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Archiv "Schlusswort" (20.08.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 33

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20. August 2010 571

M E D I Z I N

tienten, da schon bei der Anamnese dem subjektiven Befinden ein großer Stellenwert beigemessen wird und viele Behandlungsverfahren mit einem zuge- wandten körperlichen Kontakt von Patient und The- rapeut verbunden sind.

Hingegen findet man gegenüber der wissenschaft- lichen Schulmedizin und insbesondere auch gegen- über der Pharmaindustrie bei den Patienten immer wieder Ressentiments, wie die Angst vor dem H1N1-Impfstoff wieder verdeutlicht hat. Auch die Empathie und Zuwendung kommt im medizinischen Alltag, der geprägt ist durch zahlreiche technische Untersuchungen, qualitätsgesicherte Dokumentation und leitlinienkonformes Vorgehen, oft zu kurz. Hinzu kommen dann auch noch Rabattverträge mit Substi- tution durch billigere Medikamente – auch ein güns- tiger Preis wurde in dem Artikel als negativer Ein- flussfaktor genannt.

Um so mehr hat es mich verwundert, dass die Au- toren in dem Artikel den Einsatz des Placeboeffekts im Rahmen einer schulmedizinischen Behandlung zum wichtigen Werkzeug erklären aber im Bezug auf komplementäre Heilverfahren für bedenklich halten und sogar als „Täuschung der Patienten“ einstufen.

Wir sollten diese Grabenkämpfe zwischen Komple- mentärmedizin und Schulmedizin beenden und den hohen technischen und wissenschaftlichen Standard unserer schulmedizinischen Versorgung durch die po- sitiven Placeboeigenschaften bewährter und sicherer naturheilkundlicher Behandlungsverfahren ergänzen.

Diese sind im Bezug auf Placeboeigenschaften der Schulmedizin häufig überlegen.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0570c LITERATUR

1. Breidert M, Hofbauer K: Placebo: Missunderstandings and prejudices [Placebo: Missverständnisse und Vorurteile]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(46): 751–5.

Dr. med. Michael Schiener Bahnhofstraße 32 64720 Michelstadt

E-Mail: michael@schiener-online.de

Schlusswort

Schon der bedeutende Psychosomatiker Thure von Uexküll sagte (1):

„Das Menschenbild der Medizin ist technokratisch.

Der biotechnisch nicht fassbare Inhalt geht verloren, um den kümmern sich die meisten Mediziner nicht.“

Diesem Gedanken entsprechen die meisten Beiträ- ge unter den Leserbriefen:

Breitenbürger stellt zu Recht die „Droge Arzt“ he- raus, aber greift auch das wissenschaftlich/rationale Prinzip als eine wichtige Voraussetzung für einen Therapieansatz auf. Ob sich die Forderung verwirkli- chen lässt, mit verstärkter ärztlicher Zuwendung Res- sourcen einzusparen oder gar umzulenken, bleibt ab- zuwarten.

Eine Forderung nach einem Berufsverbot für Al- ternativ- und Komplementärmedizin, wie von Rapp interpretiert, wurde von uns nicht erhoben, ja nicht

einmal erwogen. Wir haben lediglich darauf verwie- sen, dass Placeboeffekte sehr wahrscheinlich einen Teil, wenn nicht die Gesamtheit der Wirkung von the- rapeutischen Maßnahmen der Alternativ- und Kom- plementärmedizin ausmachen und an einer anderen Stelle darauf verwiesen, dass der Placeboeinsatz (in der Schulmedizin!) eine – unter Umständen auch rechtlich relevante – Täuschung der Patienten dar- stellen kann (2). Entgegen der Einschätzung von Rei- mann sind wir also nicht der Ansicht, dass der Ein- satz eines Placebos in der Schulmedizin zu befürwor- ten sei, sondern wollten nur herausstreichen, dass bei der Gabe von aktiven Präparaten eine Placebowir- kung mitbeteiligt ist und bewusst gefördert werden sollte.

Ebenso wie Rapp sieht auch Schiemer im Einsatz des Placeboeffektes eine Schnittstelle zwischen Komplementär- und Schulmedizin. Allerdings möch- ten wir betonen, dass zwar Subjektivität in der Arzt- Patientenbeziehung eine Rolle spielt, aber doch Ob- jektivität zu den wesentlichen Grundsätzen medizini- schen Handelns gehört. Gerade deshalb sollten die in der Überschrift unseres Artikel erwähnten „Missver- ständnisse und Vorurteile“ möglichst vermieden wer- den.

Minwegen verweist auf Noceboeffekte, die durch in Beipackzetteln genannte Nebenwirkungen ausge- löst werden können. Hier spielt sicher eine wesentli- che Rolle, wie diese Informationen vom Arzt vermit- telt oder kommentiert werden (3). Wem zum Beispiel von medizinischen Außenseitern Angst eingeredet wurde vor der „schädlichen Chemie der Schulmedi- zin“, dem helfen wissenschaftlich gesicherte und praktisch bestens bewährte Medikamente weniger gut oder gar nicht. Negative Informationen, die der Patient von Arzt, Apotheke oder Presse erhält, kön- nen ebenso Nebenwirkungen hervorrufen.

Klippel ergänzt unsere Literaturrecherche zum

„Placebo-Gen“ durch den Hinweis auf epigenetische Faktoren. Seine Definition von Epigenetik scheint aber sehr breit gefasst zu sein und die Regulation der Genexpression im Allgemeinen zu umfassen. Eigene zusätzliche Literaturrecherchen zum spezifischen Be- griff „Epigenetik und Placebo“ blieben ohne Ergeb- nis.

Wir danken Schulz für die Ergänzungen zu den ty- pischen Anwendungsgebieten der komplementären Phytotherapie. Der hohe Anteil von Placebowirkun- gen am Gesamteffekt einer Therapie mit Verum ist bei den einzelnen Indikationen wahrscheinlich auf verschiedene Gründe zurückzuführen. So ist die aus- geprägte Placebowirkung bei Demenz wahrschein- lich vor allem auf die Unwirksamkeit von Verum zu- rückzuführen.

Vetter unterstreicht, welche vielfältigen Aspekte die Arzt-Patienten-Beziehung aufweist. Auch wir se- hen therapeutische Vorteile, wenn der ganze Mensch in die Behandlung einbezogen ist: bewusste Erwar- tungen können Symptome lindern, selbst dann, wenn die Behandelten wissen, dass sie nur ein Placebo be-

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kommen (4). Der von uns angeführte „geringe zu- sätzliche Zeitaufwand“ bezieht sich auf kurze Sätze wie „diese Behandlung hat schon vielen geholfen“, die schon allein eine verbesserte Ansprechbarkeit des Patienten auf eine Arzneimittelgabe herbeiführen können.

Letztlich wollen wir noch auf einen kleinen histo- rischen Fehler hinweisen, der uns unterlaufen ist:

Benjamin Franklin war zwar Präsident des Verfas- sungs-Konvents der damals 13 Vereinigten Staaten von Amerika und unterzeichnete mit 54 anderen Repräsentanten die Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776. Er war ebenso Präsident des „Supreme Executive Council of Pennsylvania“; auf diesem Pos- ten, der dem späteren Amt des Gouverneurs ent- sprach, verblieb er bis zum 1. Dezember 1788. Als letzte Amtshandlung unterzeichnete er noch die Ver- fassung der USA (5). Das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten hatte er allerdings nie inne.

Allen Verfassern von Zuschriften danken die Auto- ren für ihre Bereitschaft, mit ihnen über das spannen- de Thema „Placebo“ zu diskutieren.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0571

LITERATUR

1. v Uexküll T, Adler RH, Herrmann JM, et al.: Psychosomatische Me- dizin. 6th edition. München, Jena: Urban & Fischer 2002.

2. Breidert M, Hofbauer K: Placebo: Missunderstandings and prejudices [Placebo: Missverständnisse und Vorurteile]. Dtsch Arztebl Int 2009;

106(46): 751–5.

3. Barsky AJ, Saintfort R, Rogers MP, Borus JF: Nonspecific medica- tion side effects and the nocebo phenomenon. JAMA 2002;

287(5): 622–7.

4. Benedetti F: Mechanisms of placebo and placebo-related effects across diseases and treatments. Annu Rev Pharmacol Toxicol 2008; 48: 33–60.

5. http://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Franklin

PD Dr. med. habil. Matthias Breidert Medizinische Klinik I

Kliniken im Naturpark Altmühltal Klinik Kösching

Krankenhausstraße 19 85092 Kösching

E-Mail: matthias.breidert@klinik-koesching.de

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Sechs Gründe für Autorinnen und Autoren, wissenschaftliche Übersichts- und Originalarbeiten in der Rubrik Medizin im Deutschen Ärzteblatt zu publizieren

1. Die Reichweite des Deutschen Ärzteblattes

– Das Deutsche Ärzteblatt ist mit einer Auflage von rund 400 000 Exemplaren nicht nur die mit Abstand größte medizinische Zeitschrift in Deutschland, sondern auch eine der größten Fachzeitschriften der Welt.

– Einen cme-Artikel im Deutschen Ärzteblatt bearbeiten im Durchschnitt mehr als 19 000 Teilnehmer.

– Der wissenschaftliche Teil des Deutschen Ärzteblattes wird mit steigender Tendenz auch in der meinungsführenden Publikumspresse als wichtige Quelle wahrgenommen.

2. Die englische Ausgabe: Deutsches Ärzteblatt International

Alle wissenschaftlichen Artikel des Deutschen Ärzteblattes werden vollständig und kostenfrei übersetzt und in unserer

englischen Online-Zeitschrift Deutsches Ärzteblatt International publiziert. Damit sind Artikel im Deutschen Ärzteblatt international zitierfähig.

3. Die Präsenz in allen wichtigen Datenbanken

Alle wissenschaftlichen Artikel im Deutschen Ärzteblatt sind durch ihre Publikation in der englischen Ausgabe Deutsches Ärzteblatt International in Medline gelistet und darüber hinaus in 15 weiteren Datenbanken vertreten.

4. Der Impact-Faktor

Bereits seit 2008 wird Deutsches Ärzteblatt International in der Datenbank Science Citation Index geführt. Dies bedeutet, dass die Zeitschrift in absehbarer Zeit erstmals einen Impact-Faktor erhalten wird.

5. Das Autorenhonorar

Das Deutsche Ärzteblatt zahlt allen korrespondenzführenden Autoren von wissenschaftlichen Übersichts- und Originalarbeiten in der Rubrik Medizin ein Honorar von 1 000 Euro nach Publikation.

6. Der freie Zugang zu allen Artikeln

Alle Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sind im Internet frei zugänglich (open access). Dies gilt für die deutsche und für die englische Fassung.

Die Redaktion freut sich auch über unverlangt eingereichte Übersichts- und Originalarbeiten.

Für interessierte Autoren sind wir jederzeit ansprechbar.

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