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Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 33, 16. August 1996 (1) ie Auseinandersetzungen
der privaten Krankenver- sicherung (PKV) mit den privat liquidierenden Ärzten und ihren „verfaßten“ Interessenver- tretungen, insbesondere mit der Bundesärztekammer, werden ag- gressiver, zum Teil auch grotesker.
Neues Beispiel: Der Verband der privaten Krankenversicherung e.V., Köln, ärgert sich über den vermehrten Ansatz der Schwellen- werte und erwägt Zeitungsberich- ten zufolge die Erhebung einer Musterklage gegen betroffene Ärzte wegen überhöhter Privatli- quidationen. Der Geschäftsführer des Verbandes sieht die Versiche- rungen „in mehrstelliger Millio- nenhöhe geschädigt“.
Daß der 2,3fache beziehungs- weise 1,8fache Satz der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), also die Schwellenwerte, inzwischen in rund 95 Prozent aller Fälle berechnet wird, ist nichts Neues. Die Einführung der Schwellenwerte, die immer mehr zum „Regelsatz“ geworden sind, ist gegen den Willen der Ärzte- schaft auf Betreiben der PKV in der zum 1. Januar 1983 novellier-
ten GOÄ durchgesetzt worden, um vor allem eine bessere Kalku- lierbarkeit zu erreichen. Die Li- quidations-Usancen ärgern die Privatversicherer zwar, von über- höhten, unangemessenen Honora- ren oder gar Betrug kann aber überhaupt keine Rede sein. In den vergangenen 13 Jahren ist kaum eine Arztrechnung wegen der Li- quidation des Schwellenwertes von einer Privatassekuranz oder vom Verband beanstandet wor- den. Dies unterstreicht, daß die PKV selbst von der Rechtmäßig- keit des Liquidationsverhaltens ausgeht. Der PKV-Verband sucht mit seiner sommerlichen Attacke vielmehr von hausgemachten Fehlentwicklungen abzulenken (etwa der Nichtbeachtung von Al- terungsrückstellungen oder der Anwendung überholter Sterbeta- feln). Wegen sonstiger Ungereimt- heiten und gesetzlich program- mierter Fehlsteuerungen hat die
PKV selbst dazu beigetragen, daß sich viele Ärzte bei einem Fall mit durchschnittlichem Schwie- rigkeitsgrad am „Mittelwert“ des Gebührenrahmens orientieren.
Der Präsident der Bundes- ärztekammer, Dr. med. Karsten Vilmar, stellte aus aktuellem An- laß fest: „In der Regel darf eine Gebühr für ärztliche Leistungen bis zum 2,3fachen des Gebühren- satzes (beziehungsweise 1,8- und 1,15fachen bei ärztlichen Sachlei- stungen und delegierbaren Lei- stungen) ohne nähere Begründung erhoben werden. Wird dieser Mit- telwert bis zum 3,5fachen (bezie- hungsweise 2,5- oder 1,3fachen) überschritten, so ist dies bei Be- sonderheiten gerechtfertigt, muß jedoch begründet werden. Daß Arztrechnungen in nur wenigen Fällen den Schwellenwert über- schreiten, hat nicht unerheblich zur Entlastung der PKV-Finanzen
geführt . . .“ HC
D
arallel zur Fertigstellung des Abschlußberichtes der Staatsanwaltschaft Wup- pertal zum „Herzklappenkom- plex“ (vom 19. Juli 1996) hat die Bundesärztekammer darauf hinge- wiesen, daß in jedem Einzelfall ge- prüft werden müsse, ob es sich bei den Zuwendungen der Herzklap- penhersteller und -vertreiber um eine Drittmittelfinanzierung han- delt. Diese sei legal und aus der Notwendigkeit erwachsen, daß die Klinik- und Hochschulfinanzierung unverändert defizitär seien. Aller- dings sind dabei besondere Aufla- gen zu beachten, die der 98. Deut- sche Ärztetag 1995 in Stuttgart in einem Beschluß formuliert hat.
Die finanzielle Förderung von Forschungsvorhaben durch Indu- strieunternehmen soll der wissen- schaftlichen Kooperation dienen.
Die zu fördernden Projekte müs- sen regelmäßig im Hinblick auf ih- re Effektivität und Effizienz über- prüft und gegebenenfalls vorzeitig abgebrochen werden. Ein Zusam- menhang zwischen Vergabe und Volumen von Forschungs- und Entwicklungsaufträgen sowie der Beschaffung von Verbrauchs- und Investitionsgütern darf nicht Vor- aussetzung für die Förderung sein.
Die Finanzierung von Forschungs- projekten muß frei sein von jeder Verknüpfung an die Vergabe von Aufträgen für Erzeugnisse oder Dienstleistungen. Die Herkunft und Verwendung der Finanzmittel
muß transparent gestaltet werden.
In wissenschaftlichen Publikatio- nen und Artikeln in Fachzeit- schriften muß eine Drittmittelfi- nanzierung angezeigt werden.
Die Bundesärztekammer, die Spitzenverbände der Krankenkas- sen, die Deutsche Krankenhausge- sellschaft e.V. und die Hersteller medizinisch-technischer Produkte haben einen „Kodex Medizinpro- dukte“ unterschriftsreif erarbeitet, der die Eckpunkte und Rahmen- bedingungen für die Verwendung von Finanzmitteln und die Ge- währung von Rabatten enthält.
(Dazu Näheres in Kürze.) EB