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Archiv "III. Aktuelle medizinisch-juristische Fragen" (27.06.1974)

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E. Der Arzt im Beruf

5. Einzelfragen

Über die vorgenannten Themen- komplexe hinaus waren die nach- stehend aufgeführten Spezialfragen Gegenstand eingehender Erörte- rungen in der Berufsordnungskon- ferenz der Bundesärztekammer:

> Eintragung von Ärzten in na- mensalphabetische Verzeichnisse, I> Verzeichnisse von Ärzten mit besonderen Sprachkenntnissen,

> beratende Tätigkeit der Ärzte- kammern gemäß den berufsrechtli- chen Vorschriften,

> und das in der letzten Zeit zu- nehmend festzustellende Anbieten

In der ärztlichen Berufstätigkeit spielen rechtliche Fragen oftmals eine erhebliche Rolle; dies drückt sich nicht zuletzt auch in einer um- fangreichen Rechtsprechung und Literatur zum Arztrecht aus. Die ärztliche Standesorganisation nimmt sich naturgemäß der Rechtsprobleme in besonderem Maße an, was sich in vielen Teilen dieses Berichts im jeweiligen Sachzusammenhang widerspiegelt.

Während arztrechtliche Tagesfra- gen und Einzelprobleme von Ge- schäftsführung und Rechtsabtei- lung der Bundesärztekammer bear- beitet werden, befaßt sich mit me- dizinisch-juristischen Grundsatzfra- gen ein hierfür errichteter Aus- schuß des Vorstandes unter Vorsitz von Dr. Jungmann, Markoldendorf.

1. Strafrechtsreform

Statt der vor Jahren geplanten Großen Strafrechtsreform mit ei- nem einzigen umfassenden Neure- gelungsgesetz strebt die Bundesre- gierung bzw. der Deutsche Bun- destag — schon seit der Endphase der 5. Legislaturperiode — eine Strafrechtsreform in Teillösungen an. Der Fünfte Bundestag hat als

zum Erwerb von Professoren- und Ehrendoktorenbezeichnungen, so- fern eine erhebliche Geldsumme zur Verfügung gestellt wird.

Notwendigkeit der

ärztlichen Haftpflichtversicherung Von einer Landesärztekammer war angeregt worden, bei einer künfti- gen Änderung der Berufsordnung durch eine Bestimmung festzule- gen, daß der Arzt verpflichtet ist, eine ärztliche Haftpflichtversiche- rung abzuschließen. Die Konferenz sah vor, eine entsprechende For- mulierung zu erarbeiten und den Vorstand der Bundesärztekammer zu bitten, dem Deutschen Ärztetag die Aufnahme in die Berufsordnung vorzuschlagen.

ersten Schritt bereits eine „Kleine Strafrechtsreform" verabschiedet.

Sie brachte eine Neufassung des Allgemeinen Teils des Strafgesetz- buches sowie die Überarbeitung bestimmter Vorschriften aus dem Besonderen Teil, so etwa aus dem Sittenstrafrecht. Hauptbestandteil der „Teil-Strafrechtsreform" waren neue Bestimmungen über die Straf- arten. Weitere Schritte in der Re- form des Strafrechts waren die Vorlage von Entwürfen zur Ände- rung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (verfahrensrechtli- che Bestimmungen) und zum Sexu- alstrafrecht. Im einzelnen sei dazu auf die Ausführungen im Tätig- keitsbericht 1970/71 verwiesen.

Der Bundestag verabschiedete nach eingehender Beratung seines Strafrechts-Sonderausschusses im Frühjahr 1973 eine Gesetzesvorla- ge, die Straftaten gegen Personen- stand, Ehe und Familie sowie ge- gen die Sittlichkeit betrifft. Schwer- punkte dieses neuen Gesetzes sind das Sexualstrafrecht und der Schutz der Jugend. 1971 leitete die Bundesregierung dem Bundesrat unter anderem den Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Strafge- setzbuch zu, der im Zusammen- hang mit dem zweiten Strafrechts- reformgesetz steht.

2. Änderung der Bestimmungen

über den Schwanger- schaftsabbruch

Besondere öffentliche Aufmerk- samkeit erregt die schon seit lan- gem diskutierte Änderung der Strafrechtsbestimmungen über den Schwangerschaftsabbruch. Ent- sprechende Gesetzentwürfe lagen bereits in der letzten Legislaturpe- riode des Deutschen Bundestages vor. Der 7. Deutsche Bundestag hatte sich jetzt mit vier Vorlagen zu befassen.

Haltung der Bundesärztekammer Ohne auf die sehr unterschiedli- chen Entwürfe einzugehen, erar- beitete die Bundesärztekammer im Sommer 1973 eine Stellungnahme zu grundsätzlichen Fragen eines Schwangerschaftsabbruches; diese ist ebenso wie die Deklaration von Oslo nachstehend wiedergegeben.

Fristenregelung

Es wird erwartet, daß der Schwan- gerschaftsabbruch nach den Re- geln der ärztlichen Kunst von Ärz- ten vorgenommen wird. Aufgabe des Arztes aber ist es, Leben zu er- halten und zu fördern, nicht, es zu vernichten. Der Arzt wird den Wil- len seines Patienten achten, aber kann sich ihm nicht unterwerfen und gegen sein ärztliches Gewis- sen handeln, zum Beispiel ohne ärztliche Notwendigkeit auf Wunsch des Patienten eine ver- stümmelnde Operation vornehmen.

Auch das werdende menschliche Leben ist schutzwürdig und darf aus ärztlicher Sicht nur um der Er- haltung der Gesundheit der wer- denden Mutter willen geopfert wer- den. Es gibt auch keine Frist in der Entwicklung des menschlichen Le- bens nach der Nidation im Mutter- leib, vor deren Ablauf — ganz ab- gesehen davon, daß er kaum je exakt festgestellt werden kann

—das werdende menschliche Leben keinen oder geringeren Schutz ver- dient.

III. Aktuelle medizinisch-juristische Fragen

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Würde der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch — wenn auch nur befristet — freigeben und in den — vielfach übrigens von au- ßen beeinflußten oder sogar aufge- zwungenen — „blor3en Willen" der Schwangeren stellen, so würde das mit Sicherheit zur Folge haben, daß viele verantwortungsbewußte Ärzte (und nicht nur die Ärzte, son- dern auch die für die Durchführung des Eingriffs notwendigen Hilfs- und Pflegepersonen, aber auch viele Krankenhausverwaltungen) von vornherein jegliche Mitwirkung versagen müßten, was zwangsläu- fig zu der aus ausländischen Erfah- rungen sattsam bekannten Ent- wicklung von Abtreibungskliniken („abortion mills") mit ihrer schok- kierenden und demoralisierenden Wirkung für alle Beteiligten und nicht zuletzt für die schwangeren Frauen selbst führen würde.

Schätzungen darüber, welchen Einfluß eine mehr oder weniger weitgehende Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs auf die Zahl der legalen oder illegalen Ab- treibungen haben würde, lassen sich auch auf Grund der — sehr unterschiedlichen — ausländi- schen Erfahrungen nicht anstellen, zumal auch die Angaben über die gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten illega- len Abtreibungen nur auf sehr unsi- cheren und zum Teil weit übertrie- benen Schätzungen beruhen.

Ebenso verhält es sich mit den An- gaben über die unterschiedliche Gefährlichkeit des legalen oder il- legalen Abbruchs für die Gesund- heit der Schwangeren, da dies we- niger von der Legalität des Ein- griffs als von seiner kunstgerech- ten Durchführung abhängig ist. Si- cher ist nur, daß die Zahl der Ab- treibungen unerwünschter Schwan- gerschaften stark abhängig ist von der Aufklärung über die Empfäng- nis und deren Verhütung, die des- halb intensiviert werden sollte.

Indikationenlösung

In Übereinstimmung mit der Dekla- ration des Weltärztebundes von Oslo 1970 hält die Bundesärzte- kammer aus ärztlicher Sicht einen Schwangerschaftsabbruch nur als therapeutische Maßnahme, das

heißt bei Vorliegen einer medizini- schen Indikation, für vertretbar.

Eine medizinische Indikation liegt vor, wenn der Abbruch der Schwangerschaft nach ärztlichem Wissen angezeigt ist, um von der Schwangeren eine Gefahr für ihr Leben oder für ihre körperliche oder seelische Gesundheit abzu- wenden. Die drohende Beeinträch- tigung der Gesundheit muß aller- dings schwerwiegend sein; denn nicht jede Beeinträchtigung des

„physischen, geistigen und sozia- len Wohlbefindens" (im Sinne der Definition der Weltgesundheitsor- ganisation) kann die Vernichtung werdenden Lebens rechtfertigen.

Dies käme praktisch der Lösung gleich, das Leben der Leibesfrucht in das Belieben der Schwangeren zu stellen. Weiter ist zu bedenken, daß auch ein legal durchgeführter Schwangerschaftsabbruch nie ohne Risiken für Leben und Ge- sundheit der Mutter ist und vor al- lem ihre psychische Gesundheit le- benslang belasten kann.

Aus den gleichen Gründen muß auch die Indikation einer „allge- meinen Notlage" abgelehnt wer- den, weil auch sie zwangsläufig auf die subjektive Einstellung der Schwangeren zu der durch die Schwangerschaft und Geburt ein- tretenden Veränderungen ihrer Le- bensverhältnisse abzielt. Hier zu helfen, ist nicht Aufgabe des Arztes (durch Vornahme eines Schwan- gerschaftsabbruchs), sondern Auf- gabe wirksamer und nachhaltiger sozialer Betreuung.

Auf der anderen Seite ist es selbst- verständlich, daß bei der medizini- schen Beurteilung der Gesundheit der Schwangeren und einer ihr aus Schwangerschaft und Geburt dro- henden Gefahr auch die gesamten Lebensumstände der Schwangeren in ihrer Auswirkung auf deren Ge- sundheit gebührende Berücksichti- gung finden müssen.

a) Die Befürchtung einer Schwan- geren, ein gesundheitlich schwer geschädigtes und dadurch den An- forderungen des sozialen Lebens nicht gewachsenes Kind zur Welt bringen zu müssen, kann ange- sichts der schweren psychischen Belastung, der sie dadurch ausge- setzt ist, als medizinische Indika-

tion anerkannt werden, zumal neuere Untersuchungsmethoden erwarten lassen, daß künftig solche Schädigungen der Leibesfrucht frühzeitig im Mutterleib diagnosti- ziert werden können.

b) Gleiches gilt für die Fälle aufge- zwungener Schwangerschaft, wo- bei allerdings die bloße Behaup- tung der Schwangeren, sie sei ver- gewaltigt worden, nur dann als Be- gründung für einen Schwanger- schaftsabbruch herhalten kann, wenn sie die Tat angezeigt oder sich zumindest unverzüglich nach der Tat einem Arzt offenbart hat.

Andererseits können über die im Regierungsentwurf aufgezählten Straftatbestände hinaus auch Fälle des Inzests zu so schweren psy- chischen Belastungen der Schwan- geren führen, daß sie ihnen nicht gewachsen ist.

Nur die Beschränkung des legalen Schwangerschaftsabbruchs auf die medizinische Indikation in dem hier dargelegten Sinn kann im übri- gen auch die Übernahme der Ko- sten hierfür durch die soziale Kran- kenversicherung rechtfertigen. Die Bundesärztekammer weist ein- dringlich darauf hin, daß die Mit- wirkung an einem Schwanger- schaftsabbruch nicht zur „kassen- ärztlichen Pflicht" gemacht werden kann.

Indikationsnachweis

Zwar trägt der die Operation über- nehmende Arzt die Verantwortung nicht nur für deren kunstgerechte Durchführung, sondern auch dafür, ob er sie in Abwägung der gegebe- nen Indikation zu den der Schwan- geren aus der Operation selbst drohenden gesundheitlichen Risi- ken ärztlich verantworten kann. Die Verantwortung für die Feststellung der Indikation zum Schwanger- schaftsabbruch jedoch wird der operierende Arzt in vielen Fällen gar nicht tragen können, weil sie nicht in sein Fachgebiet fällt oder weil er zum Beispiel als zum Ope- rationsdienst eingeteilter Kranken- hausarzt die Indikationsstellung nachträglich nicht einholen kann.

Die Bundesärztekammer hat stets darauf hingewiesen, daß der ope-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974 1989

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E. III. Aktuelle medizinisch-juristische Fragen

rierende Arzt durch das Votum ei- nes oder mehrerer unabhängiger Sachverständiger von der Verant- wortung entlastet werden muß und sieht keine Veranlassung, von dem bisher geübten Verfahren von — bei den Ärztekammern eingerichte- ten — Gutachterstellen abzugeben.

Die Arbeit dieser Stellen hat sich bewährt, wenn man die Rechtspre- chung des BGH zur Abtreibung be- denkt, nach der sich die Gutachter bislang ausrichten mußten.

Will man aber jede Institutionalisie- rung des Gutachterverfahrens ver- meiden, so schlägt die Bundesärz- tekammer vor, daß über das Vorlie- gen der Indikation zum Schwan- gerschaftsabbruch ein für das in Frage kommende Fach zuständiger Gutachter im Einvernehmen mit ei- nem — nach Möglichkeit mit ihren Lebensumständen vertrauten — Arzt des Vertrauens der Schwange- ren entscheidet. Da für die Benen- nung solcher sachverständiger Gutachter wohl nur entweder das Gesundheitsamt oder die Ärzte- kammern in Frage kommen, glaubt die Bundesärztekammer in Würdi- gung und Abwägung der Interessen der Schwangeren und der Ärzte die Dienste der Ärztekammern zur Namhaftmachung solcher Gutachter anbieten zu sollen.

Der Gutachterarzt wird eine per- sönliche Untersuchung der Schwangeren zur Feststellung der Indikation vornehmen müssen, wenn sie nicht nach seiner Über- zeugung durch bereits vorliegende Untersuchungsbefunde dargetan ist.

Das im Einvernehmen mit dem Arzt des Vertrauens der Schwangeren abgegebene zustimmende Gutach- ten muß den die Operation — selbstverständlich in freier Ent- schließung — übernehmenden Arzt von der Verantwortung dafür entla- sten, daß eine gesetzliche Indika- tion zum Schwangerschaftsab- bruch vorliegt. Ein ablehnendes Gutachten muß ihn dann nicht bin- den, wenn er — dann allerdings in eigener Verantwortung — die Indi- kation trotzdem für gegeben hält.

Wenn es auch nach dem gegen- wärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft noch wünschenswert

ist, daß der Eingriff stationär in ei- nem Krankenhaus vorgenommen wird, so sollte dies — auch im Hin- blick auf neue Techniken — nicht im Gesetz vorgeschrieben werden.

Es muß davon ausgegangen wer- den, daß nur solche Ärzte die Ver- antwortung für die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs übernehmen, die über die erforder- liche gynäkologische Weiterbil- dung und Erfahrung und die not- wendigen materiellen und perso- nellen Einrichtungen im Kranken- haus oder in ihrer Praxis verfügen.

Eine über die selbstverständliche ärztliche Beratung der Schwange- ren hinausgehende Sozialberatung und -betreuung ist sicherlich wün- schenswert. Merkblätter, in denen die Schwangere über die Bera- tungs-, Betreuungs- und Hilfsmög- lichkeiten unterrichtet wird, sollten den Ärzten zur Weitergabe an ihre Patientinnen zur Verfügung gestellt werden.

Wahrung der Intimsphäre

Eine Spannung zwischen der Ein- führung eines Gutachterverfahrens und den Vorschriften über das ärztliche Berufsgeheimnis — ge- meint ist wohl die Intimsphäre der Schwangeren und die ihr korre- spondierende Schweigepflicht des Arztes — kann nicht auftreten, wenn dieses Verfahren nach dem oben gemachten Vorschlag gestal- tet wird. Diese Spannung tritt aber zwangsläufig dann ein, wenn die Schwangere die Begutachtung — ggf. auch die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs — als Leistung der sozialen Krankenver- sicherung in Anspruch nehmen will. Deshalb sollte bereits in der gesetzlichen Ermächtigung zur Re- gelung der Kostenübernahme durch die soziale Krankenversiche- rung Vorkehrung dafür getroffen werden, daß dieses Verfahren an- onym gestaltet wird, zum Beispiel durch eine gesonderte Abrechnung zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kranken- kassenverbänden auf Bundes- oder Landesebene.

In bezug auf eine etwaige Strafvor- schrift für einen Schwangerschafts- abbruch ohne vorherige Inan-

spruchnahme des Gutachterverfah- rens, ist die Bundesärztekammer der Auffassung, daß die Androhung einer Freiheitsstrafe — gewisser- maßen als Verdachtsstrafe für ei- nen nicht indizierten Schwanger- schaftsabbruch — unangebracht und mit rechtsstaatlichen Grund- sätzen nicht zu vereinbaren ist.

Deklaration von Oslo

Die Stellungnahme des Weltärzte- bundes zum therapeutischen Schwangerschaftsabbruch, die „De- klaration von Oslo", lautet:

„1. Der oberste moralische Grund- satz, der dem Arzt auferlegt ist, ist die Achtung des menschlichen Le- bens, so wie er in einem Satz des Genfer Gelöbnisses ausgedrückt ,Ich will die höchste Achtung vor dem menschlichen Leben vom Zeitpunkt der Empfängnis an be- wahren.

2. Umstände, welche die Lebensin- teressen einer Mutter in Konflikt bringen mit denen ihres ungebore- nen Kindes, schaffen ein Dilemma, und es erhebt sich die Frage, ob die Schwangerschaft mit Vorbe- dacht unterbrochen werden sollte oder nicht.

3. Unterschiedliche Antworten zu dieser Situation resultieren aus der Verschiedenheit der Haltungen zum Leben des ungeborenen Kin- des. Dies ist eine Frage der Über- zeugung und des Gewissens des einzelnen, die respektiert werden müssen.

4. Es ist nicht die Aufgabe der Ärz- teschaft, die Haltungen und Maß- stäbe eines einzelnen Staates oder einer Gemeinschaft in dieser Frage festzulegen, aber es ist unsere Pflicht, für zweierlei einzutreten:

den Schutz unserer Patienten zu gewährleisten und die Rechte des Arztes innerhalb der Gesellschaft zu sichern.

5. Deshalb, wo das Gesetz die Schwangerschaftsunterbrechung aus therapeutischen Gründen er- laubt oder eine Gesetzgebung .in diesem Sinne beabsichtigt ist und dies nicht der Haltung der nationa-

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len ärztlichen Standesorganisation widerspricht, und wo der Gesetz- geber Orientierung an der Ärzte- schaft wünscht oder akzeptieren will, seien folgende Grundsätze empfohlen:

a) Eine Schwangerschaftsunter- brechung sollte nur als therapeuti- sche Maßnahme durchgeführt wer- den.

b) Die Entscheidung, eine Schwangerschaft zu unterbrechen, sollte in der Regel von mindestens zwei Ärzten, ausgewählt nach ihrer beruflichen Befähigung, schriftlich gebilligt werden.

c) Die Behandlung sollte von ei- nem Arzt durchgeführt werden, dem dies — bei Billigung des Obengenannten — von einem ent- sprechenden Gremium gestattet wird.

6. Wenn ein Arzt der Meinung ist, daß ihm seine Überzeugungen nicht erlauben, zu einer Schwanger- schaftsunterbrechung zu raten oder eine solche durchzuführen, möge er zurücktreten, jedoch die Fortdauer der (ärztlichen) Obhut durch einen qualifizierten Kollegen sicherstellen.

7. Diese Stellungnahme ist, obwohl sie von der Generalversammlung des Weltärztebundes bekräftigt worden ist, nicht als bindend für eine der Mitgliedorganisationen zu betrachten, sofern sie nicht von dieser Mitgliedorganisation selbst angenommen worden ist."

Entschließung des 76. Deutschen Ärztetages

Auf der Grundlage der Deklaration von Oslo faßte der Deutsche Ärzte- tag im Oktober 1973 die nachste- hend wiedergegebenen Entschlie- ßungen, die sowohl zur Reform des

§ 218 als auch zu den in Aussicht genommenen ergänzenden Maß-

nahmen Stellung nahmen:

„Die Achtung und Erhaltung des menschlichen Lebens muß ober- ster Grundsatz für die Entschei- dung bleiben, ob ein Schwanger- schaftsabbruch legal durchgeführt werden kann. Auch das werdende menschliche Leben ist schutzwür- dig und darf aus ärztlicher Sicht

nur um der Erhaltung der Gesund- heit der werdenden Mutter willen geopfert werden.

Der Deutsche Ärztetag lehnt daher die strafrechtliche Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs im Rahmen einer Frist von drei Mona- ten ab. Es gibt keine Frist in der Entwicklung des menschlichen Le- bens nach der Nidation im Mutter- leib, vor deren Ablauf das werden- de menschliche Leben keinen oder einen geringeren Schutz verdient.

Die Fristenlösung würde daher mit Sicherheit zur Folge haben, daß viele Ärzte ihre Mitwirkung bei der Durchführung des Schwanger- schaftsabbruchs versagen müßten, was zwangsläufig zu der aus aus- ländischen Erfahrungen bekannten Entwicklung von Abtreibungsklini- ken führen würde.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist nur dann gerechtfertigt, wenn er nach den Erkenntnissen der medi- zinischen Wissenschaft angezeigt ist, um von der Schwangeren eine Gefahr für ihr Leben oder die Ge- fahr einer schwerwiegenden Beein- trächtigung ihres Gesundheitszu- standes abzuwenden. Medizinisch indiziert ist der Schwangerschafts- abbruch unter diesem Gesichts- punkt auch dann, wenn sich die Gefahr für den seelischen Gesund- heitszustand der Schwangeren aus einer aufgezwungenen Schwanger- schaft, einer begründeten Befürch- tung der Schwangeren, ein ge- sundheitlich schwer geschädigtes Kind zur Welt zu bringen, oder aus einer anders nicht abwendbaren sozialmedizinischen Notsituation der Schwangeren ergibt. Mit seiner Auffassung befindet sich der Deut- sche Ärztetag in Übereinstimmung mit den von der Weltorganisation der Ärzte in Oslo 1970 beschlosse- nen Grundsätzen, „nach denen ein Schwangerschaftsabbruch nur als therapeutische Maßnahme durch- geführt" werden sollte.

Nur die Beschränkung des legalen Schwangerschaftsabbruchs auf die medizinische Indikation in dem hier dargelegten Sinne kann die Übernahme der Kosten durch die soziale Krankenversicherung recht- fertigen.

Der Deutsche Ärztetag weist in die- sem Zusammenhang eindringlich

darauf hin, daß die Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch nicht zur ärztlichen Pflicht gemacht werden darf."

„Der Deutsche Ärztetag begrüßt grundsätzlich die im Entwurf eines Gesetzes über ergänzende Maß- nahmen zur Reform des § 218 StGB vorgesehene Einführung ei- nes Anspruches auf ärztliche Bera- tung über Fragen der Empfängnis- regelung als neue Leistung der ge- setzlichen Krankenversicherung.

Der Deutsche Ärztetag betrachtet aber Bezeichnungen wie ‚ergänzen- de' oder ‚flankierende' Maßnahmen für unzutreffend, denn es muß sich hier um ,Soziale Primärmaßnah- men zur Verhütung von Abtreibun- gen' handeln. Hier wollen die Ärzte sachverständige Mithelfer sein:

1. Die Ärzteschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten zur emanzipato- rischen Erziehung bei der Sexual- aufklärung, bei der Schwanger- schaftsverhütung und bei der Fami- lienplanung. Insbesondere kann durch verstärkte individuelle Auf- klärung der Bevölkerung über Fra- gen der Empfängnisregelung in vielen Fällen eine unerwünschte Schwangerschaft und damit auch die mit jedem Schwangerschafts- abbruch verbundene gesundheitli- che Gefahr vermieden werden.

2. Die Ärzteschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten zu sozialstaatli- chen Initiativen bei der Adoptions- gesetzgebung, bei einem Lasten- ausgleich für kinderreiche Familien und bei der Organisation von Fami- lienhilfen.

3. Die Ärzteschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten zur Überwindung der Kinderfeindlichkeit unserer Ge- sellschaft.

Der im Entwurf vorgesehene unein- geschränkte Anspruch jeder Versi- cherten auf ärztliche Hilfe bei Ab- bruch der Schwangerschaft zu La- sten der gesetzlichen Krankenver- sicherung jedoch ist nur dann zu rechtfertigen, wenn der legale Schwangerschaftsabbruch bei der anstehenden Reform des § 218 StGB auf die medizinische Indika- tion eindeutig beschränkt bleibt.

Die medizinisch nicht indizierte Ab- treibung darf auf keinen Fall eine gesetzlich anerkannte Handlung

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974 1991

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E. III. Aktuelle medizinisch-juristische Fragen

werden, sondern muß rechtswidrig bleiben, denn zu einer gesetzlich anerkannten Handlung könnten auch widerstrebende Ärzte einmal gezwungen werden, wenn z. B. die Nachfrage das Angebot an Abtrei- bern übersteigt. Durch den Bruch der Rechtsgrundlage des Rechts auf Leben als Folge der ‚Fristenlö- sung' verliert nämlich auch der un- eingeschränkte Heilungsauftrag des Arztes seinen Halt. Selbst eine gesetzliche Bestimmung, daß kein Arzt zu einer medizinisch nicht in- dizierten Abtreibung gezwungen werden könne, wird nach einem Bruch der Rechtsgrundlage des Rechts auf Leben völlig unzurei- chend sein.

Einzelbestimmungen gewinnen dauernden Halt nur an den ihnen zugrunde liegenden rechtlichen Wertungen, wandeln sich — wie im Falle der Fristenlösung — die Rechtsgrundsätze, so sind die Ein- zelbestimmungen erfahrungsge-

mäß sehr schnell zu ändern."

Ausschußberatungen

Nachdem der Deutsche Bundestag am Ende der ersten Beratungen die vier vorliegenden Gesetzent- würfe den zuständigen Ausschüs- sen überwiesen hatte, befaßte sich Anfang Juni 1973 der Bundestags- ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit den Anträgen der Fraktionen zu ergänzenden Maß- nahmen im Rahmen der Änderung des § 218 StGB.

Bei der Beurteilung der vier Ge- setzentwürfe ließ sich der Aus- schuß von der Überlegung leiten, daß der Schwangerschaftsabbruch nur durch einen Arzt vorgenommen werden darf und die Gefahren für die Gesundheit der Frau auf Grund des Schwangerschaftsabbruches so gering wie möglich gehalten werden müssen. Die Möglichkeit der ärztlichen Beratung zur Fami- lienplanung wurde für dringend er- forderlich gehalten.

Für selbstverständlich wurde es angesehen, daß Ärzte, Pflegeper- sonal und sonstige Hilfskräfte nicht zu Entscheidungen gezwungen werden, die mit ihrem Gewissen nicht zu vereinbaren sind.

„Ergänzende Maßnahmen"

Der für flankierende Maßnahmen der Krankenversicherung zur Än- derung des § 218 zuständige Bun- destagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung führte am 16. Janu- ar 1974 ein Hearing über den von den Koalitionsfraktionen SPD/FDP eingebrachten Gesetzentwurf zu dieser Thematik durch. Sachver- ständige der gesetzlichen Kranken- versicherung, der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft und der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung äußerten sich zu den Vorstellun- gen, nach welchen zusätzliche Lei- stungen im Bereich der Kranken- versicherung vorgesehen waren, denen zufolge Anspruch auf ärztli- che Beratung über Fragen der Empfängnisregelung sowie auf Lei- stungen bei Abbruch der Schwan- gerschaft durch einen Arzt beste- hen soll.

Im Mittelpunkt der Erörterungen stand die Frage der Finanzierung derartiger flankierender Maßnah- men. Krankenkassen, Kranken- hausträger sowie die Ärzteschaft lehnten die Übernahme der Kosten durch die Kassen dem Grundsatz nach ab und vertraten die Auf- fassung, daß diese Leistungen nicht durch Beiträge der Solidarge- meinschaft finanziert werden kön- nen. Der Bund wurde aufgefordert, die Kosten zu übernehmen, die für Beratung und Behandlung bei Schwangerschaftsabbruch sowie die Beratung und Behandlung frei- williger Sterilisationen entstehen.

Die Krankenkassen erklärten sich lediglich bereit, krankheitsbezoge- ne Leistungen zu finanzieren, da für subjektiv gewollte Eingriffe wie Schwangerschaftsabbrüche ohne Indikationsstellung kein Beitrag der Solidargemeinschaft geleistet werden könne.

Eine gesetzliche Regelung über Beratung und Verordnung emp- fängnisregelnder Maßnahmen wurde von der Ärzteschaft begrüßt, die Gewährung der Mittel als Kas- senleistung jedoch abgelehnt. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, vor Verabschiedung dieses Entwur- fes die Möglichkeiten der Realisie- rung zu überdenken, da niemand gezwungen werden dürfe, gegen

sein Gewissen Schwangerschafts- abbrüche vorzunehmen.

Plenarberatungen

Am 21. März 1974 verabschiedete der Deutsche Bundestag, nach- dem der Vorsitzende des Aus- schusses für Arbeit und Sozialord- nung, Prof. Schellenberg, darauf hingewiesen hatte, daß mit der in Aussicht genommenen gesetzli- chen Regelung dem Inhalt der Än- derung der § 218 in keiner Weise vorgegriffen werde, einen Katalog sozialbegleitender Maßnahmen.

Seiner Auffassung nach wurden damit die notwendigen gesell- schaftspolitischen Grundlagen für die Reform des Strafrechts gelegt, das auf jedes Modell der Straf- rechtsreform anwendbar sei und sogar sozial- und gesundheitspoli- tische Bedeutung hätte, falls über- haupt keine Reform zustande käme. Als ergänzende Maßnahmen wurden folgende gesetzliche Rege-

lungen geschaffen:

> Der Versicherte erhält Anspruch auf ärztliche Beratung über Emp- fängnisverhütung, ebenso auf Be- ratung und Unterbrechung vor ei- nem Schwangerschaftsabbruch;

außerdem

I> auf Krankengeld, sofern die Frau bei einem Schwangerschafts- abbruch arbeitsunfähig wird;

> legale Schwangerschaftsabbrü- che können von einem niederge- lassenen Arzt „unter klinischen Be- dingungen" oder ambulant im Krankenhaus vorgenommen wer- den;

> die Frau hat Anspruch auf Kran- kenkassenleistung für alle Kosten, die im Zusammenhang mit dem Eingriff entstehen;

D freiwillige Sterilisation kann künftig kostenlos vorgenommen werden;

> Sozialhilfeempfänger erhalten die „Pille" kostenlos, wenn sie ärztlich verordnet ist.

In der Diskussion wurde insbeson- dere zur Einstellung der Ärzte-

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schaft insgesamt wie auch einzel- ner Ärzte zum Schwangerschafts- abbruch Stellung genommen, die Möglichkeit des ambulanten Schwangerschaftsabbruches im Krankenhaus erörtert und die Fi- nanzierung der vorgesehenen Lei- stungen der Krankenkassen ange- sprochen. Es wurde festgelegt, daß der Bund während der Jahre 1975 bis 1979 zu Gesamtaufwendungen von jährlich 55 Millionen DM ver- pflichtet wird.

Der Vorstand der Bundesärztekam- mer sprach sich vor Beginn der Beratungen im Deutschen . Bundes- tag über die vier Reform-Modelle zum § 218 für den legalen Schwan- gerschaftsabbruch als therapeuti- sche Maßnahme und gegen die völ- lige strafrechtliche Freigabe im Rah- men einer „Fristenlösung" aus. Er wies nochmals darauf hin, daß bei jeder gesetzgeberischen Lösung die Mitwirkung an einem Schwan- gerschaftsabbruch niemals zur ärztlichen Pflicht erkannt werden darf und widerstrebende Ärzte nie- mals zu einer solchen Handlung gezwungen werden können. Die Gewissensentscheidung des Arz- tes, in Krankenhäusern an Abtrei- bungen mitzuwirken oder nicht, darf seiner Ansicht nach nicht zur Existenzfrage oder zur entschei- denden Qualifikation werden.

„Fristenlösung" im Bundestag verabschiedet

Nachdem sich in dem Bundestags- ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und in dem Sonderaus- schuß für die Strafrechtsreform nicht die erforderliche Mehrheit für eine der vier Gesetzentwürfe zur Reform des § 218 ergab, wurde erst durch eine Änderung der Ge- schäftsordnung der Deutsche Bun- destag in die Lage versetzt, in eine Abstimmung einzutreten. Jeder Ab- geordnete hatte Gelegenheit, auf einem Stimmzettel namentlich sei- ne Auffassung zu den vier Entwür- fen darzulegen. Die beiden Anträ- ge, die bei diesem Wahlgang die meisten Stimmen erhalten hatten, standen in der Schlußabstimmung der 2. Lesung dann zur Wahl. Der Entwurf der Koalitionsparteien SPD/FDP, welcher die „Fristenlö-

sung" beinhaltet, erhielt die Mehr- heit und stand damit bei der 3. Le- sung am 26. April 1974 allein zur Abstimmung. Mit 247 Ja-Stimmen bei 233 Nein-Stimmen und neun Enthaltungen wurde die Vorlage der SPD/FDP-Fraktion, die die „Fri- stenlösung" beinhalte, verabschie- det.

Ein zugleich eingebrachter Ent- schließungsantrag der Regierungs- parteien fand bei einer Enthaltung die Zustimmung des Plenums des Deutschen Bundestages und wurde den eingangs genannten Aus- schüssen zur Beratung überwie- sen.

In dem Antrag wurde besonders darauf hingewiesen, daß kein Arzt und kein Angehöriger der medizini- schen Berufe gezwungen werden kann, gegen seinen Willen an ei- nem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, sofern die Mitwirkung nicht zur Abwendung des Todes oder einer schweren Gesundheits- schädigung der Schwangeren er- forderlich ist. Die parlamentarische Diskussion war von großer Sach- lichkeit getragen.

Die Bundesärztekammer wandte sich, nachdem die Entscheidung des Deutschen Bundestages be- kanntgeworden war, mit der nach- stehend wiedergegebenen Stel- lungnahme an die Öffentlichkeit.

„Die Bundesärztekammer bedauert die Entscheidung des Deutschen Bundestages für die sogenannte Fristenlösung bei der künftigen Än- derung der strafrechtlichen Be- stimmungen über den Schwanger- schaftsabbruch. Sie bedauert, daß in einer Frage von derart grund- sätzlicher und weitreichender Be- deutung für die Achtung und Erhal- tung jeglichen menschlichen Le- bens keine Lösung gefunden wur- de, die von einer breiten Mehrheit der gewählten Vertreter des Volkes getragen wird.

Angesichts der Entscheidung für die Fristenlösung betont die Bun- desärztekammer in Übereinstim- mung mit Nr. 4 der Entschließung des Deutschen Bundestages, daß die Gewissensfreiheit des Arztes, auch nach Änderung des § 218

StGB unbedingt geachtet werden muß. Jeder Arzt, auch der ange- stellte Arzt im Krankenhaus, muß von seinem Recht Gebrauch ma- chen können, die Beteiligung an medizinisch nicht angezeigten Schwangerschaftsabbrüchen abzu- lehnen. Auch an Krankenhäusern, die künftig Schwangerschaftsab- brüche auf Wunsch vornehmen wol- len, darf die Gewissensentschei- dung des Arztes nicht zur Existenz- frage werden.

Die Bundesärztekammer versichert erneut, daß die Ärzteschaft sich in- tensiv der Aufgabe widmen wird, die erwachsenen Frauen und Män- ner, aber auch die heranwachsen- den Jugendlichen verantwortungs- bewußt und sachverständig über al- le Fragen der Empfängnisregelung und der Familienplanung zu bera- ten.

Die Bundesärztekämmer hofft, auf diese Weise dazu beizutragen, daß die Zahl unerwünschter Schwangerschaften und damit auch die Zahl der künftigen legalen Schwangerschaftsabbrüche so niedrig wie möglich gehalten wird."

„Berliner Happening"

Bevor der Deutsche Bundestag zu abschließenden Beratungen über den Katalog sozialbegleitender Maßnahmen zur Änderung des § 218 zusammentrat, wurde Anfang März 1974 von einer kleinen Grup- pe Berliner Ärzte öffentlich die Vornahme eines Schwanger- schaftsabbruches angekündigt; die Ausstrahlung in einer Fernsehsen- dung war beabsichtigt. Während sich die Mehrzahl der Intendanten der in der ARD zusammengefaßten Rundfunkanstalten gegen die Aus- strahlung eines deratigen Films aussprach, sollte dieser Film in den Regionalprogrammen Berlin, Bremen und des Norddeutschen Rundfunks gezeigt werden.

Die Bundesärztekammer wies dar- auf hin, daß die ärztliche Berufs- ordnung die Durchführung eines Schwangerschafts-Abbruchs ohne medizinische Indikation bislang verbietet und eine Straftat DEUTSCHES ARZTEBLATT Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974 1993

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E. 111. Aktuelle medizinisch-juristische Fragen

darstellt, welche von der Staatsan- waltschaft zu verfolgen ist. Die zu diesem Zeitpunkt in Berlin tagende

„Ständige Konferenz für Fragen der ärztlichen Berufsordnung"

wandte sich an den Intendanten des Senders „Freies Berlin" und forderte, die Sendegenehmigung zur Ausstrahlung dieser Fernsehsen- dung zu überprüfen. Die Konferenz stellte fest, daß „es sich um die spektakuläre Darstellung einer strafbaren Handlung handele, die in keiner Weise geeignet ist, zu der Lösung der schwerwiegenden menschlichen, ärztlich-medizini- schen und rechtlichen Probleme im Rahmen des § 218 beizutragen".

Sie wies darauf hin, daß die hierfür notwendige Entscheidung allein dem Deutschen Bundestag vorbe- halten sei; sie hielt es für unerträg- lich, aus dem der intimsten Sphäre des Menschen zuzurechnenden Kernbereich menschlicher Würde ein „Happening" zu veranstalten.

Außerdem würden die Veranstalter derartiger Vorgänge das Vertrau- ensverhältnis zwischen Arzt und Patienten im einzelnen und in der gesamten öffentlichen Meinung in nicht absehbaren Umfang schädi- gen. Die Ständige Konferenz verur- teilte die provozierende Schwanger- schaftsunterbrechung von 14 Ärz- tinnen und Ärzten als ungeheuren und geschmacklosen Vorgang, un- vereinbar mit den Grundsätzen ärztlichen Denkens und Handelns.

Dieses Schreiben trug dazu bei, daß die in Aussicht genommene Ausstrahlung zumindest im Bereich Berlins unterblieb.

3. Freiwillige Sterilisation

Ursprünglich war vorgesehen, die freiwillige Sterilisation zugleich mit der Reform des § 218 StGB zu re- geln.

Die Frage der Sterilisation wur- de jedoch ausgeklammert, bleibt aber im Sonderausschuß für Straf- rechtsreform anhängig. Wann mit einer Behandlung im Plenum des Bundestages gerechnet werden kann, läßt sich im Augenblick noch nicht absehen.

4. Patientengeheimnis und ärztliche

Schweigepflicht beim Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungs- anlagen

Die Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung in der Medizin eröffnet nicht nur ein nahezu un- übersehbares Feld technischer Möglichkeiten für Praxis und Wis- senschaft, sondern wirft auch höchst problematische Fragen ethischer und juristischer Natur auf. Während anfänglich — im Zuge einer naiven Fortschrittsgläu- bigkeit — nach immer neuen Ein- satzmöglichkeiten der EDV ge- sucht wurde, so ist in der Diskus- sion der jüngsten Vergangenheit die Grenze des Computereinsatzes für die Speicherung personenbezo- gener medizinischer Daten sicht- bar geworden.

Die Diskussion um das besonders gelagerte Problem des Schutzes medizinischer Daten wurde durch die konkreten Pläne der Bundesre- gierung ausgelöst, auch für die so- ziale Krankenversicherung Versi- cherungsnummern für jeden An- spruchsberechtigten zu schaffen, um, wie es hieß, damit neue Mög- lichkeiten zur Vereinfachung der Verwaltungsarbeit zu eröffnen.

Mit der Einführung der Versiche- rungsnummern sollte für den ge- samten Bereich der Sozialversiche- rung auch eine medizinische Da- tenbank eingerichtet werden, in der die Gesundheitsdaten der Ver- sicherten der Renten-, Unfall- und Krankenversicherung personenbe- zogen zentral gespeichert werden sollten. Solche Datenbanken bieten naturgemäß auch besondere Zu- griffsmöglichkeiten auf personen- bezogene Einzeldaten. Sie würden erlauben, in unvergleichbar größe- rem Umfang als bisher alle im menschlichen Leben anfallenden Gesundheitsdaten zu registrieren, zu speichern und zu jedem Zeit- punkt ganz oder in Teilen abzuru- fen — beängstigende Vorstellun- gen für die Freiheit und die Unver- letzlichkeit der Einzelpersönlich-

keit. Das Vertrauen der Patienten in die Schweigepflicht der Ärzte und damit ihre Bereitschaft zur notwendigen, ungehemmten Offen- barung gegenüber dem Arzt, ist Grundvoraussetzung für eine wirk- same ärztliche Behandlung. Die elektronische Verarbeitung perso- nenbezogener medizinischer Daten muß dort ihre Grenze finden, wo dieser Vertrauensschutz des Pa- tienten beeinträchtigt wird.

Die Bundesärztekammer hat mehr- fach zu dem vom Bundesinnenmi- nisterium vorgelegten Referenten- entwurf eines Bundesdatenschutz- gesetzes Stellung bezogen. Dabei konnte dem Entwurf in der zu- nächst vorliegenden Form nicht zu- gestimmt werden, da die darin vor- gesehene Regelung des Daten- schutzes weder den von der Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts anerkannten unan- tastbaren Bereich privater Lebens- gestaltung garantierten noch einen den Besonderheiten medizinischer Daten Rechnung tragenden Daten- schutz gewährleistete. Die Bundes- ärztekammer sieht aber eine der wesentlichsten Aufgaben der ge- setzlichen Regelung des Daten- schutzes gerade darin, den verfas- sungsrechtlich anerkannten unan- tastbaren Bereich privater Lebens- gestaltung auch und gerade für den Bereich der elektronischen Datenverarbeitung medizinischer Daten zu gewährleisten.

Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde demgemäß im Rahmen der Stellungnahme der Bundesärzte- kammer darauf verwiesen, daß den Besonderheiten medizinischer Da- ten in dem vorliegenden Entwurf Rechnung getragen werden müsse:

„Das Bundesverfassungsgericht hat für den Bereich medizinischer Daten festgestellt, daß der Patient erwarten darf und muß, daß alles, was der Arzt im Rahmen seiner Be- rufsausübung über seine gesund- heitliche Verfassung erfährt, ge- heim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt. Nur so könne zwischen Patient und Arzt jenes Vertrauen entstehen, das zu den beruflichen Voraussetzungen ärztli- chen Wirkens zählt, weil es die Chancen der Heilung vergrößere und damit — im ganzen gesehen

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