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Archiv "Der Kleine Fuchsbandwurm: Erreger der alveolären Ech i nokokkose" (23.09.1994)

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Hanns M . Seitz

1

Matthias Frosch

2

S

eit einigen Jahren wird im Spätsommer oder Herbst re- gelmäßig vor der Infektion mit dem Kleinen Fuchsband- wurm gewarnt, zum Beispiel durch das frühere BGA Uetzt zuständig Robert-Koch-Institut, Berlin) oder die Landesministerien. In der Pres- se erscheinen oft beunruhigende, in den Einzelheiten oft fehlerhafte Be- richte. Unsere Beratungspraxis hat uns gezeigt, daß nicht nur Laien, sondern auch Ärzte unzureichend über diese gefährliche Wurmer- krankung, die alveoläre Echinokok- kose, informiert sind. Im Folgenden sollen vor allem die parasitalogi- schen und epidemiologischen Zu- sammenhänge behandelt werden, die Voraussetzung für Verständnis und Einschätzung der Erkrankung sind. Klinik, Diagnostik und Thera- pie werden knapp dargestellt, da Krankheitsfälle selten sind und nach Möglichkeit nur von Erfahre- nen betreut werden sollten.

Bandwürmer allgemein sind Parasiten mit einem obligaten Wirtswechsel, das heißt, sie haben wenigstens zwei Wirte, den Endwirt und mindestens einen Zwischen- wirt. Die Endwirte, definitions- gemäß die Wirte, in welchen die ge- schlechtsreifen Würmer leben, sind grundsätzlich Karnivoren. Die Pa- rasiten leben in ihrem Darm. Die in meist großer Zahl produzierten Ei- er gelangen mit den Fäzes ins Freie. Dies verschafft den potentiellen Zwischenwirten, in der Regel Pflan- zenfresser, die Möglichkeit, die Eier mit ihrer Nahrung aufzunehmen.

Die sich aus den Eiern entwickeln- den Larven sind im Zwischenwirt stets Gewebsparasiten, was dazu führt, daß der Fleischfresser, der Endwirt, sich infiziert, wenn er die befallenen Organe, zum Beispiel Muskeln oder Innereien, verzehrt.

Der Mensch ist unter diesem Aspekt betrachtet, ein Omnivore.

DIE ÜBERSICHT

Der Kleine Fuchsbandwurm

Erreger der

alveolären Ech i nokokkose

ln einigen Gebieten Deutschlands sind ein Drittel oder mehr der Füchse mit dem Kleinen Fuchsbandwurm Echino- coccus multilocularis infiziert. Die lar- venform dieses Parasiten kann beim Menschen die Leber befallen und we- gen des infiltrativ destruktiven Wachs- tums eine lebensbedrohliche Erkran- kung auslösen, die alveoläre Echino- kokkose. Bildgebende Verfahren und serologische Untersuchungen ermögli- chen die Diagnose. Die chirurgische Entfernung des Parasiten sollte ange- strebt werden, in der Mehrzahl der Fälle ist sie jedoch nicht möglich. Che- motherapeutisch sind Benzimidazolde- rivate begrenzt wirksam.

Es darf daher nicht verwundern, daß er für einige Bandwürmer End- wirt sein kann, für andere Zwi- schenwirt, gelegentlich sogar End- wirt und Zwischenwirt gleichzeitig (Taenia-soliui:n-Befall mit Zystizer- kose ). Für die großen Bandwürmer wie den Rinderbandwurm (Taenia saginata), den Schweinebandwurm (T. solium) und den Fischband- wurm (Diphyllobothrium latum), die als eierproduzierende Adult- würmer im Darm des Menschen le- ben, ist er der Endwirt. Während diese Bandwürmer im Darm des

linstitut für Medizinische Parasitologie (Di- rektor: Prof. Dr. med. Hanns M. Seitzl der Universität Bonn

2Stiftungsprofessor der Hermann-und Willy- Schilling-Stiftung für Medizinische Forschung im Stifterverband für die Deutsche Wissen- schaft e. V, Institut für Medizinische Mikro- biologie (Direktor: Prof Dr. med. Dieter Bit- ter-Suermannl der Medizinischen Hochschu- le Hannover

Menschen kaum Krankheitserschei- nungen hervorrufen - auch bei Di- phyllobothrium-Befall kommt of- fensichtlich der in der Literatur stets erwähnte Vitamin-B-12-Man- gel nur selten vor -, kann der Befall mit den Larven der Bandwürmer, also mit den Gewebsstadien, zu schweren Erkrankungen führen.

Dies gilt vor allem für die Larven der Bandwürmer aus der Gattung Echinococcus. In Mitteleuropa sind zwei Spezies beheimatet, der kleine Hundebandwurm, Echinococcus granulosus, der Erreger der zysti- schen Echinokokkose, und E. mul- tilocularis, der Erreger der al- veolären Echinokokkose (Abbil- dung 1).

Vorkommen

von

E.

multilocularis Seit den parasitalogischen Un- tersuchungen von Vogel (11, 12), der bewiesen hat, daß E. multilocu- laris nicht eine besondere Wachs- tumsform von E. granulosus ist, sondern zoologisch eine eigenstän- dige Art, ist Süddeutschland, insbe- sondere der Raum der Schwäbi- schen Alb (5, 8, 10) als Endemiege- biet des kleinen Fuchsbandwurms bekannt, ebenso die angrenzenden Teile der Schweiz und Osterreichs.

Angeregt durch die faszinierenden Befunde über die Biologie und Epi- demiologie des Parasiten, die von der Arbeitsgruppe um W. Frank (t 1991) in Hohenheim erbracht wurden, hat man sich in den letzten Jahren der Erforschung dieses Pa- rasiten verstärkt zugewandt und feststellen müssen, daß er auch in anderen Teilen Deutschlands ver- breitet ist, etwa in Bayern, Rhein- land-Pfalz und im Westharz. Eben- so wird inzwischen aus Niedersach- sen und Thüringen Echinokokkus- Befall bei Füchsen gemeldet. Die ..,..

A-2484 (40) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994

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Abbildung 1: Adultwurm (etwas kontrahiert) aus dem Dünndarm eines Fuchses (Milchsäurekarmin- Färbung). Typisch für den kleinen Fuchsbandwurm ist das kurze Endglied; bei E. granulosus (kleiner Hundebandwurm) betrüge die Länge dieser endstän- digen Proglottide wenigstens die Hälfte der Gesamt- länge des Wurms.

Befallsraten variieren von Ort zu Ort. In einzelnen Gebieten wurden Prävalenzen beim Fuchs bis 54 Pro- zent gefunden. Große Unterschiede gibt es auch bei der Befallsintensität der einzelnen Füchse. Einige haben nur wenige Parasiten im Darm, bei anderen sind 50 000 und mehr ge- funden worden.

In den letzten Jahren ist in der Bundesrepublik eine steigende Ten- denz sowohl der Verbreitung als auch der Befallsintensität festzu- stellen. Als Ursache hierfür wird die nach der Toliwutbekämpfung zunehmende Dichte der Fuchspo- pulationen angesehen.

Lebenszyklus

Der geschlechtsreife Adult- wurm lebt im Dünndarm des Fuch- ses (Abbildung 2, 3). Mit dem Fuchskot werden Eier, vom Wurm abgestoßene Endglieder (Proglotti- den) oder ganze Würmer im Freien abgesetzt (Abbildung 4). Das fäkale Material zersetzt sich rasch, während die Eier, wenn sie nicht völlig austrocknen, lange am Leben und infektiös bleiben. Innerhalb ei- ner Temperaturspanne von —20° C

Abbildung 2: E. multilocularis im Dünndarm (rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen).

a) Juveniler Bandwurm zwischen bei der Präparati- on beschädigten Dünndarmzotten. Unten ist ein Teil eines Saugnapfs sichtbar.

b) Kopf (Skolex) eines Fuchsbandwurms mit Haken- kranz und Saugnäpfen.

Abbildung 3: E. multilocularis als Adultwurm in der Dünndarmschleimhaut des Fuchses (histologisches Präparat, HE-Färbung), der Situs entspricht Abbil- dung 2a. Unten im Bild der Kopf (Skolex), oben die endständige Proglottide mit zahlreichen Eiern. Ein freies Ei ist rechts neben dem Wurm in der Mukosa sichtbar, diese ist durch den postmortalen Zerfall be- reits stark verändert.

bis +25° C ist bei genügend feuch- tem Milieu mit einer Lebenszeit von acht und mehr Monaten zu rechnen. Die Austrocknung vertra- gen die Eier schlecht, innerhalb von Stunden sterben sie ab. Werden die Eier (Durchmesser etwa 35 gm) von Feldmäusen, den natürlichen Zwischenwirten, aufgenommen, so wird im Darm eine kugelige, mit drei Hakenpaaren ausgerüstete Larvenform des Parasiten, die On-

kosphäre, freigesetzt. Sie dringt in die Darmwand ein, gelangt nach kurzer Wanderung im Gewebe in eine Vene und wird schließlich in die Leber geschwemmt, dem Or- gan, das bei der Maus und beim Menschen fast immer, meist aus- schließlich, befallen ist. Im Leber- parenchym proliferieren die Keim- zellen stark und bilden im Laufe von Wochen und Monaten ein schwammartiges „alveoläres" Hohl- raumsystem aus (4, 12, 13), das ge- gen das Lebergewebe nicht scharf abgegrenzt ist, wie das etwa bei der Larve des kleinen Hundeband- wurms, E. granulosus, der Fall ist.

Das E.-multilocularis-Gewebe dringt mit feinen, selbst mikrosko- pisch nur schwer zu erkennenden Keimzellsträngen in das Leberge- webe vor. Die Echinokokkuslarve wächst somit infiltrativ wie ein bös- artiger Tumor. In den kleinen Hohl- räumen, welche zum Teil miteinan- der in Verbindung stehen, werden von der Keimmembran winzige Bläschen gebildet, die die Hohlräu- me ausfüllen (Abbildung 5, 6). In das Innere der Bläschen hinein dif- ferenzieren sich letztendlich Kopf- anlagen, Protoscolices (Vorköpfe), die den Halteapparat des Adult- wurms, die vier Saugnäpfe und den Hakenkranz, bereits erkennen las- sen, allerdings in nach innen ge- stülpter Anordnung (Abbildung 7).

Die Bildung der Protoscolices in der Mäuseleber entspricht einer massenhaften vegetativen Vermeh- rung. Ungefähr sechs Wochen nach der Infektion sind die ersten Kopf- anlagen ausgereift. Wird die Maus dann vom Fuchs gefressen, werden die Kopfanlagen aus dem Verband der Larve herausgedaut, sie stülpen sich um (Abbildung 8) und graben sich zwischen die Zotten, in die Darmschleimhaut, ein. Im Lauf der folgenden Wochen wird die kleine Proglottidenkette ausgebildet, der ausgewachsene geschlechtsreife Bandwurm hat dann eine Länge von zwei bis drei Millimeter. Die er- sten infektiösen Eier erscheinen et- wa sechs Wochen nach der Infekti- on im Kot des Fuchses.

Neben dem natürlichen End- wirt Fuchs können auch Katzen und Hunde befallen sein und infektiöse Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994 (43) A-2487

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Endwirt

«eiminen

Adultwurm

Larve (Brutkapsel)

Mensch Fehlzwischenwirt Ei

Zwischenwirt MEDIZIN

Eier ausscheiden, also eine Gefahr für den Menschen darstellen. Aller- dings ist auch in Endemiegebieten ein Befall dieser Haustiere selten.

Da die Infektionswege für den Menschen unbekannt sind, und auch weil die Infektion doch recht selten ist, ist es schwierig, Risiko- gruppen zu definieren. Für beson- ders exponiert könnte man zum Beispiel Jäger halten, wenn sie be- fallene Füchse abbalgen, doch sind bisher keine Untersuchungsergeb- nisse bekannt geworden, die eine besondere Erkrankungshäufigkeit bei Jägern hätten belegen können.

Vorkommen beim Menschen

Besonders hohe Prävalenzen hat die alveoläre Echinokokkose in den arktischen Gebieten Nordame- rikas. Jährliche Inzidenzen von 28 Fällen/100 000 sind festgestellt wor- den (14). Für die europäischen En- demiegebiete gelten wesentlich niedrigere Zahlen zwischen 0,18 bis 0,74/ 100 000. Einen Vergleich zwi- schen der Präsenz des Parasiten bei den Füchsen und der Erkrankung in der menschlichen Population erlau- ben Zahlenangaben, die für den Schweizer Jura vorliegen, ein Hoch- endemiegebiet: 44,3 Prozent der Füchse waren Parasitenträger, die Inzidenz der Erkrankung beim Menschen betrug dagegen nur 0,7/

100 000. Wahrscheinlich gibt es mehrere Gründe, die zusammen- wirken, dafür, daß die Infektion des Menschen so selten ist. Der sehr ge- ringe Kontakt zwischen Mensch und Fuchs dürfte eine große Rolle spielen. Daneben ist von Bedeu- tung, daß der Mensch, biologisch gesehen, sicher ein schlechter Wirt für E. multilocularis ist. Dies läßt sich bereits daraus ableiten, daß der Parasit beim Menschen fast immer sehr langsam wächst. Inkubations- zeiten von mehreren Jahren schei- nen die Regel zu sein. Seroepide- miologische Untersuchungen in der letzten Zeit haben zudem die Ver- mutung bestätigt, daß es Fälle gibt, in denen der Parasit nach einiger Zeit sein Wachstum einstellt und sogar abstirbt, so daß es nicht

DIE ÜBERSICHT

Abbildung 4: Lebenszy- klus des kleinen Fuchs- bandwurms, E. multilocu- laris. Adultwurm (zwei bis drei Millimeter lang) im Dünndarm des Fuch- ses. Die Eier werden mit dem Fuchskot abgesetzt.

Nach der Aufnahme durch Feldmäuse ent- wickelt sich in deren Le- ber die Larve. In dem Schema ist nur eine Brut- kapsel mit Kopfanlagen (Protoscolices) gezeich- net; die Larve enthält Hunderte bis Tausende solcher Brutkapseln.

Abbildung 5: E.-multilocularis-Befall der Leber der Maus (histologisches Präparat, HE-Färbung). Deut- lich ist der „alveoläre" Aufbau der Parasitenlarve.

In den „Alveolen" die Anschnitte der Protoscolices.

Am unteren Bildrand ist Lebergewebe zu sehen, blau stellen sich kleine Verkalkungen dar

zu einer eigentlichen Erkrankung kommt. Wie groß der Anteil der abortiven und klinisch irrelevanten Infektionen ist, läßt sich zur Zeit noch nicht sagen. Ein weiterer Hin- weis dafür, daß der Mensch dem Pa- rasiten meist keine guten Wachs- tumsbedingungen bietet, ist auch darin zu sehen, daß bei der Mehr- zahl der Infektionen keine Proto- scolices gebildet werden. Dies ist klinisch gesehen kaum von Bedeu- tung, da das undifferenziert wach- sende und infiltrierende Keimgewe- be das eigentlich krankmachende Agens ist.

Klinik

Die Larve von E. multilocularis befällt fast immer die Leber. In die- sem Organ wächst sie infiltrativ und zerstörend, einem Karzinom nicht unähnlich (Abbildung 9). Dement- sprechend manifestiert sich die Pa- rasiteninfektion klinisch meist mit einer Symptomatik, die an eine schwere Lebererkrankung denken läßt (1). Die zahlreichen klinischen Fragen, auch die Therapie der al- veolären Echinokokkose werden in einem eigenen Beitrag in diesem Heft behandelt. Hier soll noch auf die serologische Diagnostik einge- gangen werden.

Serologische Diagnostik

Der direkte Nachweis eines Be- falls mit E. multilocularis spielt in der klinischen Diagnostik keine Rolle, er würde die Punktion des verdächtigen „Herdes" in der Leber voraussetzen. Die Labordiagnostik der alveolären Echinokokkose be- ruht im wesentlichen auf serologi- schen Verfahren. Es gibt eine Reihe von Testverfahren. Am wichtigsten A-2488 (44) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994

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sind der indirekte Immunfluores- zenztest (IFf), die indirekte Häm- agglutination (IHA) und der ELI- SA. Die Qualität dieser Methoden hängt weitgehend von der verwen- deten Antigenpräparation ab. Da die beiden Echinokokkus-Arten ge- meinsame Antigene besitzen, und da die sogenannte Hydatidenflüs- sigkeit in E.-granulosus-Zysten eine vergleichsweise leicht zugängliche Antigenquelle darstellt, wurden und werden solche Antigene, zum Teil als Rohantigene, zum Teil par- tiell gereinigt in der Diagnostik ver- wendet, zum Beispiel in der IHA oder im ELISA. Gefrierschnitte von Protoscolices dienen als Anti- gen für den IFf (BGA-Richtlini- en). Bei sorgfältiger Einstellung und Durchführung dieser Verfahren

Abbildung 7: Proloseclex von E. multiloculoris (hi- stologisches Präparat, HE-Färbung): links der zarte Stiel, mit dem die Kopfanlage an der Keimmembran hängt. Im lnnern einander gegenüberliegend zwei typische Häkchen ols Teil des Hokenkronzes. Rechts sind zwei porasagittol angeschnittene Saugnäpfe zu sehen.

Abbildung 6: E. multiloculoris-Lorve in der Leber der Feldmaus (rosterelektronenmikroskopische Aufnah- men). Angrenzend on das Lebergewebe ist die mul- tilomelläre Membran (m) zu erkennen, deren Blät- ter sich bei der Präparation teilweise getrennt ho- ben. Eröffnet sind mehrere Brutkopseln, die von der dünnen, kaum sichtbaren Keimmembran (K) ausge- kleidet sind und die die typischen Protoscolices (p) enthalten. Mussenhoff vorhanden sind außerdem kleine Kalkkörperehen ((). Zwischen den Brutkap- seln können dünne Septen der multilomellären Membran verlaufen. (*) Gollertiger Inhalt der Brut- kapseln, der bei der Fixierung erstarrt ist.

und bei Beachtung strikter Kontrol- len werden meist gute Ergebnisse erzielt, gerade in E.-multilocularis- Fällen, die von heterologem E.-gra- nulosus-Antigen sogar zuverlässiger angezeigt werden als ein Befall mit dem homologen E. granulosus. All- gemein ist für die Echinokokken-

Abbildung 8: Isolierte Protoscolices ous der Leber ei- ner Feldmaus. Zu beobachten ist der Ausstülpungs- vorgang, wie er sich im Dorm des Fuchses abspielt, wenn dieser eine infizierte Maus gefressen hat.

Links ein ruhender Protoskolex, rechts erscheint der Hokenkronz, in der Mitte ist die Kopfanlage voll- ständig umgestülpt.

A-2490 ( 46) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994

diagnostik zu fordern, daß zwei se- rologische Reaktionen unterschied- lichen Aufbaus durchgeführt wer- den, etwa ein IFT und eine IHA, und daß aus der zusammenfassen- den Interpretation der Ergebnisse der Verdacht einer Echinokokken- infektion bestätigt oder verworfen werden kann.

Allerdings ist festzuhalten, daß mit den genannten serologischen Verfahren keine Differenzierung zwischen einer alveolären und einer zystischen Echinokokkose möglich ist, da in den Gesamtantigenpräpa- rationen bei den Echinokokkenar- ten gemeinsame und damit kreuz- reagierende Antigene vorkommen.

Deshalb wurden in den vergange- nen Jahren Anstrengungen unter- nommen, für die serologische Dia- gnostik verwertbare speziesspezifi- sche Antigene zu finden. Unter Verwendung affinitätschromatogra- phisch gereinigter Antigenfraktio- nen konnte Gottstein (6) in etwa 95 Prozent eine alveoläre Echinokok- kose von einer zystischen Echino- kokkose serologisch unterscheiden.

Die als Antigen Em2 bezeichnete Fraktion wird nur von E.-multilocu- laris-Larvengewebe exprimiert. Die Gewinnung dieses Antigens erfor- dert eine kontinuierliche Haltung des Parasiten in Versuchstieren. Ei- ne weitere Verbesserung der serolo- gischen Diagnostik gelang durch die rekombinante DNA-Technologie. ~

(5)

felsfreien Diagnose zu kommen.

Dabei leisten für die Differential- diagnose, ob ein Befall mit E. multi- locularis oder mit E. granulosus, ob also eine alveoläre oder eine zysti- sche Echinokokkose vorliegt, die bildgebenden Verfahren in der Re- gel den entscheidenden Beitrag.

Prophylaxe für den Menschen

Die Infektion des Menschen setzt voraus, daß vitale Eier des Pa- rasiten in seinen Verdauungstrakt gelangen. Diese Eier wiederum stammen aus dem Darm eines Fuchses, Hundes oder einer Katze.

Denkbar ist, daß Eier an Waldbee- ren, Pilzen oder Fallobst haften,

MEDIZIN DIE ÜBERSICHT

Abbildung 9: E. Multilocularis-Absiedlungen in der menschlichen Lunge 90) und im Retroperitonealraum 9b) (histologische Präparate, a: HE-Färbung; b: PAS-Färbung). Stark gefaltete PAS-positive Membranen umgeben kleine Hohlräume. Typisch ist die ausgeprägte Bindegewebsbildung in der Umgebung. Protoscolices nicht vor- handen, die Keimmembran besteht aus wenigen Zellen, die nur bei höherer Vergrößerung zu erkennen sind.

Es gelang, zwei Gene zu klonieren, die Proteine exprimieren, welche mit einer Spezifität von 99 Prozent die serodiagnostische Differenzie- rung zwischen einer alveolären und einer zystischen Echinokokkose er- lauben. Die Sensitivität der serolo- gischen Antikörpernachweise mit diesen rekombinanten Antigenen beträgt 94 Prozent für den Nach- weis einer alveolären Echinokokko- se und 89 Prozent für die einer zy- stischen Echinokokkose (7).

In Fällen einer negativen Sero- logie wurde zur Diagnostik der zy- stischen Echinokokkose als direktes Nachweisverfahren die histopatho- logische Untersuchung von Feinna- delbiopsien aus Echinokokkuszy- sten angewandt. Durch den Nach- weis von Protoscolices und deren Haken konnte die Diagnose einer zystischen Echinokokkose auch in solchen Fällen gestellt werden, wo serologische und radiologische Un- tersuchungsmethoden versagten.

Die zytologische und histologische Untersuchung von Feinnadelbiopsi- en von E.-multilocularis-Larvenge- webe ist schwieriger, da beim Men- schen, wie bereits erwähnt, nur in Ausnahmen Protoscolices gebildet werden. Die geringen Anteile von

laminierter Membran und Keim- membran, die das gewonnene Ma- terial enthält, können nur vom Er- fahrenen ausreichend zuverlässig beurteilt werden. Mit Hilfe moleku- larbiologischer Verfahren und der Anwendung der Polymerase-Ket- tenreaktion (PCR) könnte die Dia- gnostik der alveolären Echinokok- kose aus Feinnadelbiopsien künftig möglich sein. Ein PCR-Verfahren, das auf dem Nachweis echinokok- kenspezifischer mRNA, die nach reverser Transkription als cDNA amplifiziert werden kann, beruht, befindet sich zur Zeit in der klini- schen Erprobung (Frosch, unveröf- fentlicht). Erste Ergebnisse lassen hoffen, daß mit diesem Verfahren die alveoläre Echinokokkose nicht nur in Fällen einer negativen Sero- logie diagnostiziert werden kann, sondern daß auch die Kontrolle des Erfolgs einer medikamentösen oder chirurgischen Therapie dadurch möglich wird.

Für fast alle klinischen Fälle reicht die synoptische Bewertung von Symptomen, von morphologi- schen Befunden im Computertomo- gramm und im Kernspintomo- gramm (2) und den serologischen Ergebnissen aus, um zu einer zwei-

Abbildung 10: Alveoläre Echinokokkose der Leber im Computertomogram (a) und im Ultraschallbild (b). Das diffuse Wachstum und die Infiltration des Lebergewebes sind zu erkennen. (Die Aufnahmen sind mir dankenswerterweise von Herrn Prof. Dr. J.

G. Wechsler, Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität Ulm, zur Verfügung gestellt worden).

wenn diese mit Fuchskot in Kontakt gekommen sind. Das Verzehren sol- cher Früchte oder Pilze im Rohzu- stand könnte zu einer Infektion führen (9).

Bewiesen werden konnten der- artige Übertragungswege bislang noch nicht. Bei Echinococcus gra- A-2492 (48) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994

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nulosus, dem kleinen Hundeband- wurm, ist belegt, daß sich in der Pe- rianalregion und auch im Fell infi- zierter Hunde Eier befinden kön- nen. Durch Streicheln und andere Kontakte können Eier auf die Hän- de und damit auch in den Mund ge- langen und zur Infektion führen. Es ist vernünftig anzunehmen, daß Ähnliches auch für mit E. multilo- cularis infizierte Hunde oder Kat- zen gilt. Besondere Vorsicht ist in Endemiegebieten im Umgang mit Fuchskadavern geboten, vor allem beim Abbalgen. Das Tragen von Einmalhandschuhen wird dringend empfohlen. Fuchskadaver sollten in Plastiksäcke verpackt werden, um zu verhindern, daß Eier des Parasi- ten in die Umgebung verstreut wer- den. Zu diskutieren ist, ob nicht In- fektionen auch aerogen zustande kommen können: Mit dem Staub verwirbelte Eier können im Nasen-

Rachen-Raum oder in den oberen Luftwegen abgefangen und dann verschluckt werden. Soweit serolo- gische Untersuchungen bei den re- lativ geringen Probandenzahlen in dieser Hinsicht aussagefähig sind, ist bei Jägern kein erhöhtes Risiko zu erkennen.

Ein besonderes Problem ergibt sich, wenn bei einem Haustier, also bei Hund oder Katze, eine E.-multi- locularis-Infektion anhand von aus- geschiedenen Würmern nachgewie- sen wurde (3). Zwar gibt es gegen adulte Echinokokken wirksame Chemotherapeutika, wegen der Ge- fährlichkeit der bei einer Entwur- mung möglicherweise verstreuten Eier ist jedoch strikt von einem Be- handlungsversuch abzuraten. Das befallene Tier sollte sofort getötet werden. Als generelle Prophylaxe wird von veterinärmedizinischer Seite empfohlen, in Gebieten mit

hohem Infektionsrisiko Hunde und Katzen, die die Möglichkeit haben, Mäuse zu fangen, in Vierwochenab- ständen mit Praziquantel (Droncit) zu behandeln. Dieses Vorgehen würde bei einer Infektion der Tiere die Ausreifung der Parasiten und damit die Produktion von Eiern verhindern.

Deutsches Ärzteblatt

91 (1994) A-2484-2493 [Heft 38]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfassen

Prof. Dr. med. Hanns M. Seitz Direktor des Instituts für Medizinische Parasitologie der Universität Bonn

Postfach 18 25 53008 Bonn

Verlauf der

HIV-Infektion bei Säuglingen

Bei Säuglingen, die von ihren Müttern vertikal mit dem HIV-Vi- rus angesteckt wurden, sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Verläufe bekannt.

Bei etwa einem Fünftel der Kinder nimmt die Immunschwäche einen rasanten Verlauf, während bei der Mehrzahl die Krankheit langsa- mer fortschreitet.

Die Ergebnisse einer multizen- trischen prospektiven Kohortenstu- die in Frankreich weisen darauf hin, daß der Krankheitsverlauf bei HIV- positiven Säuglingen von der Schwere der Erkrankung der Müt- ter zum Zeitpunkt der Geburt ab- hängig ist.

Je stärker die Immunschwäche bei den Müttern ausgeprägt ist, de- sto häufiger leiden die Babys unter opportunistischen Infektionen oder Enzephalopathien.

Seit 1986 wurden insgesamt 1244 Kinder von HIV-positiven Frauen in die Studie einbezogen.

Ausgewertet wurden die Daten der 162 Babys, bei denen die HIV-Sero- logie im Alter von 18 Monaten posi- tiv war oder die bereits vorher an AIDS gestorben waren. Bei Kin- dern, deren Mütter am Geburtster- min das Vollbild von AIDS zeigten, war das Risiko für opportunistische Infektionen oder Enzephalopathien um 50 Prozent erhöht, 44 Prozent dieser Kinder starben im Beobach- tungszeitraum.

Die Kinder von Frauen, die ei- ne noch symptomlose Infektion oder nur eine ständige Lympha- denopathie zeigten, hatten im Ge- gensatz dazu nur ein 14prozentiges Erkrankungsrisiko. Auch starben nur neun Prozent innerhalb der er- sten 18 Lebensmonate.

Die Sterblichkeit der Säuglinge verhielt sich umgekehrt proportio- nal zu den CD 4+ Zellzahlen ihrer Mütter und proportional zu deren

HIV-1-p24-Antigenwerten direkt vor der Geburt. Auch die Infekti- onsrate der Kinder stieg an, wenn die Mütter bereits am Vollbild der Krankheit AIDS litten.

Die Wissenschaftler vermuten, daß sowohl die übertragene Virus- menge als auch der Zeitpunkt der Infektion des ungeborenen Kindes für diese unterschiedlichen Verläufe verantwortlich gemacht werden könnte.

Daher könnte eventuell durch eine therapeutische Verminderung der Replikation des HIV-Virus bei Schwangeren der Verlauf der Krankheit bei ihren Kindern ver- langsamt oder sogar eine Infektion der Babys verhindert werden.

Deshalb sollten Ärzte die Er- gebnisse dieser Kohortenstudie bei der Betreuung von HIV-infizierten Schwangeren in Betracht ziehen.

silk

Blanche, S. et al.: Relation of the Course of HIV Infektion in Children to the Se- verity of the Disease in Their Mothers at Delivery. N. Engl. J. Med. 330 (1994) 308-312

Dr. Blanche, Hopital Necker Enfants Malades, Unite d Immunologie-Hema- tologie Pediatrique, 149 rue de Sevres, 75743 Paris CEDEX 15, France

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 38, 23. September 1994 (49) A-2493

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