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Archiv "Juristentag: Wo der Konsens endet" (01.12.2006)

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A3248 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 48⏐⏐1. Dezember 2006

B R I E F E

jahen. Nach bisherigem deutschen Strafrecht strahlt – natürlich unter der Bedingung unbestritten nur selte- ner „Freiverantwortlichkeit“ des Suizids – das Autonomieprinzip auf jeden Gehilfen und Anstifter (nicht aber für den täterschaftlich Töten- den, vgl. § 216 StGB) aus, bewirkt also vollumfängliche Straffreiheit.

Dementsprechend ist auch das Wir- ken der in Hannover tätigen Mitar- beiter von „Dignitas“ – vorbehaltlich fehlender „Freiverantwortlichkeit“

sowie einer Nichtbeachtung der Grenze zu § 216 StGB – nach gelten- dem deutschen Recht nicht strafbar.

Die Beschlüsse des Deutschen Juristentages würden somit nicht zu einer Legalisierung führen, sondern gerade umgekehrt zu einer Neu- kriminalisierung bisher strafloser Suizidbeihilfe, weil die empfohlene Straffreiheit nicht gelten soll bei

„Handeln aus Gewinnsucht“ sowie

„bei Ausbeutung einer Zwangslage in Bereicherungsabsicht“. Ob dies nicht auf ein populistisches und nur symbolisch wirkendes (siehe die Er- fahrungen der Schweiz) Gesinnungs- strafrecht hinausliefe, wird im Straf- recht kontrovers diskutiert; jenseits oberflächlicher rechtspolitischer Meinungsäußerungen spricht alles

dafür, besser präventiv (d. h. verwal- tungsrechtlich) zu beobachten als erst dann – mit zweifelhafter Er- folgsaussicht – zu intervenieren, wenn es – wie bei der nachträglichen strafrechtlichen Verfolgung – unter Umständen für manche Menschen schon zu spät ist.

Prof. Dr. Gunnar Duttge, Georg-August-Universität Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen

Wo der Konsens endet

. . . Wirklich neu an der Diskussion und an den Beschlüssen des Juris- tentages waren die ausdrückliche Abkehr von dem unzulänglichen, aber in der deutschen Rechtspre- chung eingebürgerten Begriff der

„Sterbehilfe“ (aktiv, passiv, indirekt aktiv) und – im Gegensatz zu frühe- ren Juristentagen – die Überzeu- gung, dass es nicht genügt, im Zivil- recht Regelungen im Hinblick auf Patientenverfügungen zu verankern, sondern dass es auch nötig ist, den Ärzten, die in erster Linie betroffen sind, strafrechtliche Sicherheit zu gewährleisten. So forderte der Juris- tentag, „im Strafgesetzbuch klar- zustellen, dass das Unterlassen, Begrenzen oder Beenden lebenser- haltender Maßnahmen eine straflose Behandlungsbegrenzung ist (bisher sogenannte ,passive Sterbehilfe‘), wenn für solche Maßnahmen keine medizinische Indikation besteht, wenn dies vom Betroffenen aus- drücklich und ernstlich verlangt wird, wenn dies vom Betroffenen in einer Patientenverfügung für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit angeordnet wurde, wenn dies von ei-

nem Vertreter des Patienten – erfor- derlichenfalls mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts – verlangt wird und der erklärte oder mutmaß- liche Wille des Betroffenen nicht er- kennbar entgegensteht und wenn der Patient einwilligungsunfähig ist und aufgrund verlässlicher Anhaltspunk- te anzunehmen ist, dass er diese Be- handlung ablehnen würde (mutmaß- licher Wille)“. Auch wenn der Ge- setzgeber große Vorbehalte gegen- über einer solchen strafrechtlichen Regelung hat, sollten wir Ärzte doch dankbar für diesen Vorschlag der Ju- risten sein. Denn nach wie vor ist ärztliches Handeln am Lebensende auch von der Angst vor strafrechtli- chen Konsequenzen geprägt mit der Folge, dass im Zweifelsfall eher ge- gen den Patientenwillen gehandelt wird. Die Forderungen des Juristen- tages hinsichtlich der zivilrechtli- chen Verankerung der Patientenver- fügung bewegen sich auf dem Bo- den der bisherigen Rechtslage, auf die ja auch die Grundsätze der Ärz- tekammer Bezug nehmen. Hier be- steht also weitgehender Konsens mit der Meinung der Ärzteschaft (Schriftform oder sonstige verlässli- che Dokumentation [z. B. Videoauf- nahme], keine Reichweitenbegren- zung, Eindeutigkeit der Situations- bezogenheit, Fehlen konkreter Hin- weise für Willensmängel oder Wil- lensänderung, Nichtverbindlichkeit für den Fall, dass bei der Abfassung spätere medizinische Entwicklungen mit neuen therapeutischen Möglich- keiten nicht berücksichtigt werden konnten, bei deren Kenntnis der Be- troffene – nach sorgfältiger Ermitt- lung des mutmaßlichen Willens – eine andere Entscheidung getroffen hätte). Beim Thema assistierter Suizid war dieser Konsens nicht gegeben. So forderten Prof. Hoppe (Präsident der Bundesärztekammer), Prof. Borasio (Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Uni- versität München) und andere medi- zinische Diskussionsteilnehmer ein- hellig, das standesrechtliche Verbot der ärztlichen Mitwirkung beim Suizid aufrechtzuerhalten, während der Juristentag das Gegenteil be- schloss. Im Gegensatz zum Alterna- tiventwurf eines Gesetzes zur Ster- bebehilfe von 1986 oder zu Forde- Der Juristentag

appellierte an den Gesetzgeber, dem Willen des Patienten mehr Gewicht zu verleihen.

Briefe, die die Redaktion per E-Mail erreichen, werden auf- merksam gelesen. Sie können jedoch nur veröffentlicht werden, wenn sie ausdrücklich als „Leserbrief“ bezeichnet sind. Voraussetzung ist ferner die vollständige Anschrift des Verfassers (nicht nur die E-Mail-Adresse). Die Redaktion behält sich ohne weitere Mitteilung vor, E-Mail-Nachrich- ten, die als Leserbrief erscheinen sollen, zu kürzen.

E-MAIL

Foto:KEYSTONE

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A3249

B R I E F E

rungen der Bioethikkommission Rheinland-Pfalz (2004) lehnt der Deutsche Juristentag – wie die Ärz- teschaft – eine „auch nur partielle Legalisierung der Tötung auf Ver- langen“ entschieden ab . . .

Dr. med. Jürgen Bickhardt,Uhlandstraße 19, 85435 Erding

REISEMEDIZIN

Durch die wachsen- de Mobilität vieler Menschen sehen sich Ärzte verstärkt mit reisemedizini- schen Fragen kon- frontiert (DÄ 34–35/

2006: „Reisemedizinische Fortbildung:

Mehr als Malariaprophylaxe“ von Martina Merten).

Drei Säulen

Aus Sicht der Deutschen Gesell- schaft für Tropenmedizin und Inter- nationale Gesundheit (DTG) wird in dem Artikel sehr einseitig Werbung für das Centrum für Reisemedizin (CRM) und den Deutschen Fachver- band Reisemedizin (DFR) betrie- ben . . . So wurde das in dem Artikel erwähnte 32 Stunden umfassende Curriculum zur Reisemedizin vor ei- nigen Jahren von der DTG in Zu- sammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raum- fahrtmedizin (DGLRM) entwickelt und von der Bundesärztekammer als Curriculum für die curriculäre Wei- terbildung „Reisemedizinische Ge- sundheitsberatung“ übernommen.

Unabhängig davon gibt es in Deutschland die in der Weiterbil- dungsordnung verankerte Zusatzbe- zeichnung Tropenmedizin. Der Arti- kel im DÄ suggeriert, dass sich Tro- penmediziner nur mit der Malaria- prophylaxe auskennen, und negiert, dass Reisemedizin sowohl in den dreimonatigen Tropenmedizinkur- sen als auch in der einjährigen Aus- bildung in Deutschland (die für die Erlangung der Zusatzbezeichnung vorgeschrieben sind – neben der Tätigkeit in den Tropen) eine wichti- ge Rolle spielt. Tropenmediziner verstehen daher in der Regel mehr von der Reisemedizin als Teilneh-

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