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Archiv "Ambulante Suchtkrankenhilfe: Wer trägt die Kosten?" (28.01.1987)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERI H

Auf einer Fachkonferenz in Augsburg beschäftigte sich die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) mit dem The- ma „Rechtsfragen in der Suchtkran- kenhilfe". Ein Hauptthema dabei:

die Kostenträgerzuständigkeit für die ambulante Behandlung von Suchtkranken. Neben den Renten- versicherungsträgern, Krankenkas- sen, den örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern kam hier auch der Staat selbst deutlicher als früher ins Spiel, weil die von ihm bisher zur Eindämmung der Drogenkriminali- tät erlassenen Gesetze inzwischen ihre Ungeeignetheit „bewiesen" ha- ben. Das kam jedenfalls deutlich heraus, als einerseits die Leistungs- träger ihre Standpunkte vorstellten und andererseits Beratungstellen, Einrichtungen und Selbsthilfegrup- pen ihre Detailerfahrungen schilder- ten.

Gleichzeitig wurde von beiden Seiten nach praktikablen Möglich- keiten gesucht, wie der eindeutig auf die Auswahl effizienter Behand- lungsmöglichkeiten lautende Auf- trag des. Gesetzgebers durch bessere Berücksichtigung der optimal geeig- neten Behandlungseinrichtung bei den Leistungsträgern führen könnte.

Dabei kam man fast überein- stimmend zu der Überlegung, daß sich diesbezüglich noch unterschied- liche Meinungen bei Kostenträgern und Institutionen der Suchtkranken- hilfe eigentlich vor dem Hintergrund der allen Beteiligten geläufigen Ver- flechtung von Vertrauensbasis und Effizienz-Erzielbarkeit doch noch auf einen gemeinsamen Nenner bringen ließen, sofern die Leistungs- träger davon abgehen würden, die Therapiemethoden und Personal- konzepte bestimmen zu wollen, mit denen eine Einrichtung eine erfolg- reiche Therapie erbringen soll.

Auf die besondere Zustimmung der Tagungsteilnehmer stieß Bern- hard Menzemer, Geschäftsführer der Jugendberatung und Jugendhilfe e. V. Frankfurt und Mitglied des

DHS-Vorstands, mit seinem Hin- weis, daß die ambulante Therapie von dazu geeigneten Einrichtungen nur dann optimal zu bringen sei, wenn alle zuständigen Leistungs- und Kostenträger dies durch Pau- schalzahlungen ermöglichen wür- den; denn es wäre eine Illusion, da- für das schon bei den Renten- und Krankenversicherungsträgern über- legte Abrechnungsverfahren nach geleisteten Beratungsstunden etc.

pro Einzelfall für akzeptabel halten zu wollen. Das würde nicht nur noch mehr Verwaltungsaufwand verlan- gen, sondern auch zur Preisgabe des Klientennamens bei der Abrech- nung zwingen. Dadurch würden ge- rade diejenigen Suchtkranken von einer so gestalteten ambulanten Therapie ferngehalten, die diese vermutlich besonders dringend be- nötigten.

Trend zum Einheitskonzept bei den Leistungsträgern?

Menzemer kritisierte auch die von Krankenkassen und Rentenver- sicherungsträgern betriebene Praxis

— der sich inzwischen ebenfalls eini- ge überörtliche Sozialhilfeträger an- geschlossen haben —, die Frage einer Finanzierung von Therapieeinrich- tungen immer mehr mit Auflagen und Einreden in die Konzeptgestal- tung der Einrichtung zu koppeln, so daß nicht mehr die vom Gesetzgeber gewünschte Möglichkeit zur Effi- zienzerzielung Priorität habe, son- dern die von den Leistungsträgern erwarteten Anpassungen an das ih- nen vorschwebende Idealkonzept.

Diese Entwicklung müsse als Trend zum Einheitskonzept interpretiert werden.

Schließlich kam Menzemer bei Zusammenfassung der Meinungen vieler Praktiker zu der Feststellung, daß die Leistungsträger durch die von ihnen vor allem in der stationä- ren Behandlung betriebene Regle- mentierung und Zementierung

schon ein „Heer von Abhängigkeits- kranken" geschaffen haben. Er wies besonders darauf hin, daß gerade im Gesundheitswesen die ambulante Behandlung allgemein vor der sta- tionären rangiere.

In der Suchtkrankenbehandlung sei man jedoch in den letzten zwan- zig Jahren genau umgekehrt verfah- ren und habe dabei sogar über den Suchtkranken „einfach verfügt", weil das eben die bequemste Metho- de zu seiner Unterbringung bedeu- tete.

Aus der Sicht der Krankenkas- sen betonte Ernst Picard, Stellver- tretender Geschäftsführer des Bun- desverbandes der Ortskrankenkas- sen, den Grundsatz des Vorrangs der ambulanten vor der stationären Versorgung auch bei der Suchtbe- handlung.

Günter Tiedt, Leitender Ver- waltungsdirektor des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträ- ger, stellte die Finanzierungsfrage der ambulanten Behandlung in Zu- sammenhang mit der Frage einer Leistungsabgrenzung im „geglieder- ten System der Rehabilitation".

Dabei wurde unübersehbar deutlich, daß der Begriff einer Ab- grenzung gleichzusetzen war mit ei- ner Begrenzung nach Leistungsab- schnitten. Das Plenum faßte das als eine Einschränkung der Leistungs- bereitschaft der Rentenversiche- rungsträger auf, und man gewann ganz allgemein den Eindruck, daß die Gewährung von Beihilfen für die ambulante Suchtkrankentherapie sowohl an enge Zeiträume wie ande- re Auflagen geknüpft sein würde, wodurch bei den meisten Zuhörern die Vision eines durch Zeitdruck und Auflagen für jeden möglichen Therapieerfolg „zu eng geschnürten Korsetts" entstand.

Als Tiedt dann sogar davon sprach, daß man gewissermaßen ei- ne für alle „Vertragspartner" aus Sicht der Rentenversicherungsträger gut geeignete „Empfehlungsverein- barung ambulante Suchtbehand- lung" unterschriftsreif in der Schub- lade habe und damit schon Anfang 1987 eine ambulante Therapie nach diesen Grundlagen von den Renten- versicherungsträgern „gefördert"

werden könne, machte sich sogar

Ambulante Suchtkrankenhilfe:

Wer trägt die Kosten?

A-188 (20) Dt. Ärztebl. 84, Heft 5, 28. Januar 1987

(2)

LA-MED-Befragung

Ihr Urteil ist erneut gefragt!

In den kommenden Wochen befragt die Ar- beitsgemeinschaft LA- MED , in der die überregio- nalen und die regionalen medizinischen Zeitschrif- ten zusammengeschlossen sind, erneut die Ärzte zu ih- rem Leseverhalten.

Falls Sie zu den reprä- sentativ ausgewählten Ärz- ten gehören, die vom Un- tersuchungsinstitut IVE um ein Interview gebeten werden, bitten wir Sie herzlich um Ihre bereitwil- lige Mitwirkung.

Verlag, Redaktion und Herausgeber des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTS sind sehr daran interessiert zu erfahren, wie Sie unser Informationsangebot ein- schätzen und nutzen. Zur weiteren Verbesserung un- serer Zeitschrift sind wir auf Ihr Urteil darüber an- gewiesen, wie unsere Ar- beit bei Ihnen „an- kommt" . Sie werden den Nutzen daraus ziehen!

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.

Ihr

Deutscher Ärzte-Verlag

Widerspruch im Plenum bemerkbar

— und es wurde später von den insti- tutionen der Suchtkrankenhilfe dazu geäußert, daß man „diese plötzliche Eile so nicht mitmachen" könnte.

Schließlich lobte Tiedt vor dem Hintergrund der von ihm genann- ten „Suchtvereinbarung vom 20. 11. 78" (auch bekannt als

„Empfehlungsvereinbarung zwi- schen den Spitzenverbänden der Krankenversicherung und dem Ver- band Deutscher Rentenversiche- rungsträger über die Zusammenar- beit bei der Rehabilitation Abhän- gigkeitskranker") die damit erzielte problemlos-gute Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen für Sucht- kranke. Tiedt vertrat dabei die Mei- nung, daß die Beratungsstellen in 98 von 100 Fällen ihre Klienten tatsäch- lich in der von ihnen vorgeschlage- nen Einrichtung zur Entwöhnungs- behandlung unterbringen könnten.

Mehr Vertrauen ...

Den Insidern unter den Zuhö- rern im Plenum kam dabei jedoch auch gleich die Erinnerung an freundliche Ermahnungen von Sei- ten der Renten- und Krankenversi- cherer, daß „man doch bitte in den Vorschlägen für klientengeeignete Behandlungseinrichtungen nur die nennen möge, welche von den Lei- stungsträgern nach ihren Richtlinien schon ausgewählt worden seien".

Wenn also manche Beratungsstelle im Laufe der Zeit immer wieder er- lebt hat, daß diese „ausgewählten"

Einrichtungen durchaus nicht für je- den Klienten geeignet sind, aber die für individuell komplizierte Sucht- kranke tatsächlich geeignete Thera- piestätte vom zuständigen Lei- stungsträger nicht akzeptiert wird, dürfte klar sein, von welcher Quali- tätsart die von den Leistungsträgern als gut bezeichnete Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen tatsächlich ist; denn vermutlich wird ein erheb- licher Anteil von Frustration bei den Mitarbeitern der Beratungsstellen nicht durch „uneinsichtige Klien- ten", sondern durch die von den Leistungsträgern verlangte Unter- werfung verursacht, mit der sie tat- sächlich erreichen, daß keine ande-

ren als die von ihnen vorgeschriebe- nen Einrichtungen in den Vorschlä- gen für Entwöhnungsbehandlungen genannt werden. Demnach kann die Art und Weise, in der die meisten Leistungsträger mit ihrer „speziel- len" „Suchtvereinbarung vom 20. 11. 78" quasi als Rechtferti- gungsinstrument für eine einseitige Auslegung gesetzlicher Bestimmun- gen umgehen, kaum geeignet sein, dem Aufbau von mehr Vertrauen zwischen allen auf Zusammenarbeit in der Sache angewiesenen Stellen zu dienen, denn Vertrauen läßt sich ebenso wenig herbei-manipulieren wie Behandlungserfolg.

Obgleich seit Jahren zuneh- mend mehr gleichermaßen in der Sa- che engagierte und für pragmatische Lösungen aufgeschlossene Männer und Frauen bei allen mit der Sucht- problematik befaßten Stellen leiten- de Funktionen übernommen haben, hat sich die Lage der Betroffenen selbst jedoch noch immer nicht so grundlegend gebessert, wie es der Gesetzgeber gern sehen würde. Al- lerdings zeigt ihre verbissene An- strengung zur Auflösung der noch immer bei zu vielen untergeordne- ten Stellen anzutreffenden „verstei- nerten Moral" langsam bescheidene Ergebnisse, die sich als kleiner Hoff- nungsschimmer interpretieren las- sen.

Wie ungenügend das „fort- schrittliche Denken" bei den Lei- stungsträgern in der Praxis jedoch noch immer ist, zeigte sich in der ab- schließenden Pressekonferenz mit der Feststellung von Bernhard Schmidtobreick, Referat Gefährde- ten- und Suchtkrankenhilfe beim Caritasverband Freiburg, darin,

„daß ein Widerspruch gegen Ent- scheidungen der Leistungsträger (noch immer) sinnlos ist", . . . weil die anschließend zur Durchsetzung eines Anspruchs nötigen Klagever- fahren deshalb keine Lösung bedeu- ten, da bis zum entscheidenden Ter- min vor einem Sozialgericht bis zu fünf Jahren Wartezeit in Kauf zu nehmen sind.

Anschrift für die Verfasser:

Rudolf A. Zierholz Postfach 65 01 25 5000 Köln 60 A-190 (22) Dt. Ärztebl. 84, Heft 5, 28. Januar 1987

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