Wissens kritisch hinterfragt und sach- gerecht begründet wird.
Dementsprechend werden im fol- genden zunächst die wichtigsten prak- tischen Grundregeln für den effizien- ten Einsatz von Tumormarkern darge- stellt. Es handelt sich dabei um relativ
grobe, jedoch in der klinischen Praxis bewährte Faustregeln. Für einen diffe- renzierteren Einblick in die Anwen- dung von Tumormarkern verweisen wir auf die Literatur (1, 2, 3, 7, 13, 16)
und auf die Empfehlungen der Tumor- zentren zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Tumorerkrankungen in ihrer jeweils aktuellen Fassung.
Sinnvoller Einsatz von Tumormarkern
Die Durchführung eines Tumor- markertests ist grundsätzlich nur dann sinnvoll, wenn aus dem Ergeb- nis der Tumormarkerbestimmung Konsequenzen für die weitere Be- handlung oder Betreuung des Patien- ten gezogen werden. Nicht indiziert sind Tumormarkerbestimmungen – auch bei erhöhten Vorwerten –, wenn schon vor der Testdurchführung fest- steht, daß die Tumormarkerwerte kei- ne Konsequenz für die weitere Dia- gnostik und/oder Behandlung des Pa- tienten haben!
In jedem Fall ist es sinnvoll, vor- ab zu versuchen, individuell den po- tentiellen Nutzen und auch den po- tentiellen Schaden abzuschätzen, der sich in einer definierten Anwen- dungssituation für den Patienten aus der Durchführung eines bestimmten Tumormarkertests ergeben kann.
Folgebestimmungen von TM
Wichtig ist insbesondere die Be- stimmung der Ausgangswerte der in- dizierten TM vor Therapiebeginn.
Nur so kann gegebenenfalls die Wir- kung einer Therapie anhand der TM- Verläufe sachgerecht beurteilt wer- den. Beim weiteren Vorgehen ist zu unterscheiden zwischen den Einsatz- bereichen Therapieüberwachung ei- nerseits sowie Nachsorge und Rezi- divfrüherkennung andererseits (Text- kasten Tumormarker – Fahrplan für Folgebestimmungen).
Ist ein Tumormarker bereits ini- tial negativ, so ist die Frage zu stellen, ob und inwieweit die weitere Bestim- mung dieses Markers sinnvoll ist. In der Regel wird es im Rahmen der Therapieüberwachung nicht sinnvoll sein, einen negativen Marker weiter- zuverfolgen. Es gibt jedoch Ausnah- men von dieser Regel. Beispiel: Ho- dentumorrezidive können sich mit ei- ner veränderten Histologie manife- stieren und trotz ursprünglich negati- ver AFP- und/oder hCG-Werte mar- kerpositiv sein. Zudem sind Mischfor- men von Keimzelltumoren relativ häufig, und die einzelnen histologi- schen Komponenten dieser Misch- tumoren können unterschiedlich che- moresistent sein. Es ist möglich, daß
im Verlauf einer Chemotherapie be- stimmte maligne Zellklone eliminiert werden, während andere weiter proli- ferieren, beziehungsweise daß durch Chemotherapie ein Wechsel der Tumorhistologie induziert wird. Des- halb kann es für den Patienten vor- teilhaft sein, wenn die Marker AFP und hCG nicht erst im Rahmen der Nachsorge, sondern bereits zur Therapieüberwachung, unabhängig von der Höhe der prätherapeutischen Werte, immer kombiniert bestimmt werden. Ausschlaggebend ist, daß bei
Hodentumoren wirksame Therapie- optionen zur Verfügung stehen!
Anders stellt sich die Situation beim Mammakarzinom dar. Es ist sinnlos, bei einem kurativ operierten Mammakarzinom mit initial negati- vem CEA und CA 15-3 während der nachfolgenden Strahlentherapie die- se Kenngrößen zu Zwecken der The- rapiekontrolle zu bestimmen. Auch bezüglich der Verwendung dieser Marker im Rahmen der Nachsorge sollte man sich kritisch die Frage stel- A-3348
M E D I Z I N
(48) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 50, 13. Dezember 1996 ZUR FORTBILDUNG
Tabelle 2
Richtwerte und Eliminationshalbwertszeiten
Tumor- Richtwert Halbwertszeit
marker (biologisch)
CEA < 3 ng/ml 2–8 Tage CA 125 < 35 U/ml 5 Tage AFP < 9 IU/ml 5 Tage hCG < 2 mIU/ml 12–36 Stunden PSA < 4 ng/ml* 2–3 Tage
* altersspezifische Richtwerte!
Verlaufsbeurteilung mit Tumormarkern
Wichtige Kriterien
1 Eliminationshalbwertszeit des TM
1 Individuelle biologische Varianz
1 Interassay-Präzision 1 verwendetes Testbesteck Abweichung vom Vorwert (Faustregeln)
< 15% Bereich der analytischen Varianz
< 30% Graubereich, gegebenen- falls zusätzliche Verlaufs- kontrolle bei entsprechen- der Klinik
> 30% gegebenenfalls Verlaufs- kontrolle unter Berück- sichtigung der biologi- schen Eliminations- halbwertszeit
Einflußgrößen und Störfaktoren allgemein
1 Postoperativer Verdünnungs- effekt (durch Blutverlust) 1 Freisetzung durch Therapie
(z. B. Chemotherapie) 1 Heterophile Antikörper
(z. B. HAMA) verfahrensspezifisch
1CEA Raucher mit Werten bis 20 ng/ml
1PSA Manipulationen im Prostatabereich (z. B.
Blasenspiegelung, transurethraler Kathe- 1NSE ter)Hämolyse,
Standzeit (Zentrifuga- tion binnen 1 Stunde) 1CA 19-9 Cholestase (GGT
hoch!), nicht nach- weisbar bei Lewis-a/b- Negativen (3–10% der Bevölkerung)
1CA 125 Aszites, Leberzirrho- se, postoperative peri- toneale Reizzustände, Endometriose, Men- struation
1SCC Dermatosen, Nephro- pathien