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Archiv "Ambulante Soziotherapie: Von den Patienten gut angenommen" (05.10.2007)

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A2710 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 40⏐⏐5. Oktober 2007

T H E M E N D E R Z E I T

A

n manchen Tagen verlässt Herr X seine Wohnung nicht.

Die ärztlich verordneten Psycho- pharmaka liegen unberührt; Termi- ne bei seinem niedergelassenen Psy- chiater hält er nicht ein, denn es fehlt ihm an Kraft und Ausdauer.

Von Ehefrau und Kindern lebt der ehemals leitende Angestellte ge- trennt; der Freundeskreis hat sich aufgelöst. Seit sechs Jahren wech- seln sich ambulante und stationäre Behandlungsphasen ab. Herr X fühlt sich ohnmächtig, hilflos und ein- sam. Der Freitod erscheint ihm als Erlösung. Um eine erneute Einwei- sung in die Psychiatrie zu vermei- den, hat sein Psychiater Herrn X Soziotherapie verordnet.

Die ambulante Soziotherapie wur- de am 1. Januar 2002 mit Inkraft- treten der Durchführungsrichtlinien bundesweit eingeführt. Die von Psychiatern und Nervenärzten ver- ordnete Leistung nach § 37 a SGB V soll schwer psychisch Kranke vor einem Klinikaufenthalt bewahren beziehungsweise diesen verkürzen und die Patienten dazu befähigen, ärztliche Empfehlungen zu akzep- tieren und selbstständig in Anspruch zu nehmen, damit sie im ambulan- ten Status bleiben können und sich nicht der Effekt der „Drehtürpsy- chiatrie“ einstellt. Leistungserbrin- ger sind Sozialarbeiter, Sozialpäda- gogen und Fachkrankenpfleger für Psychiatrie.

Mitte Mai 2006 – mehr als vier Jahre nach Einführung der Sozio- therapie – stellte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fest, dass die Leistung bisher kaum erbracht wird. In einer breit angelegten Be- fragung von Patienten, Leistungser- bringern und Krankenkassen sollen

die Gründe dafür herausgefunden werden, um möglicherweise die Richtlinien zur Soziotherapie zu ver- ändern. An der Auswertung arbeitet der G-BA derzeit noch.

Die Erfahrungen mit der ambu- lanten Soziotherapie im hessischen Gießen zeigen einen guten Integra- tionsprozess in das gemeindepsy- chiatrische Versorgungssystem, aber auch einige Probleme. Zwischen April 2003 und 2007 wurden 30 Pa- tienten versorgt. 50 Prozent der An- tragsverfahren wurden von der zu- ständigen Krankenkasse befürwor- tet, 29 Prozent abschlägig beschie- den, woraufhin Widersprüche ein- gelegt wurden.

„Windmühlenkämpfe“

Die betreuten Patienten nahmen die soziotherapeutische Begleitung sehr gut an. Bei 87 Prozent konnte eine stationäre psychiatrische Behand- lung abgewendet werden – durch die Hinführung zur regelmäßigen ambu- lanten ärztlichen Behandlung, eine bessere Krankheitseinsicht und die Reflexion der Medikamenteneinnah- me. Gerade in psychischen Krisen fehlte es bei 37 Prozent der Patienten an Kraft und Ausdauer, um ärztliche Hilfe konkret in Anspruch nehmen zu können. Vielmehr verstricken sich die Betroffenen in meist aussichts- lose „Windmühlenkämpfe“.

Die Arbeit im häuslichen und so- zialen Umfeld, aktive Hilfe und Be- gleitung in psychischen Krisen und die Anleitung zur besseren allge- meinen Motivation, Belastbarkeit und Ausdauer sind Beispiele für das konkrete Leistungsangebot der So- ziotherapie. Der Soziotherapeut ar- beitet aufsuchend, sodass Schwel- lenängste in diesem Kontext erst gar

nicht entstehen. Vertrauensbildung ist das wichtigste Kriterium der So- ziotherapie.

An Soziotherapie interessierte Psychiater müssen vor allem Leis- tungserbringer zur Hand haben. Ak- tuell sind in Hessen bislang nur zehn Soziotherapeuten von den Kranken- kassen anerkannt worden. Der Pra- xis „Gießener Soziotherapie“ liegen Schreiben von Bewerbern vor, die trotz langjähriger psychiatrischer Erfahrung von den Krankenkassen- verbänden im Zulassungsverfahren abgelehnt wurden. Man muss davon ausgehen, dass die Voraussetzungen im Anerkennungsverfahren zu hoch- schwellig angesetzt sind.

Für die Anerkennung sind erfor- derlich: abgeschlossene Ausbildung als Diplom-Sozialarbeiter, Sozial- pädagoge oder Fachkrankenpfleger für Psychiatrie. Zudem muss der Nachweis über mindestens drei Jah- re psychiatrische Berufspraxis er- bracht werden (davon ein Jahr im psychiatrischen Krankenhaus und ein Jahr in einer ambulanten sozial- psychiatrischen Einrichtung).

Die Erfahrung zeigt, dass die Be- werber entweder in einem psychia- trischen Krankenhaus oder in einer sozialpsychiatrischen Einrichtung ge- arbeitet haben. Die wenigsten Be- werber können beide Fachgebiete im Anerkennungsverfahren nach- weisen. In den psychiatrischen Ein- richtungen arbeiten zudem auch Be- rufsgruppen (zum Beispiel Pädago- gen oder Soziologen), die sich bei nachgewiesener mehrjähriger psych- iatrischer Arbeit ebenfalls sehr gut für das Aufgabenfeld Soziotherapie eignen würden.

Es stellt sich die Frage, warum diese engagierten Kollegen als Leis- tungserbringer für Soziotherapie nicht zugelassen werden. In Fach- kreisen hält sich daher die Meinung, dass die Zulassungsvoraussetzun- gen für die Anerkennung zum So- ziotherapeuten kaum erfüllbar sind.

Ohne Leistungserbringer kommt je- doch niemand in den Genuss einer Soziotherapie – die Leidtragenden sind die psychisch Kranken.

Anschrift des Verfassers

Wolfgang Pilz, Interessengemeinschaft Soziothera- pie Hessen, Humboldtstraße 27, 35384 Gießen, E-Mail: Soziotherapie.giessen@web.de

AMBULANTE SOZIOTHERAPIE

Von den Patienten gut angenommen

Die praktische Umsetzung der ambulanten Hilfe und

Begleitung für schwer psychisch Kranke hakt auch an

den hohen Zulassungskriterien für Soziotherapeuten.

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