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Archiv "Migration im Gesundheitswesen: Tauziehen um Ärzte" (29.09.2006)

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A2534 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 39⏐⏐29. September 2006

T H E M E N D E R Z E I T

E

s ist kaum vorstellbar, doch in der nordenglischen Stadt Man- chester arbeiten heute mehr malawi- sche Ärzte als in Malawi selbst. Und in Sambia praktizieren nur noch 50 von insgesamt 600 Medizinern, die in den vergangenen 32 Jahren seit der Unabhängigkeit dort ausgebil- det wurden. Zwei drastische Bei- spiele, die verdeutlichen, dass der

„braindrain“ – die Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte – sich für den afrikanischen Kontinent dramatisch auswirkt.

Malawi und Sambia sind keine Einzelfälle. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Weltbevölke- rung verlassen jährlich etwa 20 000 Krankenschwestern und Ärzte den afrikanischen Kontinent. Damit ver- lieren die Herkunftsländer nicht nur die Fachkräfte, die sie angesichts der eigenen medizinischen Versor- gungskrise selbst dringend brau- chen. Sie sehen sich auch um die In- vestitionen gebracht, die sie für de- ren Ausbildung aufgewendet haben.

Zwar betont der Weltbevölkerungs- bericht 2006, dass die Migranten aus Entwicklungsländern im ver- gangenen Jahr etwa 167 Milliarden US-Dollar in ihre Heimatländer zurücküberwiesen und damit die Summe der weltweiten Entwick- lungshilfe bei Weitem übertroffen haben. Doch ist dies nur ein schwa- cher Trost, wenn die Ärzte fehlen, die Krankheiten kurieren könnten.

Der massive Verlust an „Humanka- pital“ ist mit Geld nicht einfach auf- zufangen.

Die Folgen sind insbesondere für die afrikanischen Länder schwer- wiegend. Immerhin entfällt ein Viertel aller Infektionskrankheiten auf die Länder südlich der Sahara.

„Allein angesichts der verheerenden Auswirkungen der Aids-Epidemie

in Afrika ist dies schon alarmie- rend“, klagte Renate Bähr von der Stiftung Weltbevölkerung bei der Vorstellung des Berichts in Ber- lin. Schließlich sind die Länder süd- lich der Sahara am schlimmsten von der HIV/Aids-Epidemie betroffen.

Jüngste Umfragen der Weltgesund- heitsorganisation (WHO) haben zu- dem ergeben, dass gerade medi- zinische Fachkräfte aus den Ländern mit hohen HIV/Aids-Infektionsraten gern auswandern möchten. Allein in Simbabwe, wo fast ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung HIV-po- sitiv ist, haben 68 Prozent der Be- fragten diesen Wunsch geäußert.

Abgesehen davon, dass es in vie- len Entwicklungsländern ohnehin viel zu wenig gut ausgebildete Me- diziner gibt, rücken bei anhalten- dem Trend zur Abwanderung auch die viel beschworenen Millenni- umsziele in weite Ferne: Diese se-

hen vor, dass bis zum Jahr 2015 die Kindersterblichkeit um zwei Drittel gesenkt, die Gesundheit der Mütter verbessert und ihre Sterblichkeit um drei Viertel reduziert sowie Krank- heiten wie HIV/Aids, Malaria oder Tuberkulose wirksamer bekämpft werden sollen.

Die Gründe, warum so viele Ärz- te aus Entwicklungsländern im rei- chen Norden Arbeit suchen, sind da- bei sehr verständlich. Sie werden dort besser bezahlt und erfreuen sich zudem besserer Arbeitsbedin- gungen und Karriereaussichten. Nicht unwichtig ist auch, dass die politi- sche Situation in ihren Heimatlän- dern oft instabil ist und sie sich von Krieg oder ständiger Gewalt be- droht fühlen.

Die reichen Industrieländer, die sehr davon profitieren, dass so viele Ärzte aus der Dritten Welt abwan- dern, sind für diese Entwicklung in erheblichem Maße mitverantwort- lich. Seit Jahren bilden sie selbst nicht genügend Fachkräfte aus. Statt- dessen werben sie die Ärzte mit teil- weise aggressiven Methoden ab.

Und das scheint nötig zu sein, denn der medizinische Fachkräftemangel ist sogar in so reichen Ländern wie den Vereinigten Staaten enorm. So schätzen US-amerikanische Gesund- heitsökonomen, dass bis zum Jahr 2020 in den USA etwa 200 000 Ärz- te fehlen werden. Und die WHO rechnet vor, dass das Land 30 Pro- zent zu wenig Ärzte ausbildet, um den eigenen Bedarf zu decken.

Schon heute arbeiten im Großraum New York mehr Ärzte aus Ghana als in der ghanaischen Hauptstadt Accra, so Chen Lincoln von der Universität Harvard. Ein Drittel der Ärzte aus dem westafrikanischen Land arbeitet der WHO zufolge heute im Ausland.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Migration von gut ausge- bildeten Menschen durch Verbote stoppen lässt. Rita Süßmuth, die dem Kuratorium der Stiftung Welt- bevölkerung angehört, strebt für Herkunfts- und Aufnahmeländer so- wie für die Migranten selbst eher eine Win-win-Situation an. Wie die- se aussehen könnte, ist allerdings

noch unklar. I

Petra Meyer

MIGRATION IM GESUNDHEITSWESEN

Tauziehen um Ärzte

Immer mehr Ärzte aus Entwicklungsländern wandern aus in den reichen Norden, wo sie dringend gebraucht werden. Für die Herkunftsländer ist die Abwanderung eine Katastrophe.

ZIELLAND USA

In den vergangenen fünf Jahrzehn- ten hat sich die Zahl der Men- schen, die außerhalb ihres Ge- burtslandes leben, verdoppelt. Sie liegt heute bei 191 Millionen Men- schen, etwa die Hälfte davon sind Frauen, so der Weltbevölkerungs- bericht 2006.

33 Millionen der 36 Millionen Menschen, die in den vergangenen 15 Jahren ihre Heimat verlassen haben, sind in ein Industrieland ausgewandert. Zu den drei Ländern mit dem höchsten Anteil an inter- nationalen Migranten gehören die USA, die Russische Föderation und Deutschland, wobei die beiden Letzteren weit hinter den Vereinig- ten Staaten liegen.

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