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Archiv "Nürnberger Erklärung" (22.11.1996)

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tation „Wissenschaft ohne Mensch- lichkeit“ akribisch genau belegt.

Denn schlaglichtartig wird an diesem Beispiel wie auch in einer Reihe der Kongreßbeiträge deutlich, daß man sich in der historischen Rückschau nicht nur auf die wenigen hundert Ärzte, die direkt an verbrecherischen Aktionen beteiligt waren, beschrän- ken darf, sondern darüber hinaus den Teil der Ärzteschaft, der durch seine in der jeweiligen Ausprägung unter- schiedliche Verstrickung mit dem NS- Staat diese erst ermöglicht hat, näher ins Auge fassen muß.

Eine Zeitzeugin berichtet

Eine späte Genugtuung muß es für Alice Ricciardi-von Platen, Mit- glied der von der Arbeitsgemein- schaft der Westdeutschen Ärztekam- mern mit der Beobachtung des Nürn- berger Ärzteprozesses beauftragten Kommission unter Mitscherlich, be- deutet haben, daß man sie als Kon- greßpräsidentin der IPPNW-Tagung erkoren hatte. Als junge Assistenz- ärztin hatte sie gemeinsam mit dem Medizinstudenten Fred Mielke den gesamten Prozeßverlauf vor Ort ver- folgt und die Dokumente für die spä- tere Publikation zusammengetragen.

In weiten Teilen der Ärzteschaft seien damals ihre Bemühungen, über die medizinischen Irrwege in der NS-Zeit aufzuklären, auf Desinteresse oder Ablehnung gestoßen. Die öffentliche Wirkung der von Mitscherlich und Mielke vorgelegten Dokumentatio- nen sei gleich Null gewesen, und die von ihr selbst vorgelegte Publikation über die Durchführung der Euthana- sie sei in der Öffentlichkeit ebensowe- nig beachtet worden.

Als eine vertane Chance der Aus- einandersetzung mit der eigenen Ver- gangenheit bezeichnete der Medizin- historiker Richard Toellner das Ver- hältnis der deutschen Ärzteschaft zum Nürnberger Ärzteprozeß. Von vorn- herein habe für die medizinischen Fa- kultäten das Ergebnis des Prozesses festgestanden. Ihrer Ansicht nach hat- te sich nur eine verschwindend kleine Zahl von Ärzten medizinischer Ver- brechen schuldig gemacht. Die Ange- klagten im Nürnberger Ärzteprozeß fungierten als Sündenböcke, während

A-3106 (38) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 47, 22. November 1996

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Nürnberger Erklärung

¿ Als Ärztinnen und Ärzte erkennen wir unsere Mitverantwortung für ein friedliches, soziales, gerechtes und umweltbewußtes Zusammen- leben der Menschen und Völker an. Wir klären über die Gefahren auf, die aus der Nichtberücksichtigung dieser elementaren Bedingungen für das gesundheitliche Wohl der heute Lebenden und der nachfolgenden Generationen erwachsen. Wir verpflichten uns zum Engagement für ge- sellschaftliche Verhältnisse, die allen Bürgerinnen und Bürgern den best- möglichen Schutz von Gesundheit und Leben sowie angemessene Hilfe im Krankheitsfall gewähren.

À Das gesundheitliche Wohl des Individuums ist für uns Ärztinnen und Ärzte ein unbedingt zu schützendes Gut. Deshalb dienen wir in un- serer Praxis vorbehaltlos den gesundheitlichen Interessen des einzelnen Menschen und verteidigen diese gegen alle Ansprüche von anderer Seite.

Wir unterstützen den Patienten in seiner eigenverantwortlichen Sorge für sein gesundheitliches Wohlergehen.

Á Beim ärztlichen Handeln ist die Achtung der autonomen Ent- scheidungen des Patienten nach seiner bestmöglichen Aufklärung für uns Gebot. Ist er nicht einwilligungsfähig, gilt für uns die Zustimmung eines informierten gesetzlichen Vertreters oder im Notfall der begründet ge- mutmaßte Wille des Patienten. Vor fremdnütziger Forschung muß er ge- schützt sein.

 Wir setzen uns für die öffentliche Transparenz medizinischer For- schungsprojekte ein, weil in der gesellschaftlichen Akzeptanz ein not- wendiges Korrektiv zur Einschätzung der Verantwortbarkeit der Vorha- ben liegt. In der Beachtung ihres gesundheitlichen Schutzes dürfen Ver- suchspersonen hinter Patienten nicht zurückstehen. Es gibt nicht zweier- lei Humanitätsbegriffe für forschende und praktische Medizin.

à Gentests sind an eine in voller Entscheidungsfreiheit erteilte Zu- stimmung der Betroffenen gebunden, denen eine sachkundige Beratung anzubieten ist. Ergebnisse unterliegen der vollen ärztlichen Schweige- pflicht und dem gesetzlichen Datenschutz. Wir werden alles daransetzen, um einen Mißbrauch der gentechnischen Diagnostik für kommerzielle oder bevölkerungspolitische Zwecke zu verhindern.

Ä Wir achten das alleinige Verfügungsrecht des Individuums über seinen Körper auch über seinen Tod hinaus. Die Verpflanzung von Kör- pergewebe und Organen eines Menschen, der dazu seine Zustimmung nicht ausdrücklich erteilt hat, sehen wir als unzulässig an.

Å Wir erkennen in der persönlichen Zuwendung und der fürsorgli- chen Begleitung von Todkranken und Sterbenden eine besonders wichti- ge humane ärztliche Aufgabe.

Æ Wir wenden uns gegen den zunehmenden Mißbrauch wirtschaft- licher Macht zu einseitiger Einflußnahme auf die Steuerung medizini- scher Forschung und Praxis.

Ç Wir warnen dringend vor der erkennbaren Gefahr, Kranke und speziell chronisch Leidende im Rahmen gebotener Sparpolitik unvertret- baren sozialen Risiken auszusetzen. Die Solidarität mit den Kranken und den Schwachen ist der Gradmesser für das Humanitätsniveau unserer wie jeder Gesellschaft.

È Wir Ärztinnen und Ärzte setzen uns für eine dringend zu er- höhende Unterstützung des daniederliegenden Gesundheitswesens in zahlreichen Ländern der Südhemisphäre ein. Die Verurteilung der ar- men Völker zu zum Teil horrenden Sterblichkeitsraten bedeutet eine un- erträgliche Diskriminierung, der wir im Bewußtsein unserer ärztlichen Mitverantwortung mit aller Entschiedenheit entgegentreten. N

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