A-2302 (36) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 37, 13. September 1996 Es ist unbestritten, daß die Ent-
wicklung zahlreicher Krankheiten durch eine entsprechende Lebens- führung, eine sogenannte Primär- prävention, individuell beeinflußt werden kann (s. Tabelle). Belegt ist unter anderem die Abnahme der Krebsinzidenz und Minimierung von
KHK-Erkrankungen durch körperli- che Aktivität. Ein um etwa 30 Prozent erhöhtes Erkrankungsrisiko gegen- über „Gesunden“ haben diejenigen, die bereits einen Infarkt erlitten. Hier kommen Maßnahmen der Sekundär- prävention zum Tragen, um eine er- neute Erkrankung zu verhindern.
Laut Prof. Klaus Held (Göttingen) wird jedoch nur knapp ein Drittel der Präventionsprogramme den Betroffe- nen über die Ärzte vermittelt. Mehr als die Hälfte der Patienten erfährt von solchen Maßnahmen über die Presse. Es fehlt entscheidend an Überzeugungsarbeit in den Praxen.
Ein weiteres Phänomen: Die soge- nannten unteren Einkommensschich- ten sind an Prävention nicht interes- siert.
Die ambulante Rehabilitation als Sekundärprävention war Thema der traditionellen Bayer-Veranstaltung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Hierbei stellte Held ein Pilot- projekt der deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (DGPR) vor, das Bewegung, Er-
nährung, Streßbewältigung sowie ärztliche Betreuung und medizinische Information beinhaltet. Erste Ergeb- nisse sind hervorragend: 85 Prozent der Patienten haben das anspruchs- volle ambulante Präventivprogramm erfolgreich durchgehalten. Ob ambu- lante oder stationäre Rehabilitation wird stets eine Einzelentscheidung bleiben. In einer Vergleichsuntersu- chung mit 132 ambulant und 221 sta- tionär betreuten Patienten war das Ergebnis nahezu gleich. Stationär Re- habilitierte rauchen nach Abschluß der Behandlung etwas weniger, dage- gen hatten die ambulanten Patienten bessere Ausdauerleistungen. Auch im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Arbeit gab es keine signifikanten Unterschiede. Die Patienten aus der ambulanten Reha gingen etwas eher in den Beruf zurück.
Für ältere oder alleinstehende Patienten bietet die stationäre Form Vorteile. Geringes Schadensbild, gute Belastbarkeit, jüngeres Alter, stabile psychosoziale Situation, fehlende Morbidität und geringes vaskuläres Risiko können jedoch für eine ambu- lante Rehabilitation sprechen, so Prof. Richard Rost in Köln. Weitere Gründe „pro ambulant“ sind der gün- stigere Kostenfaktor, die Einbezie- hung der Familie (kein „totes Wo- chenende“), die Überprüfung phy- sisch/psychische Belastbarkeit unter häuslichen Bedingungen und eine bessere Kontinuität mit dem Haus- arzt.
In Deutschland beginnt die am- bulante Rehabilitation zu „boomen“.
Neben Modellen an der Deutschen Sporthochschule Köln, in Frankfurter Kliniken und in Bad Lippspringe gibt es inzwischen zehn Einrichtungen der ambulanten Form. Da gewisse Vor- aussetzungen und eine Qualitätskon- trolle gegeben sein müssen, werden von der DGPR entsprechende Re- geln für die ambulante Rehabilitation erstellt. Ursula Petersen
P O L I T I K MEDIZINREPORT
Ambulante kardiale Rehabilitation
Zukunftsmodell für viele Patienten
Tabelle
Individuelle Beeinflußbarkeit von Krankheiten
KHK 54 Prozent
Krebs 37 Prozent
Schlaganfall 50 Prozent
Unfälle 69 Prozent Leberzirrhose 70 Prozent