• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Berufspartner der Ärzte: Theorie und Praxis" (05.08.1991)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Berufspartner der Ärzte: Theorie und Praxis" (05.08.1991)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Berufspartner der Ärzte:

Theorie und Praxis

• •

37. Konsultativtagung deutschsprachiger Arzteorganisationen

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERICHT

Einig waren sich die Ärzte aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Südtirol schon im ersten Tagesordnungs- punkt der 37. Konsultativtagung deutschsprachiger Ärzteorganisatio- nen in Bonn: Sowohl in der häusli- chen Pflege als auch im Kranken- haus fehlen qualifizierte Pflege- kräfte.

Zwar seien Reformen in die We- ge geleitet worden, doch nach wie vor seien die Arbeitsbedingungen für Krankenschwestern unzureichend, die Dienstzeiten wenig familien- freundlich, das Grundgehalt zu nied- rig. In Österreich habe zudem die Mordserie im Wiener Gemeindespi- tal zu Lainz zu einem erheblichen Imageverlust des Pflegeberufs und einem Rückgang der Zahl der Schwesternschülerinnen geführt, be- richtete der Vizepräsident der Österreichischen Arztekammer, Dr.

Gerhard Weintögl.

Dr. Rolf Bialas, Präsident der Ärztekammer Hamburg, beklagte die mangelnde gesellschaftliche An- erkennung des Pflegepersonals und die ungünstigen Dienstzeiten, aller- dings auch das häufig unzureichende partnerschaftliche Verhalten von Arztinnen und Ärzten zum Pflege- personal. Nicht selten bestünden deshalb „große Aggressionen des Pflegepersonals gegen unsere Kolle- gen". Gefordert seien Teamarbeit und Toleranz, jedoch vor allem mehr Menschlichkeit und die Ausübung des Berufs nach den Traditionen christlicher Nächstenliebe.

In mehreren auf der Tagung ver- tretenen Ländern sind Bestrebungen im Gange, ein Psychotherapeutenge- setz vorzubereiten. Vorreiter ist Österreich, das bereits auf eine fast einjährige Erfahrung mit einem sol- chen Gesetz zurückblicken kann, über die Primarius Dr. Felix Fischer, Vizepräsident der Ärztekammer für Oberösterreich, berichtete. Der Psy-

chotherapie-Beirat beim Gesund- heitsministerium, vorwiegend aus Sozialarbeitern, Krankenschwestern, Lehrern, Theologen und Psycholo- gen zusammengesetzt, habe sich durch eine „gezielte ärztefeindliche"

Haltung ausgewiesen. Ein Diplom

„Arzt für Psychotherapie" der Öster- reichischen Arztekammer wurde ab- gelehnt, die klinische Kompetenz an- derer Therapeuten müsse nicht nachgewiesen werden. „Lehrer, die einen Kurs absolviert haben, werden ebenso wie Krankenschwestern und.

Bewährungshelfer als Psychothe- rapeuten anerkannt. Sie brauchen keinerlei klinische Arbeitserfahrung zu haben."

In der Schweiz darf jeder Arzt psychotherapeutische Behandlung durchführen oder delegieren; zwölf der Kantone haben Regelungen über die Qualifikation nichtärztlicher Psy- chotherapeuten. Eine gesetzliche Änderung stehe momentan nicht be- vor, so Dr. Hans Rudolf Sahli, Präsi- dent des Generalsekretariats der Schweizerischen Ärzteorganisation.

In der Bundesrepublik Deutsch- land verschickte das Bundesgesund- heitsministerium in diesen Tagen ein noch von der früheren Ministerin Professor Ursula Lehr in Auftrag ge- gebenes Gutachten, das die Grund- lage für ein Psychothera- peuten-Gesetz abgeben soll. Bisher konnten anerkannte nichtärztliche Psychologen im ärztlichen Auftrag eine Psychotherapie durchführen (Delegationsverfahren). In dem Gut- achten wird die Einführung eines neuen Heilberufs empfohlen, des

„Klinischen Psychologen/Psycho- therapeuten", der ohne Delegations- verfahren arbeiten soll. Dazu Dr. In- geborg Retzlaff, Vorsitzende des Ausschusses „Psychiatrie, Psycho- therapie und Psychohygiene" der Bundesärztekammer: „Wir wün- schen uns ein Berufsgesetz, aber kei- nen neuen Heilberuf."

Eine heftige Diskussion ent- brannte über die Fragen, ob die Aus-, Weiter- und Fortbildung ver- besserungswürdig seien und ob der Arzt in der Fortbildung kontrolliert und sanktioniert werden sollte.

Dr. Rene Salzberg, Mitglied des Zentralvorstandes des Generalse- kretariates der Schweizerischen Ärz- teorganisation, berichtete von Be- strebungen in der Schweiz, die Fort- bildung zu reglementieren — eine Forderung, die in Südtirol schon Realität ist. Dort müssen alle Ver- tragsärzte 32 Stunden obligatorische Fortbildung pro Jahr nachweisen, so Dr. Gian Giacomo Jürgen Lombar- do, Präsident des Südtiroler Ärzte- syndikates.

Mehrere Diskussionsteilnehmer verwahrten sich gegen eine solche Überprüfung und betonten, daß die Fortbildungsmöglichkeiten von ho- her Qualität seien. Sanitätsrat Prof.

Dr. Franz Carl Loch, Präsident der Ärztekammer des Saarlandes: „In den letzten 30 Jahren hat sich vieles verbessert. Schlechter ist nichts ge- worden." Übereinstimmung herrsch- te darin, daß die Studenten schon in der Ausbildung zu einer lebenslan- gen Fortbildung motiviert werden müssen.

Ein Jahr der Jubiläen

In den Berichten der einzelnen Delegationen zeigte sich, daß 1991 ein Jahr der Jubiläen ist. So sind in Österreich sowohl die Ärztekammer wie auch die Sozialversicherung hun- dert Jahre alt. Primarius Dr. Michael Neumann, Präsident der Österrei- chischen Ärztekammer, erläuterte die jetzt angestrebten Reformen: Da die angestellten Ärzte heute prozen- tual einen höheren Anteil der Mit- glieder stellen als früher, sollen sie in den Organen der Landesärztekam- mern ein höheres Gewicht erhalten.

In der Schweiz trat das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz vor 80 Jahren in Kraft. Seit anderthalb Jahren ist eine „Totalrevision" des Gesetzes in Vorbereitung. Man will eine Pflicht-Sockelversicherung für Grundleistungen und eine freiwillige Zusatzversicherung für besondere Leistungen einführen und dabei A-2618 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32, 5. August 1991

(2)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

THEMEN DER ZEIT

auch die Sicherung des Pflegerisikos einschließen. Das Prinzip der Ko- stenerstattung soll erhalten bleiben.

Die Schweizerische Ärzteorganisati- on (FMH) wird, wie Dr. Hans Ru- dolf Sahli in Bonn ausführte, ihre Einstellung zu der Revision im we- sentlichen von der Ausgestaltung des Grundleistungskataloges abhängig machen.

Ärztestreik in Luxemburg

In Luxemburg, berichtete Dr.

Guy Meisch, besteht eine öffentlich- rechtliche Ärztekammer in diesem Jahr seit 90 Jahren. Pläne der Regie- rung, die staatlichen Zuschüsse zur Krankenversicherung sowie die Arzthonorare und die Pflegesätze zu

„deckeln", führten im Mai 1991 zu streikähnlichen Kampfmaßnahmen der Ärzteschaft. Nach zweieinhalb Wochen stand das Krankenversiche- rungssystem fast still, die Gesetzes- vorlage wurde zurückgezogen. Dr.

Meisch erinnerte daran, daß die Lu- xemburger Ärzte vor neun Jahren einmal bei einer ähnlichen Aktion den kürzeren zogen, als es nur um Geld ging; diesmal hätten die Ärzte gewonnen, weil es um ein Prinzip ging und weil die Ärzte es verstan- den hätten, bei der Bevölkerung Verständnis für ihre Forderungen zu wecken.

Mit großem Interesse nahmen die Teilnehmer an der Konsultativta- gung Berichte des Präsidenten der deutschen Bundesärztekammer, Dr.

Karsten Vilmar, und des Vorsitzen- den der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung, Dr. Ulrich Oesingmann, entgegen, in denen naturgemäß die Auswirkungen der deutschen Verei- nigung auf die Ärzte und das Ge- sundheitswesen im Vordergrund standen. Daß dabei manches er- staunlich reibungslos vonstatten ging - wie zum Bespiel die Eröffnung von Praxen niedergelassener Ärzte -, be- stätigten die Arztekammerpräsiden- ten aus Thüringen und Sachsen-An- halt, Dr. Eggert Beleites und Prof.

Dr. Walter Brandstädter, mit denen zum ersten Mal gewählte Vertreter der Ärzteschaft aus den neuen Bun- desländern an der Konsultativtagung teilnehmen konnten. Kli/gb

Neue Bundesländer

Nehmen die Unversitätskliniken in der ostdeutschen Krankenhaus- landschaft eine besondere Position ein? Gelten für sie andere Regeln bei der Erneuerung als für die Ver- sorgungskrankenhäuser? Ich vertre- te den Standpunkt, daß sich aus der Funktion als Lehranstalt besondere Anforderungen an die Ethik und In- tegrität der Führungskräfte ergeben.

Die Universität ist nicht nur Schule, sie ist auch moralische Anstalt. Be- sonders dort, wo die persönlichen Ermessensentscheidungen innerhalb der berufsbedingten Grenzen aus- drücklich als „frei" deklariert sind, wo der Anspruch auf Freiheit von Lehre und Forschung mit der nur dem Gewissen und Wissen verpflich- teten Entscheidungsbefugnis des medizinischen Wissenschaftlers zu- sammentrifft, muß die ärztliche Ethik als Grundprinzip des Han- delns erkennbar sein. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Pa- tient und Arzt muß sich in der Bezie- hung zwischen Student und Lehrer reflektieren. Anderenfalls wird die Ethik zur akademischen Dekoration.

Wer hat das Recht, von den Köpfen der Universität Glaubwür- digkeit und ein Bekenntnis zur Frei- heit der Wissenschaft zu verlangen?

Der Staat? Die Gesellschaft? Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Rahmen der Wiedervereini- gung mit Vorbehalten zur Duldung der ostdeutschen Universitäten be- reiterklärt. Die Vorbehalte sind im

Einigungsvertrag fixiert. Dieser Zu- stand ist für diejenigen, die sich der hochschulrechtlichen Konsequenzen bewußt sind, nur sehr schwer zu er- tragen. Es sei nur daran erinnert, daß sich darunter einige der ältesten deutschen Universitäten finden. Sie haben 40 Jahre sozialistisches Hoch- schulwesen überlebt. Jetzt drohen sie an der Wiedervereinigung zu zer- brechen. Die geduldeten ehemaligen DDR-Universitäten zu Einrichtun- gen zu degradieren, in denen mit Hilfe von Ausnahmegenehmigungen die Erinnerung an das sozialistische Hochschulwesen gepflegt wird, weil die Fähigkeit zur Erneuerung nicht zu erkennen ist, ist ein zwar reales, aber durchaus abwendbares Risiko!

Ureigenste Aufgaben der Uni- versitäten sind Lehre und For- schung. Ureigenstes Recht ist die Be- rufung der Lehrer und die Graduie- rung der Wissenschaftler. Auch wenn die Berufung der Ordinarien seit langem durch den für die Uni- versitäten zuständigen Vertreter der Landesregierung geschieht, findet das in der Regel im Konsens mit der Universität statt und gewährt den Entscheidungsspielraum, der für die Freiheit der Wissenschaft unabding- bar ist. Gleichermaßen gehört es zu den Rechten der Universität, die

Führungsgremien zu wählen.

Wenn der Universität diese Rechte fehlen, müssen alle Bemü- hungen um die Erfüllung der Pflich- ten vergebens sein. Die Universität,

Erneuerung von innen oder von außen?

Erneuerung - dieser Begriff ist aus der Diskussion um die Zukunft der ostdeutschen Universitäten nicht mehr wegzudenken. Wie- viel Raum für Veränderungen im Universitätsalltag wirklich gelas- sen wird, ist umstritten: An der Charit6 sind die ersten Mitarbeiter wegen ihrer Stasi-Tätigkeit entlassen worden. Von anderen Uni- versitäten und Fakultäten hört man wenig. Was Erneuerung unter demokratischen und moralischen Aspekten bedeuten kann und soll, analysiert im folgenden der Dekan der Berliner Charit6, Prof.

Dr. med. Harald Mau.

Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32, 5. August 1991 (23) A-2619

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

April 2019 konnten alle sächsischen Ärzte ihre Stimme für die Kandidaten ihres Wahlkreises abge- ben. Zuvor wurden über 25 .000 Briefe erstellt

Die Kandidatur muss mit den Unter- schriften von mindestens fünf Wahlbe- rechtigten des gleichen Wahlkreises unter dem Wahlvorschlag unterstützt werden, wobei der Wahlbewerber selbst

Hierzu laden die Sächsische Landesärzte- kammer, die Kassenärztliche Vereini- gung Sachsen, die Krankenhausge- sellschaft Sachsen sowie die Apo- Bank alle Ärzte in Weiterbildung

im Konfliktfall mit einem Patien- ten „Verhalten im Gespräch mit Patien- ten/Angehörigen“, damit einerseits Ver- ständnis und Mitgefühl für die Situation des Patienten

„Eine Intervention im Koso- vo-Konflikt benötigt ein hu- manitäres Konzept, das auch die Übernahme von Verant- wortung gegenüber den zu er- wartenden Flüchtlingen bein-

Die gesetzlichen Krankenkassen haben nach einer Hochrechnung der Be- triebskrankenkassen (BKK) 1998 im Westen 27,2 Milliar- den DM für Arzneimittel aus- gegeben, fünf Prozent mehr

Die Ärzte kön- nen aus dem mehr als 6000 Artikel umfassenden Hei- land-Sortiment den notwen- digen Bedarf für den neuen Start sofort einkaufen; und da es nicht mehr sinnvoll ist,

die Kassen weitergegeben werden, oder wenn die Kas- sen es als unrechtmäßig anse- hen, daß ihnen Sachmittel mit dem rabattierten Ein- kaufspreis weitergereicht werden.. Ich denke,