführung der Gutachten

Wahl des Begutachtungsortes

• Voraussetzung -sichere, vertrauensvolle Atmosphäre

• Haftopfer werden in eine forensische Abteilung einbestellt mit Mauern und Alarmanlagen

• oder sehr enger Untersuchungsraum (wie Zelle)

• Folge: Reaktivierung mit Steigerung von Angst und Misstrauen, verweigert die Begutachtung,

Dekompensation Begutachtung erschwert, Verzicht auf

Ansprüche

(9)

Beispiele: Umgang mit Betroffenen

lange Wartezeit, volles Wartezimmer, keine persönliche Begrüßung, keine Erklärung des Ablaufes, Steigerung von Angst und Misstrauen

Tonbandaufzeichnung (Diktiergerät) während der Begutachtung, Reaktivierung der Verhörsituation.

Starre Gesprächsführung, autoritäre Haltung, der Betroffene verweigert die weitere Begutachtung, dekompensiert völlig.

Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des AST durch den Gutachter, da in den Akten keine Befunde aus der DDR-Zeit

vorliegen und der AST nach Ansicht des Gutachters auch dort zu einem Arzt hätte gehen können. Der Richter will persönlich vor Gericht die Glaubhaftigkeit des Betroffenen prüfen. Wiederholung der Verurteilungssituation, Reaktivierung.

(10)

Ist das Traumakriterium erfüllt?

SBZ/DDR Verfolgte

• Unterschiedliche Bewertung -wenn psychische Folter vorliegt wie z.B.:

• Unterstimulation, Schlafentzug, Isolation,

Entwürdigung , Schikanen, Androhung von Gewalt

• Die Ereignisse der politischen Verfolgung seien nicht schwerwiegend genug, es hätte keine körperliche Misshandlung, keine direkte Lebensbedrohung

vorgelegen, das A-Kriterium der PTBS sei nicht erfüllt.

• Auch im neuen DSM-5 ist psychische Folter nicht

explizit aufgeführt.

(11)

Beispiel: Eingangskriterium

• Hintergrundwissen wichtig, um die richtigen Fragen zu stellen:

• Betroffene machen aufgrund von Schamgefühl und Vermeidungsverhalten nur Andeutungen wie „ich war Frischfleisch“ oder erwähnen unwürdige Transporte/Sonderarreste nicht.

• Gutachter fragt nicht nach, konstatiert nur

leichte Belastungen in der Haft, A-Kriterium

sei nicht erfüllt.

(12)

Diagnostische Einordnung ICD/DSM

• ICD-10 und DSM-IV:

• die Diagnosemöglichkeiten decken das

Spektrum psychischer Traumafolgestörungen bei weitem nicht ab

• oft ist die notwendige Anzahl-Kombination der Symptomatik nicht vollständig erfüllt

• auch die Änderungen im neuen DSM-5 und ICD-11 bringen keine ausreichenden

Verbesserungen

(13)

Komplexe psychische Traumafolgestörungen

Angst/Phobien

Depression

Somatisierung Suchterkrankungen

Dissoziative Störungen

Eßstörungen

Persönlichkeitsstörungen keine PTBS

partielle PTBS PTBS

Persönlichkeitsänderung

(14)

Probleme der diagnostischen Einordnung in der Begutachtungspraxis

Keine Einigung auf ein Störungskonzept.

• Unspezifische Bezeichnungen (wie z.B. psychoreaktive Störung), sehr unterschiedliche Diagnosen,

Mehrfachdiagnosen.

Beispiel:

• Symptome werden in der Anamnese aufgeführt, in der Beurteilung sind die Diagnosen nicht vollständig erfüllt.

Vorhandene Symptome werden am Ende gar nicht oder

nicht ausreichend berücksichtigt.

(15)

Mögliche Diagnosen nach ICD-10 und DSM-IV

Posttraumatische Belastungsstörung ICD und DSM

partielle PTBS nicht vorhanden, ev. andere Reaktion auf eine schwere Belastung ICD

Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung ICD

komplexe PTSD (DESNOS) im Anhang DSM

Dissoziative Störungen

Persönlichkeitsstörungen (Borderline)

Anpassungsstörung (Lebensbelastungen, Dauer 6 Monate bis 2 Jahre)

andere psychische Störungsbilder (wie Depression, Angster- krankung, Somatisierung, Süchte)

(16)

Mögliche Diagnosen nach ICD-11 und DSM-5

Posttraumatische Belastungsstörung im DSM-5 erweitert um Symptome der komplexen PTBS- Mischung Typ1 und Typ II

partielle PTBS weiter nicht vorhanden (Anpassungsstörung)

Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung entfällt

Komplexe PTSD (neu im ICD-11)

Anpassungsstörung (ICD-11, soll nun auch für Traumata genutzt werden, aber weiter Befristung Dauer 6 Monate)

(17)

Abgrenzung Vorschäden

• Diagnose von Vorschäden wie Persönlichkeits- störungen aufgrund blosser Annahmen:

• Belastungen in der Vorgeschichte wie z.B. Scheidung oder gespanntes Verhältnis zu Eltern, pubertäres-

oppositionelles Verhalten, Unfälle....

Urteil BSG

• Vorschäden wie z.B. Persönlichkeitsstörungen mit

Beginn in der Kindheit und Jugend dürfen nicht

aufgrund blosser Vermutungen diagnostiziert

werden.

(18)

Thüringer Modell

seit 2002

• Alle Gutachten zu psychischen Schäden infolge politischer Verfolgung der SBZ/DDR:

• Gutachter/rin mit spezieller Qualifikation in

Psychotraumatologie, Kenntnis Hintergrundbedingungen

• Neutralität, unabhängig vom Amt

• Regelmäßige Fortbildung und Austausch

• Erhöhter Kosten-Zeitaufwand (Gutachten, Fahrtkosten)

• Weniger Gerichtsprozesse, höhere Anerkennungsquote.

(19)

ENDE

und vielen Dank

Referenzen

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