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Archiv "Die Alzheimersche Krankheit: Relativierungen" (22.03.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT DISKUSSION

Die Alzheimersche Krankheit

Zu dem Beitrag von Dr. med. Alexander Kuiz und Prof. Dr. med. Hans Lauter in Heft 12/1989

Relativierungen

Unbestritten ist, daß der Morbus Alzheimer eine wichtige und ernst- zunehmende Erkrankung darstellt.

Dennoch einige Relativierungen hierzu:

Erst seit einigen Jahren werden hierzulande, entsprechend der an- gloamerikanischen Terminologie, auch die hirnatrophischen senilen Demenzen unter dem Krankheits- begriff Alzheimer subsummiert. Da- vor wurden hierunter nur die präse- nilen Erkrankungen verstanden. Zu- mindest teilweise erklärt sich das an- geblich so sprunghafte Ansteigen der Alzheimerschen Erkrankung also aus einer geänderten Terminologie:

was früher als senile Demenz be- zeichnet wurde, wird heute Alzhei- mer genannt. Insofern könnte es sein, daß die Zunahme dieser Er- krankung nur scheinbar ist und auf einem einfachen Rechenexempel be- ruht.

Sämtliche Hinweise in der im- mer mehr anschwellenden Literatur bezüglich der Genese oder Vertei- lung der Demenzes beziehen sich auf eine hirnpathologische Untersu- chung von Tomlinson Ende der 60er Jahre, in der an ca. 200 Sektionen nachgewiesen wurde, daß die Alzhei- mersche Demenz gegenüber der vas- kulären Demenz bei weitem über- wiegt. Neuere Untersuchungen hier- zu existieren meines Wissens nicht.

In meiner eigenen langjährigen Tä- tigkeit im Bereich der Alterspsy- chiatrie und -neurologie kam ich zu.

anderen Eindrücken beziehungswei- se Ergebnissen: Mehrere hundert Alterspatienten mit Demenz wurden klinisch mit EEG, Doppler, Schädel- CT untersucht. Bei der überwiegen- den Mehrzahl fanden sich Zeichen sowohl einer Alzheimerschen wie ei- ner vaskulären Demenz; die reinen Alzheimer-Fälle waren in der Min- derzahl.

Nachdem früher alles als „Zere- bralsklerose" bezeichnet wurde, was mit Verwirrtheit einherging (was zweifellos zumindest ebenso falsch war), ist der Trend nun seit längerem zur anderen Richtung ausgeschla- gen. Tatsächlich dürften die vaskulä- en Faktoren doch eine erheblich hö- here Rolle spielen, als ihnen derzeit zugewiesen wird.

Noch eine Anmerkung zu dem immer wieder gebrachten Begriff der ständig steigenden Lebenserwar- tung: tatsächlich ist die Lebenser- wartung natürlich heute wesentlich höher als vor 50 oder 100 Jahren.

Man übersieht dabei leicht, daß dies aber kaum dadurch zustandekommt, daß die Leute tatsächlich ein höhe- res Alter erreichen als früher, son- dern überwiegend durch die deutlich reduzierte Säuglings- und Kinder-

Schlußwort

Die Ausdehnung des Begriffs

„Alzheimersche Krankheit" auf die senile Demenz (Katzman 1976) hat erheblich dazu beigetragen, daß die- ses Leiden in der Öffentlichkeit wie in der medizinischen Fachwelt als ei- nes der großen medizinischen und sozialen Probleme unserer Zeit be- kannt wurde. Die Änderung des Sprachgebrauchs hat auch dazu ge- führt, daß ein fortschreitendes geisti- ges Versagen im Alter nicht mehr als unausweichliche Konsequenz der Hirninvolution oder als Folge einer zerebralen Arteriosklerose angese- hen wurde, sondern als Ausdruck ei- ner weitverbreiteten Krankheit, de- ren Entstehungsbedingungen und therapeutische Beeinflußbarkeit es zu erforschen galt. Die — keineswegs sprunghafte — Zunahme der Häufig- keit dieser Krankheit hat aber nichts mit terminologischen Fragen zu tun.

Sie erklärt sich aus der mit dem Al- ter steil ansteigenden Prävalenz und

sterblichkeit. Interessant ist die An- merkung aus einem Lehrbuch der Geriatrie, daß ein 30jähriger Er- wachsener im Jahre 1900 eine höhe- re Lebenserwartung vor sich hatte als heute! Die Annahme, daß früher die Menschen weniger alt wurden, beruht zum großen Teil auf einer Täuschung: es starben wesentlich mehr Kleinkinder, was natürlich die durchschnittliche Lebenserwartung drückte. Der Mensch jenseits des Kindesalters aber dürfte wohl auch vor 2000 Jahren schon genauso alt geworden sein wie heute. Natürlich war der erwachsene Mensch damals mehr von Infektionskrankheiten etc.

bedroht — was jedoch heute durch die Gefährdung mit Verkehrsunfäl- len und Suizid in vollem Umfang er- setzt sein dürfte. — Diese Anmerkung auch zur Relativierung des Fort- schritts der modernen Medizin (der dadurch keineswegs in Frage gestellt werden soll).

Dr. med. Klaus Pillhatsch Arzt für Neurologie und Psychiatrie-Psychotherapie Gabelsberger Straße 4 8400 Regensburg

Inzidenz sowie aus dem wachsenden Anteil älterer Menschen in der Be- völkerung, zumindest in den Indu- trieländern. Die mittlere Lebenser- wartung eines 60jährigen ist in der Bundesrepublik gegenüber der Jahr- hundertwende bei Männern um drei Jahre, bei Frauen um sechs Jahre an- gestiegen. Der Anteil der über Sech- zigjährigen nahm im gleichen Zeit- raum von acht auf 20 Prozent zu.

Modellrechnungen ergeben, daß er sich im Jahre 2030 auf 33 Prozent er- höht haben wird.

Die Autopsiebefunde von Tom- linson et al. (1970) über die Häufig- keitsverteilung verschiedener De- menzursachen, wonach in rund 50 Prozent der Fälle eine Alzheimer- sche Krankheit und in 15 Prozent ei- en zerebrovaskuläre Erkrankung zu- grunde liegt, sind in neueren Unter- suchungen mit sehr geringen Abwei- chungen bestätigt worden (Mölsä et al. 1985; Brun 1987). Die klinische Diagnose der vaskulär bedingten Demenz ist deswegen problematisch, A-948 (64) Dt. Ärztebl. 87, Heft 12, 22 . März 1990

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weil noch sehr wenig darüber be- kannt ist, welche Art, welche Lokali- sation und welche Ausdehnung ischämischer Gewebsschädigungen für das Zustandekommen einer De- menz verantwortlich gemacht wer- den kann. Das Vorliegen von neuro- logischen Symptomen und von In- farktbefunden in bildgebenden Ver- fahren oder bei der Hirndurchblu- tungsmessung ist nicht beweisend für einen kausalen Zusammenhang mit den psychopathologischen Verände- rungen. Deswegen wird in den heute verfügbaren diagnostischen Krite- rien (Wittchen et al. 1989) die zeitli-

che Verknüpfung von akuten isch- ämischen Ereignissen mit der Entste- hung und dem Verlauf der psycho- pathologischen Auffälligkeiten be- rücksichtigt. Wendet man dieser Kri- terien an, dann wird die Diagnose ei- ner vaskulären Demenz sehr wahr- scheinlich nicht häufiger gestellt als auf Grund einer neuropathologischen Untersuchung (Brust 1988).

Literatur

Brun, A. (1987) Persönliche Mitteilung Brust, J. C.: Vasular dementia ist overdiagnosed.

Arch. Neurol. 45 (1988) 799-801

Katzman, R.: The prevalence and malignancy of Alzheimer disease. A major killer. Arch. Neurol.

33 (1976) 217-218

Mölsä, P. K.; Paljärvi, L.; Rinne, J. 0.; Rinne, U.

K.; Säkö, E.: Validity of clinical diagnosis in de- mentia: a prospective clinicopathological study.

J. Neurol. Neurosurg. Psychiat. 48 (1985) 1085-1090

Tomlinson, B.E.; Blessed, E.; Roth, M.: Obser- vations an the brains of demented old people. J.

Neurol. Sci. 11 (1970) 205-242

Wittchen H. U.; Sass, H.; Zaudig, M.; Koehler, K.: Diagnostisches und statistisches Manual psy- chischer Störungen. DSM-III-R. Revision.

Beltz: Weinheim — Basel (1989)

Dr. Alexander Kurz Prof. Dr. Hans Lauter Psychiatrische Klinik der

Technischen Universität München Möhlstraße 26

8000 München 80

Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Peter von Wichert et al.

in Heft 28/29, 1989

Schlafbezogene

Atmungsstörungen Schlafapnoe

Psychosomatische Ursachen

Zu dem hochinteressanten Arti- kel erscheinen mir noch einige Er- gänzungen notwendig. Zwar wird von den Autoren auf Beschwerden hingewiesen, die — außer bei der Schlafapnoe — auch bei neurolo- gisch-psychiatrischen Erkrankungen vorkommen, jedoch werden psycho- somatische Ursachen für die genann- ten Symptome vernachlässigt. Dabei werden im „Indikationskatalog zur Diagnostik der Schlafapnoe" zahlrei- che Symptome genannt, die gerade in einem psychosomatischen Bedin- gungsgefüge entstehen können.

Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, daß „restrosternales Druckgefühl" oder eine „Belastungs- dyspnoe" eben nicht, wie hier nahe- gelegt, ausschließlich im Rahmen in- ternistischer Erkrankungen auftre- ten, sondern beispielsweise durch ein chronisches Hyperventilations- syndrom oder durch eine Herzneu- rose verursacht sein können. Dabei gilt, daß diese Diagnosen nicht bloß

auf dem somatischen Ausschlußwe- ge, sondern — positiv — anhand psy- chischer Befunde gestellt werden sollten, also möglichst vor zu rascher Einleitung einer aufwendigen Schlafapnoediagnostik. Dies kann zum Beispiel beim chronischen Hy- perventilationssyndrom, wo es oft keine klar abgrenzbaren Hyperventi- lationsanfälle gibt, schwierig sein und psychosomatische Kenntnisse erfordern.

Bei der Herzneurose findet sich häufig eine Diskrepanz zwischen wiederholten negativen kardiologi- schen Befunden und dem hartnäcki- gen Glauben des Patienten, doch herzkrank zu sein, gepaart mit psy- chischen Auffälligkeiten (wie das Klagen über zahlreiche Beschwer- den, diffuse Ängstlichkeit, innere Unruhe oder Depressivität), die den Blick auf eine psychosomatische Ur- sache lenken sollten.

Nicolas Nowack, Arzt

Psychiatrische Klinik Häcklingen Am Wischfeld 16

2120 Lüneburg

Schlußwort

In unserem Artikel über die nächtlichen Atemregulationsstörun- gen haben wir uns gerade nicht mit Hyperventilationssyndromen, son- dern mit Hypoventilationssyndro- men beschäftigt. Hierbei ging es auch darum aufzuzeigen, daß Sym- ptome, die gemeinhin als psychisch oder psychosomatisch angesehen werden, einen sehr realen, erfaßba- ren und therapierbaren somatischen Hintergrund haben können. Zweifel- los hat Herr Kollege Nowack Recht, wenn er darauf hinweist, daß psycho- somatische Störungen gerade bei Pa- tienten mit kardialen Beschwerden vorkommen und auch entsprechend diagnostisch erfaßt werden sollten.

Diese Überlegung hat aber mit dem in unserem Beitrag dargestellten Krankheitsbild nichts gemein, denn Ziel dieses Beitrages war es, unter anderem nachdrücklich darauf hin- zuweisen, daß eine Reihe von uncha- rakteristischen Beschwerden, die leicht der psychosomatischen oder neuro-psychiatrischen Ebene zuge- wiesen werden, ihre Quelle in einer internistischen Funktionsstörung, nämlich der schlafbezogenen At- mungsstörungen haben, die diagno- stizierbar und behandelbar ist und heute gekannt werden sollte.

Prof. Dr. med. Peter von Wichert Zentrum für Innere Medizin Medizinische Poliklinik Klinikum der Universität Baldingerstraße

3550 Marburg/Lahn

Dt. Ärztebl. 87, Heft 12, 22. März 1990 (67) A-949

Referenzen

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