• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Fixe Mehrfachkombinationen für die ambulante Tuberkulosebehandlung: Stellungnahme II" (29.10.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Fixe Mehrfachkombinationen für die ambulante Tuberkulosebehandlung: Stellungnahme II" (29.10.1986)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

AUSSPRACHE

Stellungnahme I

Dem Autor des obigen Übersichts- aufsatzes ist insofern zuzustim- men, als die Patienten-Compliance nach der Entwicklung hochpoten- ter antituberkulöser Pharmaka das zentrale Problem in der Tuberku- losebehandlung darstellt. Die Ent- wicklung einer fixen Mehrfach- kombinationstablette in Form des lsoprodian-RMP zur Lösung die- ses Problems erscheint mir jedoch zumindest in der Übertragung auf die Verhältnisse in der Bundesre- publik Deutschland und anderen Industrieländern mehr als frag- würdig, wenngleich sich die Situa- tion in den Entwicklungsländern anders darstellen mag.

0 Grundsätzliche Bedenken:

Bei einer fixen Mehrfachkombina- tionsbehandlung wird der behan- delnde Arzt der Möglichkeit be- raubt, bei den nicht seltenen, viel- fältigen und oft ernsten Nebenwir- kungen der Einzelsubstanzen den im Einzelfall verantwortlichen Kombinationspartner zu ermitteln.

C) Spezielle Bedenken:

a) Zwar sind die beiden potente- sten Antituberkulotika Rifampicin (RMP) und Isoniazid (INH) in dem propagierten lsoprodian-RMP ent- halten. Das für die Wirkung auf Keime im sauren Milieu des für an- dere Medikamente nicht erreich- baren tuberkulösen Käses beson- ders geeignete Pezetamid (PZA) und das für die rasche Vernich- tung von Keimen in der Kavernen- wand prädestinierte Streptomycin (SM) fehlen jedoch.

b) Dafür sind mit dem Prothion- amid (PTH), einem klassischen

Zweitrangtherapeutikum mit zu- dem zweifelhafter Verträglichkeit (psychiatrische Komplikationen, insbesondere in Kombination mit INH), sowie mit dem Dapson (DDS) ein ausgesprochenes Leprathera- peutikum mit vernachlässigbarer antituberkulöser Wirksamkeit (das angeblich einen nicht völlig ge- klärten potenzierenden Effekt auf die Kombinationspartner ausüben soll) enthalten. Bei einem Ver- gleich hinsichtlich der Rezidiv- quote sowie der Schnelligkeit der (kulturellen) Sputumnegativierung sind daher gravierende und signi- fikante Unterschiede zu erwarten.

c) Es bleibt hinzuzufügen, daß der Vorschlag der zweimal täglichen Einnahme des Isoprodian-RMP dem Grundsatz jeder antituberku- lösen Therapie widerspricht, mit einem einmal täglich erzeugten hohen Serumspiegel von Antitu- berkuloticis die Tuberkelbakte- rienpopulation (mit einer durch- schnittlichen Generationszeit von 20 Stunden) irreversibel in ihrer Teilungsphase zu schädigen und nicht mit der Aufteilung in mehre- re Dosen für einen suboptimalen Serumspiegel und einen entspre- chend verminderten Therapie-Ef- fekt zu sorgen.

Die Hinnahme höherer Rezidiv- quoten und einer längeren Dauer bis zur (kulturellen) Sputumkon- version mag für Entwicklungslän- der, in denen die Tuberkulose noch eine Volksseuche darstellt, unter bestimmten Umständen ver- tretbar sein. In den Industrielän- dern, in denen die Tuberkulose je- doch bereits eher ein Problem der Individualmedizin ist (bei mangel- hafter staatlicher Prävention, ärzt- licher Diagnostik und Therapie

aber auch wieder zu einer Bedro- hung für die Volksgesundheit wer- den kann), erscheint eine subopti- male Tuberkulosetherapie zur Lö- sung des Problems der Patienten- Compliance jedoch als nicht trag- bar und die Versorgung der Indu- strieländer mit den „Segnungen"

der Entwicklungsländer als nicht sonderlich erstrebenswert.

Aus diesen Ausführungen mag auch deutlich werden, daß die in- itiale stationäre Tuberkulose- behandlung nicht nur von hochof- fenen, infektiösen Patienten mit ei- ner Einzelkombinationsbehand- lung von vier bis fünf hochwirksa- men und mit zum Teil ernsthaften Nebenwirkungen behafteten Medi- kamenten nach wie vor in den mei- sten Fällen unabdingbar ist. Dage- gen bedeutet die propagierte gene- rell ambulante Behandlung infek- tiöser Patienten meines Erachtens eine vermeidbare gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung.

Dr. med. Christoph Cassier Karlsforster Straße 31 4044 Kaarst 1

Stellungnahme II

Meines Erachtens kann der doch sehr euphorisch für ein Medika- ment verfaßte Artikel bei vielen Le- sern zu falschen Schlüssen füh- ren. Ich werde der Einfachheit hal- ber nur zu den Schlußfolgerungen Stellung nehmen.

Zu 1: Ziel einer lege artis durchge- führten Chemotherapie der Tuber- kulose war auch schon bisher die endgültige rezidivfreie Heilung.

Zu 2: Wer kann im ersten Aspekt eine „normale" Tuberkulose von einem „Problemfall" unterschei- den? Die Erfahrung zeigt, daß an- fänglich sogenannte normale Tu- berkulosen im Verlauf leicht zu Problemfällen werden können und daß sogenannte „komplizierte"

Tuberkulosen unter guter Chemo- therapie und Mitarbeit des Patien- ten problemlos abheilen. Entspre- chende Chemoresistenzen treten

Fixe Mehrfachkombinationen für die ambulante

Tuberkulosebehandlung

Zu dem Beitrag von Dr. med. Dr. phil. Enno Freerksen in Heft 11/1986, Seiten 690 bis 697

3030 (48) Heft 44 vom 29. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ambulante Tuberkulosebehandlung

bekannterweise ja auch oftmals erst im Verlauf der Therapie auf.

Die Einteilung stationär/ambulant sollte nicht nur aus dem Aspekt ei- ner „normalen" Tuberkulose ge- stellt werden; meistens ist es gera- de aus sozialen Gründen indiziert, bei entsprechenden Patienten in deren eigenem und im Interesse der Mitmenschen eine stationäre Behandlung (zumindest anfangs) durchzuführen.

Zu 3: Diesem Absatz stimme ich zu, jedoch mit den unter Punkt 2 genannten Einschränkungen.

Zu 4: Dem Patienten wird nicht nur erst seit heute eine einfache, hochwirksame Therapie angebo- ten, die ambulant durchgeführt werden kann. Auch diese Therapie war bisher schon weitaus kosten- günstiger als eine stationäre The- rapie. Ob die zukünftige Therapie der Tuberkulose eine ambulante Therapie mit fixen Mehrfachkom- binationen sein muß, oder wie bis- her eine Kombination mehrerer, entsprechend wirksamer Tuberku- loseheilmittel, um den Anforde- rungen der Zeit zu entsprechen, wird wohl erst die Zukunft zeigen.

Zu 5: Die Aussage, daß zu große Tagesmengen der Medikation und die Verabreichung der einzelnen Kombinationspartner in separater Form die Compliance des Patien- ten aufheben und damit eine er- folgreiche, ambulante Behand- lung unmöglich machen, ist falsch. Wenn der Patient entspre- chend einsichtig und koopera- tionsbereit ist, wird er nach einge- hender Unterrichtung sicherlich die für ihn notwendige Chemothe- rapie durchführen. Die Bereit- schaft zur Mitarbeit des Patienten ist sicherlich nicht nur von einer fi- xen Mehrfachkombination abhän- gig. Für einen entsprechend ein- sichtigen Patienten war es auch bisher nicht zu schwer und zu kompliziert, drei beziehungsweise vier Tuberkuloseheilmittel in ent- sprechender Dosierung einzuneh- men. Wie einsichtig müssen erst dann die oft älteren Patienten sein, die — mehrfach erkrankt — ei-

ne große Anzahl von Medikamen- ten einnehmen müssen?

Zu 6: Sicherlich sind geogra- phisch zweckmäßig verteilte, kli- nisch-mikrobiologische Referenz- einrichtungen als wissenschaft- licher Hintergrund und zuverlässi- ge Informationsstelle notwendig.

Notwendig in erster Linie für die Behandlung der Tuberkulose — ob einfach oder problembeladen — sind Kollegen, die eingehende Kenntnisse und Erfahrungen in der Diagnostik und Therapie der Tuberkulosekrankheiten besitzen, sei es in der Praxis der niederge- lassene Pneumologe oder Inter- nist (Teilgebiet Pneumologie), oder stationär die entsprechende Fachklinik. Nur die Zusammen- schau der praktischen, klinischen, therapeutischen und sozialen Aspekte führt zu einem möglichst kurzfristigen, komplikationslosen und damit auch kostengünstigen Heilverlauf.

Dr. med. Helmut Fischer Arzt für Lungen-

und Bronchialheilkunde Münchner Straße 44 8120 Weilheim

Stellungnahme III

Mit Interesse habe ich den oben- genannten Aufsatz gelesen. Ich finde es erfreulich und bemer- kenswert, daß eine Behandlungs- methode, die sich im Ausland, vor allem in Entwicklungsländern seit Jahren bewährt hat und welche die Basis der meisten Tuberkulo- seprogramme in der Welt bildet, nun auch in Deutschland disku- tiert wird. Als Beispiel eines Lan- des, wo die ambulante Behand- lung der Tbc die Regel ist, sei hier Tanzania genannt (1). In zahlrei- chen Studien auf der ganzen Welt wurde nachgewiesen, daß, auch bei Verwendung der üblichen Tu- berkulostatika, die stationäre Be- handlung der unkomplizierten Lungen-Tbc keine besseren Er- gebnisse bringt als die ambulante.

Das Infektionsrisiko für die Umge- bung ist gering, wenn der Patient

einmal als Infektionsquelle er- kannt ist und die Behandlung ein- geleitet wurde (2). Auch die WHO empfiehlt für die unkomplizierte Tuberkulose die ambulante Be- handlung. Vielleicht sollten wir in Deutschland mit unserer hoch- technisierten Medizin öfter einmal über die Grenze schauen, wie dort bestimmte Gesundheitsprobleme einfacher gelöst werden. Die Technik macht unsere Medizin eher komplizierter als einfacher.

Beispiele, wie Entwicklungen der Medizin in Entwicklungsländern unsere Medizin positiv beeinflußt haben oder beeinflussen können, gibt es genug: Man denke nur an das „Rooming-in" in Kinderklini- ken und in der Geburtshilfe, an den breiten Einsatz der oralen Re- hydrierung bei Durchfällen (3), an die Känguruh-Babys von Bogota (4), die schon ihren Einfluß ausge- übt haben auf die Frühgeborenen- Station der Universitäts-Kinderkli- nik Düsseldorf, an die Kurzzeit- therapien mit Antibiotika (5), an den Einsatz von Kosten-Nutzen- Rechnungen in der Medizin (6).

Weitere Beispiele ließen sich leicht finden. Haben wir doch den Mut, etwas von unserem hohen Roß der „high-tech" herunterzu- kommen und dort zu lernen, wo einfachere Lösungen erarbeitet wurden. Die einfachste Lösung ei- nes Problems ist — in der Regel — auch die beste.

Literatur beim Verfasser Dr. med. Dieter Schlegel Universitäts-Kinderklinik Moorenstraße 5

4000 Düsseldorf 1

Stellungnahme IV

Es trifft sicherlich zu, daß mit einer Vereinfachung der ambulanten Therapie bei manchen Patienten vielleicht eine Verbesserung der Compliance erreicht werden könnte, besonders in Entwick- lungsländern. Erlauben Sie aber bitte einige Anmerkungen zu Ih-

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 44 vom 29. Oktober 1986 (49) 3031

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Denn auch bei älteren Patienten lasse sich durch einen mul- tifaktoriellen Ansatz mit ves tibulärem Training und medikamentöser Thera- pie eine Verbesserung um 25 – 40 % er-

ten der richtigen Proportionen der einzelnen Mittel, große Gesamt- Tagesdosen erwiesen sich bald als die eigentlichen Hindernisse für eine ambulante Chemotherapie der

später dem behandelnden Arzt und dem Gesundheitsamt gegen- über „aus dem Staube macht", oder eine kurzzeitige stationäre Be- handlung, bei der dann nicht nur

kommen unter der von mir be- schriebenen fixen Kombination praktisch nicht vor. Jeder erfahre- ne Therapeut weiß, welche Kombi- nationspartner welche Nebenwir- kungen

C) Die fixe Viererkombination ist aus einem Industrieland in die Ent- wicklungsländer gekommen, nicht umgekehrt. Sie wurde begeistert aufgenommen, weil eine dort bis- her

Einrichtungen durchaus nicht für je- den Klienten geeignet sind, aber die für individuell komplizierte Sucht- kranke tatsächlich geeignete Thera- piestätte vom zuständigen

Ärzte können das Vertrauen ihrer Patienten gewinnen, indem sie ihnen mit einer positiven und interessier- ten Grundhaltung begegnen und sich Zeit für Gespräche nehmen – auch wenn

Allerdings stößt man bei der exakten Durchfüh- rung schnell auf grundsätzliche Schwierigkeiten, denn schon die Voraussetzungen für eine solche Analyse, daß nämlich sowohl Ko-