• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Migration: Neue Heimat für Ärzte" (30.11.2012)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Migration: Neue Heimat für Ärzte" (30.11.2012)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 48

|

30. November 2012 A 2437 MIGRATION

Neue Heimat für Ärzte

Unzufriedenheit am Arbeitsplatz ist ein schleichender Prozess, der die Arbeitnehmer irgendwann in die Ferne treibt. Der Kampf um qualifizierte Arbeitskräfte ist längst entbrannt.

D

eutschland trifft auf immer mehr Interesse bei ausländi- schen Ärztinnen und Ärzten.

Deutschunterricht boomt momen- tan vor allem in Südeuropa. Nach Angaben der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundes- agentur für Arbeit (ZAV) kommen derzeit die meisten Mediziner aus Griechenland nach Deutschland.

Aber auch in Spanien werden im- mer mehr Ärzte arbeitslos. Ähnlich ist die Situation in Italien und Por- tugal. Zukunftsangst, Wirtschafts- und Finanzkrise, niedrige Löhne, Landflucht, Wertewandel, Burn-out, Mangelwirtschaft und Einstellungs- stopp an staatlichen Krankenhäu- sern – die Gründe für den Umzug nach Deutschland sind so vielfältig wie die Gegenargumente: Sprach- barriere, Mentalitätsunterschiede,

Ressentiments, Fernbeziehungen, Heimweh, schlechtes Wetter.

Jede Abwanderung von Ärzten wirkt sich nachteilig auf die jeweili- ge Gesundheitsversorgung aus – vor allem in „Randlagen“ Europas. Die betroffenen Länder, Kommunen und Unternehmen verlieren nicht nur ihre Ärzte, sondern auch die Inves - titionen in deren Aus- und Weiter - bildung. Im Wettbewerb um Ärzte sind EU-Regionen mit schwächerer Wirtschaftskraft benachteiligt (Gra- fik) – und das bei nahezu identischen Herausforderungen im Hinblick auf den medizinischen Fortschritt und den demografischen Wandel.

Deshalb sollten Anwerbeaktionen von Ärzten aus dem Ausland mit Fin- gerspitzengefühl durchgeführt wer- den. Die Chancen, die die Freizügig- keit innerhalb der Europäischen Uni-

on (EU) bietet, können sonst in der öffentlichen Meinung schnell als

„Ausverkauf der Eliten“ fehlinterpre- tiert werden. Ärztemangel erfordert daher kein wahlloses, sondern eine kritische, nachhaltige Rekrutierung, die keine Einbahnstraße sein sollte.

Der Kontakt und die Vermittlung von Ärzten nach Deutschland finden häufig über Personalberatungsagen- turen statt, die zum Teil hohe Ver- mittlungsprovisionen verlangen. Da- mit ist allerdings nicht automatisch ein Talentmanagement verbunden.

Viele Ärzte bewerben sich auch in Eigeninitiative. Dazu benötigen sie zunächst – zur Übersetzung ins Deut- sche – die Geburtsurkunde, ihr Arzt- diplom, die Approbation, Nachweise über den Facharzttitel, eventuell eine detaillierte Studienfachaufstellung, ein Führungszeugnis, eine Beschei- nigung der Ärztekammer über gute Führung, ein Gesundheitszeugnis und, falls relevant, eine Bescheini- gung über den abgeleisteten Wehr- dienst. Alle Urkunden sollten sicher- heitshalber mit Apostille-Beglaubi- gung versehen sein.

Das größte Hindernis stellt aller- dings die Sprachbarriere dar. Um in Deutsch land eine Facharztweiter- bildung absolvieren zu können, muss der Bewerber mindestens das Sprach - niveau B2 (selbstständige Sprach - verwendung) nach dem Gemeinsa- men Europäischen Referenzrahmen für Sprachen nachweisen.

Doch auch „weiche“ Faktoren sind bedeutsam. Die Gesellschaft im Aufnahmeland muss bereit sein, diese Menschen zu integrieren. An der Schnittstelle zur erfolgreichen Migration arbeiten nach angelsäch- sischem Vorbild „Relocation“-Spe- zialisten. Mit Rundumpaketen für den neuen Arbeitnehmer samt sei- ner Familie bemühen sie sich um die Vermittlung von Sprachkursen, Umzug, Wohnung, Job für den Ehe- partner, die geeignete Schule fürs Kind oder einen Kindergartenplatz.

Denn die Anzahl derer, die nach wenigen Monaten aus Heimweh zurückkehren, ist erheblich. Relo- cation-Agenturen kümmern sich vor allem um die schnelle Integrati- on der Familien in das neue soziale Umfeld. Die Maßnahmen bezahlt der künftige Arbeitgeber.

GRAFIK

„War for talents“

– im Wettbewerb um Ärztinnen und Ärzte sind Regionen mit schwacher Wirtschaftskraft benachteiligt.

Die nächste Völkerwanderung im Gesundheitswesen

S T A T U S

(2)

A 2438 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 48

|

30. November 2012 Ein ähnliches Unterstützungspro-

gramm hat die Klinik Bavaria in Kreischa bei Dresden entwickelt.

Denn dort fehlen Ärzte und Pflege- kräfte. Wegen Rotationen während der Weiterbildung, Elternzeit oder auch Kapazitätserweiterungen stellt die Klinik Bavaria im Durchschnitt jährlich zehn ausländische Ärzte neu ein. Auf der Grundlage jahre-

langer Erfahrungen und der Integra- tion von tschechischen und polni- schen Mitarbeitern ging die Klinik bei der Anwerbung neuer Mitar - beiter in Südeuropa neue Wege. Sie initiierte eine Anzeigenkampagne in griechischen, spanischen, italieni- schen und portugiesischen Tageszei- tungen für Pflegefachkräfte in den Fächern Neurologie, Innere Medi- zin, Psychosomatik und Orthopädie.

Angeboten wurde ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis. Auf die Unterstützung durch externe Dienst- leister hat die Klinik trotz zahlrei- cher Angebote verzichtet. Um auch Interessenten mit weniger Deutsch-

kenntnissen den direkten Kontakt zu ermöglichen, stehen Hotlines in der jeweiligen Landessprache zur Ver- fügung. Dazu hat die Klinik vier Dolmetscher eingestellt und das Personalbüro aufgestockt. Zudem läuft auf YouTube ein zwölfminüti- ger Image- und Informationsfilm über das Weaningzentrum, in dem am dringendsten Mitarbeiter benö-

tigt werden. Der Film wird in sieben Sprachen gezeigt: Englisch, Grie- chisch, Spanisch, Italienisch, Portu- giesisch, Arabisch und Russisch (www.youtube.com/user/klinikbava ria). Infolge dieser Kampagne sind in der Klinik Bavaria 198 Bewer- bungen aus Spanien, 39 aus Portu- gal, 271 aus Italien und 23 aus Grie- chenland eingegangen. Seit Anfang Oktober arbeiten die ersten 28 Pfle- gekräfte aus Südeuropa in Sachsen.

Die meisten stammen aus Spanien und Italien, zwei aus Griechenland.

Bis die Berufserlaubnis erteilt ist, dürfen die neuen Mitarbeiter nur als Hospitanten in der Klinik

tätig sein. Die Wartezeit bis zur Genehmigung überbrücken sie mit einer praxisorientierten Sprachaus- bildung; die Kosten trägt die Kli- nik. Erfahrungswerte darüber, wie praxisnah das Berufsanerkennungs- feststellungsgesetz in den Ländern umgesetzt wird, stehen noch aus.

In der Klinik Bavaria werden die neuen Mitarbeiter in den ersten sechs Monaten von Praxisbegleitern in ih- rer Landessprache eingearbeitet. Wei - tere Erleichterungen sind kosten- freie Wohnmöglichkeiten inklusive Verpflegung und Freizeit betreuer.

Monatlich werden Zuschüs se zu Reisekosten gewährt. Langfristig bietet die Klinik ihren Mitarbeitern vor allem familienfreundliche Dienst - zeiten und Überstundenregelungen sowie eine betriebliche Altersver- sorgung. Unterstützung gibt es auch bei der Vermittlung von Wohnun- gen und Kinderbetreuungsplätzen.

Einzig unplanmäßig war der frühe Wintereinbruch: Damit, dass es in der Sächsischen Schweiz so früh schneit, hatten die Neuankömmlin- ge nicht gerechnet.

Andreas Frädrich Pressesprecher der Klinik Bavaria

Ein einzelner Arzt kann seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht in der Rechtsform einer juristi- schen Person des Privatrechts ausüben. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden.

Der Kläger war zur vertragspsychotherapeu- tischen Versorgung zugelassen. Mit seiner Ehe- frau hat er in Großbritannien eine „Limited“ ge- gründet. Beim Zulassungsausschuss beantrag- te er, die Kassenzulassung auf die Gesellschaft

„Limited“ zu übertragen. Darüber hinaus wolle er die Praxis künftig in der Organisationsform einer juristischen Person ausüben. Der Antrag ist sowohl vom Zulassungsausschuss als auch vom Berufungsausschuss abgelehnt worden.

Nach Auffassung des BSG ist das Zulas- sungsrecht auf natürliche Personen ausgerich- tet. Zugelassen werden Ärzte und Psychothera- peuten. Für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) bestehen Sonderregelungen, die nicht für Vertragsärzte entsprechend gelten. Soweit der Kläger geltend macht, aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz ergebe sich sein Recht in jeder

berufungsrechtlich zulässigen Rechtsform auch in der vertragsärztlichen Versorgung teilzuneh- men, folgt ihm das Gericht nicht. Der Gesetzge- ber sei nicht verpflichtet, jede von den Berufs- angehörigen gewünschte Rechtsform für die Ausübung der freiberuflich auszuübenden, ärzt- lichen oder psychotherapeutischen Heilkunde zur Verfügung zu stellen. Berufsrechtlich ist die Lage im Bundesgebiet nicht einheitlich. Das für den Kläger maßgebliche Heilberufsgesetz Rheinland-Pfalz bindet die Ausübung der ärztli- chen und psychotherapeutischen Tätigkeit an die Niederlassung in eigener Tätigkeit. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arzt für einen Träger tätig wird, der ausdrücklich nicht gewerblich oder berufsmäßig medizinische Leistungen er- bringt. Damit wäre die Tätigkeit des Klägers im Anstellungsverhältnis „seiner“ Limited jedenfalls unvereinbar, weil diese gerade berufsmäßig Heilkunde erbringen soll. Zudem schließt das im Vertragsarztrecht niedergelegte Erfordernis der persönlichen Zulassung einzelner Berufsträger

nach § 95 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V hinrei- chend konkret eine Tätigkeit juristischer Perso- nen aus. Eines ausdrücklichen Verbots bedarf es nicht. Die mit der Zulassung verbundene Ver- pflichtung, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung wirtschaftlich zu handeln, soll nach dem Willen des Gesetzgebers mit der unmittel- baren Verantwortung für die konkrete Leistungs- erbringung am Versicherten einhergehen. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten soll sich persönlich, vertrauensvoll und diskret entwickeln können. Dass der Gesetzgeber der Haftung der an der Versorgung teilnehmenden Leistungser- bringer gegenüber den Kostenträgern besonde- res Gewicht beimisst, zeigt auch die Regelung für MVZ, die eine selbstschuldnerische Bürg- schaft für Forderungen der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen stellen müs- sen. Für das Begehren des Klägers, das Versor- gungsangebot einer Einzelpraxis mit steuer- und haftungsrechtlichen Vorteilen einer Gesellschaft zu kombinieren, besteht keine rechtliche Grund- lage (BSG, Urteil vom 15. August 2012, Az.:

B 6 KA 47/11 R). RAin Barbara Berner

RECHTSREPORT

Vertragsärztliche Tätigkeit in der Rechtsform einer juristischen Person

Die Klinik Bavaria in Kreischa hat vier Dolmetscher eingestellt.

S T A T U S

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

© Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) und Stiftung Pro Kind AlltagWohnen und das tägliche Leben/ 30207 (2. Aufl.)?. Gibt es Geld

Menschen aus nicht EU-Ländern, die aus wirtschaftlicher Not nach Deutschland kommen oder sich hier ein besseres Leben oder berufliche Perspektive erhoffen, müssen in den meisten

9 Anhang I: Personengruppen und migrationsrechtliche Begriffe im Überblick

2.3 Wann muss Unterhalt für die nicht verheiratete Kindesmutter gezahlt w erden?..... 3 Unterhaltsansprüche ehelicher und

* Menschen mit Migrationshintergrund: Diese Menschen haben entweder einen ausländischen Pass und leben in Deutschland oder sie sind Deutsche und ihre Familien sind früher aus ei-

Wenn man die Erinnerungen von Menschen, die vertrieben wurden und die sich in England und Israel eine neue Heimat gefunden haben, auf die Bühne bringen will, dann braucht es vor

Zehn ZeitzeugInnen mit Innsbrucker Wurzeln erzählen über ihre Kindheit und Jugend in Österreich vor 1938, über Verfolgung und Vertreibung im Nationalsozialismus, ihre Flucht und

Sollte es in der nächsten Zeit nicht zu einer diplomatischen Lösung kom- men, oder sollten Russland und der Iran sich wie im Sommer vergange- nen Jahres mit größeren Schwierig-