Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 29–30|
22. Juli 2013 A 1435STUDIEN IM FOKUS
Etwa jeder zweite Patient mit kolo- rektalem Karzinom (mCRC) entwi- ckelt Lebermetastasen, die für zwei Drittel aller Todesfälle bei dem Tu- mor verantwortlich sind. Die einzi- ge Heilungschance ist die kurative Resektion der Metastasen. Da der Anti-EGFR-Antikörper Cetuximab in Kombination mit Chemotherapie beim mCRC hochwirksam ist, er- probten chinesische Chirurgen und Onkologen in einer randomisierten Phase-III-Studie den Nutzen bei Pa- tienten mit mCRC vom KRAS- Wildtyp und mit anfangs nicht rese- zierbaren Leberfiliae.
Nach Operation des Primärtu- mors erhielten 138 solcher Patien- ten eine Chemotherapie (FOLFIRI oder FOLFOX6) entweder allein oder zusätzlich mit Cetuximab. Der Anteil der Patienten, deren Leber- metastasen reseziert werden konn- ten, war primärer, das Gesamtüber- leben ein sekundärer Endpunkt. Ei-
ne R0-Resektion der Lebermetasta- sen war bei 18 von 70 Patienten in der Cetuximab- (25,7 %), aber nur bei fünf von 68 (7,5 %) in der Kon- trollgruppe möglich (p < 0,01). Das wirkte sich auf das Überleben aus:
Nach 3 Jahren lebten noch 41 % der Patienten im Cetuximabarm, aber nur 18 % in der Kontrollgruppe (Hazard Ratio 0,54; p = 0,013), die mediane Überlebensdauer war um fast 10 Monate verlängert (30,9 vs.
21,0 Monate; p = 0,013). Im Cetu- ximab-Arm lebten die Patienten, deren Metastasen reseziert werden konnten, deutlich länger als jene, bei denen das nicht möglich war (46,4 vs. 25,7 Monate; p < 0,01).
Fazit: Initial inoperable Leberme- tastasen eines Kolorektalkarzinoms mit KRAS-Wildtyp sprechen auf die Zugabe von Cetuximab zur Chemotherapie deutlich besser an als auf die Chemotherapie allein.
Entscheidend sei, dass es sich in der Studie um eine Gruppe selektierter Patienten mit synchroner und isolier - ter Lebermetastasierung handelte, kommentiert Prof. Dr. med. Volker Heinemann vom Comprehensive Cancer Center der TU München.
Die R0-Resektionsrate sei ver- gleichbar mit der in der deutschen CELIM-Studie: Dort betrug sie 34 %. Auch die Patientenpopulation und die Therapieplanung und -durchführung mit Einbindung der Leberchirurgen seien ähnlich gewe- sen zur chinesischen Untersuchung.
In beiden Studien wurden im Cetu- ximab-Arm Überlebenszeiten von mehr als 30 Monaten erzielt. „Das bedeutet, dass gerade Patienten mit isolierten und potenziell resektab- len Lebermetastasen in hohem Ma- ße von einer möglichst effektiven Therapie profitieren“, meint Heine-
mann. Josef Gulden
Ye LC, et al.: Randomized controlled trial of cetuximab plus chemotherapy for patients with KRAS wild-type unresectable colorectal liver-limited metastases. J Clin Oncol 2013;
31:1931–8.
KOLOREKTALKARZINOM MIT LEBERMETASTASEN
Anti-EGFR-Antikörper verlängert die Überlebenszeit
Frühgeborene weisen besonders häufig pathologische Augenbefun- de und Refraktionsfehler auf, kei- neswegs nur als Folge einer Früh- geborenen-Retinopathie (ROP, ret- inopathy of prematurity). Eine schwedische Kohortenstudie hat die Daten von mehr als 3 Millionen Kindern erfasst. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 17 Jah- ren erlitten 1 749 Personen eine Netzhautablösung, ein potenziell zur Erblindung führendes Ereignis, das einer operativen Therapie – in der Regel Vitrektomie oder Cer - clage – bedarf. Sehr früh geborene Kinder (28. bis 31. Gestationswo- che) hatten gegenüber terminge- recht Geborenen einen statistisch adjustierten Risikofaktor für eine
Amotio von 4,32 (im Kollektiv der Jahrgänge 1973–1986) bzw. von 2,80 (Jahrgänge 1987–2008). Ex- trem Frühgeborene (vor der 28. Ge- stationswoche) waren noch stärker gefährdet: In den Geburtsjahrgän- gen 1973–1986 hatten sie ein um den Faktor 19,2 und in den Jahrgän- gen 1987–2008 ein um den Faktor 8,95 erhöhtes Amotiorisiko. Die Netzhautablösung wurde im durch- schnittlichen Alter von 21 Jahren im älteren Kollektiv und 9 Jahren in der jüngeren Population diagnosti- ziert. Die Diagnose einer ROP war bei 36 % der Betroffenen der älte- ren Population und bei 57 % der Amotiopatienten im jüngeren Kol- lektiv in den ersten Lebensmonaten gestellt worden.
Fazit: Frühgeborene haben ein er- höhtes Risiko für eine Netzhautab- lösung im späteren Leben. In Schwe- den konnte das Risiko gesenkt werden , vermutlich mit Einführung eines Screening-Programms auf ROP, wie es auch in Deutschland existiert. Die Zeit der Einführung in der zweiten Hälfte der 80er Jahre in Schweden markiert die Trennung zwischen beiden Kollektiven. Eine Restunsicherheit zur Inzidenz be- steht vor allem in der jüngeren Po- pulation: Da das Amotiorisiko mit dem Alter steigt, sei möglicherwei- se „nur die Spitze des Eisbergs“ der Spätkomplikationen feststellbar.
Dr. med. Ronald D. Gerste
Bonamy AK, Holmström G, et al.: Preterm birth and later retinal detachment: a population- based cohort study of more than 3 million chil- dren and young adults. Ophthalmology 2013, e-pub before print; doi: S0161–6420(13) 00320–5. 10.1016/j.ophtha.2013.03.035 OPHTHALMOLOGISCHE SPÄTKOMPLIKATIONEN BEI FRÜHGEBORENEN