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Archiv "Der Kleine Fuchsbandwurm: Klinik und Therapie der alveolären Echinokokkose" (23.09.1994)

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MEDIZIN DIE ÜBERSICHT

Der Kleine Fuchsbandwurm

Klinik und Therapie der

alveolären Echinokokkose

Peter Kern'

Johannes G. Wechsler 2 Werner Lauchart 3 Reiner Kunz4

B

ei der alveolären Echino- kokkose handelt es sich um eine in den Mittelgebirgen Zentraleuropas endemische Infektionskrankheit, die durch die Eier des Kleinen Fuchsbandwurms (Echinococcus multilocularis) ver- ursacht wird. Diese Krankheit wird im medizinischen Schrifttum und in der Praxis häufig nicht oder nicht scharf von der zystischen Echino- kokkose getrennt. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Metazesto- deninfektion, die durch Eier des Hundebandwurms (Echinococcus granulosus) ausgelöst wird. Die Pa- thobiologie beider Infektionen ist jedoch gänzlich verschieden (4, 10).

Bei der E. granulosus-Infektion do- miniert die scharf begrenzte, zysti- sche Raumforderung, daher kommt der klinische Begriff zystische Echi- nokokkose. Es handelt sich zudem um eine klassische „Importkrank- heit". Autochthone Fälle in Deutschland sind sehr selten.

Bei der E. multilocularis-Infek- tion ist die schwammartige, bläs- chenreiche Wucherung bestim- mend. Der morphologische Ein- druck ist namensgebend, daher al- veoläre Echinokokkose. Das infil- trative, tumorähnliche Wachstum macht deutlich, warum die manife- ste Infektion als unheilbar gilt.

Früher lag die kumulative Sterb- lichkeit fünf Jahre nach Diagnose- stellung bei über 40 bis 70 Prozent (24, 26). Die Prognose der Erkran- kung hat sich in den vergangenen 15 Jahren durch Kombination inter- ventioneller und chirurgischer Maß- nahmen sowie durch die medika-

Die Larven des Kleinen Fuchsband- wurms entwickeln sich vorzugsweise in der Leber zu einem schwammartigen Tumor. Sonographisch sind die un- scharfe Begrenzung und Kalkspritzer wegweisend. Bei immundiagnostischer Bestätigung führt die en-bloc Resekti- on — vergleichbar einem onkologisch- kurativen Eingriff — zur Heilung. Mo- lekularbiologische Verfahren sind bei negativer Serologie hilfreich. Bei fort- geschrittener Infektion oder Rezidiven ist ein interdisziplinäres Behandlungs- konzept mit Chemotherapie, palliati- ven Maßnahmen, gegebenfalls Leber- transplantation erforderlich.

mentöse Dauerbehandlung mit Benzimidazolen (Albendazol, Es- kazole® oder Mebendazol, Vermox forte®) verbessert. Fünf Jahre nach Diagnosestellung leben heute über 90 Prozent der Patienten (1, 21, 26).

Im folgenden sollen die klinischen Aspekte dieser heimischen und heimtückischen Echinokokkose be- sprochen werden. Fortschritte der bildgebenden Verfahren, der Im- mundiagnostik und Molekularbio- logie erlauben heute eine frühe

1 Sektion Infektiologie und Klinische Immuno- logie (Sektionsleiter: Prof. Dr. med. Peter Kern) der Medizinischen Universitätsklinik Ulm

2 Krankenhaus der Barmherzigen Brüder (Chefarzt: Prof. Dr. med. Johannes G.

Wechsler), München

3 Abteilung Allgemeine Chirurgie und Polikli- nik (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Horst D. Becker) der Universität Tübingen

4 Abteilung Allgemeine Chirurgie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Hans G. Beger) Chirurgische Universitätsklinik Ulm

Diagnosefindung und ermöglichen die kurative Therapie. Ziel der not- wendigerweise verkürzten Darstel- lung soll sein, den mit dieser Infek- tion selten konfrontierten Arzt bei entsprechender Anamnese und.

Symptomatik an das mögliche Vor- liegen dieser Parasitose zu erinnern und Hilfestellungen für die langfri- stige Betreuung der Patienten zu geben.

Klinik bei Erstdiagnose

Meist stammen die Patienten aus ländlichen Gebieten Süd- deutschlands oder haben zumindest lange dort gelebt. Importierte In- fektionen sind Ausnahmen. Die In- kubationszeit der alveolären Echi- nokokkose ist unbekannt. Sie wird mit weit mehr als zehn Jahren ange- nommen (4). Bei Diagnosestellung hat die Mehrzahl der Patienten das 40. Lebensjahr erreicht (Abbildung 1). Erkrankungen im Kindesalter sind Ausnahmen. Männer sind im Verhältnis 3:2 häufiger betroffen als Frauen. Initial klagen etwa ein Drit- tel der Patienten über uncharakteri- stische Oberbauchbeschwerden.

Ein weiteres Drittel entwickelt Cholostasezeichen mit oder ohne Ikterus. Beim restlichen Drittel wird die Infektion zufällig festge- stellt, Allgemeinbeschwerden sind selten. Ein charakteristisches La- borprofil der alveolären Echino- kokkose gibt es nicht. Die für Hel- mintheninfektionen typische Eosi- nophilie ist selten. Transaminasen sind geringfügig erhöht. Der Caso- ni-Hauttest ist heute obsolet.

Das primäre Zielorgan des Echinokokkus ist die Leber. Das parasitische Larvengewebe findet sich überwiegend im rechten Leber- lappen. Es entsteht eine unscharf begrenzte Raumforderung (Abbil- A-2494 (50) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994

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Abbildung 1: Altersverteilung von 41 Patienten mit alveolärer Echinokokkose bei Diagnosestellung. Retro- spektive Analyse am Ulmer Klinikum im Zeitraum 1980 bis 1992

MEDIZIN DIE ÜBERSICHT

dungen 2 a, b). Verkalkungen und Fibrose geben der Geschwulst eine derbe Konsistenz. Im Verlauf führen die Veränderungen zum Ge- websuntergang, in dessen Zentrum sich Zerfallshöhlen bilden. Diese werden häufig als „Parasitenzysten"

identifiziert. Die Erkrankung wird dann als „uni- oder multizystische Echinokokkose" diagnostiziert. Die Verwechslung mit der zystischen Echinokokkose ist dann häufig. Ei- ne Umfrageaktion nach Echinokok- kus-Fällen in baden-württembergi- schen Krankenhäusern bestätigte die diagnostische Unsicherheit. Bei Entlassungsdiagnose fehlte die Spe- ziesangabe bei 252 von 421 gemel- deten Fällen (60 Prozent), bei 77 Patienten bestand eine E. multilo- cularis-, bei 92 eine E. granulosus- Infektion (17).

Klinik bei chronischem Infektionsverlauf

Anamnestisch ist der Hinweis auf eine lange — weit mehr als zehn Jahre — zurückliegende Leberope- ration wegen Echinokokkose hilf- reich. Bei 20 Prozent der Patienten machen Gewichtsabnahme und Lei- stungsnachlaß auf die chronische Erkrankung aufmerksam, meist be- stehen nur mäßige Allgemeinbe- schwerden. Die klinische Sympto- matik leitet sich einerseits von der jeweiligen Lokalisation des Echino- kokkus ab, andererseits von den se- kundären Folgeerscheinungen. Es besteht ein Nebeneinander solider Raumforderungen mit Kalksprit- zern, ausgedehnten Nekrosehöhlen und regredienten Läsionen. Sitzt der Echinokokkus im Leberhilus, findet sich regelmäßig eine Kom- pression der Gallenwege mit poststenotischer Dilatation. Pfort- ader- und Vena-cava-Thrombosen sind häufig. Bei portaler Hyperten- sion und Beeinträchtigung der Le- berfunktion sind Ösophagus-Vari- zenblutungen gefürchtet (Abbil- dungen 3 a, b, c). Bei Übergreifen auf die Pleura und Lunge kommt es zu ausgedehnten Verschwartungen und Seromen. Auch können Höhlen mit Anschluß an das Gal- lenwegssystem und an das Bronchi-

Abbildung 2: Typische Morphologie bei frühdiagno- stizierter alveolärer Echinokokkose a) Sonographie Stadium 1, b) Computertomographie bei einer 22jährigen Patientin

alsystem (Abbildung 4) entstehen.

Sekundäre bakterielle Besiedlun- gen sind ernsthafte Komplikationen, und führen zu einer hohen Morbi- dität der Patienten.

Nicht selten finden sich Ab- siedlungen im gesamten Abdomen, die mit bildgebenden Verfahren er- faßt werden (Abbildungen 5 a, b).

Tumorwachstum entsprechend in- filtriert die Parasitenlarve das um- liegende Gewebe und hält sich nicht an anatomische Grenzen. Das klini-

sche Bild kann daher täuschen und zu Fehldiagnosen Anlaß geben, (Abbildung 6). Eine Immunsup- pression begünstigt die Absiedlung durch hämatogene Aussaat. Prädi- lektionsorgane sind Lunge, Gehirn und Knochen. In den parenchy- matösen Organen entwickeln sich solide Raumforderungen. Im Kno- chen dagegen kommt es zu De- struktionen mit Infiltration der Muskulatur und des Unterhautfett- gewebes (Abbildung 5 c).

Immunpathologie

Der chronische Krankheitsver- lauf läßt eine stabile Wirt-Parasiten- Beziehung vermuten. Dazu trägt die Herabmodulation von Immun- antworten bei (12). Zirkulierende T-Lymphozyten sind phänotypisch unauffällig, allerdings ist deren Re- aktivität in vitro auf E. multilocula- ris-Antigen bei aktiver Infektion und morphologisch nachweisbarer Parasitenmasse vermindert. Zudem läßt die zelluläre Zusammensetzung des periparasitischen Granulations- gewebes den Schluß zu, daß wesent- liche immunpathologische Vorgän- ge auf einer veränderten Gewich- tung der lokalen Zytokinkonzentra- tion basieren. Aus tierexperimen- tellen Daten ist eine Dominanz der T-Helfer-Typ-2-Reaktion zu vermu- ten (10, 13). Die Vorstellungen zur A-2496 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994

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Stadium Charakteristika

Tabelle 1: Sonographische Stadieneinteilung der alveolären Echinokokkose

Umschriebene inhomogene Veränderungen der Leber unscharf begrenzt, schwer abgrenzbar, überwiegend echoreich mit echoarmem Randsaum, Kalkeinlagerun- gen, keine Infiltration von Pfortader, Gallengängen oder Lebervenen.

Entwicklung zystischer echoarmer Areale mit unregel- mäßiger Begrenzung, infiltratives Wachstum in Gallen- gängen, Pfortaderästen und Lebervenen. Zunehmende Verkalkungen.

Ausgeprägte Infiltration der Leber mit Komplikation durch Einbruch in Gallengangs- oder Gefäßsystem, aus- gedehnte Verkalkungen im Bereich der Inhomogenitä- ten, zunehmende zystische echoarme Areale.

Überschreiten der Organgrenzen der Leber und Infiltra- tion in den Leberhilus, das Zwerchfell, Retroperito- neum, Pankreaskopf und Duodenum.

II

III

IV

MEDIZIN

Immunpathologie werden unter- stützt durch Berichte über spontan abgeheilte Läsionen des Echino- kokkus, sogenannten died-out-Lä- sionen (23). In diesem Fall und auch nach kurativer en-bloc-Resek- tion findet sich über Jahre eine ver- stärkte T-Lymphozyten-Antwort auf das homologe Antigen (12).

Antikörperspiegel sinken im langen Infektionsverlauf nur nach kom- pletter Resektion des Larvengewe- bes ab, nicht jedoch bei regredien- ten, chemotherapeutisch behandel- ten Läsionen. Die Möglichkeit ei- ner immungenetischen Restriktion in empfängliche und resistente Indi- viduen wird derzeit diskutiert. Erste Daten verschiedener Arbeitsgrup- pen deuten auf eine Häufung weni- ger HLA-DR-Merkmale bei Er- krankten hin (20).

Raumforderung in den bildgebenden Verfahren

Die Ultraschalldiagnostik mit hochauflösenden Geräten und hochfrequenten Schallköpfen ist in der Lage, frühzeitig Veränderungen in der Leber zu erkennen (Tabelle 1). Bereits kleine Läsionen führen zu einer Zerstörung der anatomi- schen Leitstrukturen. Das Echomu- ster ist überwiegend echoreich mit echoarmem Randsaum. Es ist von der Umgebung schlecht abzugren- zen. Mit zunehmender Erkran- kungsdauer finden sich echofreie, unregelmäßig begrenzte zystische Bereiche, die echoarm in die Leber infiltrieren können und dort schwer vom gesunden Lebergewebe ab- grenzbar sind. Zudem kommt es zu.

Verkalkungen, Invasion von Ge- fäßen, Verlegung von Gallenwegen und Infiltration von Pfortaderästen.

Der Einbruch ins Gallengangssy- stem ist häufig. Bei organübergrei- fender Infiltration unter Beteili- gung des Peritoneums, retroperito- Abbildung 3: Fortgeschrittene alveoläre Leberechi- nokokkose mit zentraler Einschmelzung. 61 jährige Patientin aus dem Harz nach explorativer Laparoto- mie, a) Vorwölbung des Abdomens durch den Leber- tumor, b) korrespondierende Computertomographie vor Chemotherapie, c) CT vier Jahre nach kontinu- ierlicher Mebendazol-Behandlung

DIE UBERSICHT

nealer Strukturen und des kleinen Beckens wird die sonographische Zuordnung schwierig. Hier stellt die Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel im Dünnschicht- verfahren die einzig valide Methode dar. Die typischen Kalkspritzer sind regelmäßig nachzuweisen. Diese sind in Ausprägung und Anordnung diagnostisch wegweisend (8, 14).

Die Kernspintomographie bringt keinen zusätzlichen Vorteil (7). Sie kann komplementär bei Kontrast- mittelunverträglichkeit sowie bei speziellen vaskulären Fragestellun- gen eingesetzt werden. Eine Angio- graphie kann für die operative Pla- nung hilfreich sein.

Neue diagnostische Verfahren

Die Differentialdiagnose sono- graphisch inhomogener Raumfor- derung der Leber ist weit gefächert (Tabelle 2) (16). Bei klinischem Ver- dacht und negativer Immundiagno- stik (etwa zehn Prozent der Patien- ten) kann eine ultraschallgezielte Feinnadelpunktion notwendig wer- den. Das Punktionsrisiko ist bei un- auffälligem Gerinnungsstatus und technisch einwandfrei durchgeführ- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994 (53) A-2497

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ter Punktion gering. Eine Ver- schleppung von Metazestoden-Ge- webe ist bei den verwendeten Punk- tionsbestecken nicht beobachtet worden. Derzeit gilt der Eingriff - ebenso wie die Punktion bei zysti- scher Echinokokkose - allerdings als kontraindiziert ( 4). Die Diagno- se der alveolären Echinokokkose kann zytologisch nicht gestellt wer- den (25). Die Larve von E. multilo- cularis bildet beim Menschen keine Protoscolices aus. Häkchen sind da- her nicht zu finden. Die Immunzy- tologie ist abhängig von der Verar- beitung des Punktionsmaterials und den verfügbaren Antiseren. Das meist nur spärlich zu erhaltende Punktionsmaterial kann mit mole- kularen Methoden aufgearbeitet werden. Der Nachweis von Frag- menten genorniseher DNA von E. multilocularis erlaubt jedoch keine Aussage über die Vitalität eines Pa- rasiten, da die DNA noch lange nach dem Absterben des Parasiten persistieren kann. Inzwischen wur- de eine reverse Polymerase-Ketten- reaktion (PCR) etabliert, bei der Echinokokken ·spezifische mRNA nachgewiesen wird. Als Ziel-mR- NA wird die für das Antigen Em-10 kodierende mRNA nachgewiesen (10). Punktion und anschließende molekulare Analyse werden daher nicht nur die explorative Laparato- rnie ersetzen, sondern auch bei The- rapiekontrollen zur Beurteilung der Remission wertvoll sein. Die ultra- schallgeführte Feinnadelpunktion ist als minimal invasiver Eingriff für den Patienten ein kalkulierbares Risiko. Laufende Studien werden beweisen müssen, ob dieses Vorge- hen für Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle der alveolären Echinokokkose dem bisherigen Verfahren überlegen ist. Die Dia- gnose einer alveolären Echinokok- kose basiert daher auf der in Tabelle 3 dargestellten Trias.

Kurative Therapie

Die radikale operative Entfer- nung der Parasitengeschwulst en- bloc ist die einzige kurative Maß- nahme. Die Resektion der betroffe- nen Organ- oder Abdominalkom-

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DIE ÜBERSICHT

Tobelle 2: Oifferentioldiqgnose sonogrophisch inhomogener Leberveränderungen

~ Diffuse Metastasierung

~ Zystisch zerfallene Metastasen

~ Hepatozelluläres Karzinom

~ Lymphominfiltration

~ Amöbenabszeß

~ Leberhämatom

~ Zystische Echinokokkose

Abbildung .. 4: Sonographie bei progredientem Be- fund und Ubergreifen auf das Zwerchfell bei einem 24jährigen Patienten.

Tobelle 3: Diagnose der alveolären Echinokokkose

0

Klinische Beschwerden und anarnnestische Daten.

f) Raumforderung mit bildge- benden Verfahren in Sono- graphie und Computerto- mographie.

8

Immundiagnostik. Bei zwei- telhaften Befunden ultra- schallgezielte Feinnadel- punktion mit immunologi- scher und molekularer Auf- arbeitung des Materials.

partimente muß vergleichbar zu on- kologisch-kurativen Resektionen durchgeführt werden. Diesem Vor- gehen sind heute einige Maßnah- men voranzustellen. Mittels MEGX-Test (Monoethylglycinexy- lidide, Hauptmetabolit von Xylo- cain) (22) ist die vermutete Rest- funktion nach der Leberresektion zu bestimmen. Ein aktuelles Com- putertomogramm mit Kontrastmit- A-2498 (54) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994

tel erleichtert die schwierige Ab- grenzung des Larvenherdes vom normalen Lebergewebe. Zusätzlich kann eine Gefäßdarstellung hilf- reich sein. Neben der allgemeinen Abschätzung der Operabilität ist es erforderlich, zehn Wochen vor der geplanten Operation mit einer me- dikamentösen Vorbehandlung zu beginnen. Hierzu eignen sich Al- bendazol oder Mebendazol in ad- äquater Dosierung. Diese Behand- lung ist auch nach dem kurativ-ope- rativen Eingriff zwei Jahre weiter- zuführen (2). Schlauchförmige Aus- läufer des Parasiten bilden den Nidus für Rezidive. Palliative Re- sektionen sind zu vermeiden. Die orthotope Lebertransplantation wurde vor kurzem als weitere kura- tive Maßnahme zur Behandlung der ausgedehnten Leberechinokokkose propagiert (5). Erfahrungen konn- ten in einzelnen Zentren über meh- rere Jahre gemacht werden. Es zeigte sich allerdings, daß es häufi- ger als erwartet zu einer Reinfekti- on der transplantierten Leber kommt (6, 18). Weiterhin treten, be- günstigt durch die erforderliche Im- munsuppression, entfernte Metasta- sen in Lymphknoten und Gehirn auf. Die Indikation zur Lebertrans- plantation muß daher streng gestellt werden. Nur bei sicherer Organbe- grenzung und progredientem Aus- fall der Leberfunktion stellt diese Maßnahme eine wirksame Therapie der sonst ungünstig verlaufenden Parasiteninfektion dar. Auch hier- bei ist die langfristige Chemosup- pression mit Albendazot oder Me- bendazol erforderlich.

Medikamentöse Dauertherapie

Tierexperimentelle Daten und klinische Verlaufsbeobachtungen haben gezeigt, daß Benzimidazol- derivate (Albendazol oder Meben- dazol) bei E. multilocularis-Infekti- on lediglich einen parasitastati- schen Effekt ausüben (1, 3, 9). Im Gegensatz zur zystischen Echino- kokkose ist eine Heilung durch al- leinige anthelminthische Therapie (9, 11) nicht möglich. Die Schweizer Arbeitsgruppe hat prospektiv die

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MEDIZIN

Larvenmasse anhand von CT-Auf- nahmen ausgewertet. Bei 49 Pro- zent der chemotherapierten Patien- ten fand sich eine Regression, bei 35 Prozent eine Stabilisierung, während 16 Prozent progredient verlaufen (21). Einen ähnlichen Trend hat die Münchner Arbeits- gruppe bei retrospektiver Analyse von klinischen Therapiebewertun- gen ermittelt. Von 68 Patienten be- richteten 57 Prozent über eine Bes- serung, 22 Prozent über einen un- veränderten Befund, bei 21 Prozent verlief die Erkrankung jedoch pro- gredient (19). Das Nebeneinander von aktiven Läsionen, regredienten Herden, Nekrosehöhlen und Se- kundärkomplikationen macht es ei- nigermaßen schwierig, die Verände- rung der Parasitenmasse als einzi- gen Maßstab des Therapieeffektes heranzuziehen. Serologische Ver- laufsuntersuchungen sind nur bei kurativer en-bloc Resektion von Wert (3, 15). Bei nicht resektablen Läsionen bleibt die Serologie le- benslang reaktiv. Abgestorbene, verkalkte Parasiten enthalten über- reichlich antigenes Material, das die Antikörperbildung kontinuierlich unterhält.

Unterschiede in der Wirksam- keit der beiden zugelassenen Präpa- rate Albendazol oder Mebendazol sind aus vergleichenden Studien bei der alveolären Echinokokkose nicht erkennbar. Albendazol (Eska- zole®) wird in regelmäßigen Zyklen von 28 Tagen in der Dosierung 10 mg/kg, in der Regel zweimal 400 mg/die verabreicht. Es folgt eine 14tägige Pause (wash-out Phase).

Derzeit werden vom Hersteller nur drei Zyklen empfohlen, dies ist bei der alveolären Echinokokkose un- zureichend. Eine Therapie über Jahre ist erforderlich (4). Albenda- zol ist auch mit seinen Metaboliten wirksam. Eine Spiegelbestimmung dieses Präparates ist derzeit nicht gebräuchlich. Mebendazol (Vermox forte ®) wird in einer Dosierung von 50 mg/kg, in der Regel dreimal 1 g/die verabreicht. Es wird kontinu- ierlich gegeben. Es hat sich einge- bürgert, den Medikamentenspiegel regelmäßig zu untersuchen. Die wünschenswerten Plasmakonzen- trationen berechnen sich analog zu

DIE ÜBERSICHT

Abbildung 5: 49jährige Patientin nach Leberteilre- sektion bei alveolärer Echinokokkose. Übergreifen auf paraaortale Lymphknoten, Knochen und Musku- latur. a) Schollige Verkalkung im rechten Leberlap- pen neben hypodensen Arealen, b) multiple zysti- sche Gebilde paraaortal und paracaval mit Verkal- kungen, c) Knochen und Weichteilbeteiligung rech- ter Ober- und Unterschenkel.

tierexperimentell ermittelten wirk- samen Spiegeln (9). Eine klare Be- ziehung zwischen Effektivität der Therapie und Höhe der Medika- mentenspiegel konnte bei retro- spektiver Analyse eines umfangrei- chen Datenmaterials nicht erhoben

werden (19). Als Nebenwirkung der Therapie ist die reversible Leuko- penie und Haarausfall zu erwähnen.

Nach Absetzen der Benzimidazole kommt es über kurz oder lang zu Rezidiven (4, 9). Diese werden durch eine erneute Behandlung mit Albendazol oder Mebendazol be- herrscht. Eine Medikamentenresi- stenz ist derzeit nicht bekannt.

Palliative Maßnahmen

Die Vielgestaltigkeit der klini- schen Symptomatik bei fortge- schrittener Echinokokkose erfor- dert ein individuell angepaßtes Be- handlungskonzept. Mit palliativen Maßnahmen muß eine Symptomlin- derung erreicht werden. Hierbei sind langfristige Entscheidungen zu

Abbildung 6: Häufige Hautinzisionen bei ungeklär- ter granulomatöser Erkrankung und Verdacht auf Hauttuberkulose. Die ausgedehnte alveoläre Echino- kokkose der Leber hatte das benachbarte Gewebe (Knochen und Haut) infiltriert.

treffen. So kann die Stent-Einlage bei Kompression der Gallenwege im Leberhilus in Kombination mit der medikamentösen Therapie eine hervorragende, lang wirksame — über Jahre — und gut verträgliche Maßnahme sein. Bei Beteiligung des Zwerchfells und des Lungen- parenchyms muß ein kombinierter abdominal-thorax-chirurgischer Eingriff erfolgen. Große zentrale Einschmelzungen, die infolge einer Kolliquationsnekrose entstanden sind, können abgeleitet werden.

Dadurch verringert sich der Druck auf das restliche Leberparenchym.

Leberfunktion und klinisches Be- finden bessern sich rasch. Wenige Symptome werden bei retroperito- nealen und abdominellen Absied- lungen des Parasitengewebes beob- achtet (Abbildung 6). Sie sprechen gut auf die kontinuierliche anthel- minthische Therapie an. Sekundär- komplikationen nach alveolärer A-2500 (56) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994

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Echinokokkose wie Amyloidose, Immunkomplexerkrankung, rezidi- vierende Cholangitiden, Blutungen aus Ösophagusvarizen sind entspre- chend anzugehen.

Ausblick

Die Wirt-Parasiten-Beziehung ist ein besonderes Merkmal der al- veolären Echinokokkose. Wie schafft es der Parasit, sich über J ah- re und Jahrzehnte ohne wesentliche Gegenwehr einzunisten? Auch bei multipler Absiedlung in vielen Or- ganen bleibt die Gegenwehr mode- rat. Die Klinik lehrt uns, daß dem

DIE ÜBERSICHT/KONGRESSBERICHT

penetranten Erreger derzeit schwer beizukommen ist. Von großem In- teresse sind daher klinische Beob- achtungen über spontan abheilende Läsionen. Sie deuten an, daß eine effektive Abwehr möglich ist.

Neue Ansätze zur Therapie der mit lebenslanger Morbidität behaf- teten Krankheit sind daher in der Modulation der Immunantwort zu suchen.

Die Autoren danken für die vielen konstrukti·

ven Hinweise aus der Arbeitsgemeinschaft

"Echinokokkose" der Paui-Ehrlich-Gesell- schaft für Chemotherapie e. V.

Osteoporose:

De~~---­

J{rzteblatt

91 (1994) A-2494-2501 [Heft 38]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. Peter Kern Leiter der Sektion Infektiologie und

Klinische Immunologie der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik

89070 Ulm

Wertigkeit der Densitometrie

B

ei einem am 3. Dezember 1993 in Berlin von der Deutschen Gesellschaft für augewandte Endokrinologie veranstalteten Ex- pertengespräch diskutierten unter Leitung von Professor Burckhardt, Lausanne, 25 niedergelassene oder klinisch tätige Endokrinologen das Osteoporose-Konsensuspapier von Hongkong (April1993). Dieses Pa- pier fand, abgesehen von einigen Modifikationen in einzelnen Kapi- teln, in den wesentlichen Aussagen Zustimmung. Nachfolgend sind die wichtigsten gemeinsamen Aussagen zusammengefaßt.

Einigkeit bestand darin, daß die Osteoporose als systemische Ske- letterkrankung mit verminderter Knochenmasse und erhöhtem Frak- turrisiko eine Volkskrankheit ist, von der mehrere Millionen Frauen und eine nicht unerhebliche, unbe- kannte Anzahl von Männern in Deutschland betroffen sind. Die Krankheit belastet die Krankenkas- sen in hohem Maße. Mit einer wei- teren Zunahme von Prävalenz und Kosten ist in den kommenden De- kaden zu rechnen.

Die Knochenmasse ist die wich- tigste meßbare Determinante des Risikos osteoporosebedingter Frak- turen. Besonders intensiv ist der Knochenabbau in den ersten fünf Jahren nach der Menopause. Eine positive Familienanamnese, geringe körperliche Aktivität, Rauchen, Al- koholmißbrauch, Leben mit erhöh- tem Fallrisiko, Stürze und Alter gehören mit zu den erfaßbaren Risi- kofaktoren. Kalzium-Mangel sowie Östrogenmangelzustände in der Prämenopause (Anorexia nervosa, Hyperprolaktinämie, primäre Ova- rialinsuffizienz) führen ebenfalls zu einem raschen Mineralsalzverlust.

Schilddrüsenüberfunktion, Behand- lung mit Kortisonderivaten und die langjährige Kontrazeption mit De- pot-Gestagenen können ebenfalls zur Verminderung der Knochen- dichte führen.

Die Wertigkeit und Bedeutung der Densitometrie als Meßmethode zur Erfassung der Knochendichte wurde in diesem Gespräch ausführ- lich diskutiert. Es wurde bestätigt, daß alle Methoden der Osteodensi- tometrie sowie alle Geräte und

sämtliche Meßorte zur Messung der Knochendichte geeignet sind. Die WHO-Empfehlung, wonach die Messung am Radius als erstes Screening ausreicht, blieb unwider- sprochen. Für besondere Fragestel- lungen mag die eine Methode der anderen überlegen sein. Wün- schenswert sind die Eichung der Geräte unter Benutzung von inter- nationalen Standards und die Erar- beitung altersgewichteter Referenz- werte für jede Methode und für je- des Gerät mit Angabe von Inter- ventionsschwellen. Methodologi- schen Analysen, die den diagnosti- schen Wert der Densitometrie für die Einschätzung des individuellen Frakturrisikos in Frage stellen, wur- de einstimmig widersprochen.

Indikationen

Zur Beurteilung des lebenslan- gen Frakturrisikos sollten Densito- metrien durchgeführt werden bei:

~ Patientinnen mit primärer Amenorrhoe,

~ Patientinnen mit sekundärer Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994 (57) A-2501

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