• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Grabenkämpfe beenden" (20.08.2010)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Grabenkämpfe beenden" (20.08.2010)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

570 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 107

|

Heft 33

|

20. August 2010

M E D I Z I N

lich eliminieren will. Ein durch Humanität geprägtes Bild von der Tätigkeit des Arztes sollte auch die selbstkritische und kollegiale Auseinandersetzung um die bestmögliche Versorgung des Patienten um- fassen.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0569b

LITERATUR

1. Breidert M, Hofbauer K: Placebo: Missunderstandings and prejudices [Placebo: Missverständnisse und Vorurteile]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(46): 751–5.

Dr. med. Reinhard Rapp Seelbergstraße 16 70372 Stuttgart

E-Mail: dr.reinhard.rapp@arcor.de

Ergebnisse manipulierbar

Seit einigen Jahren verfolge ich Diskussionen zu Pla- cebowirkungen. Mittlerweile bin ich geneigt, in der Placebowirkung bei einer Studie nichts anderes zu se- hen, als einen Indikator für die Regulationsfähigkeit der Probanden oder nennen wir es Selbstheilungskräf- te, die im betreffenden Patientenkollektiv vorhanden sind. Zeigen sich also in unterschiedlichen Studien Placebowirkungen von 7 bis 49 %, so würde ich inter- pretieren, dass nicht nur Regression zur Mitte und Spontanverlauf eine Rolle spielen, sondern darüber hin aus mal wenige und mal viele Patienten mit norma- ler Regulationsfähigkeit in die Placebogruppe geraten sind.

Die Autoren vermuten, dass Placeboeffekte beinahe die Gesamtheit der Wirkung von Alternativ- und Komplemetärmedizin ausmachen und fragen, ob eine gezielte Placebogabe nicht eine Täuschung des Patien- ten darstellt. Gleichzeitig empfehlen sie jedoch, dass der Placeboeffekt als wichtiger Bestandteil der Schul- medizin auch bei der Behandlung mit wirksamen Me- dikamenten bewusst eingesetzt werden soll. Den Au- toren möchte ich die Frage stellen, warum der Einsatz des Placebos in der Schulmedizin zu befürworten und in der Komplementärmedizin verwerflich sei?

Ich meine, ein absichtlicher Einsatz eines Placebo- effektes birgt die Gefahr, dass zum Beispiel in einer klinischen Phase-III-Studie die Ergebnisse manipu- lierbar werden. Genauso wäre es abzulehnen, wenn Alternativmediziner ihre Patienten bewusst mit Place- bos behandelten. Würden sie sich umfangreichen Zu- satzweiterbildungen und Literaturstudien widmen, wenn sie den Verdacht hätten, mit Placebo zu arbei- ten? Bisher konnte kein „Curaboeffekt“ gezeigt wer- den. Nur weil wir ein Wirkprinzip nicht verstehen, ist es noch lange kein Placebo.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0570a

LITERATUR

1. Breidert M, Hofbauer K: Placebo: Missunderstandings and prejudices [Placebo: Missverständnisse und Vorurteile]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(46): 751–5.

Dr. med. Petra Reimann Maximiliankorso 3 13465 Berlin

E-Mail: petra.reimann@gmx.net

Statistische Methoden unzulänglich

Dass auch bei der Verabreichung von pharmakolo- gisch wirksamen Medikamenten die Mechanismen, die einer Placebogabe zugrunde liegen, bewusst ein- gesetzt werden sollten, dem ist zuzustimmen. Dass diese Mechanismen mit wenig Aufwand erzielt wer- den können, dem ist zu widersprechen. Denn beding- te Reflexe und die Erwartungshaltung des Patienten positiv zu konditionieren, ist ebenso wie eine geeig- nete persönliche Ausstrahlung des Arztes und die At- mosphäre, in der die Behandlung stattfindet, nicht ohne größeren Aufwand zu erreichen. Ärzte sind hierfür nicht ausgebildet. Es wird ihnen im berufli- chen Alltag von Seiten des Medizinsystems auch kaum abgefordert.

Die Placebowirkung wird noch immer viel zu sehr nur dem Phänomen der Verordnung eines „Scheinme- dikaments“ zugeordnet. Placebowirkungen im hier angesprochenen Sinn umfassen aber viel mehr. Keine Operation, keine Bestrahlung, keine Medikamenten- verordnung, kein Arzt-Patienten-Kontakt, keine Er- wartungshaltung von Arzt oder Patient ist frei von Placebo- oder Noceboeffekten, auch wenn dies nicht im Einzelnen statistisch belegt ist, wahrscheinlich auch nicht belegbar sein wird. Denn die Phänomene berühren soziologische, philosophische und sogar spirituelle Fragen, die bekanntermaßen mit statisti- schen Methoden nur unzulänglich erfassbar sind. Von Medizinern wird das Phänomen der Placebowirkung eher unterschätzt und bis auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung in Medikamentenprüfungen nicht selten sogar ignoriert. Die zunehmend auf statistische Wirksamkeitsnachweise orientierte Leitlinienmedi- zin verbaut eher den Zugang und die Einbeziehung von Placeboeffekten in der täglichen medizinischen Praxis.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0570b

LITERATUR

1. Breidert M, Hofbauer K: Placebo: Missunderstandings and prejudices [Placebo: Missverständnisse und Vorurteile]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(46): 751–5.

Dr. med. Thomas Vetter

Sächsisches Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Altscherbitz Leipziger Straße 59

04435 Schkeuditz

E-Mail: thomas.vetter@skhal.sms.sachsen.de

Grabenkämpfe beenden

In dem Artikel schreiben die Autoren, dass die Place- bowirkung maßgeblich von der Erwartungshaltung des Patienten sowie von „Kontextfaktoren“ wie Em- pathie und Zuwendung abhängt. Ein Einfluss der Er- wartungshaltung des Arztes auf das Ergebnis sei hin- gegen bisher nicht nachgewiesen.

Nach meiner Einschätzung erfüllen gerade Natur- heilverfahren diese Bedingungen in besonderer Wei- se. Zum einen haben viele Patienten ein großes Ver- trauen zu komplementären Behandlungsmethoden.

Weiterhin bieten die meisten Naturheilverfahren viel Raum für einen empathischen Umgang mit dem Pa-

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 107

|

Heft 33

|

20. August 2010 571

M E D I Z I N

tienten, da schon bei der Anamnese dem subjektiven Befinden ein großer Stellenwert beigemessen wird und viele Behandlungsverfahren mit einem zuge- wandten körperlichen Kontakt von Patient und The- rapeut verbunden sind.

Hingegen findet man gegenüber der wissenschaft- lichen Schulmedizin und insbesondere auch gegen- über der Pharmaindustrie bei den Patienten immer wieder Ressentiments, wie die Angst vor dem H1N1-Impfstoff wieder verdeutlicht hat. Auch die Empathie und Zuwendung kommt im medizinischen Alltag, der geprägt ist durch zahlreiche technische Untersuchungen, qualitätsgesicherte Dokumentation und leitlinienkonformes Vorgehen, oft zu kurz. Hinzu kommen dann auch noch Rabattverträge mit Substi- tution durch billigere Medikamente – auch ein güns- tiger Preis wurde in dem Artikel als negativer Ein- flussfaktor genannt.

Um so mehr hat es mich verwundert, dass die Au- toren in dem Artikel den Einsatz des Placeboeffekts im Rahmen einer schulmedizinischen Behandlung zum wichtigen Werkzeug erklären aber im Bezug auf komplementäre Heilverfahren für bedenklich halten und sogar als „Täuschung der Patienten“ einstufen.

Wir sollten diese Grabenkämpfe zwischen Komple- mentärmedizin und Schulmedizin beenden und den hohen technischen und wissenschaftlichen Standard unserer schulmedizinischen Versorgung durch die po- sitiven Placeboeigenschaften bewährter und sicherer naturheilkundlicher Behandlungsverfahren ergänzen.

Diese sind im Bezug auf Placeboeigenschaften der Schulmedizin häufig überlegen.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0570c LITERATUR

1. Breidert M, Hofbauer K: Placebo: Missunderstandings and prejudices [Placebo: Missverständnisse und Vorurteile]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(46): 751–5.

Dr. med. Michael Schiener Bahnhofstraße 32 64720 Michelstadt

E-Mail: michael@schiener-online.de

Schlusswort

Schon der bedeutende Psychosomatiker Thure von Uexküll sagte (1):

„Das Menschenbild der Medizin ist technokratisch.

Der biotechnisch nicht fassbare Inhalt geht verloren, um den kümmern sich die meisten Mediziner nicht.“

Diesem Gedanken entsprechen die meisten Beiträ- ge unter den Leserbriefen:

Breitenbürger stellt zu Recht die „Droge Arzt“ he- raus, aber greift auch das wissenschaftlich/rationale Prinzip als eine wichtige Voraussetzung für einen Therapieansatz auf. Ob sich die Forderung verwirkli- chen lässt, mit verstärkter ärztlicher Zuwendung Res- sourcen einzusparen oder gar umzulenken, bleibt ab- zuwarten.

Eine Forderung nach einem Berufsverbot für Al- ternativ- und Komplementärmedizin, wie von Rapp interpretiert, wurde von uns nicht erhoben, ja nicht

einmal erwogen. Wir haben lediglich darauf verwie- sen, dass Placeboeffekte sehr wahrscheinlich einen Teil, wenn nicht die Gesamtheit der Wirkung von the- rapeutischen Maßnahmen der Alternativ- und Kom- plementärmedizin ausmachen und an einer anderen Stelle darauf verwiesen, dass der Placeboeinsatz (in der Schulmedizin!) eine – unter Umständen auch rechtlich relevante – Täuschung der Patienten dar- stellen kann (2). Entgegen der Einschätzung von Rei- mann sind wir also nicht der Ansicht, dass der Ein- satz eines Placebos in der Schulmedizin zu befürwor- ten sei, sondern wollten nur herausstreichen, dass bei der Gabe von aktiven Präparaten eine Placebowir- kung mitbeteiligt ist und bewusst gefördert werden sollte.

Ebenso wie Rapp sieht auch Schiemer im Einsatz des Placeboeffektes eine Schnittstelle zwischen Komplementär- und Schulmedizin. Allerdings möch- ten wir betonen, dass zwar Subjektivität in der Arzt- Patientenbeziehung eine Rolle spielt, aber doch Ob- jektivität zu den wesentlichen Grundsätzen medizini- schen Handelns gehört. Gerade deshalb sollten die in der Überschrift unseres Artikel erwähnten „Missver- ständnisse und Vorurteile“ möglichst vermieden wer- den.

Minwegen verweist auf Noceboeffekte, die durch in Beipackzetteln genannte Nebenwirkungen ausge- löst werden können. Hier spielt sicher eine wesentli- che Rolle, wie diese Informationen vom Arzt vermit- telt oder kommentiert werden (3). Wem zum Beispiel von medizinischen Außenseitern Angst eingeredet wurde vor der „schädlichen Chemie der Schulmedi- zin“, dem helfen wissenschaftlich gesicherte und praktisch bestens bewährte Medikamente weniger gut oder gar nicht. Negative Informationen, die der Patient von Arzt, Apotheke oder Presse erhält, kön- nen ebenso Nebenwirkungen hervorrufen.

Klippel ergänzt unsere Literaturrecherche zum

„Placebo-Gen“ durch den Hinweis auf epigenetische Faktoren. Seine Definition von Epigenetik scheint aber sehr breit gefasst zu sein und die Regulation der Genexpression im Allgemeinen zu umfassen. Eigene zusätzliche Literaturrecherchen zum spezifischen Be- griff „Epigenetik und Placebo“ blieben ohne Ergeb- nis.

Wir danken Schulz für die Ergänzungen zu den ty- pischen Anwendungsgebieten der komplementären Phytotherapie. Der hohe Anteil von Placebowirkun- gen am Gesamteffekt einer Therapie mit Verum ist bei den einzelnen Indikationen wahrscheinlich auf verschiedene Gründe zurückzuführen. So ist die aus- geprägte Placebowirkung bei Demenz wahrschein- lich vor allem auf die Unwirksamkeit von Verum zu- rückzuführen.

Vetter unterstreicht, welche vielfältigen Aspekte die Arzt-Patienten-Beziehung aufweist. Auch wir se- hen therapeutische Vorteile, wenn der ganze Mensch in die Behandlung einbezogen ist: bewusste Erwar- tungen können Symptome lindern, selbst dann, wenn die Behandelten wissen, dass sie nur ein Placebo be-

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wenn wir feststellen können, wann Gabriel dem Vater von Johannes dem Täufer (dem Priester Zacharias) erschienen ist, so war es dann nach sechs Monaten, so wird uns gesagt, dass

− eine Kunstpädagogin oder ein Kunstpädagoge sein. Der Stiftungsbeirat wählt aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine Vorsitzende oder einen

So gibt es Fach- ärzte, die vorwiegend fachärztliche Grund- leistungen erbringen, die auch vom langjährig weitergebildeten Hausarzt erbracht werden.. Hier wäre eine Konzentration

1.1 Ziele dieses Vertrags sind im Einklang mit dem Überein- kommen über die biologische Vielfalt die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für

Darin sieht Wolfgang Mädler, Ausbildungsleiter bei Behr Industry Reichenbach/Vogtland GmbH, eine Chance für alle Beteiligten: „Der Berufswahlpass ist ideal als

R und die Hälfte der Bürger rechnet damit, dass es bald zu Leistungseinschränkungen im Gesundheitswesen kom- men wird (1999: 25 Prozent), 40 Prozent halten dies für wahr-

[r]

»Wie Ihnen allen ja bekannt ist«, beginnt er schließlich, »befinden wir uns momentan in einer sehr schwierigen Haushaltslage. Auf Grund schwer- wiegender Versäumnisse können wir