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Archiv "Erwartungen 1996" (01.03.1996)

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Academic year: 2022

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ute klinische Forschung ist in Deutschland möglich. Aber in vielen anderen Ländern sind die Bedingungen besser.“ Mit dieser Einschätzung eröffnete Dr. rer.

nat. Dr. med. Günter R. Janhofer sei- nen Beitrag zur Veranstaltung „Klini- sche Forschung in Deutschland – eine Standortbestimmung“. Der Ge- schäftsführer des Bereichs Medizin bei Merck Sharp & Dohme war einer der Referenten einer Veranstaltung der Atrium ex atrio lux GmbH Ende Janu- ar in Frankfurt/Main. Janhofer war mehrere Jahre in den USA tätig. Er lobte wie viele andere die Vorzüge der Vereinigten Staaten, machte jedoch klar, daß für Pharmamanager längst auch europäische Länder reizvoll sind:

„Ich kann heute schon in Ungarn eine klinische Studie besser durchführen als in Deutschland.“ Anderswo ginge es schneller, sei es billiger, und die Qualität sei nicht schlechter.

Ähnlich hart ging Prof. Dr. med.

Thomas R. Weihrauch mit Deutsch- land ins Gericht. Weihrauch ist Leiter des Bereichs Medizin International der Bayer AG in Wuppertal. Der Wettbewerb zwischen Herstellern verlange heute auch eine optimierte Arzneimittelforschung. Im Vergleich mit anderen Ländern schneidet die Bundesrepublik für ihn inzwischen schlecht ab. Nach Weihrauchs Dar- stellung entspricht beispielsweise die Professionalität der klinischen Prü- fung oft nicht optimalem internatio- nalem Standard. Es reiche nicht aus, einen qualifizierten Leiter oder eine Leiterin der klinischen Prüfung zu ge- winnen. Es müßten auch qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung stehen, zum Beispiel klinische Forschungsas- sistenten (Study Nurse).

Außerdem seien multizentrische Studien in Deutschland ein Problem:

Der Prozeß der gegenseitigen Aner- kennung von Voten der Ethikkom- missionen koste Zeit. Das gelte aller-

dings auch für multizentrische Studi- en innerhalb Europas. Weihrauch räumte ein, daß die USA gegenüber Europa in dieser Hinsicht allein schon aufgrund des großen, einheitlichen Marktes im Vorteil seien.

Janhofer und Weihrauch führten in ihren Vorträgen die bekannten, im- mer wieder aufgelisteten Nachteile für die pharmazeutische Industrie in Deutschland an: lange Zulassungszei- ten für Medikamente, unkooperative Behörden, Preiskontrollen. In erster Linie wurde jedoch diskutiert, wes- halb Forscher und mit ihnen die Uni- versitäten in Deutschland der phar- mazeutischen Industrie in Sachen kli- nische Forschung nicht das bieten können, was sie sucht.

Janhofer nannte als einen Grund, daß für Forscher in den USA der ge- genseitige Austausch zwischen Indu- strie und Hochschulen normal sei.

Auch der berufliche Wechsel zwi- schen beiden Bereichen sei nicht un- gewöhnlich. Er verwies außerdem auf Angaben des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller zur typischen Arbeitszeitstruktur von Professoren.

Danach widmen sich in den USA Hochschullehrer angeblich zu 50 bis 70 Prozent der Forschung, während ihre deutschen Kollegen dafür gerade zehn bis zwanzig Prozent der Arbeits- zeit aufwenden.

Daß es Unterschiede zwischen den USA und Deutschland gibt, liegt nach Meinung vieler an der Menta- lität. Die Vorbehalte gegen die phar- mazeutische Industrie seien in den

USA beispielsweise geringer als hier- zulande. Dort herrsche eher die Ein- stellung, daß medizinische Forschung dem Menschen diene, meinte Weihrauch. In Deutschland sehe man in erster Linie den Menschen als Ver- suchskaninchen in der Forschung.

Diese Ansicht blieb nicht unwider- sprochen. Die anwesenden Kliniker bestritten, daß es schwierig sei, Pati- enten von der Teilnahme an einer Stu- die zu überzeugen. Schwierig sei es hingegen, Menschen zu finden, die trotz vieler Ausschlußkriterien über- haupt dafür geeignet seien.

Weiterbildung,

Krankenversorgung — und die Forschung?

Woran Forschung an der Univer- sitätsklinik scheitern kann, schilderte aus langjähriger praktischer Erfah- rung Prof. Dr. med. Hans J. Dengler, ehemaliger Direktor der Medizini- schen Universitätsklinik Bonn. For- schung müsse meist nebenherlaufen, schon aufgrund der knappen Perso- naldecke. Außerdem seien die Anfor- derungen an Leistungen in der Wei- terbildungszeit gestiegen, was zum Beispiel Umfang oder Anzahl von Untersuchungen anbelangt. Viele Ärzte seien voll damit ausgelastet, diese Anforderungen innerhalb der begrenzten Zeit zu bewältigen. For- schung gerate so ins Hintertreffen.

Ebenfalls aus der Sicht des Klini- kers beleuchtete Prof. Dr. med. Chri- A-508 (16) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 9, 1. März 1996

P O L I T I K AKTUELL

Klinische Forschung

Amerika, du hast es besser . . .

Gute klinische Forschung ist in Deutschland nach wie vor möglich. Dennoch entscheiden sich

zumindest immer mehr pharmazeutische Unternehmen, ihre Studien in den USA oder an-

deren europäischen Ländern in Auftrag zu geben. Dort sei man schneller, billiger, kunden-

orientierter, hieß es bei einer Veranstaltung mit Vertretern aus der Pharmaindustrie zum

Thema „Klinische Forschung – eine Standortbestimmung“. Eingeladen waren auch einige

Vertreter der Hochschulen und der Ministerien. In erster Linie wurde über Hindernisse ge-

klagt. Es gibt aber auch Ansätze, um die Transparenz und den Wettbewerb zu verbessern.

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stoph Huber das Thema. Huber ist Direktor der Abteilung Hämatologie am Klinikum der Johannes-Guten- berg-Universität Mainz und Mitglied im Senatsausschuß für Sonderfor- schungsbereiche der Deutschen For- schungsgemeinschaft. Klinische For- schung ist nach seiner Meinung und Erfahrung überall ein schwieriges Ge- schäft: „Glauben Sie doch nicht, daß in den USA nicht über klinische For- schung geklagt wird.“ Eine gewisse Skepsis bei der Bevölkerung in Deutschland habe man sich vielleicht selbst zuzuschreiben, weil man auf die Notwendigkeit von Forschung nicht deutlich genug hinweise: „Wir Ärzte sagen nicht gern: Gegen diese Er- krankung haben wir noch nichts.“

Huber ist allerdings zu der Auf- fassung gelangt, daß ein Engagement in der klinischen Forschung für die Karriere nicht von Vorteil ist: „Es ist nicht gut für einen Arzt,

wenn er sehr professionell in dieser Ecke ist.“ Ihm ist es dennoch wichtig, junge Leute für die klinische For- schung zu begeistern.

Aus der Sicht des klini- schen Pharmakologen nahm schließlich Prof. Dr.

med. Bruno Müller-Oer- linghausen Stellung, Vorsit- zender der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft. Die Interessen von Vertretern der Pharma- industrie und von klini- schen Pharmakologen gin- gen in der Tat zum Teil aus- einander, meinte er. Die ei- nen seien vor allem an In- novationen oder zumindest neuen Produkten interes- siert, die anderen eher an Verbesserungen der Arz-

neimittelsicherheit oder an der Ver- breitung von begründetem, belegba- rem Wissen.

Forschungsgelder:

Verwendung unklar

Daß es in Sachen klinischer For- schung wohl nicht zuletzt ökonomi- sche und strukturelle Unterschiede zwischen den USA und Deutschland gibt, verdeutlichte Helmut Meinhold

in seinem Vortrag. Meinhold ist Lei- tender Ministerialrat im Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Baden-Württemberg.

Finanzierung aus Drittmitteln

Insgesamt, führte er aus, bezu- schussen die Bundesländer For- schung und Lehre in der Medizin mit jährlich fünf bis sechs Milliarden DM pro Jahr. Dazu kommen 600 bis 800 Millionen DM an Drittmitteln.

Während die Grundfinanzierung von Forschung und Lehre in Deutschland fast zehnmal so hoch ist wie die Finan- zierung aus Drittmitteln, ist das Ver- hältnis in den USA genau umgekehrt.

Dort muß Forschung mit „Gewin- nen“ aus der Krankenversorgung und mit Drittmitteln finanziert werden.

Dazu komme, daß die Höhe der Zuschüsse in Deutschland meist als prozentualer Anteil der Gesamtko- sten der Klinika berechnet wird. Es herrscht also ein gewisses Gießkan- nenprinzip. Die Budgets an den Klini- ken/Instituten würden außerdem nicht aufgeteilt nach Krankenversor- gung einerseits und Lehre/Forschung andererseits. Folge: Den Ländern sei es nicht möglich festzustellen, welche Forschungsleistungen tatsächlich mit Hilfe ihrer Zuweisungen erbracht

werden. Meinhold meinte auch, daß das System der Chefarztliquidation nicht forschungsfördernd sei. Es ver- anlasse einen Chefarzt und seine Mit- arbeiter, der Krankenversorgung bei der Wahrnehmung der Dienstaufga- ben Priorität einzuräumen. Anderer- seits müßten sich Chefärzte wegen der gestiegenen Anzahl von Privatpa- tienten heute in einem Umfang um Kranke kümmern, der mit anderen Aufgaben in Forschung und Lehre schwer in Einklang gebracht werden könne.

Meinhold war dennoch der Auf- fassung, daß einiges in Bewegung ge- raten ist in Deutschland. Er verwies auf Beschlüsse der Kultusminister- konferenz der Länder im vergange- nen Herbst zur Neugestaltung von Struktur und Finanzierung der Hoch- schulmedizin. Sie beinhalteten unter anderem folgendes:

1 Zuschüsse für For- schung und Lehre sollen künftig grundsätzlich kon- kret nach Aufgaben und Leistungen und nicht mehr prozentual bemessen wer- den. So soll sich die Trans- parenz erhöhen und der Verdacht ausgeräumt wer- den, die Krankenversor- gung würde über Gebühr subventioniert.

1 Grundsätzlich soll auch zwischen einer Art Grundausstattung der Kli- niken und Institute und ei- nem zentralen Forschungs- und Lehrfonds unterschie- den werden. Aus letzterem sollen einzelne Projekte be- fristet gefördert werden.

Der Forschungswettbe- werb ließe sich nach Mein- holds Darstellung steigern, wenn die Länder ihre Zuschüsse stär- ker danach bemessen würden, wie erfolgreich Universitäten Drittmittel einwerben. In Baden-Württemberg habe mittlerweile jedes Klinikum ei- nen zentralen Forschungsfonds: „Die- se Fonds sind von einem Drittel der jeweiligen Landesmittel noch weit entfernt, haben aber bereits jetzt ei- nen für alle unerwarteten und teilwei- se eindrucksvollen ,Schub‘ für die me- dizinische Wissenschaft in diesen Kli- niken ausgelöst.“ Sabine Dauth A-509

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 9, 1. März 1996 (17) Der pharmazeutischen Industrie in Deutschland geht es grundsätzlich nicht

schlecht. Von den Mitgliedsfirmen des Verbandes Forschender Arzneimittelher- steller rechnen für 1996 nur zwölf Prozent mit stagnierenden oder sogar leicht fallenden Umsätzen. Ihre Aufwendungen für Forschung und Entwicklung wollen viele erhöhen. Davon wird jedoch vor allem das Ausland profitieren.

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