P O L I T I K
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A3004 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 46½½½½16. November 2001
KOMMENTAR
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er Bundesrat hat am 27. Sep- tember der Sechsten Gebüh- renanpassungsverordnung – 6.GebAV – zugestimmt. Damit erhalten Ärzte, Psychotherapeuten, Zahnärzte und Hebammen in Ostdeutschland vom 1. Januar 2002 an für Leistungen in der privatärztlichen Versorgung 90 Prozent des West-Vergütungsniveaus.
Die Anhebung erfolgte um vier Pro- zent von derzeit 86 auf 90 Prozent der westdeutschen Gebührensätze. Eine völlige Angleichung der Vergütun- gen, wie sie von der Ärzteschaft – zu-
letzt durch Beschlussfassung des 104.
Deutschen Ärztetages 2001 in Lud- wigshafen – gefordert worden ist, konnte nicht erreicht werden. Im Vor- feld der Bundesratsberatungen gab es sogar einen Antrag des Finanzaus- schusses des Bundesrates, die Anhe- bung auf 88 Prozent des westdeut- schen Niveaus, also auf zwei Prozent Anhebung, zu reduzieren. Aufgrund der Intervention der Bundesärzte- kammer bei den Ministerpräsidenten der Länder folgte der Bundesrat die- sem Antrag nicht, sondern blieb bei der vorgesehenen Anhebung von vier Prozent auf 90 Prozent des West-Ver- gütungsniveaus, das heißt beim zehn- prozentigen Vergütungsabschlag, gül- tig ab dem 1. Januar 2002.
Die Anpassung in kleinsten Schrit- ten wird mit der so genannten Sozial- versicherungs-Rechengrößenverord- nung politisch begründet, wonach die Höhe der Vergütungen unter Berück- sichtigung der Entwicklung des Ver- hältnisses der Bezugsgrößen in Ost und West, insbesondere der Entwick- lung der Tariflöhne und -gehälter im Vergleich Ost/West, fortgeschrieben wird.
Der Bundesrat setzte sich in sei- nem Beschluss allerdings über die en- ge Orientierung an der Entwicklung
von Tariflöhnen und -gehältern, ins- besondere im Öffentlichen Dienst, die für das Jahr 2001 84,375 Prozent im Vergleich zum Gehaltsniveau West betragen hätte, hinweg und bezog die Kostenentwicklung in den Arztpra- xen und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundes- ländern in die Betrachtungen ein und begründete damit die Anhebung des Vergütungsniveaus auf 90 Prozent.
Diese Vergütungshöhe ist für an- dere Freie Berufe, wie zum Beispiel Rechtsanwälte und Notare, bereits er-
reicht beziehungsweise überschritten (bei Architekten, Ingenieuren und Steuerberatern). Wegen der Auswir- kungen der Vergütungshöhe ärztli- cher Leistungen auf die Haushaltssi- tuation der Länder, insbesondere we- gen der Beihilferegelungen, ist eine völlige Angleichung der Vergütungen erneut unterblieben, obwohl diese aus der Sicht der Ärzteschaft – elf Jahre nach der Wiedervereinigung – der privatärztlichen Versorgung überfäl- lig gewesen wäre. Die Messlatte in der Sozialversicherungs-Rechengrö- ßenverordnung, nämlich die Einkom- mensentwicklung der rentenversiche- rungspflichtigen Bevölkerung im Bei- trittsgebiet, ist ein sachfremder Maß- stab für die Anpassung der privaten amtlichen Gebührentaxe. Weder Prä- mienzahlungen für die private Kran- kenversicherung noch Beitragsbe- messungsgrenzen weisen Unterschie- de zwischen Ost und West auf.
Die unterschiedlichen Vergütungs- niveaus zeigen sich in besonders wi- dersinniger Form vor allem in Berlin:
Konsultiert ein Westberliner Patient einen Ostberliner Arzt, so werden ihm die ärztlichen Leistungen mit Vergü- tungsabschlag Ost berechnet, Ostber- liner Patienten müssen beim Aufsu- chen eines Westberliner Arztes die
volle Vergütung bezahlen. Diese Fehl- entwicklungen nun noch weiter fort- zuführen ist zwar nicht nachvollzieh- bar, dennoch weiterhin Tatsache.
Mit der Sechsten Gebührenanpas- sungsverordnung werden vom 1. Janu- ar 2002 an die Vergütungen Ost um zehn Prozent reduziert, soweit es sich um die im Gebührenverzeichnis auf- geführten ärztlichen Leistungen, ein- schließlich der Zuschläge, handelt.
Am 1. Januar 2002 erfolgt auch die Währungsumstellung von DM in Euro;
der Punktwert wurde durch Rechts-
verordnung auf 5,82873 Cent festge- legt. Die Euro-Beträge im Gebühren- verzeichnis ergeben sich – wie bisher die DM-Beträge – durch Multiplikati- on des oben genannten Punktwertes mit den Punktzahlen der jeweiligen Leistungspositionen; die Rundungsre- gelungen der GOÄ in § 5 Abs. 2 Satz 4 gelten.
Die GOÄ-Broschüre des Deut- schen Ärzte-Verlages vom Mai 2001 weist bereits Euro-Beträge neben DM-Beträgen aus. Wegegeld nach § 8, Reiseentschädigung nach § 9 und Auslagen nach § 10 sind im Gegensatz zu den Leistungen des Gebührenver- zeichnisses bei Leistungserbringung in den neuen Bundesländern zu 100 Prozent abrechenbar. Sie sind zur Euro-Umrechnung mit dem Umrech- nungsfaktor 1,95583 DM für 1 Euro umzurechnen und ebenfalls nach § 5 Abs. 1 Satz 4 zu runden. Festzuhalten bleibt, dass für die Anwendung der Vergütungsregelungen Ost das „Tat- ort-Prinzip“ gilt, das heißt, entschei- dend ist der Ort, an dem die Leistung erbracht wird – und nicht etwa der Wohnort des Patienten. Der Vergü- tungsabschlag Ost bezieht sich daher auf die Leistungen im ehemaligen Hoheitsgebiet der DDR einschließ- lich Ostberlin. Renate Hess/BÄK