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Keine Zeit für Grabenkämpfe

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Bayerisches Ärzteblatt 6/2003 291

Leitartikel

Das Fundament unserer Republik bröckelt: In einer mehrteiligen Serie im „SPIEGEL“ war kürzlich unter dem Titel „Die verstaubte Ver- fassung“ zu lesen, wie das Grundgesetz Refor- men erschwere. Ausgerechnet das Grundgesetz, das bislang immer noch als eine der größten Errungenschaften unseres Landes galt. Zuvor hatten bereits Politiker und Gewerkschaften gezeigt, wie man ordentlich auf die Reform- bremse tritt. Ergebnis: Aus der einst führenden Wirtschaftsnation Europas ist – zumindest was das Wachstum angeht – ein Abstiegskan- didat geworden. Wir haben den neuralgischen Zeitpunkt „Fünf vor Zwölf“ bereits über- schritten, entschlossenes Handeln ist überfällig.

Eine der Großbaustellen ist ja das Gesund- heitswesen. Lassen wir die Einnahmen- und Ausgabenproblematik einmal außer Acht, dann gibt es durchaus noch weitere Themen, deren intensive Aufarbeitung bislang gescheut oder zumindest vermieden worden ist. Gibt es nicht auch für uns Ärzte Aufgaben, die wir besser längst erledigt hätten, statt sie seit Jah- ren im Streit vor uns herzuschieben?

Die Problemlage ist klar: Nachwuchsmangel bei den Hausärzten und die verstärkte Ab- wanderung junger, approbierter Ärzte ins Ausland oder in andere Berufsfelder werden mittelfristig zu einer Unterdeckung führen, was die hausärztliche Versorgung angeht. Die hohe Arbeitsbelastung in Klinik oder Praxis, verbunden mit immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und überlagert von ständigen öffentlichen Vorwür- fen – von Abrechnungsbetrug bis Pfuscherei –, machen unseren an sich so schönen Beruf für die nachfolgenden Generationen nicht mehr attraktiv.

Im ambulanten Bereich haben sich Strukturen entwickelt, die dem Ziel einer qualitativ hoch- wertigen und wirtschaftlichen ambulanten

Versorgung entgegenstehen. So gibt es Fach- ärzte, die vorwiegend fachärztliche Grund- leistungen erbringen, die auch vom langjährig weitergebildeten Hausarzt erbracht werden.

Hier wäre eine Konzentration auf die fach- ärztlichen Spezialleistungen dringend not- wendig. Unseren Lösungsansatz haben wir in einer Klausurtagung in Kitzbühel Ende April intensiv diskutiert und schließlich einen klaren Konsens gefunden: Die KVB – Hausärzte, Fachärzte, Psychotherapeuten – steht einheit- lich und geschlossen hinter der Vision eines hausarztzentrierten Versorgungssystems in Kooperation mit niedergelassenen Fachärzten.

Nur ein solches System kann langfristig die Zukunft der niedergelassenen, freiberuflich tä- tigen Fachärzte sichern.

Jeder gibt ein wenig von seinem angestamm- ten, „guten“ Recht ab und gewinnt dafür eine Menge neu hinzu - dies gilt in besonderem Maße auch für unsere Patienten.

Für die Versicherten kann Hausarztzentrie- rung nämlich zunächst die Wahl zwischen zwei Tarifen bedeuten. Einzelheiten wären noch zu bestimmen. Vorstellbar ist der Erhalt des Sachleistungsprinzips bei der Entschei- dung für den Hausarzt und die Kostenerstat- tung bei freier Wahl der Versorgungsebene.

Letztere darf nicht verwechselt werden mit der freien Arztwahl, die auch bei einem haus- arztzentrierten Modell für beide Versorgungs- ebenen erhalten bliebe. Wird ein Versicherter zum Patienten, so steht ihm als erster An- sprechpartner ein Hausarzt mit mehrjähriger Weiterbildung zur Seite, der viele wesent- lichen Elemente in Diagnostik und Therapie selbst erledigt und für hochspezialisierte Leis- tungen zielgerichtet zum entsprechenden Facharzt überweist. Stationäre Krankenhaus- aufenthalte, da kann der Patient sicher sein, kommen in diesem System nur im echten Be- darfsfall vor: Nämlich dann, wenn der ambu- lant tätige Facharzt aufgrund der Art der Er-

krankung oder der Besonderheit des indivi- duellen sozialen Umfeldes nicht weiterhelfen kann.

Die Rolle der Hausärzte muss gestärkt wer- den, sonst nimmt ihre Zahl weiter ab, was wiederum die Patientenversorgung gefährdet.

Der Handlungsdruck wächst und mit ihm wächst unsere Verantwortung. Hausärzte und Fachärzte sind in Deutschland gewohnt, Tag für Tag in guter Kooperation ihre Patienten bestens zu betreuen. Daran können auch die gelegentlichen Attacken berufspolitischer Stö- renfriede nichts ändern.

Hochspezialisierte Fachärzte werden ebenfalls gestärkt aus einer behutsamen Anpassung des Systems hervorgehen – im Schulterschluss mit dem Hausarzt statt in Konkurrenz zu ihm.

Schon heute wünschen sich viele fachärztlich tätigen Kolleginnen und Kollegen eine beson- dere Unterstützung dieser Kooperation durch die Förderung der Überweisung in speziellen Strukturverträgen. Weil sie selbstbewusst sind und wissen, was solche Strukturen zu leisten vermögen. Eine Stärkung der Hausärzte, die eine breite Basisversorgung gewährleisten können, bringt automatisch eine Aufwertung des fachärztlich tätigen Spezialisten, der sich – klarer als dies bislang möglich ist – auf sei- nen eigentlichen Schwerpunkt konzentrieren kann. Doch auch jene Fachärztinnen und Fachärzte, die bislang in hohem Maße Grundleistungen abrechnen, die auch von hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen er- bracht werden, haben nichts zu befürchten.

Nach unserer Vorstellung ist kein abrupter Übergang, sondern eine gut vorbereitete und klar definierte Arbeitsteilung vorgesehen. Des- halb ist die Qualität unseres Konzepts auch nicht an kurzfristigen Umsetzungserfolgen, sondern an der langfristigen, auf viele Jahre angelegten Strukturveränderung zu messen.

Gerade in der Übergangsphase, in der wir uns vor der Entscheidung über die Inhalte der kommenden Gesundheitsreform befinden, werden wir entschlossen eintreten für unsere Vision mit klaren Aufgabenstellungen für die Versorgungsebenen.

Keine Zeit für Grabenkämpfe

Dr. Axel Munte, Vorsitzender des Vorstandes der KVB

Dr. Wolfgang Hoppenthaller, stellv.

Vorsitzender des Vorstandes der KVB

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