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Archiv "Indikationen zur Chromosomenuntersuchung" (01.05.1985)

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Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Die Chromosomenanalyse ist eine gezielte Laboruntersuchung in Verbindung mit einer klinischen Fragestellung. Da sie keine gene- relle Aussage darüber erlaubt, ob eine genetisch bedingte Erkran- kung vorliegt, hängt ihre Aussa- gekraft von einer richtigen Indika- tionsstellung ab. Auch die Entnah- memethode ist von Bedeutung.

N

ach geeigneter Präparation von Zellen in Mitose ist je- des Chromosom im Stadi- um der Metaphase lichtmikrosko- pisch als etwa 3 bis 7 jun langes Stäbchen sichtbar. Auf den Chro- mosomen liegen, licht- oder elektronenmikroskopisch nicht sichtbar, insgesamt geschätzt rund 50 000 Genloci mit jeweils verschiedener genetischer Infor- mation für eine spezifische Funk- tion der Zelle (McKusick 1982).

Allerdings machen Zellen unter- schiedlicher geweblicher Diffe- renzierung verschiedenen Ge- brauch von der vorhandenen In- formation. So steht Proerythrocy- ten nur die Information für Hä- moglobinsynthese zu Gebote, wenn auch für die a- und die (3- Globinkette durch Genloci auf verschiedenen Chromosomen.

Mutationen eines einzelnen Gens (Punktmutationen) haben deshalb in der Regel den Ausfall einer ein- zigen, spezifischen Funktion zur

Folge, die auf ein bestimmtes Ge- webe beschränkt sein kann.

Demgegenüber betreffen selbst die kleinsten derzeit faßbaren Aberrationen der Chromosomen viele, mindestens mehrere hun- dert, meistens einige tausend Ge- ne. Deshalb führen Chromoso- menaberrationen zu schwerwie-

genden, multiplen Schäden stets mehrerer Organsysteme, wenn auch ihre Pathogenese noch un- bekannt ist.

Jedoch erlaubt die Spezifität der genetischen Information, die in den einzelnen Chromosomen und Chromosomenabschnitten ent- halten ist, dennoch die meisten Chromosomenaberrationen mit einem bestimmten klinischen Bild zu korrelieren (Karyotyp/Phäno- typ-Korrelation). Der Arzt in der Praxis oder in der Klinik kann sie nicht alle kennen, zumal manche noch unbekannt sind, aber er hat die Aufgabe, eine sinnvolle Indika- tion zur Chromosomenanalyse zu stellen. Dies hat nicht nur diagno- stische Gründe, sondern schafft in vielen Fällen die Grundlage für ei- ne korrekte genetische Familien- beratung, gegebenenfalls ein- schließlich der Möglichkeit zu vor- geburtlicher genetischer Diagno- stik. Im folgenden gebe ich einige Hinweise, welche klinische Infor- mation man von einer Chromoso- menuntersuchung erwarten kann, und wann sie nicht sinnvoll ist.

Der normale Chromosomensatz In jedem Zellkern hat der Mensch 46 Chromosomen, bestehend aus 22 verschiedenen, in beiden Ge-

schlechtern morphologisch glei- chen, homologen Chromosomen- paaren (Autosomen), dazu entwe- der zwei X-Chromosomen im weiblichen oder ein X- und ein Y- Chromosom im männlichen Ge- schlecht.

Chromosomen können nicht nur als Ganzes, sondern auch teilwei- se identifiziert werden. Dazu muß man mit spezifischen Färbe- und Präparationsverfahren quer ver- laufende helle und dunkle Bänder entlang jedes Chromosoms sicht- bar machen. Ihre Zahl und Anord- nung ist nicht nur für jedes Chro- mosom, sondern auch für jeden Chromosomenabschnitt spezi- fisch (Abbildung 1).

Zu den praktisch wichtigsten Ty- pen von Bändern gehören die G- Bänder (Giemsa), Q-Bänder (Qui- nacrin), R-Bänder (reverses Mu- ster gegenüber G). Andere Bän- derungsverfahren identifizieren nur bestimmte Chromosomenre- gionen, zum Beispiel C-Bänder das zentromere Heterochromatin, T-Bänder die telomeren Regio- nen, NOR die nukleolus-organi- sierende Region im Bereich des kurzen Arms der akrozentrischen Chromosomen und anderes mehr.

Für die Analyse bestimmter Chro- mosomenabschnitte kann man al- so unter Umständen sehr spezifi-

Indikationen zur

Chromosomenuntersuchung

Eberhard Passarge

Aus dem Institut für Humangenetik

(Direktor: Professor Dr. med. Eberhard Passarge) der Universität Gesamthochschule Essen

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Abbildung 1: Trisomie 13 als Beispiel für eine numerische Chromosomenaberration.

Aus einem Foto der Metaphase in der oberen Bildhälfte (Vergrößerung ca. 1600fach) wurden die Chromosomen ausgeschnitten und im Karyotyp (untere Bildhälfte) ange- ordnet. Unterscheidung der Chromosomenpaare nach dem G-Bandenmuster sche Identifizierungsverfahren

heranziehen. Schon aus diesem Grunde ist Chromosomenanalyse nicht gleich Chromosomenanaly- se; bereits bei der Materialeinsen- dung sollte die Fragestellung an- gesprochen werden.

Pro haploidem Chromosomensatz kann man mit üblichen Identifizie- rungsmethoden in der Metaphase etwa 120 bis 200 Bänder unter- scheiden. Mit besonderen Verfah-

ren, die allerdings einen besonde- ren qualitativen und quantitativen Aufwand erfordern und vorläufig nur als gezielt einsetzbare Spe- zialverfahren zu betrachten sind, kann man an langgestreckten Chromosomen der Prometaphase einige hundert, nach einigen Ver- fahren bis zu etwa 2000 Bänder unterscheiden. Der Grund liegt darin, daß die meisten der in der Metaphase sichtbaren Bänder in den langgestreckten Chromoso-

men der Prometaphase in zwei, drei oder mehr verschiedene Bän- der unterteilt sind.

Typen von

Chromosomenaberrationen Man unterscheidet Aberrationen der Chromosomenzahl und der -struktur. Wenn eine Aberration nicht in sämtlichen Zellen vor- liegt, sondern verschiedene Zel- len desselben Gewebes einen verschiedenen Karyotyp haben, nennt man das eine Mixoploi- die (chromosomales Mosaik).

Schließlich sind konstitutionelle Aberrationen von solchen zu un- terscheiden, die nur in einzelnen Zellen oder Geweben vorhanden sind. Beim Menschen kommen die gleichen Aberrationstypen vor, wie sie aus der klassischen Zytologie von anderen Organis- men bekannt sind (vor allem Dro- sophila und Mais, aber auch ande- ren Tieren und Pflanzen).

Die wichtigsten numerischen Aberrationen sind Trisomien (ein ganzes Chromosom dreifach vor- handen), Monosomien (ein Chro- mosom fehlt), Triploidie (gesam- ter Chromosomensatz dreifach), Tetraploidie (vierfach). Sie bedeu- ten stets eine eingreifende Stö- rung der chromosomalen Ba- lance.

Praktisch jede chromosomale Im- balance wirkt sich klinisch aus. Ih- re Erfassung ist ein wesentliches Ziel der Chromosomenanalyse.

Da beim Menschen die meisten numerischen Chromosomenaber- rationen nicht bis zur Geburt le- bensfähig sind, ist das bei der Ge- burt auftretende Spektrum sehr begrenzt. Die meisten sind letal und führen im Laufe der ersten drei Schwangerschaftsmonate zum Tod des Embryos, klinisch häufig als Spontanabort. Aus die- sem Grunde ist bei lebend gebo- renen Neugeborenen im wesent- lichen nur mit drei autosomalen Trisomien zu rechnen (Trisomie 21, 18 und 13), sehr selten auch Trisomie 8, 9 oder 22.

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Abbildung 2: Strukturelle Chromosomenaberration, balanciert bei der Mutter (a), nicht balanciert bei ihrem Kind (b). Infolge einer Translokation des größten Teils des kurzen Arms eines Chromosoms 9 (Pfeil) an ein Chromosom 22 (Pfeil) bei der Mutter (a) hat das Kind (b) insgesamt drei kurze Arme von Chromosom 9 (partielle Trisomie 9), was zu Störungen der Entwicklung führt (Vergrößerung ca. 2000fach)

Bedeutend breiter ist das Spek- trum numerischer Aberrationen der Geschlechtschromosomen, weil ihre allgemeinen klinischen Auswirkungen geringer sind (sie- he unten). Dies sind zusätzliche Chromosomen bei männlichem Phänotyp wie XXY, XXXY, XXXXY, XYY, XXYY, oder bei weiblichem Phänotyp Monosomie X („X0") und chromosomale Polysomien wie XXX, XXXX und XXXXX. Übri- gens haben diese klinisch-zytoge- netischen Beobachtungen Anfang der sechziger Jahre wesentlich zu der Erkenntnis beigetragen, daß bei Säugetieren das Y-Chromo- som für die männliche Ge- schlechtsdetermination entschei- dend ist.

Auch die Aberrationen der Chro- mosomenstruktur entsprechen den aus der klassischen Zytologie bekannten Typen: Inversion (Um- kehr der polaren Richtung gegen- über dem Zentromer), Transloka-

tion (Umordnung), Deletion (Ver- lust), Insertion (Einschub), sowie des weiteren eine Reihe komple- xer Umordnungen.

Grundsätzlich ist zu unterschei- den, ob eine Strukturveränderung chromosomal balanciert ist (kein Verlust, kein Zuviel) oder unbalan- ciert ist. Ist sie balanciert, so ist sie nicht von klinischen Erschei- nungen begleitet. Sie kann jedoch ein erhöhtes Risiko für die Bil- dung von Gameten mit unbalan- ciertem Karyotyp bedeuten (Ab- bildung 2).

Zur Terminologie

von Chromosomenaberrationen Fragen der Terminologie sind für den nicht zytogenetisch tätigen Arzt kaum von Interesse. Trotz- dem sollen zur Erleichterung der Verständigung zwischen Chromo- somenlabor und überweisendem Arzt einige Grundprinzipien der Terminologie von Chromosomen- aberrationen dargestellt werden.

Die autosomalen Paare sind durchnumeriert von 1 bis 22 zu- sammen mit den Geschlechts-

chromosomen im Karyotyp ange- ordnet. Man schreibt jeweils die Gesamtzahl aller Chromosomen und gibt die Geschlechtschromo- somen gesondert an, also 46,XY

oder 46,XX. Ordnungsprinzip des Karyotyps ist nicht genetischer In- halt, sondern für jedes Chromoso- menpaar sind es definierte mor- phologische Merkmale.

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Der ermittelte Chromosomensatz wird notiert durch Angabe der Ge- samtzahl der Chromosomen und zusätzliche Angabe der Ge- schlechtschromosomen, zum Bei- spiel 46,XY (normal männlich), 46,XX (normal weiblich), 47,XXY (ein X-Chromosom im männlichen Geschlecht zuviel), 47,XXX (ein X- Chromosom im weiblichen Ge- schlecht zuviel), 48,XXYY (ein X- und ein Y-Chromosom zuviel), 49,XXXXY (drei X-Chromosomen zuviel), 45,X0 (nur 45 Chromoso- men und ein X-Chromosom vor- handen; formal korrekte Schreib- weise eigentlich „45,X", die aber in der Praxis von vielen Laborato- rien wegen der Möglichkeit von Schreibfehlern nicht verwendet wird). Die Anwesenheit eines Y- Chromosoms läßt auf einen männ- lichen Phänotyp schließen.

Bei zusätzlichen Autosomen wird nach der Gesamtzahl der Chro- mosomen und den Geschlechts- chromosomen das zusätzliche Chromosom nach einem Plus- zeichen hinzugefügt. Beispiel:

47,XY,+21 bedeutet Gesamtzahl 47 Chromosomen, XY männliche Geschlechtschromosomen und ein zusätzliches Chromosom 21.

Hat man das zusätzliche Chromo- som nicht individuell identifiziert, sondern nur seiner Gruppe zuord- nen können, so schreibt man zum Beispiel „47,XY,+G" (zusätz- liches Chromosom der G-Gruppe, das heißt Chromosom 21 oder 22).

Bei Mixoploidie (chromosomales Mosaik) werden die in verschiede- nen Zellen gefundenen Karyoty- pen eines einzelnen Individuums nacheinander aufgeführt, ge- trennt jeweils durch einen Schrägstrich. Also bedeutet 46,XX/47,XX,+13, daß nebenein- ander Zellen mit einem normalen weiblichen Chromosomensatz und Zellen mit einem weiblichen Chromosomensatz, aber einem zusätzlichen Chromosom 13 vor-

liegen.

Jedes Chromosom ist aufgrund seines spezifischen Bandenmu- sters in kartographisch verschie-

dene Regionen und Bänder ein- geteilt. Dabei bezieht man sich je- weils auf den kurzen Arm eines Chromosoms durch die Verwen- dung des Buchstabens „p" und auf den langen Arm durch den Buchstaben „q". So bedeutet 13q langer Arm eines Chromosoms 13 oder 5p kurzer Arm eines Chro- mosoms 5.

Jeder Chromosomenarm besteht aus numerierten Regionen, die wiederum in numerierte Bänder unterteilt sind. Die Bezeichnung 13q14 bedeutet, daß man sich, von rechts nach links gelesen, auf Band 4 von Region 1 des langen Arms eines Chromosoms 13 be- zieht.

Nach diesem Verfahren werden bei Translokationen die Bruch- punkte der beteiligten Chromoso- men angegeben. Die an einer Translokation beteiligten Chro- mosomen werden zunächst nach ihrer numerischen Zuordnung durch ein Semikolon getrennt in einer Klammer aufgeführt, der ein

„t" vorangestellt ist (Abkürzung für Translokation). Eine Translo- kation, an der beispielsweise die Chromosomen 3 und 18 beteiligt sind, wird somit geschrieben:

„t(3;18)".

Auf die in Klammern bezeichne- ten beteiligten Chromosomen folgt in einer weiteren Klammer die Angabe der jeweiligen Bruch- punkte, zum Beispiel 3p13 und 18q11, das heißt ein Bruchpunkt in Region 1 Band 3 des kurzen Arms eines Chromosoms 3 (3p13) und in Region 1 Band 1 des lan- gen Arms eines Chromosoms 18 (18q11).

Komplett geschrieben wird eine solche Translokation wie folgt:

t(3;18)(p13;q11).

Lediglich bei Translokationen zwi- schen akrozentrischen Chromo- somen und Fusion im Zentromer- bereich (Robertson'sche Translo- kation vom zentrischen Fusions- typ) läßt man das trennende Semi- kolon fort und schreibt zum Bei-

spiel t(14q21q), das heißt ein durch Fusion des langen Armes je eines Chromosoms 14 und eines Chromosoms 21 entstehendes Translokationschromosom.

Der Verlust eines bestimmten Chromosomenabschnitts wird durch ein nachgestelltes Minus- zeichen angezeigt; das Zuviel durch ein nachgestelltes Pluszei- chen. Das Ende eines Chromo- soms (Telomer) wird mit „ter" ab- gekürzt. So bedeutet die Bezeich- nung 6p11—>6pter den gesamten kurzen Arm (p) eines Chromo- soms 6 vom Zentromer bis zum Telomer. Auch hier kann man ge- gebenenfalls den Bruchpunkt ein- fügen.

Bei der oben erwähnten Untertei- lung einzelner Bänder in Subbän- der, zum Beispiel bei Chromoso- men der Prometaphase, verfährt man nach dem Dezimalsystem.

Kann man zum Beispiel das Band 13q14 in drei Subbänder untertei- len, so schreibt man 13q14.1, 13q14.2 und 13q14.3. Weitere Un- terteilungen sind nach diesem Sy- stem möglich.

Weitere, relativ häufig vorkom- mende Abkürzungen sind „cen"

für Zentromer, „der für Defi- zienz, „der für Deletion, „dup"

für Duplikation, „ins" für Inser- tion, „inv" für Inversion, „r" für

Ringchromosom, das immer eine Deletion impliziert, „tel" für Telo- mer. Bezüglich weiterer Einzel- heiten sei auf die Spezialliteratur verwiesen.

Material für eine

Chromosomenuntersuchung Eine Chromosomenuntersuchung erfordert als Ausgangsmaterial Zellen im Teilungsstadium der Metaphase oder Prometaphase.

Für diagnostische Zwecke bieten sich in der Praxis drei Arten von Zellen an: (1) Lymphozyten des peripheren Blutes, (2) Zellen aus dem Knochenmark, (3) fibrobla- stenartige Zellen aus einem Haut- stückchen.

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Abbildung 3:

Schema der betroffenen Chromosomen 9 und 22 aus Abbildung 2 Die beiden Paa- re links stam- men aus Zellen der Mutter, die beiden rechten Paare aus Zel- len des Kindes.

Beim Kind ist der kurze Arm eines Chromo- soms 9 dreifach vorhanden

Materialentnahme und Kultivie- rungsmethode unterscheiden sich für diese drei Arten von Zel- len wesentlich, so daß sie in der Praxis nicht gleichwertig verwen- det werden können. Die Lympho- zyten des peripheren Blutes müs- sen zur Zellteilung stimuliert wer- den, meist durch Phytohämagglu- tinin. Zellen aus dem Knochen- mark zeigen spontane Mitosen.

Zellen aus einem Hautstückchen teilen sich im Verlauf der Kultivie- rung. Für diagnostische Zwecke kommt zunächst nur eine Lym- phozytenkultur aus einer Blutpro- be in Betracht. Die beiden ande- ren Möglichkeiten sind Sonderfäl- len vorbehalten (siehe unten).

nahme Heparin und nicht ein an- deres gerinnungshemmendes Mittel verwendet wird. Wir emp- fehlen Liquemin oder Vetren. Das Blut muß steril sein und darf nicht verklumpen. Das relative Volumen von Heparin beträgt etwa 10 Pro- zent der Blutprobe. Ein höherer Gehalt an Heparin ist nicht nur nicht erforderlich, sondern unter Umständen schädlich, weil prä- servierende Zusätze im Heparin zu Hämolyse führen können.

Das einfachste Verfahren ist: man zieht Heparin vor der Blutentnah- me in die Spritze auf und punk- tiert dann die Vene. Der Versand erfolgt entweder in der Spritze mit

Wie bereits erwähnt, müssen Be sonderheiten bei der Fragestel- lung bereits vor oder spätestens mit dem Versand der Blutprobe mit dem Labor abgeklärt sein.

Üblicherweise dauert eine Lym- phozytenkultur 72 Stunden. Bei besonderer Fragestellung ist eine Kultivierung für 48 Stunden mög- lich. Da sich eine Chromosomen- analyse nicht auf die Untersu- chung einer einzigen Zelle, son- dern auf zahlreiche Metaphasen erstreckt, erfordert die mikrosko- pische, gegebenenfalls mikropho- tographische Analyse genügend Zeit. Dies kann, die Vorbereitung und Durchführung der Kultur, die

Lymphozytenkultur

Für eine Lymphozytenkultur wird steriles, heparinisiertes Venen- blut benötigt. Die zu entnehmen- de Menge beträgt, mit gewissen Unterschieden von Labor zu La- bor, etwa 2 bis 10 Milliliter. Bei Neugeborenen und kleinen Säug- lingen kann eine Chromosomen- analyse aus weniger Blut durch- geführt werden, etwa 0,5 Milliliter.

Nach Absprache mit dem aufneh- menden Laboratorium ist es auch möglich, eine Chromosomenana- lyse aus 5 bis 8 Tropfen Blut vor- zunehmen, wenn diese direkt bei der Entnahme in ein geeignetes Nährmedium überführt werden.

Es ist wichtig, daß für die Blutent-

aufgesetzter, aber ausreichend befestigter Kanüle und entspre- chendem Schutz, oder in einem sterilen Röhrchen. Die Versandart sollte mit dem Labor abgespro- chen werden.

Die Spritze kann auf dem Postwe- ge in das aufnehmende Laborato- rium versandt werden. Zwar sollte die Versandzeit möglichst kurz gehalten werden, so daß ein Post- versand über das Wochenende nicht empfehlenswert ist, aber auch ein mehrtägiger Postweg ist durchaus mit einer erfolgreichen Kultivierung vereinbar. Blut für ei- ne Chromosomenanalyse kann auch bis zu etwa 24 Stunden post modern entnommen werden.

Aufbereitung zur Gewinnung der Präparate nicht gerechnet, einige Stunden betragen. Für bestimmte präparative Methoden sind ganz frische Präparate nicht brauchbar.

Somit ist nach Eingang einer Blut- probe in einem Laboratorium frü- hestens nach 4 bis 5 Tagen mit ei- nem vorläufigen Ergebnis zu rechnen. Andere Arbeitslast nicht gerechnet, vergehen bis zum En- de einer vollständigen Analyse in der Regel etwa 10 Tage. In der Praxis kann man davon ausgehen, daß in einem Chromosomenlabor etwa nach 4 bis 8 Wochen mit dem Ergebnis gerechnet werden kann. Aber auch unter guten La- borbedingungen kann es vorkom-

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men, daß Lymphozytenkulturen nicht richtig gewachsen oder die Präparate nicht optimal auswert- bar sind. Bei einigen Erkrankun- gen reagieren die Lymphozyten zum Beispiel nicht auf die Stimu- lierung zur Mitose.

Knochenmarkzellen

Die Chromosomenanalyse aus Knochenmarkzellen ist speziellen Fragestellungen vorbehalten. Da- zu zählt vor allem die zytogeneti- sche Untersuchung bei bestimm- ten Leukämieformen. Hier ist in jedem Falle eine vorherige Ab- sprache mit dem aufnehmenden Chromosomenlabor erforderlich, und zwar nicht nur zu Abklärung der Indikationsstellung, sondern auch zu Fragen der Materialge- winnung und des Transports.

Auch hier wird das Knochenmark- punktat in einer heparinisierten Spritze gewonnen. Danach ist ein möglichst rascher, direkter Trans- port in das Laboratorium erforder- lich. Die Kultivierung ist in diesem Falle nur kurzzeitig (je nach Me- thodik nur wenige Stunden) ohne Verwendung von mitosestimulie- renden Substanzen. Ein Postver- sand ist deshalb nicht oder nur mit besonderen Vorkehrungen möglich.

Zellkulturen

aus einem Hautstückchen

Eine Chromosomenanalyse aus Zellkulturen aus einem Hautstück- chen erfordert gleichfalls indivi- duelle Absprache mit dem auf- nehmenden Laboratorium. Hier kann die Indikation in der Regel nicht vom überweisenden Arzt, sondern nur vom bearbeitenden Laboratorium gestellt werden.

Das Hautstückchen von 2 x 4 mm Größe muß steril entnommen und direkt in Kulturmedium überführt werden. Postversand ist möglich.

Die durchschnittliche Kultivie- rungsdauer bis zur Herstellung der Chromosomenpräparate be- trägt rund 3 bis 6 Wochen.

Die Untersuchung von Zellen in der Meiose ist speziellen Frage- stellungen und speziell darauf eingestellten Laboratorien vorbe- halten, zumal sie eine Testispunk- tion erfordern würde.

Neben einer Chromosomenanaly- se gibt es als Suchtest für die An- oder Abwesenheit der Ge- schlechtschromosomen eine Ana- lyse aus Interphasekernen: Be- stimmung des X-Chromatins und des Y-Chromatins. Dies sind tech- nisch verhältnismäßig einfache Suchtests, die aber nur eine be- grenzte Information ergeben. Ge- genüber der bedeutend aussage- fähigeren Chromosomenanalyse haben diese Verfahren in den letz- ten Jahren in der Praxis erheblich an Bedeutung verloren.

Als Ausgangsmaterial benötigt man Abstriche der Mundschleim- haut auf einem Objektträger, der für mindestens zwei Stunden in einer Mischung von 96 Prozent Äthanol und Äther (1:1) fixiert wor- den ist. Anschließend können die Objektträger trocken transportiert werden. Da erfahrungsgemäß die Abstriche vom Ungeübten entwe- der zu dick oder zu dünn aufgetra- gen werden, empfiehlt sich auch hier eine vorherige Absprache mit dem aufnehmenden Chromoso- menlabor.

Bei bestehender Indikation wer- den die Kosten für eine Chromo- somenanalyse in der Regel von den Krankenkassen gemäß Ge- bührenziffern 4870-4873 über- nommen.

Allgemeine Leitlinien für die Indikation

zur Chromosomenuntersuchung Durch eine Chromosomenunter- suchung können nur lichtmikro- skopisch nachweisbare aneuplo- ide Störungen erfaßt werden, das heißt Störungen der chromoso- malen Balance. Dies ist eine defi- nierte Gruppe von Defekten. Ge- netisch bedingte Erkrankungen aufgrund von Punktmutationen

sind mit einer Chromosomenana- lyse, von seltenen Ausnahmen ab- gesehen (siehe unten), nicht faß- bar. Aus diesem Grunde ist eine Chromosomenuntersuchung kei- ne Methode zur Erfassung gene- tisch bedingter Erkrankungen schlechthin. Die Chromosomen- untersuchung ist analog der Prü- fung der Seiten eines Buches auf zahlenmäßige und strukturelle Vollzähligkeit hin, aber sie erfaßt keine Druckfehler (Punktmutatio- nen). Prinzipiell läßt sich eine Indi- kation zur Chromosomenuntersu- chung aus diagnostischen und ei- ne Indikation aus prognostischen Gründen unterscheiden:

Bei den diagnostischen Gründen geht es um eine akkurate ätiologi- sche Zuordnung der Erkrankung und der daraus resultierenden verbesserten Genauigkeit der ge- netischen Beratung. Eine Indika- tion aus prognostischen Gründen bezieht sich auf die Familienpro- gnose, wie die Beurteilung eines möglichen Risikos bei einer wei- teren Schwangerschaft oder bei anderen, oft selbst nicht erkrank- ten Familienmitgliedern.

Grundsätzlich sollte die Indikation zur Chromosomenuntersuchung im Zusammenhang mit geneti- scher Diagnostik und Beratung gestellt werden, zum Beispiel im Rahmen eines genetischen Kon- sils oder einer Vorstellung in einer genetischen Sprechstunde. Dies ist jedoch wegen der begrenzten Zahl kompetenter Untersu- chungsstellen nicht immer prakti- kabel, so daß unter Umständen die Indikation zur Chromosomen- untersuchung auch ohne vorheri- ge Konsultation mit einem medizi- nischen Genetiker gestellt wer- den muß.

Es kann nicht genug betont wer- den, wie wichtig eine vorherige Verständigung mit einem medizi- nischen Genetiker ist. Auf diese Weise kann auch ein genetisch nicht sehr versierter Arzt in relativ kurzer Zeit genügend Erfahrun- gen in der Indikationsstellung zur Chromosomenanalyse sammeln.

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Diagnostische Fragestellungen Von einer Chromosomenuntersu- chung kann eine Information über folgende diagnostische Fragestel- lungen erwartet werden:

(D, Aussage über autosomale Chromosomenstörungen (patho- logische Abweichung der norma- len Zahl oder Struktur der Autoso- nnen); zum Beispiel bei Verdacht auf Down-Syndrom*),

© Störungen der Geschlechts- chromosomen;

C) Nachweis chromosomaler In- stabilität bei einigen hereditären Erkrankungen;

® Nachweis einer brüchigen Stelle am langen Arm des X-Chro- mosoms bei einer Form von X- chromosomalem Schwachsinn;

© Spezifische Chromosomen- veränderungen in Knochenmark- zellen bei bestimmten Leukosen und Tumoren des lymphatischen Systems;

(D Nachweis somatischer Strah- lenschäden als sogenannte biolo- gische Dosimetrie bei Verdacht auf akzidentelle Ganzkörperbestrah- lung von mehr als etwa 5 rad;

*) Siehe hierzu die Übersichtsarbeit von Flatz, G., und Miller, K.: Väterlicher Alterseffekt bei Down-Syndrom und anderen chromo- somalen Trisomien? im gleichen Heft, Seite 1354.

C) bei bestimmten Situationen als Paternitätsnachweis mittels chromosomaler Marker in Verbin- dung mit anderen genetischen Markern (Blutgruppen, Serumpro- teine, HLA-System).

Prognostische Indikationen Wesentliche postnatale progno- stische Indikationen betreffen den Ausschluß einer familiär beding- ten Chromosomenaberration bei Familienmitgliedern, und zwar

®

wenn bei einem Propositus eine Chromosomenaberration vorliegt, die den Verdacht auf eine familiär auftretende Störung na- helegt, zum Beispiel eine Translo- kation;

C Chromosomenuntersuchun- gen aus Blutzellen beider Partner nach zwei oder mehr Spontan- aborten, die gynäkologisch nicht erklärbar sind;

C) Verlaufskontrolle bei chroni- scher Myelose durch zytogeneti- sche Untersuchungen von Kno- chenmarkzellen.

Wenn bei einem Propositus eine nicht-familiäre Chromosomena- berration festgestellt wurde, zum Beispiel eine Trisomie, dann ist ei- ne Chromosomenuntersuchung bei Familienmitgliedern, die nicht erkrankt sind, auch nicht erforder- lich.

Wann ist eine

Chromosomenanalyse nicht indiziert?

Eine Chromosomenuntersuchung ist kein genereller Test zur Erhär- tung des Verdachts auf eine erblich bedingte Erkrankung schlechthin. Insbesondere ist bei folgenden Problemen kein Auf- schluß durch eine Chromosomen- untersuchung zu erwarten: Abklä- rung einer isolierten geistigen Entwicklungsstörung; Mikroze- phalie ohne andere somatische Begleiterscheinungen; isolierte Fehlbildungen einzelner Extremi- täten oder begrenzter Bereiche des Körpers; angeborene Herzde- fekte; Verdacht auf intrauterine Schäden durch Chemikalien, Strahlen niedriger Dosis (unter 5 rad) oder Infektionen; multiple Fehlbildungen aufgrund eines de- finierten hereditären Krankheits- bildes und anderes mehr.

In allen Zweifelsfällen sollte die Fragestellung mit einem medizini- schen Genetiker abgesprochen werden, anstatt Kosten für einen aufwendigen Test zu verursachen, der vielleicht keine diagnostische Aussage erlauben würde.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Eberhard Passarge Institut für Humangenetik Universitätsklinikum Essen Hufelandstraße 55

4300 Essen 1

KONGRESS-NACHRICHT

Loperamid steigert die Flüssigkeitsresorption

Drei Arbeitsgruppen berichteten auf der 39. Jahrestagung der Deutschen Gastroenterologen in Berlin über Untersuchungen zu dem Wirkungsmechanismus des Antidiarrhoicums Loperamid. Ewe konnte zeigen, daß Loperamid im menschlichen Jejunum die Flüs- sigkeitsresorption stimuliert und gleichzeitig die Passage verlang-

samt. Simultan läßt sich eine Re- duktion der intestinalen Sekretion nachweisen. Farack und Loesch- ke konnten diese Ergebnisse am Rattenkolon in vivo bestätigen, wobei Loperamid die durch Bis- acodyl verursachte Flüssigkeits- sekretion durch Erhöhung der Ab- sorption hemmte, während die Schleimsekretion unbeeinflußt blieb. Knauf glaubt hingegen, daß die antidiarrhoische Wirkung des Loperamids zumindest teilweise auf einer Hemmung der CI-Sekre-

tion beruht. Er schließt dies aus einer Zunahme des spezifischen Wandwiderstands des Epithels, wobei es zu einem Abfall des Kurzschlußstroms kommt.

Ewe, K., Karbach, U., Junge, H., Schmidt, J.:

Wirkung von Loperamid auf den Flüssigkeits- transport und die PGE 2-induzierte Sekretion und die Flüssigkeitspropulsion im mensch- lichen Jejunum. Farack, U. M., Loeschke, K.:

Der Einfluß von Loperamid auf die sekretago- ge Wirkung von Bisacodyl am Rattenkolon in vivo. Knauf, H., Lübcke, R., Haag, K., Berger, E., Gerok, W.: Zum Mechanismus der Loper- amidwirkung am Kolon. (39. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Berlin 1984)

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